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eiten an der Kommunikation› Wie steht es innerhalb der Polizei um das Thema des Rechtsextremismus? Die Unterstellung, die PolizeibeamtInnen stünden generell politisch rechts, ist absurd. Jede Aspirantin und jeder Aspirant durchläuft ein Assessment. Die Kapo duldet weder extreme politische Einstellungen noch Gewaltbereitschaft. Im Korps ist das gesamte politische Spektrum vertreten.

wir an die Trump-Wahl, an den Brexit, an den Front national in Frankreich und an die AfD in Deutschland. Mit dir steht dem Sicherheits- und Justizdepartement ein Sozialdemokrat vor, der auf das Thema sensibel reagiert. Ja, gewiss. Die Meinungsäusserungsfreiheit als Grundrecht ist unter allen Umständen zu verteidigen. Nur stellt sich angesichts von Nazi-Konzerten die Frage: Wie weit geht dieser Schutz? Gilt er auch für Leute, die andere Grundrechte konsequent ablehnen, etwa den Anspruch auf Menschenwürde? Die Liedtexte der Rechtsrockbands sind in ihrem Inhalt eindeutig – menschenverachtend und ohne jegliche historische Einsicht. Von der Formulierung her sind sie aber bei den im Handel erhältlichen Tonträgern häufig «nur» hart an der Grenze des Erlaubten. Bei Live-Konzerten ergänzen die Sänger die käufliche CD-Version immer mal wieder um eine weitere Strophe… Ich bekomme viele Reaktionen auf die Arbeit der Kantonspolizei. Jene, die sich am heftigsten gegen die Nazi-Aufmärsche aussprechen, kommen von HistorikerInnen. Wie ja auch unser Parteipräsident Max Lemmenmeier Historiker ist.

Dennoch entstand medial der Eindruck, es gebe in der Kapo eine gewisse Blindheit gegenüber der rechten Szene. Die Kapo hatte im Fall Unterwasser die Dimension des Ereignisses komplett falsch eingeschätzt. Ja, es hiess: «Nichts passiert…» Die anschliessende europaweite Berichterstattung sagt uns natürlich etwas ganz anderes. Es ist selbstverständlich etwas passiert! Das ist eine Frage der fehlenden Sensibilität. An der Kommunikation arbeiten wir. Wie reagierte die Kantonspolizei auf die harsche Kritik von Seiten der SP? Die Rücktrittsforderung der SP gegen den Polizeikommandanten war aus meiner Sicht absolut übertrieben und unangemessen. Bruno Zanga leistet wichtige und gute Arbeit. Aber klar: Er steht in seiner Position unter besonderer Beobachtung. Macht er zu viel? Macht er zu wenig? Er kann‘s nicht allen recht machen. Und das ist für die Polizei eine schwierige Situation. Die Rücktrittsforderung traf ihn persönlich hart. Die Aussprache in der Fraktion konnte aber einen Teil der Schwierigkeiten ausräumen. Was kannst Du in Zukunft innerhalb des Polizeikorps verändern? Die Kommunikation in der heissen Phase muss klar besser werden. Wir haben zwei Tage nach Unterwasser den Gemeinden und den Eigentümern von Eventhallen Informationen zum Thema Bewilligungspraxis zugestellt. Zudem informierten wir sie über

eine Anlaufstelle bei Fragen und Unsicherheiten dazu; dieser single point of contact ist dazu da, Informationen abzugeben, Nachforschungen anzustellen und Informationen beim Bundesnachrichtendienst einzuholen. Du musstest in den letzten drei Monaten häufig auch internationalen Medien delikate Fragen zum Hitlergruss und zum privaten Charakter von Neonazi-Treffen in der Schweiz beantworten. Wie schwierig war das für Dich? Die Fragen sind aus juristischer Sicht ziemlich einfach zu beantworten. Ein Anlass mit 5000 Nazis ist nie und nimmer privat. Der private Raum wird in der schweizerischen Rechtsprechung sehr eng ausgelegt. Auch die rechtliche Situation zum Hitlergruss ist seit einem Bundesgerichtsurteil bekannt – wenngleich man den Entscheid diskutieren kann. Die Auftritte in den Medien, insbesondere in der «Rundschau» des SRF, trugen aber dazu bei, dass sich viele Bürger- Innen mit dem Thema auseinandersetzten. Was bleibt aus Deiner Sicht nun am dringlichsten zu tun? Wir müssen jetzt genau beobachten, wie sich die rechte Szene verhält. Bis vor kurzem war es für uns alle undenkbar, dass sich die abscheuliche Geschichte der NS-Ideologie wiederholen kann. Das neue Phänomen der Nazi-Konzerte erfordert in der Schweiz nun eine Diskussion auf der nationalen politischen Ebene. Ich bin zudem Mitglied der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus und kann mich in diesem Gremium sehr gut einbringen. Dabei dürfen wir nicht vergessen: Die Verschärfung der Rassismus-Strafnorm kann nicht die einzige Lösung sein. Sie hilft nicht, gesellschaftliche Fehlentwicklungen zu verhindern oder zu korrigieren. Zudem gibt es auch in unserem Kanton viele bürgerliche PolitikerInnen, welche die Rassismus-Strafnorm gerade nicht stärken, sondern schwächen wollen. Was empört Dich persönlich am wachsenden Selbstbewusstsein und Aktivismus der extremen Rechten und der Neonazi-Szene in der Schweiz am meisten? Am meisten beunruhigt mich, dass es 70 Jahre nach Adolf Hitler Menschen gibt, die den entsetzlichen Massenmord und den Vernichtungskrieg der Nationalsozialisten verherrlichen, den Holocaust leugnen und Nazigrössen wie Hitler als Heilsbringer empfinden. Mich beunruhigt aber auch die hohe Organisationsfähigkeit der rechten Szene vor allem in Deutschland und die Unfähigkeit des Bundesnachrichtendienstes und des deutschen Verfassungsschutzes, trotz ziemlich grossem Aufwand hinter die Organisation der Nazis zu blicken. (Interview: Guido Berlinger-Bolt) links 1.2017 5


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