magazin Monika B., 65, pensionierte Laborantin
ICH HABE MICH ENTSCHIEDEN. UND SIE?
no 42 | 3/20
Keine Digitalisierung ohne Daten schutz: das Nationale Organ spenderegister auf dem Prüfstand
Fast 30 Jahre mit Herzblut für die Organspende und Transplantation: Barbara Rüsi-Elsener
Wie hat sich das Nationale Organspenderegister in anderthalb Jahren entwickelt?
Der Kampf nach der Erlösung: Porträt von Eliane Gutzwiller
JETZT ANMELDEN! INSCRIVEZ-VOUS MAINTENANT!
LET’S MAKE HISTORY … AGAIN! SBK Kongress | Congrès de l’ASI 7.– 8. Mai 2020 | 7– 8 mai 2020 | Kursaal Bern www.sbk-asi.ch/congress
•
nt • ASI re an
nnu • AS I co
SBK aner k
BONUS-SPONSOR / SPONSOR BONUS
onosciuto ric
PREMIUM-SPONSOREN / SPONSORS PREMIUM
Liebe Leserin, lieber Leser
In dieser Ausgabe des Magazins rücken wir Menschen in den
tierte Kinder aus aller Welt organisiert. Sie wurde vor mehr als
Vordergrund, die auf dem Weg zu einer erfolgreichen Trans-
21 Jahren selber transplantiert und erzählt, wie es ihr seither
plantation zwar kaum im Rampenlicht stehen, aber einen
geht und warum das TACKERS für die teilnehmenden Kinder
ebenso wichtigen Beitrag leisten. Barbara Rüsi-Elsener
so ermutigend ist.
leistete solche Arbeit über Jahrzehnte. Die frisch pensionierte Leiterin des HLA-Typisierungslabors des Universitätsspitals
Nicht im Hintergrund, sondern eher im Rampenlicht stand
Zürich erzählt, warum sie sich fast 30 Jahre lang für die
dafür Eliane Gutzwiller. Sie wurde letzten Dezember in der
Transplantationsimmunologie begeistern konnte.
vierteiligen «DOK»-Serie «Organspende – Ich will leben!» auf SRF1 porträtiert. Im vorliegenden Magazin erfahren Sie mehr
Ebenfalls im Hintergrund – wenn auch auf einem ganz ande-
über die starke junge Frau.
ren Gebiet – arbeitet die IT-Firma Begasoft für das Nationale Organspenderegister. Ihr CEO Tobias Läderach schildert, wie
Wir danken allen, die sich im Vorder- oder Hintergrund für
er und sein Team den Datenschutz sicherstellen. Insbeson-
Organspende und Transplantation engagieren, und wünschen
dere für unsere Cubes, mit denen der Entscheid für oder
Ihnen eine spannende Lektüre!
gegen eine Organ- und/oder Gewebespende an immer mehr Standorten vor Ort online eingetragen werden kann, war der Aspekt des Datenschutzes besonders wichtig. Viel Arbeit hinter den Kulissen leistet auch Liz Schick, die im Wallis seit bald 20 Jahren das TACKERS-Lager für transplan-
PD Dr. med. Franz Immer, Direktor Swisstransplant
Inhaltsverzeichnis Keine Digitalisierung ohne Datenschutz: das Nationale Organspenderegister auf dem Prüfstand
4
Wie hat sich das Nationale Organspenderegister in anderthalb Jahren entwickelt?
8
Fast 30 Jahre mit Herzblut für die Organspende und Transplantation
10
Erste erfolgreiche Transplantationen im Rahmen des Swiss-KPD-Programms
13
Sport, Spass und viel Engagement
14
13 Medaillen für die Schweiz an den World Transplant Winter Games
16
Ein Gespräch mit den Initiatoren der eidgenössischen Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten»
18
Der Kampf nach der Erlösung
21
Fokus
Keine Digitalisierung ohne Datenschutz: das Nationale Organspenderegister auf dem Prüfstand N
ame, Geburtsdatum, Heimatort, E-Mail-Adresse – diese und weitere persönliche Angaben hinterlegt ein Nutzer bei einem Eintrag im Nationalen Organspenderegister online. Doch wie wird garantiert, dass diese Daten geschützt sind? Welche Bedeutung der Daten schutz hat und wie er im Nationalen Organspenderegister sichergestellt wird, erklärt Tobias Läderach, CEO der Firma Begasoft, die das Nationale Organspenderegister entwickelt hat und betreibt, im Interview mit Swisstransplant. Sophie Bayard
Herr Läderach, wir hinterlassen Mil
bedingungen (AGB) in einem Onlineshop
und hört bei der Nutzung eines Tablets
lionen von Daten im Netz, wobei der
oder beim Posten einer aktuellen Insta
durch unsere Kinder auf. Wichtig ist, dass
Schutz dieser Daten immer wichtiger
gram-Story. Wir sind heutzutage quasi
jede Person für diese Themen sensibili-
wird. Was bedeutet Datenschutz für Sie?
«nackt» im Internet unterwegs, was na-
siert und über die Gefahren informiert
Als Schweizer Bürger sind wir täglich dem
türlich jederzeit Gefahren und Heraus
wird. Die Aufklärung sollte im Idealfall
Thema Datenschutz ausgesetzt. Sei dies
forderungen birgt. Das fängt beim einfa-
bereits in der Grundschule passieren,
beim Bestätigen allgemeiner Geschäfts-
chen Öffnen eines E-Mail-Anhangs im an
unterstützt durch die Eltern zu Hause.
Die Daten im Nationalen Organspenderegister sind in einem der modernsten Rechenzentren Europas gesichert. (Foto: Swisscom)
4
Fokus
«Die Bilanz aus Sicht Begasoft sieht sehr positiv aus und wir sind stolz, einen wesentlichen Beitrag zum Thema Organspende geleistet zu haben.»
Tobias Läderach, CEO der Firma Begasoft. (Foto: Begasoft)
Wie sieht der Datenschutz bei
Gewebespende festzuhalten. Ihre
Begasoft aus?
Firma, der Schweizer IT-Dienstleister
Beim Entwickeln und Betreiben von di-
Begasoft, hat das Register entwickelt
gitalen Lösungen beschäftigen wir uns
und betreibt es seither. Welche Bilanz
jeden Tag mit dem Thema Datenschutz.
ziehen Sie?
Begasoft ist ISO-9001- und ISO-27001-
Das Nationale Organspenderegister ist
zertifiziert, was unter anderem bedeutet,
sehr gut gestartet und hat bereits zahl-
dass sämtliche Mitarbeitende strengen
reiche Entscheide für oder gegen eine
Geheimhaltungsvereinbarungen unter-
Organ- und/oder Gewebespende digital
liegen. Regelmässig werden unsere Mit
erfasst. Die Bilanz aus Sicht Begasoft
arbeitenden in Sicherheits-, Notfall- und
sieht sehr positiv aus und wir sind stolz,
Geheimhaltungsthemen geschult. Bega-
einen wesentlichen Beitrag zum Thema
soft hat zudem diverse Sicherheits
Organspende geleistet zu haben. Wäh-
massnahmen etabliert. Diese beinhalten
rend und nach dem Projekt konnten
beispielsweise die Zutrittskontrolle für
verschiedene den Datenschutz betref-
sämtliche Räumlichkeiten des Rechen-
fende Risiken und Herausforderungen
zentrums, Passwortrichtlinien oder die
gemeistert werden.
Tobias Läderach ist seit Herbst 2019 CEO bei Begasoft. Nach seiner Lehre als Informatiker arbeitete er hauptsächlich als Projektleiter und Webdesigner und ist nun bei Begasoft für die Beratung und für das Business Development im Bereich Soft warelösungen zuständig. Tobias Läderach begleitete die Entwick lung des Nationalen Organspende registers strategisch und un terstützte Swisstransplant bei Marketingmassnahmen.
Identifizierung von Kunden, Partnern und Dritten. Diese Massnahmen werden
Können Sie ein paar Beispiele nennen?
jährlich von einer zertifizierten externen
Eine grössere Herausforderung stellten
Stelle auditiert.
sicherlich die mobilen Cubes dar, da diese in öffentlichen Einrichtungen plat-
Das Nationale Organspenderegister
ziert werden und von jeder beliebigen
fungiert seit gut einem Jahr als zent
Person genutzt werden können. Konkret
rale Onlinelösung, um den Entscheid
bestand das Risiko, dass Benutzerdaten,
für oder gegen eine Organ- und/oder
die nicht abgesendet worden waren,
5
Fokus
barkeit und Ökologie. Begasoft-Kunden profitieren von allerhöchster Qualität: Von der Standortwahl über die spezielle Bauweise, die physikalischen Schutzmassnahmen bis hin zum ausgefeilten Sicherheitskonzept bietet das Rechenzentrum ein Höchstmass an Schutz. Es ist zudem gegen Umweltereignisse, zum Beispiel Erdbeben oder Blitzeinschläge, geschützt. Bei der Standortwahl wurden Flugschneisen, Hochwassergebiete oder Gebiete mit Gefahrentransporten ver Die Daten werden durch eine Verschlüsselung mit hohem Sicherheitszertifikat ins Nationale Organspenderegister übertragen. (Foto: Swisstransplant)
mieden. Das Grundstück, auf dem das Rechenzentrum steht, wird durch einen Sicherheitsdienst rund um die Uhr überwacht.
auf dem Tablet weiterhin für andere
Verschlüsselung mit hohem Sicherheits-
Personen ersichtlich waren. Die Lösung
zertifikat. Der Nutzer muss sich nebst
Was bedeutet Ihnen das Nationale
hierfür ist ein automatisches Zurückset-
Benutzername und Passwort mit einer
Organspenderegister persönlich?
zen des Formulars, sobald der Benutzer
Zwei-Faktoren-Authentifizierung per
Beim Nationalen Organspenderegister
mindestens 30 Sekunden inaktiv ist. Die
E-Mail oder SMS einloggen. Passwörter
war besonders die Mitentwicklung der
Rolle der Spitäler im Nationalen Organ-
und Daten werden verschlüsselt abge-
Cubes spannend. Hardware und Soft-
spenderegister stellte eine weitere Her-
legt. Die Datensicherung erfolgt eben-
ware mussten präzise ausgewählt wer-
ausforderung dar. Hier wurde diskutiert,
falls verschlüsselt und örtlich getrennt
den, damit alle Bedingungen erfüllt
welche Zugriffsrechte den Fachpersonen
an einem sicheren Zweitstandort.
wurden. Wir sind stolz, dass wir bei die-
in den Spitälern zugesprochen werden
sem Projekt mitwirken konnten. Dass das
sollten. Aus Datenschutzgründen wurde
Begasoft nutzt beim Nationalen Or
Nationale Organspenderegister auch in
entschieden, die Abfragen des Registers
ganspenderegister das Rechenzentrum
den Medien und in der Öffentlichkeit
ausschliesslich über Swisstransplant
Wankdorf der Swisscom (Schweiz) AG,
vorgestellt wird, ist eine zusätzliche Be-
abzuwickeln.
eines der modernsten Rechenzentren
reicherung. Alles in allem gefällt uns der
Europas. Was bringt dies für Vorteile?
Sinn dahinter, mit unserer Arbeit dazu
Wie kann ein Nutzer des Nationalen
Begasoft betreibt sowohl die eigenen als
beizutragen, dass Leben gerettet werden
Organspenderegisters sicher sein, dass
auch die IT-Systeme aller Kunden und
können.
seine Daten geschützt sind?
Partner im Rechenzentrum der Swiss-
Die Datenübertragung zwischen ex
com in Bern Wankdorf. Die Infrastruktur
Weitere Informationen zum
ternen Stellen und dem Nationalen Or-
in diesem Rechenzentrum sucht ihres-
Nationalen Organspenderegister:
ganspenderegister erfolgt durch eine
gleichen in puncto Sicherheit, Verfüg-
www.organspenderegister.ch
6
Alfred M., 53, Unternehmer/Dozent
ICH HABE MICH ENTSCHIEDEN. UND SIE?
ORGANSPENDE JA ODER NEIN DAMIT ENTLASTE ICH MEINE ANGEHÖRIGEN
ORGANSPENDEREGISTER.CH
Schweizerische Nationale Stiftung für Organspende und Transplantation Fondation nationale suisse pour le don et la transplantation d’organes Fondazione nazionale svizzera per il dono e il trapianto di organi
7
Fokus
Wie hat sich das Nationale Organspende register in anderthalb Jahren entwickelt? S
eit der Lancierung im Herbst 2018 hat Swisstransplant das Nationale Organspende register laufend optimiert. So wurde nicht nur der Eintragungsprozess vereinfacht, sondern auch das Angebot der Cubes an verschiedenen Standorten in der Schweiz weiter ausgebaut. Swisstransplant freut sich, dass bereits über 89 000 Personen mit einem Eintrag im Nationalen Organspenderegister für Sicherheit und Klarheit sorgen. Sophie Bayard
Als Swisstransplant, die Schweizerische
webe zu spenden oder den Entscheid
Aktuelle Zahlen und Fakten
Nationale Stiftung für Organspende
einer Vertrauensperson zu überlassen.
(Stand Ende Februar 2020):
und Transplantation, am 1. Oktober 2018 das Nationale Organspenderegis-
Ein Registereintrag ist ebenso eine Ent-
ter lancierte, war rasch klar, dass dieses
lastung des Spitalpersonals, weil der
in der Bevölkerung auf ein positives
Wille der verstorbenen Person gemäss
Echo stösst: Innerhalb von einer Woche
dem registrierten Entscheid zweifelsfrei
haben über 20 000 Personen ihren Ent-
umgesetzt werden kann. Das Register ist
scheid bezüglich der Organ- und Ge
jedoch nicht nur eine Weiterentwicklung
webespende unter www.organspende
der Spendekarte, sondern vielmehr eine
89 911 Personen haben sich
register.ch dokumentiert. Dies zeigte,
neue Informations- und Austauschplatt-
bereits im Nationalen Organ
dass bei vielen Personen ein Bedürfnis
form zwischen den Spitälern und Swiss
spenderegister eingetragen
besteht, den Entscheid in Bezug auf eine
transplant, der Nationalen Zuteilungs-
und entlasten somit ihre Angehö
Organspende verbindlich festzuhalten.
stelle. Da im Rahmen der Abklärungen
rigen und das Spitalpersonal.
betreffend einer eventuellen OrganspenEin Registereintrag, der von der ein
de eine Abfrage des Registers durch die
getragenen Person jederzeit modifi-
Nationale Zuteilungsstelle erfolgen muss,
zierbar ist, hat mehrere Pluspunkte:
wird der Informationsaustausch optimiert:
Er entlastet die Angehörigen, da Klar-
Das Spital erfährt zeitnah, ob eine Organ-
heit bezüglich der Einstellung zur
spende überhaupt in Frage kommt, und
Organ- und Gewebespende der ver-
die Nationale Zuteilungsstelle kann be-
storbenen Person besteht und sie
reits darüber orientiert werden, welche
keine Entscheidung in Unkenntnis des
Organe gegebenenfalls für eine Trans-
Willens treffen müssen. Unter diesem
plantation medizinisch geeignet sind.
Aspekt ist es wichtig, dass im Register ein Ja ebenso wie ein Nein zur Spende dokumentiert werden kann. Zudem bietet das Register die Option, nur eine Auswahl an Organen und/oder Ge-
8
3-Mal konnte Swisstransplant den Registereintrag einer ver storbenen Person bisher an ein Spital übermitteln.
Dieser Text stammt aus dem Artikel «Nationales Organspenderegister – wo stehen wir heute?», der im Januar 2020 in der Schweizerischen Ärztezeitung veröffentlicht wurde. (Autoren: Julius Weiss, André Schmutz, Franz F. Immer)
Fokus
Der Eintragungsprozess wurde
SM
EM MIT D R IN NU HONE P T R A
UTEN 3 MIN ERLED
IGT!
innerhalb des ersten Jahres wesentlich vereinfacht: Via Smartphone oder Tablet kann man die Entscheidung nun in drei Minuten dokumentieren und die Registrierung mit einem Porträtfoto und der Unterschrift auf dem Touchscreen abschliessen.
90 % der eingetragenen Personen haben angegeben, dass sie ihre Organe nach dem Tod spenden möchten.
42 Jahre alt sind die eingetragenen Personen durchschnittlich.
«Wir freuen uns über das grosse Interesse an den Cubes. Über 2500 Personen haben via Cube bereits ihren Entscheid festgehalten und entlasten mit ihrer klaren Willensäusserung im Ernstfall Angehörige und Spitalpersonal.»
Die Cubes von Swisstransplant ermög
58 % der eingetragenen Personen sind Frauen.
PD Dr. med. Franz Immer
lichen es interessierten Personen, sich direkt vor Ort via Tablet im Nationalen Organspenderegister einzutragen. Zurzeit sind 25 Cubes in Spitälern, Rekrutierungszentren und an weiteren Standorten in Betrieb.
Der Jura ist prozentual zur Anzahl
Weitere Informationen zum
Einwohner der Kanton mit den meisten
Nationalen Organspenderegister:
Einträgen im Nationalen Organspenderegister.
www.organspenderegister.ch
9
Engagiert
Fast 30 Jahre mit Herzblut für die Organspende und Transplantation A
ls Leiterin des HLA-Typisierungslabors des Universitätsspitals Zürich (USZ) leistete Barbara Rüsi-Elsener einen entscheidenden Beitrag im Bereich Organspende und Transplantation. Für ihr fast 30-jähriges Engagement wurde sie 2019 vom Trans plantationszentrum des USZ mit dem Lifetime Achievement Award ausgezeichnet.
Barbara Sterchi
Barbara Rüsi-Elsener wurde am 15. No
plinären HLA-Typisierungslabors des USZ
Rüsi-Elsener, es sei jedoch nicht ihr
vember 2019 anlässlich des 13. Sympo-
kam für Rüsi-Elsener überraschend –
alleiniges Verdienst: «Ich hätte das La
siums des Transplantationszentrums
die Freude war dementsprechend gross.
bor nie alleine aufbauen können, son-
des Universitätsspitals Zürich (USZ) mit
Umso mehr, als sie die erste Frau und
dern habe das auch meinen langjährigen
dem Lifetime Achievement Award aus
Nichtakademikerin ist, deren Lebens-
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu
gezeichnet. Dieser Preis zur Würdigung
werk vom Transplantationszentrum des
verdanken, die unglaublich viel gear
ihres herausragenden Engagements beim
USZ mit dieser Auszeichnung gewürdigt
beitet haben – wir haben alle am glei-
Aufbau und bei der Leitung des interdiszi-
wurde. In aller Bescheidenheit betont
chen Strang gezogen.» Ein grosser
PD Dr. med. Urs Schanz überreicht Barbara Rüsi-Elsener den Lifetime Achievement Award. (Foto: Christoph Stulz)
10
Engagiert
«HLA macht süchtig, wenn man es liebt, dann bleibt man dabei.»
Barbara Rüsi-Elsener, langjährige Leiterin des HLATypisierungslabors des USZ. (Foto: Nico Wick, USZ)
Dank gebühre zudem den verschiedenen
Transplantation in Frage kommt, anhand
Klinikern, die durch ihre Unterstützung
von Blutanalysen die spezifischen Ge-
massgebend zum Aufbau des heutigen
webeverträglichkeitsmerkmale zu be-
HLA-Typisierungslabors des USZ bei
stimmen, damit ein passendes Spen
getragen hätten.
derorgan gefunden wird. Die Resultate werden in enger Zusammenarbeit mit
Dreierteam leistet Pionierarbeit
den entsprechenden Kliniken ausgewer-
An die Anfänge ihrer Arbeit im HLA-
tet und interpretiert. «Das war damals
Labor vor fast 30 Jahren kann sich
natürlich Pionierarbeit», erzählt die
Rüsi-Elsener noch lebhaft erinnern.
Zürcherin begeistert, ihre Augen strah-
Die gelernte medizinische Laborantin
len. «Die Warteliste war zwar über-
(heutige Berufsbezeichnung: biomedizi-
schaubar, aber es war noch viel Hand-
nische Analytikerin HF) hat bereits ihre
arbeit. Computerprogramme gab es
Ausbildung am USZ absolviert sowie in
noch nicht, wir v erglichen die Listen von
der Chemie und der Pathologie des USZ
Hand, um e ine bestmögliche Spender-
gearbeitet, als eine Arbeitskollegin sie
Empfänger-Kombination zu ermitteln»,
1992 auf eine freie Stelle im HLA-Typi-
schildert Rüsi-Elsener. Zudem gab es
sierungslabor des USZ aufmerksam
damals noch keine Transplantations
macht. Die interessanten Schilderungen
koordination, diese Aufgabe übernah-
ihrer Kollegin aus dem Berufsalltag im
men die Assistenzärzte der Intensiv
HLA-Labor wecken Rüsi-Elseners Inte-
pflegestation Viszeralchirurgie.
Barbara Rüsi-Elsener ist gelernte medizinische Laborantin und leitete von 1998 bis 2020 das inter disziplinäre HLA-Typisierungs labor des Universitätsspitals Zürich. Für ihr herausragendes Engagement beim Aufbau und bei der Leitung des HLA-Labors wurde die Zürcherin 2019 vom Transplantationszentrum des USZ mit dem Lifetime Achievement Award ausgezeichnet. Seit Februar 2020 ist Rüsi-Elsener pensioniert.
resse für die Transplantationsimmunologie und so stösst sie kurze Zeit später
Begeisterte Laborleiterin
zu den zwei anderen biomedizinischen
Im Zuge des technischen Fortschritts
Analytikerinnen, die zu dieser Zeit im
werden im HLA-Labor spezifischeCom-
HLA-Typisierungslabor arbeiten. Das
puterprogramme zur Gewebetypisierung
Dreierteam hat alle Hände voll zu tun,
und hochspezialisierte Laboranalysen
aber alle sind mit Herzblut dabei und
eingeführt, der Wissensstand im Bereich
brennen für ihre Aufgabe. Diese besteht
Transplantation wächst stetig und Trans-
darin, für einen Patienten, der für eine
plantationen werden häufiger, sodass
11
Engagiert
Barbara Rüsi-Elsener erntet am 13. Symposium des Transplantationszentrums des Universitäts spitals Zürich Applaus für ihr fast 30-jähriges Engagement. (Foto: Christoph Stulz)
das HLA-Team fortlaufend vergrössert
Schweizer HLA-Labors und hilft mit,
gehabt vor dem neuen Lebensabschnitt
wird. 1998 bedarf es einer Leitung für
Workshops für biomedizinische Analyti-
ohne die beruflichen Herausforderungen.
das Labor – die Wahl fällt auf Rüsi-
ker zu organisieren.
Doch nun geniesst sie es, den Tag selber
Elsener. Die Laborleitung fällt ihr nicht
gestalten zu können, mehr Zeit in der
schwer, kann sie doch jederzeit auf ein
Offen für Neues
Natur verbringen und die Jahreszeiten
Team von hochmotivierten Mitarbeiten-
Nach einem sehr engagierten Berufs
bewusster erleben zu können. Familie
den zählen, die alle fasziniert sind von
leben trat Rüsi-Elsener im Februar in den
und Freunde habe sie schon vorgewarnt,
ihrer interessanten Aufgabe und vollen
Ruhestand. Ihre Nachfolgerin ist eine
dass sie damit rechnen müssten, ein paar
Einsatz leisten. Die Arbeit im HLA-Labor
langjährige Mitarbeiterin – Rüsi-Elsener
Kilos zuzunehmen. Die leidenschaftliche
sei äusserst vielfältig, mit viel Verantwor-
ist froh, das Labor in guten Händen zu
Köchin beglückt ihr Umfeld nämlich ger-
tung verbunden und entwickle s ich stetig
wissen. Anfänglich habe sie Respekt
ne mit ihren kulinarischen Künsten.
weiter, wodurch die Aufgabe sehr interessant bleibe. «HLA macht süchtig, wenn man es liebt, dann bleibt man dabei»,
HLA-Typisierungslabor
betont Rüsi-Elsener. Das gehe nicht nur
In der Schweiz verfügt jedes der sechs Transplantationszentren über ein HLA-
ihr so, mehrere Mitarbeitende ihres ehe-
Typisierungslabor. Dieses analysiert im Auftrag der am jeweiligen Spital trans-
maligen Teams seien ebenfalls seit über
plantierenden Kliniken das HLA-System (humane Leukozytenantigene, HLA), das
zehn Jahren im HLA-Labor tätig. Vom
heisst die Gewebeverträglichkeit zwischen dem Spenderorgan und dem poten-
Dreierteam aus der Anfangsphase ihrer
ziellen Empfänger, die für den Erfolg einer Transplantation wichtig ist. Dafür
Tätigkeit im HLA-Labor ist das Team
werden die Blutgruppe sowie die Gewebeantigene und Antikörper des HLA-
heute auf 14 Mitarbeitende gewachsen.
Systems bestimmt. Durch die Bestimmung von HLA-spezifischen Antikörpern
Dazu zählen auch Studierende und Prak-
kann das immunologische Risiko einer Transplantation besser eingeschätzt und
tikanten, denn das Labor bietet seit eini-
die Therapie mittels Immunsuppressiva angepasst werden. Je ähnlicher die HLA-
gen Jahren auch Ausbildungsplätze an.
Merkmale von Spender und Empfänger sind, umso geringer ist die Gefahr von
Des Weiteren pflegt das HLA-Labor ei-
Abstossungsreaktionen und umso besser ist die Aussicht auf einen Langzeiterfolg.
nen regen Austausch mit den anderen
12
Forschung
Erste erfolgreiche Transplantationen im Rahmen des Swiss-KPD-Programms V
ergangenen Oktober hat Swisstransplant das Programm Swiss KPD (Kidney Paired Donation) lanciert, um unter inkompatiblen Nieren-Lebendspendern und -empfängern neue passende Paare zu finden. Das Programm wurde gemeinsam mit den sechs Schweizer Transplantationszentren entwickelt und hat bereits zu ersten erfolgreichen Transplantationen geführt.
Esther Häni
Per Ende letzten Jahres warteten in der
St. Gallen, das Universitätsspital Basel,
Erster erfolgreicher Suchlauf
Schweiz 1057 Patientinnen und Patien-
das Universitätsspital Bern (Inselspital),
In Absprache mit allen sechs Schweizer
ten auf eine Niere. Dieser Zahl gegen-
das Universitätsspital Genf, das Univer-
Transplantationszentren startet Swiss
über stehen die 332 Nierentransplanta-
sitätsspital Lausanne und das Universi-
transplant jeweils einen Suchlauf in
tionen, die 2019 stattgefunden haben.
tätsspital Zürich – haben in Zusammen-
Swiss KiPaDoS, wobei das Programm
arbeit mit Swisstransplant medizinische
unter Einbezug der Daten aus SOAS
KPD als Lösung für inkompatible
Kriterien definiert. Zusammen mit einem
passende Paare anzeigt. Sobald alle
Spender-Empfänger-Paare
externen Partner und unter Mitwirkung
beteiligten Transplantationszentren ein
Es kommt vor, dass jemand bereit ist,
des Bundesamtes für Gesundheit (BAG)
gewilligt haben, legen sie untereinander
einer ihr nahestehenden Person eine
hat Swisstransplant dann die Zutei-
das Datum für die Operationen aller
Niere zu spenden, sich bei me-
beteiligten Spender und Emp-
dizinischen Abklärungen aber
fänger fest. Der erste Suchlauf
herausstellt, dass die zwei Per-
über Swiss KPD wurde im Oktober 2019 durchgeführt,
Lebendspende ins Spiel. Dazu
«Wir freuen uns, dass wir basierend auf Erfahrungen aus bestehenden Programmen im Ausland erfolgreich ein KPD-Programm lancieren konnten.»
wurde im Oktober 2019 das
PD Dr. med. Franz Immer
freuen uns, dass wir basierend
sonen für eine Transplantation nicht kompatibel sind. Hier kommt die Überkreuz-Nieren-
wobei zwei passende Paare evaluiert und erfolgreich trans plantiert werden konnten. «Wir auf Erfahrungen aus bestehen-
Programm Swiss KPD (Kidney Paired Donation) lanciert. Dabei wird
lungssoftware Swiss KiPaDoS (Kidney
den Programmen im Ausland erfolgreich
unter allen inkompatiblen Paaren aus
Paired Donation System) entwickelt. Die
ein KPD-Programm lancieren konnten.
Spendern und Empfängern nach neuen
Software ist verknüpft mit dem Software-
Swiss KPD entspricht den Schweizer
passenden Paaren gesucht.
System SOAS (Swiss Organ Allocation
Qualitätsansprüchen und wird nun re-
System), das vom BAG betrieben und
gelmässig weiterentwickelt. Kooperati-
KPD-Programm in der Schweiz
von Swisstransplant im Auftrag des BAG
onen mit europäischen Partnern sind
Initiantin des Swiss-KPD-Programms ist
genutzt wird, und basiert auf der Über-
zukünftig denkbar», sagt PD Dr. med.
die Swisstransplant-Arbeitsgruppe Nie-
kreuz-Lebendspende-Verordnung, die
Franz Immer, Direktor von Swisstrans-
re (STAN). Die sechs Schweizer Trans-
mit der Revision des Transplantations-
plant, zur Zukunft des Swiss-KPD-
plantationszentren – das Kantonsspital
gesetzes 2017 in Kraft trat.
Programms.
13
Aktiv
Sport, Spass und viel Engagement A
nzère – ein kleines Dorf in der Nähe von Crans-Montana im Wallis. Wir treffen dort Liz Schick, die mit 35 Jahren eine Spenderleber erhielt. Liz arbeitet seit vier Jahren als Projektmanagerin bei Swisstransplant und organisiert jährlich das «Transplant Adventure Camp for Kids (TACKERS)» in Anzère. Jasmine Hauswirth / Esther Häni
Liz Schick ist am 10. März 1962 in Eng-
sie ihr erstes gemeinsames Kind und
und vielen Diskussionen stand fest, dass
land geboren – ursprünglich hat sie eine
später folgte noch ein zweites. «Wir
eine Lebertransplantation die einzige
Lehre als Modedesignerin gemacht. Liz
kauften uns ein Sportartikelgeschäft und
wirksame Behandlung war.
war immer sehr aktiv und tatkräftig –
ein Chalet in Anzère – es war ein richtiger
auch der Sport begleitete sie: Sie liebte
Mädchentraum.» Dann, als sie 35 Jahre
Eine positive Sichtweise auf das Leben
es, ins Aerobic zu gehen, und arbeitete
alt war, bekam dieser Mädchentraum jäh
Die Sichtweise auf das Leben hat sich für
teilweise als Fitnessinstruktorin. Mit 18
Risse. Während sie das erzählt, schaut
Liz Schick seit der Transplantation ver-
Jahren verbrachte Liz Skiferien in Anzère,
sie aus dem Fenster und hält kurz inne.
ändert. «Als ich nach der Transplanta
wo sie René traf. «Er arbeitete als Ski-
«Bei einer Routineuntersuchung fanden
tion aufwachte, ging es rasch voran mit
lehrer und ich war dort, um Ski fahren zu
die Ärzte Tumoren auf beiden Seiten der
der Genesung und ich fühlte mich von
lernen. Wir verliebten uns und vier Jahre
Leber. Ich arbeitete damals als Fitness-
Stunde zu Stunde besser.» Mit Tränen
später haben wir geheiratet», schwärmt
instruktorin, war sehr gesund und fühlte
in den Augen erzählt Liz: «Wenn du
Liz. Wiederum vier Jahre später bekamen
mich nicht krank.» Nach zwei Biopsien
lachst, lachst du lauter, wenn du tanzt, tanzt du völlig befreit – alles ist fabelhaft, weil du so viel Glück hast! Ich war immer ein optimistischer Mensch – aber nach der Transplantation denkst du dir einfach, dass jeder Tag ein Geschenk ist». Auch sonst hat sich seit der Transplantation einiges verändert: «Mein Mann sagt immer, dass ich 48 Stunden an einem Tag lebe – und es ist tatsächlich so: Ich will keine Zeit verschwenden. Positive Gedanken wurden nach der Transplantation positiver – man will das Beste aus der Zeit machen und realisiert, wie viel Glück man hat.» TACKERS seit 2002
Liz Schick und ihr Hund Dexter eröffnen 2018 das TACKERS-Abschlussrennen in Anzère – im Hintergrund die von den teilnehmenden Kindern gestaltete Flagge. (Foto: World Transplant Games Federation)
14
Jährlich organisiert Liz Schick unter der Schirmherrschaft von Swisstransplant das «Transplant Adventure Camp for
Aktiv
Kids (TACKERS)» in Anzère – ein internationales Abenteuercamp für transplantierte Kinder. Liz erklärt, dass das Camp gegründet wurde, um Organspende und Transplantation zu fördern, indem es junge transplantierte Menschen
Im Rahmen von TACKERS verbringen transplantierte Kinder eine Woche in Anzère mit erlebnisreichen Aktivitäten im Schnee. (Foto: Alexandra Jäggi)
in den Mittelpunkt setzt und zeigt, dass sie trotz Transplantation Sport treiben können. Das TACKERS gibt es seit
ihr Leben lebten – ihre Eltern behan-
castle Gateshead als auch an den
schon bald 20 Jahren. 2001 wurde Liz
delten sie so, als wären sie aus Glas.
World Transplant Winter Games 2020
angefragt, bei der Organisation der
Als sie dann ins Lager kamen, konnten
in Banff als jüngstes Mitglied des Swiss
World Transplant Winter Games mitzu-
sie sehen, dass es Gleichaltrige gibt,
Teams vertreten. Das Bewegendste für
helfen. «Damals konnten nur Erwach-
die das Gleiche erlebt hatten.» Die
Liz sind die Eltern mit Tränen in den
sene an den World Transplant Winter
Kinder entwickeln sich jeweils während
Augen, wenn sie realisieren, was ihre
Games teilnehmen. Ich dachte mir dann,
der Woche in Anzère sehr positiv.
Kinder alles leisten können.
dass auch Kinder auf Transplantationen
Sie werden kontaktfreudiger und ent-
angewiesen sind und auf ein Organ
spannter. Mit einem Lächeln erzählt
warten.» Sie sprach anschliessend mit
Liz Schick, dass eines der Kinder das
Eckdaten zu TACKERS
dem Präsidenten der World Transplant
Camp einmal «Akademie der Trans-
– Das TACKERS findet unter der
Games über die Idee eines Events für
plantationsbotschafter» nannte. «Was
Schirmherrschaft von Swisstransplant
transplantierte Kinder und er war be-
ich sehr schön finde, ist, dass die Kin-
einmal jährlich während acht Tagen in
geistert davon. «Gestartet hat es dann
der aus dem TACKERS später auch
Anzère (VS) statt.
mit einem Camp, das während eines
an den World Transplant Games, die
– Teilnehmende: transplantierte Kinder
Wochenendes stattgefunden hat – der
alternierend im Sommer und im Winter
aus der ganzen Welt, zwischen 6 und
sogenannte ‹Nicholas Cup›. Ein Jahr
stattfinden, teilnehmen und dort die
später organisierte ich das TACKERS
ehemaligen Teilnehmenden aus frühe-
– Aktivitäten: Skifahren, Snowboarden,
zum ersten Mal, mit insgesamt 67 Teil-
ren Camps treffen.» So wie Carina
Schlittenfahren, Schwimmen, Schlitt-
nehmenden», berichtet Liz.
Bürgisser aus Oberägeri, die letztes
schuhlaufen, Karaoke, Kostümabend
Jahr als 15-Jährige an TACKERS teil-
und viele weitere Aktivitäten
Transplantierte Kinder werden ermutigt
genommen hat. Daraufhin hat sie die
«Mir wurde schnell klar, dass die Kin-
Schweiz sowohl an den World Trans-
der, die ins Camp kamen, nicht wirklich
plant Summer Games 2019 in New
14 Jahre alt
www.tackers.org
15
Aktiv
13 Medaillen für die Schweiz an den World Transplant Winter Games V
om 23. bis zum 28. Februar 2020 fanden zum elften Mal die World Transplant Winter Games ( WTWG) in Banff, Kanada, statt. Das Ziel der Spiele ist es, die Öffentlichkeit mit dem sportlichen Erfolg von transplantierten Personen auf die Organspende aufmerksam zu machen. Swisstransplant gratuliert den sieben Schweizer Athletinnen und Athleten zu den zehn Gold- und drei Silbermedaillen in den Kategorien Ski- und Snowboardfahren. Sophie Bayard
Drei Schweizer Skifahrer glänzten mit der Bestzeit im Team Slalom Event: Liz Schick (lebertransplantiert), Patrick Gervais (lebertransplantiert) und Sandra Strebel (nierentransplantiert). (Foto: Liz Schick)
16
In der Kategorie Snowboard holte die 15-jährige Carina Bürgisser (herztransplantiert) zwei Goldmedaillen für die Schweiz. (Foto: Dr. Grozil Csaba)
Aktiv
«Dank meinem Spender konnte ich an den Winter Games teilnehmen und für das Swiss Team zwei Medaillen gewinnen. Ohne ihn wäre ich nicht mehr da.» Markus Bächler
Das Gastgeberland Kanada begrüsste 140 Athletinnen und Athleten aus 18 verschiedenen Ländern in Banff. (Foto: World Transplant Games Federation)
Der zweifache Lungenempfänger Markus Bächler mit seinem 6-jährigen Sohn Luc auf dem Podest der WTWG. (Foto: Liz Schick)
Das Swiss Team der WTWG 2020. Von links: Liz Schick, Carina Bürgisser, Patrick Gervais, André Dolezal, Markus Bächler und Sandra Strebel. Es fehlt: Carlo Brüngger. (Foto: Christoph Voegelé)
Weitere Informationen zu den World Transplant Winter Games unter www.swisstransplant.org/wtg
17
Aktiv
Der Wert der Zeit: ein Gespräch mit den Initiatoren der eidgenössischen Volksinitiative «Organspende fördern – Leben retten» I
n der Schweiz liegt bei der Frage der Organspende im Falle eines Hirntods nur bei 5 % der Fälle ein dokumentierter Entscheid vor, sodass die Entscheidung für oder gegen eine Organspende den Angehörigen überlassen bleibt, von denen nur etwa ein Drittel den Wunsch der verstorbenen Person kennt. Bis heute sterben jährlich etwa 100 Menschen, während sie auf ein Organ warten.
Barbara Zoffoli (Cornèrcard) / Diana Scarpellini
Drei junge Menschen aus der Roman-
aus nächster Nähe erfahren, wie sehr
sind oft die fehlenden Informationen
die – Anne-Céline Jost (A), Julien Cattin
sie darunter gelitten hat. Nachdem sie
zum Thema Gewebe- und Organspende.
(J) und Mélanie Nicollier (M), Mitglieder
auf der Warteliste nicht weiter nach
Erfahrungsgemäss ändern Menschen
der Jeune Chambre Internationale (JCI)
oben rückte, erhielt sie eine Niere von
häufig ihre Meinung, nachdem allfällige
Riviera, einer internationalen gemein
ihrem besten Freund (Lebendspender).
Bedenken ausgeräumt sind.
nützigen, unpolitischen und konfessions-
Dieses Erlebnis hat mich unglaublich
losen Organisation – haben zusammen
geprägt und ich habe mir 2017 während
Wie erklären Sie sich, dass gemäss
mit vier Freunden die Initiative «Organ-
meiner Präsidentschaft unserer Sektion
Bericht von 03/2019 des IRODaT
spende fördern – Leben retten» lanciert.
der JCI das Ziel gesetzt, die Situation
(International Registry in Organ
Sollte diese umgesetzt werden, könnte sie
der Organspende in der Schweiz zu
Donationand Transplantation) im
die Voraussetzungen schaffen, eine Lü-
verbessern. Während einer Sitzung des
Jahr 2017 in der Schweiz 17,2 Organ
cke zu schliessen. Das Ziel der Initiative
Projektkomitees schlug Julien vor, eine
spender pro Million Einwohner ver
besteht in einer Verfassungsänderung,
Volksinitiative zu lancieren, die von allen
zeichnet wurden, während es in Spa
die auf dem Modell der sogenannten
Mitgliedern mit Begeisterung unter-
nien, das in Europa an erster Stelle
Widerspruchslösung beruht, das bereits
stützt wurde. Das ganze Team hat
steht, 46,9 waren?
in anderen Ländern existiert. Bei diesem
meine Erwartungen weit übertroffen.
A: Der grosse Unterschied liegt unserer Meinung nach in der Widerspruchs
Modell wird von der Zustimmung zu einer Organspende ausgegangen, sofern die
Ist das Thema Organspende ein Tabu?
lösung, die in Spanien bereits zur Anwen-
verstorbene Person sich diesbezüglich zu
J: Die Organspende an sich ist kein Tabu.
dung kommt. Mit dieser neuen Massnah-
Lebzeiten nicht dagegen entschieden hat
Die Schwierigkeit besteht eher darin,
me und dem bereits seit einigen Jahren
oder den Angehörigen ein entsprechender
über den eigenen Tod und die damit
bestehenden Aktionsplan des Bundes
Wunsch nicht bekannt ist.
verbundenen Entscheidungen zu spre-
könnten höhere Werte (ca. 30 pro Mio.
chen. Die Menschen ziehen es vor, sich
Einwohner) durchaus erreicht werden.
Wie ist Ihr Interesse am Thema
nicht mit dem Thema zu befassen. Wenn
Organspende entstanden?
jemand stirbt, ist den Angehörigen der
Am 22. März 2019 übergaben Sie
A: Eine enge Bekannte von mir musste
Wunsch des Verstorbenen in vielen Fällen
der Bundeskanzlei mehr als 113 000
regelmässig zur Dialyse und ich habe
nicht bekannt. Grund einer Ablehnung
Unterschriften. Waren Sie überzeugt,
18
Aktiv
Das Gründer-Trio: die drei Gründer der Initiative «Organspende fördern – Leben retten»: Mélanie Nicollier, Anne-Céline Jost und Julien Cattin. (Foto: Diana Scarpellini)
das Mindestziel von 100 000 Unter
viele Personen es versäumten, uns das
Die Betreuung der ganzen Kampagne
schriften zu erreichen? Auf welche
Formular ausgefüllt und unterschrieben
ist demnach mit einem erheblichen
Hindernisse sind Sie gestossen?
zu retournieren. Der direkte Kontakt mit
Zeitaufwand verbunden …
A: Da es sich um ein gemeinnütziges
den Menschen auf der Strasse war
J: Ja, die Anzahl der Einsatzstunden war
Projekt handelt, waren wir zunächst
daher unverzichtbar.
bis anhin tatsächlich beträchtlich, wobei
überzeugt, das Resultat leicht erreichen
M: Des Weiteren gestalteten sich die
wir jedoch einen Grossteil der Aktivitä-
zu können. Insgesamt unterzeichneten
Zählung aller Unterschriften und deren
ten während unserer Freizeit erledigten.
9 von 10 Befragten die Initiative. Aller-
Aufteilung auf 2200 Gemeinden in un-
An dieser Stelle ein herzliches Danke-
dings war es zeitlich anspruchsvoller als
terschiedlichen Kantonen als aufwendig
schön an das ganze Team, das einen
geplant, nicht zuletzt deswegen, weil
und kostenintensiv.
grossartigen Job gemacht hat! Um es in
19
Aktiv
Anne-Céline Jost, Julien Cattin und Mélanie Nicollier, Mitglieder der Jeune Chambre Internationale (JCI) Riviera, haben zusammen mit vier Freunden die Initiative «Organspende fördern – Leben retten» lanciert. (Foto: Diana Scarpellini)
den Worten von Mark Twain auszudrü-
gebnis wird es eine Debatte darüber
Moment den Angehörigen diese belas
cken: «Sie wussten nicht, dass es un-
geben, ob die Initiative zurückgezogen
tende Entscheidung abgenommen werden
möglich ist, deshalb taten sie es.»
wird oder nicht. Erst dann wird ein Termin
sollte. Deshalb ist es notwendig, sich
für die Volksabstimmung festgelegt. Der
damit zu beschäftigen und seinen per-
Welches sind die nächsten Schritte?
Prozess ist ziemlich lang und kompliziert
sönlichen Entscheid offiziell festzuhal-
A: Zurzeit wertet der Bundesrat die Ver-
und wir hoffen, dass in der Schweiz – wie
ten unter: www.organspenderegister.ch.
nehmlassung zum indirekten Gegenvor-
auch immer die Zukunft dieser Initiative
schlag aus. Wir freuen uns, dass sein
aussehen mag – das Bewusstsein und
Informationen unter
Antrag in die gleiche Richtung geht wie
das Verantwortungsgefühl für solch ein
www.organspende-initiative.ch
der unsrige. Die Parlamentarier werden
sensibles Thema wie die Organspende
vermutlich im Herbst 2020 zur Abstim-
gestärkt werden. Wir sind der Ansicht,
mung aufgefordert. Abhängig vom Er-
dass in einem unglaublich schwierigen
20
Dieser Text erschien im Cornèrcard Moments Magazin, Ausgabe 01-2020.
Betroffene
Der Kampf nach der Erlösung C
ystische Fibrose, Transplantation und chronische Abstossung der Spenderlunge: Eliane Gutzwiller ist 26 Jahre jung und hat bereits eine bewegende Lebensgeschichte hinter sich. Trotz der grossen psychischen Belastung geniesst sie das Leben und kämpft für einen normalen Alltag.
Isabelle Capt
Es ist kurz nach Mittag in einem rappel-
ge des Universitätsspitals Zürich einge-
Nebenwirkungen trotz mehr
vollen Restaurant im Städtli Aarau. In
wiesen und erhielt auf der Warteliste den
Lebensqualität
mitten des lebhaften Geschehens sitzt
Dringlichkeitsstatus. «Ich durfte nicht
Seit fünf Jahren ist Eliane nun lungen-
Eliane Gutzwiller mit ihrem grauen Toy-
mehr nach Hause, mein Bewegungsradi-
transplantiert. «Viele denken, dass ich
pudel Emil auf dem Schoss und drückt
us beschränkte sich auf einen Meter
nach der Transplantation gesund sein
sich die Hornbrille auf der Nase zurecht.
neben dem Krankenbett. Dieses Warten
müsste. Aber so ist es nicht, ich bin nicht
«Meine Mutter hat mich glücklicherwei-
auf die Lunge war unerträglich», erklärt
geheilt», betont sie und streichelt Emil
se nie in Watte gepackt, nur weil ich
Eliane mit zusammengepressten Lippen.
nachdenklich über den Kopf. Die Aargau-
krank war. Ich erlebte eine un-
erin quält sich seit Anfang 2019
beschwerte Kindheit», erzählt
mit einer chronischen Abstos-
die 26-Jährige gelassen. Bei
sung der Spenderlunge. Einmal
Eliane wurde kurz nach der Geburt Cystische Fibrose diagnostiziert – eine Stoffwechsel erkrankung, die zu schwerwiegenden Lungeninfekten und Lungeninsuffizienz führt. Erst
«Meine Lungenfunktion verschlechterte sich zunehmend. Letzten Endes konnte ich nicht mehr alleine gehen oder duschen. Ich war untergewichtig, sass im Rollstuhl und benötigte ein Sauerstoffgerät.»
in der Pubertät, im Alter von
im Monat muss Eliane ins Spital, um mittels Photopherese – ein energie- und zeitraubendes Blut reinigungsverfahren – ihre Lungenfunktion zu stabilisieren. Die ganzen Erlebnisse wirken sich bei Eliane auch psychisch aus.
16 Jahren, machte sich die Erbkrankheit
Im Durchschnitt dauert die Wartezeit für
«Ich leide unter einer posttraumatischen
bei Eliane bemerkbar. «Meine Lungen-
eine Spenderlunge auf der Warteliste
Belastungsstörung und war aufgrund
funktion verschlechterte sich zuneh-
im Dringlichkeitsstatus zehn Tage. Bei
Depressionen bereits zwei Monate in
mend. Letzten Endes konnte ich nicht
Eliane waren es 40. «Ich war extrem
einer psychiatrischen Klinik», offenbart
mehr alleine gehen oder duschen. Ich
verzweifelt und wünschte mir, dass mich
sie, «aber solange ich atme, kann ich
war untergewichtig, sass im Rollstuhl
die Ärzte bis zur Transplantation ins Koma
alles bewältigen.»
und benötigte ein Sauerstoffgerät», sagt
versetzen würden. Mein Körper und mei-
sie mit gefasster Stimme. Mit 20 Jah-
ne Seele hatten aufgegeben», gesteht
Leidenschaft und Kreativität als
ren wurde Eliane auf die Warteliste für
sie. In der Nacht vor der Transplantation
Beschäftigung
eine Spenderlunge gesetzt.
schlief Eliane das erste Mal seit langer
Eliane hat gelernt, mit ihren Problemen
Zeit gut – mit dem Gedanken, am Morgen
umzugehen, und hat dafür simple Stra-
Auf die letzte Minute
nicht mehr aufzuwachen. Doch wie es das
tegien zur Bewältigung entwickelt. «Die
Nach einem weiteren langen Jahr wurde
Schicksal so wollte, war die Spenderlun-
sogenannten Seelentierchen, Bewoh-
Eliane auf die Intensivüberwachungspfle-
ge am nächsten Morgen da.
ner meiner Seele, lösen meine Panik
21
Betroffene
attacken durch ihre Anfälle aus. Anhand dieser Personifizierung kann ich meine Situation besser verstehen», erläutert sie und tippt sich dabei auf ihren Kopf. Eliane pflegt ebenfalls einen eigenen Blog mit Namen «Against Normal» (www.againstnormal.com und against_ normal auf Instagram), durch den sie ihr buchstäblich einzig artiges Leben verarbeitet. «Neben dem persönlichen Thema Organspende schreibe ich über Mode, Backen und Kunst. Ich möchte nicht auf meine Krankheit reduziert werden. Ich bin ein Mensch wie jeder andere», sagt Eliane mit klaren Worten und fügt an: «Eine Krankheit schränkt dich nur so fest e in, wie du dich selbst einschränkst.» Mit dieser Einstellung reiste Eliane 2017 für einen Sprachaufenthalt nach Montpellier in Frankreich. Eine prägende Erfahrung, die ihr Selbstbewusstsein gestärkt hat: «Ich hatte diesen Aufenthalt selbst organisiert, ich hatte die Kontrolle über diese Reise. Ein Gefühl, das ich über meinen Körper nie verspüre.»
22
Eliane Gutzwiller ist eine Kämpfernatur: Bereits im Alter von zwei Tagen musste sie die erste Operation über sich ergehenlassen. (Foto: SRF DOK)
Betroffene
«Ich kämpfe für meine Träume. Es ist wichtig, sein schwieriges Schicksal anzunehmen und niemals aufzugeben.»
Hoffnungsvolle und optimistische Zukunft
Dokumentation über die
Trotz den vergangenen Strapazen und den
Organspende in der Schweiz
derzeitigen Gesundheitsproblemen ist
Eliane Gutzwiller wirkte als eine der
Eliane glücklich. «Meinen Leidenschaften
Protagonistinnen in der «DOK»-
kann ich immer noch nachgehen. Zurzeit
Serie «Organspende – Ich will
arbeite ich an einem Kinderbuch über
leben!» mit, die im Dezember 2019
Emil», erzählt sie schmunzelnd. Da Eliane
auf SRF1 ausgestrahlt wurde. Die
aufgrund ihrer Krankheit keine Kinder
Dokumentation zeigt in vier Folgen
haben kann, liegt ihr die Veröffentlichung
die Lebensgeschichte von Men-
eines persönlichen Werkes besonders am
schen, die auf ein Organ warten
Herzen. «Ich möchte nach meinem Tod
oder bereits eines erhalten haben.
etwas hinterlassen. Umso schöner, wenn
Dabei wird ebenfalls der Organ-
es für Kinder ist», führt sie weiter aus. Es
spendeprozess beleuchtet, in dem
ist kein Zufall, dass im Kinderbuch der
Angehörige und das medizinische
kleine Hund von Eliane die Hauptrolle
Fachpersonal eine wichtige Rolle
spielt. «Emil ist heute mein Lebensinhalt
spielen. Wer die «DOK»-Serie
und sozusagen mein Kind», sagt sie la-
verpasst hat, kann diese unter
chend, «er gibt mir Kraft und Selbstver-
www.swisstransplant.org/tv nach-
trauen.» Den Toypudel hatte ihr anfangs
schauen.
niemand zugetraut. «Ich kämpfe für meine Träume. Es ist wichtig, sein schwieriges Schicksal anzunehmen und niemals aufzugeben», verkündet Eliane und stellt ihr halbvolles Glas Apfelschorle mit einem kräftigen Schwung auf den Tisch.
23
Impressum Herausgeberin / Redaktion Swisstransplant Schweizerische Nationale Stiftung für Organspende und Transplantation Effingerstrasse 1 Postfach CH-3011 Bern Titelbild Kampagnenvisual Nationales Organspenderegister
Layout visu’l AG, Bern
Nationales Organspenderegister Tragen Sie sich ein: www.organspenderegister.ch
Korrektorat / Druck Stämpfli AG, Bern
Möchten Sie das Swisstransplant Magazin lieber online anstatt gedruckt erhalten? Schicken Sie uns eine E-Mail an magazine@swisstransplant.org.
Kontakt T 058 123 80 00 magazine@swisstransplant.org
Swisstransplant in den sozialen Medien
24