The German Connection - Kuhnert, 1965-2015

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6 Lonzi, “Giulio Paolini”, in Collage, Nr. 7, Mai 1967, S. 44-46, dann wieder aufgenommen und leicht modifiziert im Ead, Autoritratto [1969], und bei/ Edizioni, Mailand 2010, S. 12. The German Connection. Kuhnert, 1965 - 2015

Malerei-Gymnastik _______Wenn uns die Angelegenheit der geformten Leinwand heute noch Sorgen macht, liegt das an der Tatsache, dass ihre Entstehung von einer Anzahl von Fragen begleitet wird, die durch den künstlerischen Werdegang nicht beantwortet werden. Zehn Jahre nach Burris Buckeln, waren die geformten Leinwände weit von der Lösung der Probleme entfernt, die sich der post-informellen Malerei stellten. Sie ins Spiel zu bringen war von Piero Manzoni, der den folgenden Text 1960 schrieb, gut bedacht: “[...] Ich verstehe die Maler nicht, die, obwohl sie vorgeben an den Problemen der Moderne interessiert zu sein, sich nach wie vor vor die Leinwand stellen, als wäre diese eine Oberfläche, die es mit Farben und Formen auszufüllen gilt. [...] Sie fügen ein Zeichen, eine weitere Farbe von der Palette hinzu und fahren mit dieser Gymnastik so lange fort, bis sie das Bild, die Leinwand vollgemalt haben: das Bild ist fertig: Ein Raum der unbegrenzten Möglichkeiten wird jetzt zu einer Art Gefäß reduziert, in dem unnatürliche Farben und künstliche Bedeutungen komprimiert werden. Warum eigentlich nicht stattdessen das Gefäß entleeren? Warum nicht diese Oberfläche befreien? Warum nicht versuchen, den unbegrenzten Sinn einer Gesamtnutzfläche, aus reinem und absolutem Licht zu entdecken?” („Freie Dimension”, in Azimuth, Nr. 2. Januar 1960). _______Wie leert man das Gefäß, um ein so viel versprechendes und voreingenommenes Bild, das bereits eine Vielzahl von Antworten bereithält, zu nutzen? Die Bewegung in Richtung des gesamten Raums jenseits der Malerei, wie ihn Manzoni voraussagte, war nicht so offensichtlich, nicht einmal für Manzoni selbst, ebenso wie man nicht umhin kommt, auf Giulio Paolini und Carla Lonzi im Jahre 1967 hinzuweisen. „Ich denke, dass es bei Manzoni in Anführungszeichen noch genügend Einbeziehung der Malerei gab, in dem Sinne, dass er sich noch nicht darüber im Klaren war, dass er die Leinwand, den Rahmen und den Pinsel wirklich als Begrenzung und als wohlüberlegte und festgelegte Verarmung nutzte. Er handelte daher natürlich noch in einem Bereich der Zerstörung von Bildern und Formen und ohne sich dabei über die Ablehnung anderer modernerer Techniken bewusst zu sein.“ Das war der ausdrücklich von Paolini eingeschlagene Weg und die weitere Ausführung der Gymnastik, wie sie Manzoni nannte oder, in der Formulierung des gleichen Paolini, ein “absichtliches Verbleiben inmitten von Rahmen und Farbdosen”6.

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Piero Manzoni Achrome, 1961/1962 cotton wool detail

Die geformte Leinwand. Malerei ohne Begrenzungen. The German Connection / Riccardo Venturi


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