Zürich Das Magazin #2

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gas t r o n o mi e

Baukunst und kulinarische

Zaubereien Top-Adresse für Geniesser ist das «Greulich» in Zürich-Aussersihl. Auf ihre Kosten kommen hier Liebhaber erstklassiger Architektur und Gourmets, für die es nicht immer Kaviar sein muss, sondern auch einmal Schweinsfuss sein darf.

Tex t ESTHER SCHEIDEGGER ZBINDEN | Fotos ALESSANDR A LEIMER

Gewiss, der Kreis 4 ist auch ein Wohnquartier. Aber ein Design-Hotel in einer abgewirtschafteten No-where-Gegend beim Bahngraben, in einer weiträumigen Asphaltlandschaft? Hat das Zukunft, kann das gut gehen? Der Erste, der mich überzeugte, war der Schweizer und Wahlberliner Schriftsteller Thomas Hürlimann. Ihn traf ich im «Greulich», wo Egon Ammann, der charismatischste Verleger der Schweiz, seinen Starautor untergebracht hatte, obwohl sich der Ammann-Verlag im traditionell standesgemässeren Hottingen befindet, wo es auch Hotels gibt. Wir trafen uns in der Bar. Man kommt, sieht und kapiert: Genau so muss es sein. Das «Greulich» ist eine Oase mit Ausstrahlung. «Hier wird Stadt repariert», wie es ein gescheiter Zeitgenosse ausdrückt. Dass ein selber erfolgreicher Architekt Zunftgenossen – und ihren Auftraggeber – neidlos rühmt, lässt aufhorchen. Doch fangen wir am Anfang an. Zürich ehrte seinen Arbeiterführer und Sozialreformer Hermann Greulich (1842–1925) damals speditiv: Schon fünf Jahre nach seinem Tod, 1930, wurde eine Strasse nach ihm benannt, im Chreis Cheib (= Proletarierviertel) oder «Glasscherbenviertel», wie das ehemals klassische Arbeiterquartier Aussersihl damals noch genannt wurde. 70 Jahre später ist der inzwischen ziemlich vergessene Sozialdemokrat der profane «Hausheilige» von Zürichs derzeit einmaligem und exklusivstem DesignHotel geworden. Seine Büste steht in der Rezeption, und auch mit einem neu gegossenen Bronzerelief wird ihm Reverenz erwiesen. Initiator, Bauherr mit Visionen und Eigentümer des Hotel-Restaurant-Bar-Gesamtkunstwerks ist der Zürcher Anwalt Thomas B. Brunner. Er kaufte, als Konkursobjekt, zwei Flügel der Mietshausblöcke aus den 1930er-Jahren samt der ehemaligen Werkhalle im teilweise begrünten Hinterhof. Ursprünglich wollte er in dieser bisher keineswegs noblen, eher verlotterten Gegend nur ein Luxusrestaurant eröffnen, einen Ort für urbane Geniesser, ganz nach seinem eigenen Gusto.

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