Zürcher Bote Nr. 8

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EIDGENÖSSISCHE POLITIK

Der Zürcher Bote | Nr. 8 | Freitag, 21. Februar 2014

MACHIAVELLISMUS IN DER EU

Angriff als beste Verteidigung Christoph Mörgeli

Demaskierend für Brüssel war die Reaktion auf das Abstimmungsergebnis in der Schweiz. Die eigene Schwäche versucht die EU mit Kraftmeierei gegenüber der Schweiz zu kompensieren, ganz nach dem Motto «Angriff ist die beste Verteidigung». Dabei hat sich nicht nur Brüssel gleich selber demaskiert, auch Regierungen von Mitgliedländern haben bewiesen, dass ihnen jeder Respekt fremd ist: auch jener vor der Souveränität anderer Länder und vor der direkten Demokratie.

Neulich bei Anne Will Sie kennen sich bestens und begrüssten sich mit Küsschen: Anne Will hat einst bei der SPD-Professorin Gesine Schwan studiert. Was wohl der Grund ist, weshalb die ARD-Moderatorin bei meinem Satz zur Schweizer Geschichte sehr unwirsch reagierte, aber Schwans Wortschwall zu «Weimar», «Hitler» und «Totalitarismus» fröhlich laufen liess. Gesine Schwan hantiert am liebsten mit so fundierten Argumenten wie: «Sie sagen Sachen, da frage ich mich, denken Sie überhaupt mit?» Diese Dame doziert «Politische Kultur». Frau Schwan warf mir zweimal vor, ich hätte wörtlich behauptet, «die Ausländer seien alle eine Last». Tatsächlich erwähnte ich das Wort «Last» im Zusammenhang mit Papierlosen und Asylbewerbern. Ich nannte die schwansche Demagogie beim Namen, worauf sie meinte, man könne die Aufnahme ja «zurückkurbeln». Könnte man. Nur hätte Schwan dann noch älter ausgesehen. Denn man vernahm die mir in den Mund gelegten Worte kein einzi-

Bernhard im Oberdorf Gemeinderat SVP Zürich

Die Respektlosigkeit gegenüber der Souveränität der Schweiz begann schon vor der Abstimmung über die Personenfreizügigkeit, als sich Vertreter der EU – so auch der Präsident des EU-Parlamentes, Martin Schulz, mit Warnungen, genau genommen mit Drohungen, in die inneren Angelegenheiten der Schweiz eingemischt haben. Selber würde sich Brüssel eine solche Einmischung in die eigenen Angelegenheiten der EU kategorisch verbitten, doch die Schweizer Stimmbürger meint man unter Druck setzen zu können. Damit hat man das knappe Ja möglicherweise geradezu heraufbeschworen. Doch statt sich in Selbstkritik zu üben, schlägt nach der Abstimmung die rachegeleitete Rhetorik voll durch und einige Exponenten überschlagen sich in antidemokratischer Aggression. Das ist die Selbstherrlichkeit jener, für die Demokratie bloss ein Störfaktor ist.

Demokratie-Verächtliches Toben … Die Tiraden aus Brüssel müssen hier nicht auch noch zitiert werden – man kann sie in allen Zeitungen in Variationen nachlesen. Die Beschimpfung durch den sozialistischen Industrieminister von Frankreich, Arnaud Montebourg sagt alles über das in EULändern herrschende Demokratieverständnis: «Die Schweiz begehe kollek-

tiven Selbstmord und stürze sich ins Elend»: Nur weil sie die direkte Demokratie kennt. Der Pragmatismus von Angela Merkel ist eher eine Ausnahme. Sonst tobt man im EU-Gravitationsfeld und belegt, wie schlecht es um das eigene Demokratieverständnis bestellt ist. Statt die direkte Demokratie zu respektieren, verhöhnt man sie, wohl wissend, dass in den EU-Ländern ähnliche Resultate sehr wohl möglich, gar wahrscheinlich wären, wenn man nur die eigenen Völker souverän bestimmen liesse. Dienen die Tiraden unter dem Motto «Angriff ist die beste Verteidigung» dazu, die undemokratischen Tendenzen in der EU zu kaschieren?

… angesichts hausgemachter Abstürze Denn fast immer, wenn in den EUStaaten ein Referendum ansteht, ging die Vorlage bachab. Einzig das Maastricht-Referendum, das den Euro ermöglichte, kam in Frankreich mit dem Zufallsmehr von 51 Prozent zu einem Erfolg auf dünnstem Eis. Die Dänen lehnten ab und sie wurden in der Folge mit einer neuen Abstimmung und der Möglichkeit des «Opting Out» betreffend die Euro-Einführung geködert. So zwängte man zwar Maastricht in der zweiten Auflage durch, doch später lehnten die Dänen, wie später auch die Schweden, die Euro-Übernahme ab. Bös unter die Räder geraten ist in Referenden die EU-Verfassung: Nachdem diese in Frankreich schon gescheitert war, lehnten auch die Niederländer ab. Weitere Abstimmungen wurden abgesetzt, die zerfetzte Verfassung wurde

ges Mal. Fazit: Gesine Schwan wäre die perfekte Anklägerin bei einem stalinistischen Schauprozess. Der frühere Gewerkschafter und heutige sozialistische Aussenminister Jean Asselborn widersprach beleidigt meiner Bemerkung, er sei ein Funktionär. Luxemburg ist seit Jahrhunderten eine Erbmonarchie, in der ein Aussenminister wie Asselborn – als solcher führte man ihn in die Sendung ein –

VOLKSABSTIMMUNG VOM 18. MAI 2014

Beschaffung Gripen – Um was geht es? Der Bundesrat hat am 30. November 2011 beschlossen, 22 Kampfflugzeuge des Typs Saab Gripen zu beschaffen. Diese sollen die 54 über 30-jährigen F-5 Tiger ersetzen, die den heutigen operationellen Anforderungen nicht mehr genügen. Zusammen mit den 32 F/A-18 hätte die Schweizer Luftwaffe dann neu noch 54 Kampfflugzeuge. Zum Vergleich: Anfang der 90er-Jahre hatte sie noch über 300 Jets.

nachweislich nicht vom Volk gewählt, sondern vom Staatsoberhaupt Grossherzog Henri von Nassau ernannt wird. Ein Funktionär ist ein Beauftragter, der ein Amt verwaltet. Fazit: Jean Asselborn ist ein lupenreiner Funktionär. Asselborn meinte, wenn ich gegen Schengen sei, dann sei ich «klassiert». Nach dieser Logik könnte er nur noch mit wenigen Briten reden. Überhaupt warf er der Schweiz vor, sich am schlechten Beispiel Grossbritanniens zu orientieren. Wozu die kontinentale Abschätzigkeit? Wenn es heute ein freies Europa gibt, dann dank britischem Mut und Blut. Und London ist, mit Verlaub, kaum we-

Bild: Schweizer Armee

ZB. Die Beschaffung der Gripen, inklusive Lenkwaffen, Simulator und andere Apparate, die es für den Betrieb braucht, kostet 3,126 Milliarden Franken. Finanziert werden soll diese Ausgabe über das Gripen-Fonds-Gesetz. Dieses sieht vor, dass die Armee aus ihrem jährlichen Gesamtbudget – aktuell 4,7, ab 2016 fünf Milliarden Franken – von 2014 bis 2024 pro Jahr durchschnittlich knapp 300 Millio-

nen Franken in einen Fonds einzahlt. Als Gegenleistung für den Kauf der Flugzeuge sind Saab und die Lieferanten der Lenkwaffen verpfl ichtet, mit Schweizer Firmen über 10 Jahre Gegengeschäfte in Höhe von 2,5 Milliarden Franken abzuschliessen. Die verbleibenden 626 Millionen Franken sind nicht kompensationspfl ichtig. Sie entfallen auf Schweizer Lieferanten, Regierungsstellen (z. B. schwedische Luftwaffe) und kleinere Beschaffungen bei Dritten. Der Nationalrat hat das GripenFonds-Gesetz mit 119 gegen 71, der Ständerat mit 25 gegen 17 Stimmen verabschiedet. SP und Grüne sowie Grünliberale haben das Referendum eingereicht. Die Volkabstimmung findet am 18. Mai 2014 statt. Nimmt das Volk das Gripen-Fonds-Gesetz an, werden die Jets von 2018 bis 2021 ausgeliefert.

niger weltoffen als das Städtchen Luxemburg. Minister Asselborn bewies immerhin etwas Temperament. NZZ-Chef Markus Spillmann drohte in seinem Sessel zeitweilig zu entschlummern. Wenn ich mich recht erinnere, trugen seine Vorgänger Bretscher, Luchsinger und Bütler noch keinen Dreitagebart. Fazit: Ich war schon froh, dass sich Spillmann während der Sendung keinen Joint anzündete.

SVP übernimmt politischen Lead zur Gripen-Kampagne Die SVP hat sich nach Absprache mit der FDP und dem Verein für eine sichere Schweiz bereit erklärt, den politischen Lead für die Kampagne «JA zum Gripen!» zu übernehmen, nachdem die CVP am Wochenende den Kampagnenlead niedergelegt hat. Die SVP übernimmt damit Verantwortung für ein weiteres zentrales Geschäft dieser Legislatur. Es braucht am 18. Mai 2014 ein klares JA zur Sicherheit und zum Schutz unseres Luftraumes und damit ein JA zum Gripen-Fondsgesetz. Die SVP kämpft in einem breit abgestützten Verbund mit Vertretern von FDP, CVP, BDP, Lega, MCG, Wirtschaft und Milizorganisationen für diese wichtige Vorlage.

als Makulatur zurückgezogen. Mit dem ungeliebten Resultat von Volksabstimmungen hat die EU somit eine reiche Erfahrung. Warum beschimpft dann die EU den Schweizer Souverän, statt ihn zu respektieren? Kein Wunder: Wenn sich eine solche Demokratie nach Schweizer Vorbild in den autoritären Strukturen der EU einnisten würde, wäre dies das «Aus» für das Erzwingen von prestigeträchtigen Vorhaben, welche die autoritären Machtstrukturen in Brüssel festigen – der Euro ist ein Beispiel dafür. Um solchen Zentralismus nicht zu gefährden, rottet man solche demokratischen Sympathien wohl am besten gleich in den Anfängen aus. Da hat man die Lektionen von Machiavelli verinnerlicht.

Wenn die EU Schweizer Vorleistungen vergemeinschaftet … Gewiss war es schwach von Bundesbern, die Guillotine-Klausel zu akzeptieren, gemäss der bei der Kündigung eines Abkommens gleich alle andern hinfällig werden. Auch wenn sich naive Schweizer Unterhändler damit selber in die Position der Erpressbarkeit manövriert haben, so rechtfertigt das noch lange nicht, dass die EU nun zur Nötigung schreiten kann. Denn damit begibt sich die EU selber in den Bereich des Vertragsbruches, wenn man mit der Aussetzung der Bilateralen I droht, weil sich die Personenfreizügigkeit nicht mehr aufrechterhalten lässt. Dies ist dann der Fall, wenn die Nomenklatura (so der Jargon aus den Zeiten der Sowjetunion) in der EU-Zentrale auch nicht davor zurückschreckt, Vorleistungen, welche die Schweiz für die EU erbracht hat, mit Füssen zu treten. So hat die Schweiz im Rahmen des Transitvertrages mit dem Bau des Gotthard-Basistunnels immense Beträge investiert – nicht für die Schweiz selber, sondern für die EU – insbesondere für Deutschland und Italien. Bei einer Kündigung der Bilateralen blieben diese Investitionen, die ja Vorleistungen an die EU darstellen, in der Luft hängen. Aber auch im Hochschulbereich hat sich die Schweiz von Europa das umstrittene «Bologna-Modell» aufdrängen lassen, das auch eine Verschulung und einen Stress für Dozenten und Studierende mit sich bringt. Als grosse (scheinbare) Errungenschaft wurde mit dieser Vereinheitlichung die Ermöglichung des interna-

tionalen Studentenaustausches in den Himmel gelobt (auch wenn das in der Praxis nicht so einfach funktioniert). Wenn nun aber die EU das Studentenaustauschprogramm «Erasmus» einfriert – oder dies auch nur beabsichtigt, – dann werden just die durch Bologna geforderten Opfer in den Müll gekehrt. Wenn das nicht faktisch Vertragsbrüche sind?

… und die eigene Verfassungsmässigkeit umgeht Auch die Verfassungsmässigkeit ist in der EU nicht mehr unantastbar: Nachdem das Deutsche Bundesverfassungsgericht den Aufkauf von Staatsanleihen für verfassungswidrig erklärt hatte – mit dem Versprechen, solche an sich schon immer verbotenen Käufe zu tätigen, hat der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), Mario Draghi, im Zuge der Euro-Rettung die Finanzmärkte beruhigt – wird das Dossier nun einfach an den Europäischen Gerichtshof (EuGH) weitergereicht. Wie unvoreingenommen man in Strassburg dann «in eigener Sache» entscheidet, der Zweck soll in autoritären Regimes ja die Mittel heiligen, lässt sich unschwer ausdenken – nicht nur weil der Präsident des Hofes ein Grieche ist.

Export des Elends – unter der Flagge der Personenfreizügigkeit So hat der Euro im Zuge seiner Rettung nicht nur grosse Teile der Bevölkerung in einigen Ländern auf oder unter das Existenzminimum gestürzt, schlimmer noch: Regierungen in diesen Krisenländern machen faktisch betrügerisch auf Zweckoptimismus, wenn sie falsche Zahlen liefern: Man erfasst einfach die Ausgesteuerten nicht mehr oder jene, die für die Arbeitsuche ausgewandert sind und proklamiert eine Verbesserung der Lage. So aber wird die Arbeitslosigkeit dank der Personenfreizügigkeit exportiert – beispielsweise in die Schweiz. Wen wundert es, wenn – ob des «Ja» des Schweizer Volkes zur Zuwanderungsinitiative – in Brüssel übler Schaum vom Place Schuman, dem Sitz der EU-Zentrale, zum Wahrzeichen des «Manneken Pis» im historischen Zentrum der Stadt strömt: Denn nun lassen sich die schlechten Zahlen nicht mehr unter Mithilfe der Schweiz ins Nirwana schönen.

ELEK TRONISCHE ABSTIMMUNGSANL AGE FÜR DEN STÄNDER AT

Endlich etwas Licht in der «Dunkelkammer» Der Druck der SVP, dass in der kleinen Kammer endlich Transparenz über das Abstimmungsverhalten der Ständeräte geschaffen wird, hat einen ersten Erfolg gezeitigt. Die elektronische Abstimmungsanlage im Ständeratssaal ist bereit und kann ab der kommenden Frühjahrssession eingesetzt werden. Dies ist die direkte Folge der Parlamentarischen Initiative von Ständert This Jenny (11.490 Pa.Iv. Jenny; Transparentes Abstimmungsverhalten). Die SVP fordert den Ständerat nun auf, rasch alle Abstimmungen offenzulegen. Die Wählerinnen und Wähler haben ein Anrecht darauf, zu wissen, wie ihre Volksvertreter abstimmen. SVP. Der Ständerat wird seine Beschlüsse vorerst bei Gesamtabstimmungen, Schlussabstimmungen, bei Abstimmungen, die ein qualifiziertes Mehr erfordern und bei Abstimmungen, bei denen mindestens zehn Mitglieder dies verlangen, in Form von Namenslisten veröffentlichen. Ärgerliche Fehler beim Auszählen sind damit Geschichte. Dies reicht jedoch noch nicht aus, um bei kritischen Abstimmungen zu wichtigen Geschäften Klarheit über das Stimmverhalten zu schaffen. Seit dem Frühjahr 2011 hat die SVP für mehr Transparenz im Ständerat gekämpft. Nachdem sich viele Ständeräte zuerst mit Händen und Füssen

gegen dieses Ansinnen gewehrt haben, ist nun drei Jahre später ein wichtiger, erster Schritt vollzogen. Dies ist insbesondere dem unermüdlichen Einsatz von Ständerat This Jenny in dieser Sache zu verdanken, der nie locker gelassen hat und einem aus demokratischer Sicht selbstverständlichen Anliegen zum Durchbruch verholfen hat. Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger haben ein Anrecht darauf, zu sehen, wie sie von ihren Ständeräten in Tat und Wahrheit vertreten werden. Wie seinerzeit im Nationalrat, dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, bis sämtliche Abstimmungen offengelegt werden. Die SVP wird diesbezüglich weiter Druck machen.


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