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Volkswille wird grob missachtet Der Spielraum bei der Raumplanung ist viel zu gross. Die St.Galler Regierung muss endlich gegen überdimensionierte Bauzonen in den Gemeinde einschreiten.

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Volkswillen respektieren Die Regierung muss aber den Volkswillen ernst nehmen. Sie darf die neuen statistischen Zahlen nicht unreflektiert übernehmen und damit Neueinzonungen noch fördern und Rückzonungen behindern. Es braucht den Wechsel zum «Bevölkerungsszenario tief». Dieses sieht vor, dass die St. Galler Bevölkerung bis 2040 um 47‘000 Personen auf 546‘000 Einwohner ansteigt. Sodann ist der Spielraum bei der Bemessung des Siedlungsgebiets viel zu gross. Das Instrument des Spielraums wurde erfunden, um Gemeinden mit zu viel eingezontem Bauland zu schonen. Er ermöglicht es, die Auszonung von überzähligem Bauland zu umgehen, obwohl dies gemäss Wachstumsprognose für die kommenden 25 Jahre zu tun ist. Er lässt es sogar zu, dass Gemeinden,

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m März 2013 hat die Schweiz mit 63% deutlich Ja gesagt zum neuen Raumplanungsgesetz. St.Gallen stimmte sogar mit 64,3% zu. Man war sich einig: Die Zersiedelung muss gestoppt werden, die verdichtete Bauweise ist zu fördern. Im November 2015 hat das St.Galler Stimmvolk diesen Grundsatz in einer ReferenVon Ruedi Blumer, dumsabstimmung bestäSP-Kantonsrat, Gossau tigt, indem es eine von der Baulobby verlangte Kompetenzänderung bei der Richtplanung verwarf. Doch von diesem wichtigen Erfolg der Umweltverbände und der Mitte-Linksparteien droht nichts übrig zu bleiben. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Einmal hat das Bundesamt für Statistik (BfS) das Bevölkerungswachstum erheblich nach oben korrigiert. Aus unserer Sicht eine über-

triebene Korrektur. So soll die St.Galler Bevölkerung bis ins Jahr 2040 statt um 50‘000 um satte 83‘000 Personen auf 582‘000 EinwohnerInnen zunehmen. Dabei ist die Steuerung der Zuwanderung noch nicht berücksichtigt. Zudem hat unser Kanton einen negativen Wanderungssaldo. Es ziehen mehr Leute in andere Kantone als umgekehrt. Die neuesten Zahlen zeigen auch für St.Gallen ein gegenüber dem Vorjahr von 0,8 auf 0,7% reduziertes Wachstum.

Im Kanton St.Gallen läuft die Raumplanung völlig aus dem Ruder.

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deren Siedlungsgebiet mehr Bauland umfasst als gemäss Wachstumszahlen beansprucht wird, dennoch zusätzlich einzonen dürfen. Der Spielraum ist derart grosszügig bemessen, dass die Gemeinden mit zu grossem Siedlungsgebiet erst dann auszonen müssen, wenn die Baulandreserven mehr als doppelt so gross sind als der Bedarf für die kommenden 15 Jahre. Und trotz dieses völlig überrissenen Spielraums wären 22 Gemeinden verpflichtet gewesen, Auszonungen vorzunehmen. Selbst nach erfolgter Auszonung hätten aber diese 22 Gemeinden (sie liegen mehrheitlich im Toggenburg und im Rheintal) eingezonte Baulandreserven für 30 und nicht nur für 15 Jahre. Das jedoch widerspricht eindeutig dem Raumplanungsgesetz (RPG). Da steht in Artikel 15: «Die Bauzonen sind so festzulegen, dass sie dem voraussichtlichen Bedarf für 15 Jahre entsprechen. Überdimensionierte Bauzonen sind zu reduzieren.»

Gesetzwidrige Planung Fazit: Die Raumplanung läuft im Kanton St.Gallen völlig aus dem Ruder. Sie widerspricht dem Raumplanungsgesetz des Bundes wie auch dem Willen der St.Galler Bevölkerung. Wenn die Regierung am «Szenario mittel» festhalten will, bedeutet das, dass weit weniger als die genannten 22 Gemeinden auszonen müssen. Die Situation wird also noch grotesker. Es gibt noch viel mehr überdimensionierte Bauzonen, die gesetzeswidrig toleriert werden und der Zersiedelung Vorschub leisten. In der Septembersession wurde ein Antrag von mir auf Diskussion dieser Thematik von der bürgerlichen Ratsmehrheit leider abgelehnt. Es ist aber für eine intakte Landschaft von entscheidender Bedeutung, dass sich die Regierung von den Baulobbyisten und Gemeindepräsidenten nicht ins Boxhorn jagen lässt, sondern sich am Gesetz und am Volkswillen orientiert. Das wiederum heisst, dass die Regierung für den Fall, dass sie auch bei den neuen sehr hohen Wachstumszahlen des BFS am «Szenario mittel» festhält, den Spielraum ersatzlos streichen muss. Entscheidet sie sich fürs «Szenario tief», das in etwa dem «Szenario mittel» bei den alten Wachstumszahlen entspricht, muss sie den Spielraum mindestens um Zweidrittel verkleinern, um in allen Gemeinden gesetzeskonforme und faire Ergebnisse zu erzielen. Diese Weichenstellungen müssen noch in diesem Jahr erfolgen. Das Berechnungsmodell erst in vier Jahren zu überprüfen, wie das die Regierung will, ist inakzeptabel. Sollte sich die Regierung nicht bewegen, ist für die SP-Grüne-Fraktion eine rote Linie überschritten! In diesem Fall wäre ein Referendum zusammen mit den Umweltverbänden angezeigt.


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