Links 2 2016

Page 8

Frauen, macht wieder Politik! Gestalter: Donald Brun

Die Frauenquote im Kantonsrat hat einen Tiefpunkt erreicht. Frauen müssen wieder selbstbewusster Politik betreiben.

I

ch lese zur Zeit mit grossem Interesse ein Buch mit dem schlichten Titel «7. 2. 1971: Der Tag, an dem das Frauenstimmrecht in der Schweiz eingeführt wurde». Im Buch werden Frauen porträtiert, die an diesem historischen Sonntag geboren wurden. Es sind Geschichten von Töchtern und ihren Müttern, die Von Jacqueline Schneider, SP-Kanerzählen, wie sie mit tonsrätin, Rorschach dem Thema Politik umgehen. Offen, ehrlich und authentisch. Nicht alle sind mit der Einführung des Stimmrechts gleich zu Politikerinnen geworden. Aber für alle hat dieses Datum etwas Bedeutsames. Beim Lesen stelle ich mir immer wieder die Frage: Was hat mich denn in die Politik getrieben? Warum setze ich mich für die SP, für die Frauen ein? Was möchte ich bewegen? Nun, meine Beweggründe ergeben sich aus meiner Biografie. Doch dass ich politisch mitbestimmen kann, hat für mich persönlich auch etwas mit Lebensqualität zu tun.

Mutige Frauen Diese Mitbestimmung verdanken wir mutigen Frauen, die bereit waren zu kämpfen. Gipfelstürmerinnen und Revolutionärinnen, Vordenkerinnen und Ausnahmetalenten, denn die Geschichte der Frauen in der Schweizer Politik ist steinig. Und daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Wir tun gut daran, nicht zu vergessen, was unsere Mütter und Grossmütter geleistet haben, wollen wir nicht noch grössere

Nur noch 22 Frauen im Kantonsrat 2016 kandidierten für den Kantonsrat 778 Personen. Davon waren 227 Frauen. Dies entspricht 29,1%. Gewählt wurden 22 Frauen. Im neuen Kantonsrat sitzen 7 Vertreterinnen der SP, 6 der CVP, je 4 für die FDP und die SVP und je eine für die Grünen und die Grünliberalen. 2012 kandidierten für den Kantonsrat 797 Personen. Davon waren 235 Frauen. Dies entspricht 29,5%. Gewählt wurden 26 Frauen. 2008 kandidierten für den Kantonsrat Personen 813. Dies entspricht 33,7%. Gewählt wurden 29 Frauen.

8 links 2.2016

Frauenfeindlichkeit ist auch heute noch überall lebendig.

Rückschritte erleben. Denn die Generation, die so viel erreicht hat, ist mittlerweile im Pensionsalter angelangt oder bereits noch älter. Wir Jungen sind also gefragt. Doch mit Erstaunen muss festgestellt werden, dass es Frauen in der Politik auch heute noch schwerer haben als ihre männlichen Kollegen. Es werden andere Massstäbe und Kriterien angesetzt. Warum aber müssen wir immer besser sein als unsere männlichen Kollegen? Warum können wir nicht einfach das sein, was wir sind: nämlich gleichberechtigt und gleichgestellt? Im Jahr 2016, zwanzig Jahre nach der Einführung des Gleichstellungsgesetzes, sollte dies eigentlich kein Thema mehr sein, oder?

Düsteres Bild Ein Blick in die Gegenwart, zu den aktuellen Kantonsratswahlen, zeigt ein anderes, düsteres Bild. Ab Juni werden gerade einmal 22 Frauen im Parlament Platz nehmen. Das sind nur 18,3 Prozent (siehe Box)! Damit ist der Kanton St. Gallen einmal mehr das Schlusslicht der Ostschweizer Kantone. Der Frauenanteil ist innerhalb von zwölf Jahren um 7 Prozent gesunken. Vielleicht spielt dabei die Verkleinerung des Kantonsrats von 180 auf 120 Mitglieder eine Rolle. Vielleicht spielt die besondere Stadt-LandStruktur unseres Kantons eine Rolle. Aber es muss doch noch andere Erklärungen geben. Denn noch vor vier Jahren sassen fünf Frauen mehr im Rat. Warum gelingt es nicht mehr, Frauen zu einer Kandidatur zu bewegen? Gerade auch auf bür-

gerlicher Seite wird immer wieder betont, dass die Frauenförderung ein wichtiges Anliegen sei, und im Vorfeld der Wahlen hätten alle darauf gesetzt. Bei der Umsetzung werden dann aber tausend Ausreden gesucht und gefunden, warum es anders ist. Wir seien halt politisch weniger interessiert, wir seien mit Haushalt und Arbeit beschäftigt, und Frau sein allein reiche letztendlich nicht aus. Und schon gar nicht könne es sein, dass Frauen gewählt werden, weil sie eine Frau sind! Wir Frauen stellen 50 Prozent der Gesellschaft, und diese Tatsache bildet die Politik bei weitem nicht ab. Gerade auch die bürgerlichen Frauen sollten daher selbstbewusster auftreten und klare Forderungen stellen. Es ist sehr zu hoffen, dass sich die junge Generation der Politikerinnen pointiert dazu äussert. Die SP kann hier mit Sicherheit eine Vorbildfunktion übernehmen. Seit über 30 Jahren werden beide Geschlechter gleichermassen gefördert, und die SP-Frauen sind eine starke Stimme innerhalb der Partei. Dass dies ausserordentlich wichtig ist, zeigen schlussendlich die effektiven Ergebnisse. Keine Fraktion wies in den letzten Jahren so viele Kantonsrätinnen auf wie die SP. Sitzen weniger Frauen in den Parlamenten, so werden tendenziell Themen wie Bildung und Soziales geschwächt, weil sich eher Frauen damit beschäftigen. Erinnern wir uns also hin und wieder an unsere Vordenkerinnen – damit wir selber vorwärts kommen.


Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.