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Alexandra Baum

Fakten zur Expo 2010: Ort: Shanghai | Termin: 1. Mai bis 31. Oktober 2010 | Gelände: zu beiden Seiten des Huangpu-Flusses, südlich des Stadtzentrums, 5,28 km², Motto: Better City, Better Life | Aussteller: über 200 Nationen und internationale Organisationen

FOTO: LUTZ EDELHOFF

Thüringer Innovation auf der Weltausstellung EXPO Shanghai – Recyclebare Hightech-Materialien für das Bekleidungskonzept im deutschen Pavillon Nachhaltigkeit war das Zauberwort, als am 1. Mai die Weltausstellung EXPO 2010 in Shanghai ihre Tore für die nächsten sechs Monate öffnete. Unter dem Motto „Bessere Stadt, besseres Leben“ zeigen fünf zentrale Themenpavillons ganz unterschiedliche Aspekte städtischer Entwicklung. Deutschland ist mit einem eigenen 6 000 Quadratmeter großen Pavillon und dem Motto „Balancity – Die Stadt im Gleichgewicht“ vertreten. Wenn täglich die Besucher durch den deutschen Pavillon schlendern, dann wird vielen sicher auch die Bekleidung der Mitarbeiter auffallen. Das Konzept für dieses Outfit stammt von der Thüringer Designerin Alexandra Baum, die erstmals konsequent nachhaltige Hightech-Materialien verwendete. Ein Gespräch mit der Erfurter Designerin über nachhaltige Mode und ihr Bekleidungskonzept für die EXPO 2010 in Shanghai.

das Thema herantrauen, sind in der Regel nicht die großen Firmen. Die halten sich solange zurück, bis es ein großes Business wird. Es ist nach wie vor ein sehr komplexes Thema, denn nur Biobaumwolle allein macht noch kein Ökoshirt.

Elementen einer Tracht gespielt, mit Schulterklappen, aber die fielen dann weg und es wurde schlichter. Uns wurde bei den vielen Vorgesprächen klar, wie viele Aspekte Beachtung finden müssen, um in das Gesamtkonzept und natürlich das Budget zu passen.

Ist das Wort „Nachhaltigkeit“ nicht etwas überstrapaziert? Man kann es nicht mehr hören, stimmt, aber es gibt wenige Alternativen. Ich mag diesen Begriff auch nicht, denn man kann alles und nichts damit transportieren. Kreislauffähig klingt sperrig, aber es ist sicher das Wort, was wir anstreben sollten. Wir müssen Produkte schaffen, die intelligent sind. Nicht weil sie leuchten oder atmungsaktiv sind, sondern weil sie keinen Müll erzeugen, weil sie kreislauffähig sind. Wir reden beim Modemarkt über einen sehr schnelllebigen Markt. Warum muss ich ein T-Shirt konzipieren, was fünf Jahre hält. Es reicht doch, wenn ich ein Bekleidungsstück kaufen kann, das nur ein Jahr hält, dann gehen die Farben von alleine raus, niemand wird gesundheitlich beeinträchtigt, nichts passiert.

Die EXPO Shanghai ruft und Thüringen schickt eine Gartenbank, einen Gartenzwerg, viele Prospekte und als wichtigsten Import Ihre Bekleidungsideen, die der Welt zeigen sollen, was möglich ist. Wie innovativ ist Ihr Konzept? Ich beschäftige mich seit vielen Jahren schon mit innovativen Stoffen und zukunftsweisenden Technologien. Das Bewusstsein für nachhaltige Mode und Ökologie wird sicher als wichtiger Bestandteil der EXPO viele Menschen ansprechen. Ich will zeigen, was in einigen Jahren vielleicht auch in unserem Kleiderschrank ganz normal ist. Das war vor einigen Jahren noch nicht denkbar. Wie kam dieser Auftrag zustande? Ende 2007 erhielt ich einen Anruf von einem Architekturbüro, mit denen ich mal zusammengearbeitet habe. Die hatten gerade die Ausschreibung der Bundesrepublik für den deutschen Pavillon auf dem Tisch. Weil auch die Bekleidung darin eine Rolle spielte und Architekten mit diesem Aspekt wenig zu tun haben, fragten sie mich, ob ich mich nicht mit einem Konzept beteiligen will.

Was man auf den Fotos nicht sieht, das ist, was sich im Stoff versteckt. Es sieht zuerst ganz normal aus? Also, Ökoklamotten sieht man das natürlich nicht an, was in ihnen steckt. Das ist ein Thema, das wir immer haben. Du siehst kein Gift in Bekleidungsstücken, aber auch nicht die ökologische Besonderheit. Aber auch bei einem Apfel ist das so. Wir hätten natürlich jedes Kleidungsstück mit LED-Birnen ausstatten können, aber es ging um Nachhaltigkeit, darum, was Deutschland in Sachen Nachhaltigkeit in vielen Bereichen leisten kann. Man sieht es der Kleidung nicht an, deshalb müssen wir immer wieder darüber reden. Und das werden auch die Hostessen und Hosts vor Ort. Es gab spezielle Schulungen, denn sie müssen wissen, wie ihre Kleidung funktioniert, falls sie jemand fragt.

Wie hat sich dann das Design ergeben? In erster Linie ging es um ein Farbkonzept. Grell sollte es sein, damit die Hostessen und Hosts in dem deutschen Pavillon den Besuchern auffallen. Es konnte aus unserer Sicht ein frisches Grün sein, was vom Thema her passt. Und es könnte auch Rot sein. Am Ende wurde es ein Orange-Rot. Was auch blieb, war eine kleine Borte mit dem Logo. Anfangs habe ich ein wenig mit

Die Bekleidung ist kompostierbar bzw. recyclingfähig. Hatten Sie damit schon Erfahrungen? Ich hatte mich vor acht Jahren bei meinem Diplom mit dem Thema beschäftigt, damals noch mehr eine Vision, aber in den letzten Jahren hat sich viel getan. Das kompostierbare Shirt ist nun Realität. Wir können das jetzt auch nur nutzen, weil es die Entwicklung von EPEA Internationale Umweltforschung GmbH mit dem Shirthersteller Trigema

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gegeben hat. Wir hätten unmöglich selbst so ein Shirt in einem halben Jahr für die EXPO entwickeln können. Die Bekleidung ist ja eine Art Patchwork ganz verschiedener Partner, die mit mir gearbeitet haben. Wir wollten zeigen, was in Deutschland auf diesem Gebiet bereits möglich ist. Die Marke EXPO spielte keine Rolle? Anfangs nicht. Bei persönlichen Gesprächen wurde es deutlicher, dass es auch eine tolle Chance ist. Als dann noch die Innenarchitekten des deutschen Pavillons anfragten, ob die Shirts in verschiedenen Stadien der Kompostierung ausstellbar wären, da hat es dann wirklich Klick gemacht. Das war dann der Ritterschlag für Trigema. Es ging aber nicht darum, etwas gemeinsam zu entwickeln, sondern ich habe die Firma als Lieferanten gesehen. Sie haben unser Shirtdesign mit ihren Stoffen und Know-how umgesetzt, ganz exklusiv für die EXPO. Was für Erkenntnis haben Sie mitgenommen für die Textilien der Zukunft? Es gibt schon einige kleine Labels im Mode- oder Sportmarkt, die solche Stoffe verwenden. Die kann man seinem Händler zurückbringen, wenn man sie nicht mehr tragen mag. Der Händler schickt sie wiederum dem Produzenten. Durch das chemische Recycling wäre es ein neuer Stoff. Das wird schon die Zukunft sein. Auch biologisch abbaubare Sandaletten gibt es schon in Österreich. Es wird sich immer mehr manifestieren, aber im Moment ist die geringe Menge noch eine Schwierigkeit. Das spiegelt sich dann im Preis wider. Die, die sich an

Die EXPO wird so eine große Chance auch für Ihre innovativen Konzepte. Was kommt danach? Es ist toll zu erleben, wenn aus der Idee einer Diplomarbeit Realität wird. Auch noch so eine große, denn die World EXPO findet nur alle zehn Jahre in dieser Größe und mit erwarteten 3,5 Millionen Besuchern statt. Für mich wäre es schön, wenn sich die Textilindustrie animiert fühlt, sich wirklich einmal tiefgründig mit dem Thema auseinanderzusetzen, abseits aller Trends. DAS INTERVIEW FÜHRTE JENS HAENTZSCHEL.

novanex, Alexandra Baum, Lange Brücke 2, 99084 Erfurt, Tel. 0361 2157687, www.nova-nex.com

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