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4e Assises de l’historiographie luxembourgeoise

Catherina Schreiber

Leute auf einen solch verantwortungsvollen Posten vorbereiten. Er gründet eigene Schulen, Handwerker – und technische Kurse und prüft die Leute, die eine solche Stelle haben wollen auf ihre Kenntnisse und ihre Gewissenhaftigkeit.47 Zudem mussten gerade die Kinder der Luxemburger Arbeiter, so konstatiert Denis Scuto, zunehmend mit deutschen Immigranten um eine industrielle Anstellung konkurrieren48; Jacques Maas sieht hierin einen maßgeblichen Impuls für das Schulgesetz von 1912, das mit einer Gültigkeit von fast 100 Jahren die Grundlage für jegliche Primärschulpolitik des Großherzogtums im 20. Jahrhundert bildete.49 Doch die Reformen beschränkten sich nicht auf die vorhandenen Schultypen. Eine erste Anpassung der Schulstruktur bestand daher in der Gründung mehrerer „Ecoles industrielles“ in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Bereits seit 1848 existierte eine Industrieklasse am Athe­ näum in Luxemburg, die ab 1892 auch als eigene Industrieschule abgespalten wurde. Seit 1850 existierten darüber hinaus die „Ecoles industrielles et commerciales“ in Esch, Echternach und Diekirch,50 die durch das Reglement von 186151 noch erweitert wurden. Mit der Gründung der „Ecoles professionelles“ zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts wurden weitere postprimäre Alternativen zur gymnasialen Ausbildung geschaffen. Während die „Ecoles industrielles“ in erster Linie eine höhere technische Ausbildung ermöglichen sollten, wie etwa das Studium an einer technischen Hochschule, dienten die „Ecoles professionelles“ vor allem als Werksund Ausbildungsschulen für Berufe in der immer wichtiger werdenden ­Stahlindustrie.52

Abb. 2. Industrieschule in Esch. Postkarte von J. M. Bellwald, Echternach, No. 428, zur Verfügung gestellt von Solange Coussement (lcc.luxcentral.com)

Zunächst erwartet man curriculare Anpassungen vor allem im Programm der Industrieschulen, zumal industrielle Entwicklungen ausschlaggebend für die Gründung dieser Sektionen waren.53 Dies trifft auch (vor allem für die Frühphase der Industrialisierung) insofern zu, als das Curriculum der „Ecoles ­industrielles“ auf technische und kaufmännische Schwerpunkte ausgelegt war:

47 Autorenkollektiv, Fortbildungsschüler (Anm. 22), S. 128. 48 SCUTO Denis, Histoire des immigrations au Luxembourg (XIXe-XXIe s.), in : OGB-L, 25e anniversaire du Département

des Immigrés (1985-2010), Luxembourg 2010, S. 13-38.

49 MAAS, Jacques, La loi scolaire de 1912 : Un enjeu politique majeur, in : KIRSCH, Ed/MAAS, Jacques/REDING, Jean-

Claude, La loi Braun de 1912 : La libération de l’instituteur, FGIL, Luxembourg 1987, S. 9.

50 Réglement général des établissements de l’Etat, d’enseignement supérieur et moyen, en exécution de la loi du 23 juillet

1848, modifiée par celle du 6 février 1849, in: Mémorial A no. 23 (1850), S. 201f.

51 Arrêté royal grand-ducal du 7 juin 1861 portant approbation d’un nouveau règlement pour les établisse-ments

d’enseignement supérieur et moyen de l’Etat, in: Mémorial A no. 14 (1861), S. 75f.

52 Das Institut Emile Metz (gegr. 1913) wurde von der ARBED auch mit dem Ziel einer Werks- und Ausbildungsschule

gegründet, organisierte aber auch Abendkurse; DIEDERICH, L’enseignement technique (Anm. 8), S. 376.

53 Vgl. hierzu: BERG, Hubert, Über die Wichtigkeit einiger technischer Kurse in den mittlern und höhern Lehranstalten.,

in: Programm herausgegeben am Schlusse des Schuljahres 1853-1854, Gymnase grand-ducal d’Echternach, 1854, S. 14-23. Vgl. hierzu: WEYDERT, Nicolas, Importance des cours industriels du progymnase de Diekirch, in: Programm, herausgegeben am Schlusse des Schuljahrs 1858-1859, Progymnase grand-ducal de Diekrich, 1859, S. 3-8.

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