KOMPASS Stadtmagazin Ausgabe 11 | 16

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s en s ibe l Zu sensiBel FÜr den alltag? da hochsensible permanent viele informationen aufnehmen, benötigen sie früher als viele andere Menschen regenerations- und ruhephasen. Von außen betrachtet scheinen hochsensible Personen daher weniger belastbar zu sein als ihre Mitmenschen: „Wie du dich nur immer anstellst. leg dir ein dickeres Fell zu!“ derartige aussagen hören bereits kinder mit hochsensibiliät und sie führen dazu, dass sich diese Menschen ausgeschlossen fühlen und glauben, irgendwie „nicht richtig zu ticken“. Partys mit vielen gästen stellen für viele von uns keine große herausforderung dar. daher ist es im ersten Moment schwierig, sich in einen Menschen hineinzufühlen, dem die laute Musik schmerzen bereitet und den die sich vermischenden düfte an die grenze seiner Belastbarkeit bringen. hochsensibilität stößt oft auf unverständnis. ein rückzug aus unangenehmen situationen wird vom persönlichen umfeld als unhöflichkeit oder ungeselligkeit interpretiert: „auf einer Party im frühen teenageralter herrschte so ein durcheinander von schülerinnen und schülern, dass ich plötzlich das Bedürfnis verspürte, die lokalität zu verlassen, weshalb ich mich ohne formelle Verabschiedung entfernte und sehr erleichtert war, ohne weitere intensive eindrücke mit dem Bus nach hause fahren zu können. es drängte sich der eindruck auf, dass ich tätigkeiten, die üblicherweise zur definition eines gelungenen, jungen lebens gehören, nicht genießen konnte. ich hatte angst, etwas zu verpassen, mein leben nicht gelebt zu haben“, erzählt dr. Michael Jack, Präsident des informations- und Forschungsverbundes hochsensibilität e.V.

Was ist hochsensiBilitÄt? Hochsensibilität ist keine Krankheit. Bei etwa 15 bis 20 Prozent der Menschen tritt das Phänomen auf. Männer und Frauen sind gleich häufig hochsensibel.

Hochsensible nehmen viel mehr Informationen auf als andere Menschen, sowohl von ihrer Umwelt als auch von sich selbst: Lärm, soziale Konflikte und der Alltag mit all den Sinneseindrücken werden ihnen schneller unerträglich. Sie müssen sich zurückziehen, ausruhen, die Eindrücke verarbeiten.Hochsensible fühlen sich häufig isoliert und leiden unter Anpassungsdruck, da andere Menschen scheinbar andere Maßstäbe dafür haben, was „gesund“, „richtig“ und „aushaltbar“ ist.

hochsensible Menschen, die sich ihrer Besonderheit nicht genau bewusst sind, leiden häufig unter dem eindruck, krank und behandlungsbedürftig zu sein: Freunde und Freundinnen können dinge tun, die für sie selbst unerträglich sind. dies führt zu einem großen anpassungsdruck, an dem hochsensible zwangsläufig immer wieder scheitern müssen. „Viele Menschen leiden in der westlichen Welt unter der reizüberflutung und sind gestresst, nicht etwa nur hochsensible. hier sollte grundsätzlich ein umdenken stattfinden! sensitive Menschen sind aufgrund ihrer Wahrnehmungsbegabungen vermutlich die ersten, die uns darauf aufmerksam machen, dass das Maß an umweltreizen schon längst überschritten ist“, betont Birgit trappmann. Für diese Menschen ist es oftmals hilfreich oder sogar lebensverändernd, mit dem Begriff der „hochsensibilität“ in Berührung zu kommen. „der kontakt mit dem terminus gab mir ein neues rollenmodell, das zu meinen besonderen Maßstäben dafür passte, was an reizeindrücken angenehm war, und was nicht, so dass ich nicht mehr versuchen musste, das „normale“ zu leben“, berichtet Michael Jack von den „gebirgsketten“, die ihn nach eigenen aussagen metaphorisch vom herzen fielen.

Doch hochsensible Menschen haben auch viele Stärken: Sie sind häufig reflektierter, umsichtiger, innovativ und gelten als gute Zuhörer und Zuhörerinnen. Viele sind mit überdurchschnittlichen künstlerischen Fähigkeiten ausgestattet. Wissen sie um ihre Besonderheit, können sie ihre Sensibilität häufig genießen und nutzen: Die Gesellschaft braucht Menschen mit feiner Wahrnehmung! 11 16

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