DIE ERNÄHRUNG VOLUME 43 | 05 2019

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INNOVATIVES PET-RECYCLING DAS ACIB ENTWICKELT LÖSUNGEN, UM DIE GLOBALE UMWELTVERSCHMUTZUNG DURCH PLASTIK IN DEN GRIFF ZU BEKOMMEN. EIN PROZESS KÖNNTE BEREITS IN DEN NÄCHSTEN JAHREN IN DIE INDUSTRIE ÜBERFÜHRT WERDEN: DAS ACIB HAT DEN BIS HEUTE FORTSCHRITTLICHSTEN RECYCLING-PROZESS FÜR DAS POLYMER PET ENTWICKELT. GEORG GÜBITZ

PET-Recycling aus der Natur 2001 gelang es erstmals, die Eigenschaft von Bakterien und Pilzarten wie Fusarium solani nachzuweisen, natürliche Enzyme zu produzieren, die PET abbauen können. Der nächste Schritt war die Forschungsaufgabe, wie dieser natürliche Prozess auf industrielle Anwendungen übertragen werden kann, um eines Tages Polymere auf natürliche Weise zu recyceln. Zuvor war noch eine der größten Herausforderung im PET-Recycling-Prozess zu lösen: Wie

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atürliche Enzyme erlauben, die Einzelbestandteile des Kunststoffs, der in Essensverpackungen oder Plastikflaschen verarbeitet ist, zur Gänze wiederzugewinnen – in gleichbleibender Qualität. Zahlreiche Forschungsaktivitäten weltweit sind bestrebt, Lösungen für die globale Umweltverschmutzung durch Plastik zu finden. Einen der vielversprechendsten Ansätze haben wir am Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entdeckt. Spezielle Enzyme wurden gefunden, die das Polymer PET in dessen Einzelbestandteile zerlegen und damit recyceln können. Denn allein in Europa werden derzeit jährlich rund 25 Millionen Tonnen Kunststoffabfälle produziert, viele davon aus der Nahrungsmittelverpackungsindustrie, wovon jedoch nur 30% rezykliert werden. Ein beträchtlicher Anteil gelangt daher oft in die Umwelt und wird dort nicht oder nur sehr langsam abgebaut.

Georg Gübitz

kann ein natürlicher Stoff einen künstlichen Stoff in dessen Einzelbestandteile zerlegen? Es gelang uns 2011 am acib, eine Methode zu entwickeln, Enzyme gezielt an die abzubauenden, synthetischen Polymere anzupassen. Die Polyesterasen konnten stabiler und wesentlich effizienter arbeiten, was den Prozess sicherer macht und den PET-Abbau beschleunigt. Heute können wir die riesigen Kunststoffmoleküle bereits innerhalb von weniger als einem Tag in ihre Einzelbestandteile spalten. Dazu kommt ein katalytischer Prozess namens Hydrolyse zum Einsatz. Hierbei wird Wasser zwischen den Kettenverbindungen angelagert, um diese zu trennen und die zwei Moleküle Terephtalsäure und Ethylenglykol, aus denen PET zusammengesetzt ist, in Reinform herauszubekommen.

Industrieanwendung in den nächsten Jahren realistisch Der Prozess ist umweltschonend, findet bei 37 Grad Celsius unter natürlichem Atmosphärendruck, in neutralem pH-Milieu und in wässriger Suspension statt und kommt ganz ohne toxische Chemikalien wie z. B. Schwermetalle aus. Aus den Synthesebausteinen, die nach dem Enzym-Recycling in Reinform zur Verfügung stehen, lassen sich hochwertige neue Produkte wie PET-Flaschen, Funktionsbekleidung und sogar Wirkstoffe für Medikamente erzeugen. Nahezu 90 Prozent des Ausgangsmaterials kann wiederverwendet werden. Dieser sehr spezifische Prozess ist insbesondere für Verbundmaterialien und schwer zu trennende Mischungen interessant, die große Schwierigkeiten in herkömmlichen Recyclingprozessen bereiten. Eine Umsetzung des Prozesses im Industriemaßstab ist realistisch. Um das PET-Abbau-Verfahren wirtschaftlich zu machen, muss unsere Prozessgeschwindigkeit noch auf wenige Stunden beschleunigt werden. Daran arbeiten wir derzeit intensiv. Die Lösung ist nur noch eine Frage der Zeit. ao. Univ.-Prof. DI Dr. Georg Gübitz Umweltbiotechnologie, Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib), Graz

volume 43 | 05. 2019  ERNÄHRUNG | NUTRITION


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