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WOZU EIN LEBENSMITTELBUCH? Hilfestellung oder eher Bevormundung? IN DEN LETZTEN MONATEN KLAGTEN VERTRETER DER WIRTSCHAFT ÜBER EINEN WILDWUCHS AN GESETZLICHEN REGELUNGEN, DIE EINE E RFOLGREICHE UNTERNEHMERISCHE TÄTIGKEIT ERSCHWEREN. ZÄHLT AUCH DAS ÖSTERREICHISCHE LEBENSMITTELBUCH ZU DEN BEHAUPTETEN EINENGENDEN REGLEMENTIERUNGEN? ELISABETH KÖRNER
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ie Entstehungsgeschichte des Österreichischen Lebensmittelbuches zeigt, dass schon von Beginn an der Servicegedanke im Vordergrund stand. Bereits in den Anfängen der modernen Lebensmittelchemie und Analytik in der der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts war es schnell klar, dass ein Lebensmittelgutachten ohne die Anwendung allgemein anerkannter Analysenmethoden und Beurteilungs(Qualitäts)kriterien wissenschaftlich nicht nachvollziehbar ist. Es bringt daher für die Auftraggeber keinen verlässlichen Informationsgewinn und ist für sie wertlos. Eine Privatinitiative motivierter Lebens mittelchemiker, denen die Verbesserung dieser unbefriedigenden Situation ein Anliegen war, wurde bald von den zuständigen staatlichen Stellen als wichtig anerkannt und aufgegriffen. Expertinnen und Experten aus Industrie, Gewerbe, Landwirtschaft, Handel, Lehre, später auch Arbeitnehmer- und Konsumentenvertreter beteiligten sich an der Ausarbeitung des Codex Alimentarius Austriacus, des Österreichischen Lebensmittelbuches.
Im Österreichischen Lebensmittelbuch waren erstmals, für alle offengelegt, z.B. die Beurteilungskriterien und Hygieneanforderungen ersichtlich, die alle staatlichen oder staatlich anerkannten privaten Lebensmitteluntersuchungsanstalten bei der Beurteilung von ihnen zur Analyse bzw. Begutachtung vorgelegten Lebensmitteln (betrifft auch Gebrauchsgegenstände und Kosmetika) und in der Folge auch Gerichte in Lebens mittelverfahren anwendeten. Dies nach dem Motto: Nur wer die Spielregeln kennt, kann sich an sie halten. Als Unterstützung für die Unternehmer wurden fachgerechte Herstellungsmethoden, Musterrezepturen und Hygieneleitlinien ausgearbeitet, durch deren Anwendung das angestrebte Qualitätsniveau erreicht werden konnte. Manche Unternehmer, die nicht in industriellen Mengen und mit der Ausstattung eines Großbetriebes produzieren, haben auch heute kaum den finanziellen und fachlichen Rückhalt, um selbst durch intensive chemische Untersuchungsreihen oder ausgedehnte Lagerversuche die kritischen Punkte in einem Produktionsablauf im Sinne der Anforderungen von HACCP herauszufiltern
ERNÄHRUNG | NUTRITION volume 40 | 05. 2016
und zu entschärfen. Hier ist Hilfe nötig. Wenn im Zuge der amtlichen Probenziehungen eine Häufung von Qualitätsoder Hygieneproblemen bei bestimmten Lebensmitteln auffällt, reagieren die auf einzelne Produktgruppen spezialisierten Mitglieder (Unterkommissionen, ad hoc erstellte Arbeitsgruppen) der Österreichischen Codexkommission rasch und kompetent. Sie lokalisieren, oft durch umfangreiche Forschungstätigkeit, die Ursache der Mängel und zeigen auf, wie die Unternehmer in Zukunft diese Mängel vermeiden können. Als Beipiele aus der letzten Zeit möchte ich hier auf die Empfehlungen zur Vermeidung von Aluminiumanreicherungen bei bestimmten Backwaren oder die Empfehlungen zur Herstellung, Lagerung und Zubereitung von Döner Kebap hinweisen. Das Österreichische Lebensmittelbuch ist zwar kein Gesetz, wird aber infolge seiner Bedeutung, auch in der Rechtsprechung, als „generalisiertes Sachverständigengutachten“ behandelt, da es unter Mitwirkung aller Stakeholder in der Codexkommission, die auch die zuständige Bundesministerin berät, ausgearbeitet und der Bundesministerin zur