Entweder oder. Der Demokratie auf der Spur.

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MIT STEUERFRAU MERKEL AUF HOHER SEE Wenn die Kanzlerin ihr Ruder dreht, darf an Bord nichts in Schieflage geraten. Wir haben einen Blick ins Mutterschiff der Union geworfen. VON PHILIPP SEITZ

ie Parteizentrale der CDU in Berlin lässt sich mit einem Schiff vergleichen – auch optisch. Am Steuerrad des gläsernen Riesen sitzt die Kanzlerin – auf sie und ihren Kurs ist hier alles ausgerichtet. Lenkt Merkel nach links, zieht die Mannschaft mit, reißt sie das Ruder nach rechts, richtet sich ihr Team auch danach. Die „Kapitänskajüte“ liegt im sechsten Stockwerk des Konrad-Adenauer-Hauses. Wer einen Blick aus dem Fenster von Angela Merkels Büro wirft, hört nur noch ein leises Rauschen der Fahrzeuge, die sich rund um das gläserne Schiff schlängeln. Ganz oben, in der sechsten Etage des Konrad-Adenauer-Hauses hat die Parteivorsitzende Angela Merkel ihr Büro. Die Mitarbeiter sind ihre innerparteiliche Schaltzentrale der Macht. Die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der CDU wird von hier gelenkt, die Mitgliederzeitung der Union entworfen und die Kampagnen für den nächsten Wahlkampf hier erdacht. In Schieflage darf auf Merkels Schiff nichts geraten. An den Wänden des blitzblank geputzten Gebäudes hängen alte und neuere Wahlplakate, auf vielen ist das Konterfei von Merkel abgebildet. Auf manchen Plakaten ist Merkel gleich drei Meter groß. Im gesamten Gebäude dreht sich alles um die CDU: In große Kisten verpackt warten Kugelschreiber, Gummibärchen und Einkaufswagenchips auf ihren Einsatz. In den oberen Stockwerken werden Videos vorbereitet und Briefe an die Parteispitze ausgewertet. Und wer möchte, kann auch den Botschaften der Kanzlerin zuhören – über Youtube übrigens 24/7. Merkel ist nicht allzu oft an Board, dafür hat sie als Kanzlerin einfach zu wenig Zeit.

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ält man sein Handy auf ein bestimmtes Wahlplakat der Bundeskanzlerin, dann beginnt sie zu sprechen. Eine Innovation, die es ansonsten in noch keinem Wahlkampf gegeben hat, und die für Aufsehen sorgen sollte. Doch in der Marketingabteilung heißt es hinter vorgehaltener Hand, dass man sich mehr von dem Plakat erwartet hätte. Die Anzahl der heruntergeladenen Merkel-Apps sei entschieden niedriger gewesen, als erwartet. Über die Kosten des Plakats sprechen die Mitarbeiter deshalb lieber nicht. Ziemlich hoch, heißt es da nur. Mit welchen Botschaften Angela Merkel dieses Jahr am Ruder ihres Schiffes stehen will, wissen nur wenige. Einer davon ist Alexander Gruber. Er ist seit zehn Jahren mit an Bord. Früher war er Journalist, dann wechselte er 2007 die Seiten: „Politik hat mich schon immer interessiert“, sagt er. Angefangen hat seine Karriere im strategischen Bereich. Gruber schrieb Reden für Merkel und den ehemaligen CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. Heute ist er Teamleiter für Kampagnenplanung und das Marketing der Partei. Seine Aufgabe ist es, die Themen und Steuerrichtung der Kanzlerin in die Köpfe der Menschen zu bringen. Gruber weiß: Die Politik ist ein schwieriges Geschäft. Auf hoher See kann ein Boot schnell ins Wanken kommen. „Wir beobachten genau, welchen Kurs die anderen Parteien einschlagen“, betont er. Wir haben uns mit einem von Merkels Mitarbeitern unterhalten, der ganz genau weiß, wann und wie die Winde auf politischer See günstig stehen.

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Siehe auch Interview mit Alexander Gruber auf der vorherigen Seite 54

Fo t o : A rm i n L i n n a r t z

POLITIKER


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