The Gap 160

Page 54

Rezensionen Musik

Verschiedene Interpreten

Ana Threat

06

07

Das Internet hat unser Leben zerstört, uns entromantisiert. Die erhabenste Kunstform, die uns genommen wurde, ist das Mixtape. Eine schnöde Spotify-Playlist kann dessen aufgeladener Fitzelei und Detailverliebtheit niemals gerecht werden. Ein Mixtape ist nicht nur die Zusammenstellung geliebter Hits, durch die sich – meistens – jemand anderes verlieben soll. Es folgt ganz klaren Regeln. Beim Labelsampler ist es ähnlich. Songs, die das Label liebt, in denen das ganze Herzblut steckt, werden zusammengestellt, um Leute zu erreichen, die sonst viele dieser wunderbaren Künstler nie entdeckt hätten. Die Regeln dafür? Zuerst einmal braucht es die Cashcows, quasi die Ankermieter in der Gestaltungsarchitektur eines Samplers. Sie spülen andere Bands auf die Plattenspieler und in das Hörbewusstsein. Siluh, Wiener Label größter Bedeutung, greift auf seiner zweiten Zusammenstellung auf eigene Stars (Mile Me Deaf, Sex Jams, Vague) und den erweiterten Dunstkreis zurück: Ja, Panik und Chartstürmer Voodoo Jürgens präsentieren bislang unveröffentlichte Stücke oder Versionen. Dann braucht es eine ideologische Klammer, idealerweise Songs, die erklären, worum es hier geht. Mixtapes bestehen ja auch aus Lieblings- und Liebesliedern. Diese Klammer stammt im vorliegenden Fall von Clemens Band Denk (Foto), deren titelgebender und eigentlich bereits 2014 erschienener Kleinsthit »Aber der Sound ist gut« in zwei Remixes darlegt, dass technisches Können niemals musikalische Qualität garantiert, ihr vielleicht sogar im Wege steht. Etwas, das viele Künstler auf dem Sampler eint. Und, vielleicht das Wichtigste auf jedem Mixtape: Es braucht Künstler, die entdeckt werden wollen, die der Distinktion dienen. Im Fall von »Aber der Sound ist gut« könnte man über viele davon auch schon im Programmheft eines Wiener Gürtellokals gestolpert sein. Die Qualität, die dabei geboten wird, ist so vielfältig wie die musikalische Ausrichtung dieses Samplers. Wobei Bruch & Anna Pü, Tommy Moonshine und die schon des Öfteren hochgelobten Sluff nachhaltig auf sich aufmerksam machen. Mehr geht natürlich immer, aber es stimmt schon: Der Sound ist gut. (VÖ: 25. November 2016) Dominik Oswald

052-057 The Gap 160 Rezensionen.indd 54

Cold Lve — Cut Surface Ein Phantom der heimischen Underground-Szene, eine Kunstfigur mit Wrestling-Maske – Ana Threat, das Alter Ego von Kristina Pia Hofer, geistert schon länger durch die Clubs und Kaschemmen des Landes. Im Duo The Happy Kids zelebriert sie gemeinsam mit Trash-RockChefarchivar Al Bird Dirt rauschende Garage-Auftritte, bei Kristy And The Kraks frönt sie zusammen mit Kate Kristal kühnsten Sixties-Tunes à la The Shangri-Las. Solo, als 1-Kid-Kombo, wie sie es selbst nennt, legt sie nun mit »Cold Lve« – endlich! – ihr Debütalbum vor. Angepriesen wird das gute Stück als Soundtrack für einsame Schlafzimmerpartys. Und beim Anhören der Platte ist die Vorstellung einer sich im Bett verschanzenden Ana Threat inklusive E-Gitarre, Fuzz-Pedal und Vierspurgerät auch nicht so weit hergeholt. Nach viel Ausprobieren und Austoben hören sich die zehn Nummern an, denen trotz Garage-artigen Klangverschmelzungen eine gewisse Reduktion zugrunde liegt. Der Sound, dem Ana Threat auf »Cold Lve« nachjagt, klingt wie eine Obsession, aufgespart für das erste große Soloding. Ein bisschen Exotica, ein bisschen Voodoo (aber ohne Jürgens) – manchmal klingt das dann nach brüllenden Affen, denen man vergessen hat, Zucker zu geben. Wie beispielsweise bei »House Of Wired«. Der an ein Megaphon erinnernde Stimmeffekt, Ana Threats bester Freund und Helfer, rückt dabei nicht von ihrer Seite. Es legt sich über den Affenzirkus mit repetitiven Lo-FiVerschnörkelungen und versüßt den durchtränkten Twang-Gitarren-Sound des Albums. Collagenhaft bastelt Threat die Songs zusammen, wie es ihr gefällt, wodurch nostalgische Hommagen wie »Clap Clap« entstehen, die die Geister der längst verschollenen Eighties-Gruppierung The Belle Stars beschwören. Zwischendurch klingt es dann aber doch auch wieder nach großer Rock-’n’-Roll-Attitüde, wie bei »The Walk Pt. 1«, die sich mit der vermeintlichen Rückkehr der wildgewordenen Affen schließlich in rauer Ausgelassenheit auflöst. Auf der Bühne kommt dieses ungestüme Wesen sicher gut, auf die Live-Umsetzung von »Cold Lve« darf man jedenfalls gespannt sein. (VÖ: 25. November 2016) Michaela Pichler ANA THREAT COLD LVE

A CHOP CHOP (1:48) COLD LVE (3:41) JOHNNY JOHNNY (3:41) CLAP CLAP (2:21) SLEEP SLEEP (4:53)

B HOUSE OF WIRED (4:08) PENETRATION (2:51) THE WALK, PT. I (2:34) DEAD MOVED (3:45) THE WALK, PT. II (4:01)

eSeL.at, Thomas Lieser

054

Aber der Sound ist gut — Siluh

All songs written, arranged and performed by Ana Threat in January 2016, except Clap Clap (comp. Chase/Kent/McCarthy) and Penetration (comp. Leonard). Recorded, mixed and mastered by Florian Tremmel. Cover photos by Eva Mühlbacher (instant stories) and unknown artist (Trash Rock Archives). Image editing by Siegfried Füreder. Artwork by Kate Kristal. Consultant: Philipp Hanich. This album is dedicated to The Happy Kids (1969 – 1976) and Totally Wired Records (2012 – 2016). May we go on forever.

30.11.16 16:55


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.