RUN & WALK
Diese Diskrepanz zwischen theoretischem Wissen um
Formulieren wie „Ich möchte gesund bleiben“ oder „Ich will
die Bedeutung körperlicher Aktivität und deren praktische
meine Selbstständigkeit erhalten“. Erreicht man das konkret
Umsetzung im Alltag erstaunt. Liegt der Grund dafür in
formulierte Ziel, so werden die dahinter liegenden Absichten
falschen Botschaften, die vermittelt werden? Viele einschlä-
von selbst miterfüllt.
gige Fachgesellschaften und Organisationen operieren immer noch mit dem verschwommenen und wenig griffigen Begriff der „Bewegung“ in ihren Gesundheitsberatungen. Wie zum
REICHEN 30 MINUTEN BEWEGUNG AM TAG ODER MUSS ES MEHR SPORT SEIN?
Beispiel mit der tausendmal gehörten Empfehlung von einer halben Stunde körperlicher Aktivität am Tag, womöglich auf-
Dasselbe gilt für die Frage, ob zur Erhaltung der eigenen
geteilt in alltagstaugliche Portionen von wenigen Minuten in
Gesundheit „Bewegung“ ausreicht oder doch „Sport“ nötig
Form von Gehen, Treppensteigen oder Radfahren. Vermögen
ist. Denn „Bewegung“ ist zwar gut und recht, aber offensicht-
diese Empfehlungen wirklich die alltäglichen Verlockungen
lich nicht konkret genug. Bewegung ist häufig ein Mittel zum
zur Inaktivität zu kompensieren oder enden sie nicht selten
Zweck, um sich zum Beispiel von A nach B zu verschieben. Ein
damit, dass viele auf dieses „Minimalprogramm“ fixiert wer-
effizienter Nutzen lässt sich aber nicht durch solche Formen
den und auch gar nicht mehr wahrnehmen, wenn es nicht
der Bewegung erzielen, sondern in erster Linie durch körper-
ganz erfüllt wird?
liche Aktivität. Erreichen wir unsere Ziele durch regelmäßiges Training von Kraft und Ausdauer, so brauchen wir uns keine
Klare Zielsetzung erleichtert die Motivation. Für die Beant-
Sorgen mehr um mangelnde „Bewegung“ zu machen. Dann
wortung der Frage nach dem Maß körperlicher Aktivität ist es
haben wir konkret etwas Gutes für unsere Gesundheit getan,
besonders wichtig, als Lohn für seine Bemühungen ein klares
und zwar messbar, spürbar und mit Nachhaltigkeit.
Ziel vor Augen zu haben. Es ist motivierend zu wissen, wofür man etwas tut. Was für den Leistungssportler eine Selbst-
Auch wenn gegen Gehen, Treppensteigen und Fahrradfah-
verständlichkeit ist und ihm über manch harte Trainingsein-
ren als Ersatz für Auto und Lift nichts einzuwenden ist, so
heit hinweghilft, sollte auch für den Normalbürger zur Regel
muss ganz klar betont werden, dass noch mehr „Bewegung“
werden. Das Ziel muss natürlich nicht die Teilnahme an den
im Sinne der Steigerung der Fitness und körperlichen Leis-
nächsten Olympischen Spielen oder ein neuer Weltrekord sein,
tungsfähigkeit den weit größeren gesundheitlichen Nutzen
sondern kann ein schlichte Idee sein. Zum Beispiel auch mit
nach sich zieht. Es gilt also, das Visier neu einzustellen. Nicht:
70 oder gar 80 Jahren noch ohne Atemnot vier Stockwerke
„Schon wenig bringt etwas“ sondern: „Mehr bringt viel mehr“!
die Treppen hochzusteigen oder in der Lage zu sein, zehn
Wir wissen: Der Mensch ist der geborene Dauerläufer.
bis 20 Kilometer zu laufen. Es soll ein konkretes, greifbares und überprüfbares Ziel sein und nicht ein unverbindliches
Webtipp www.sportmedx.ch
Dauerläufer mit entscheidenden Vorteilen Der Nachteil der Hominiden ist der hohe Energiebedarf für
zwar einen hohen Flüssigkeitsbedarf nach sich zieht, aber
den Dauerlauf, der im Vergleich zu Vierfüßlern rund 50 Pro-
eine gute Temperaturregulation ermöglicht. Die Familie der
zent höher liegt. Dafür war und ist der Mensch in der Lage,
Neandertaler soll unter anderem deswegen ausgestorben
die meisten Laufgeschwindigkeiten im aeroben Bereich
sein, weil sie der Fähigkeit zum Dauerlauf nicht mächtig war
zu leisten, was zum Bespiel für Pferde aber einem flotten
und sich deshalb im Kampf um einen Platz auf der Karte der
Trabtempo schon nicht mehr zutrifft. Im Laufe der Evolution
Evolution nicht durchsetzen konnte. Im Laufe von Millionen
wurden die entscheidenden Voraussetzungen geschaffen,
von Jahren spezialisierte die Evolution den Mensch zu einem
aus dem Menschen den geborenen Dauerläufer zu machen:
Dauerläufer, eine Entwicklung, deren Resultat wir heute
erstens die Deckung des hohen Energiebedarfs durch die
noch in unserer Erbinformation tragen – aber meist unge-
Optimierung der Fettverbrennung; zweitens durch die mus-
braucht verrotten lassen. Nicht nur unsere Lebensweise,
kuläre Stabilisierung von Rumpf und Becken in einer ruhigen
auch unsere Umwelt hat zum Phänomen Bewegungsman-
Mittellage, die es den Beinen möglich macht, sich nur auf
gel beigetragen: Die Zunahme des Straßenverkehrs, eine
das Vorwärtstrampeln zu konzentrieren; drittens durch die
dichtere städtische Bebauung und eine Abnahme von freien
Schaffung von langen kräftigen Muskeln und Sehnen, die
Naturflächen und Plätzen haben dazu geführt, dass Kinder
ihre Abstoßkraft optimal umsetzen können und einen Teil
kaum mehr die Möglichkeit haben, draußen zu spielen, was
der beim Aufprall des Fußes aufgenommenen Energie bei
deren Aktionsraum dramatisch zu bewegungsarmen Spiel-
Abstoß wieder freigeben können. Und viertens durch die
formen im Hausinneren zwingt.
Entwicklung einer sehr effizienten Kühlung der hohen Wärmeentwicklung beim Dauerlauf durch das Schwitzen, was
Dieser Artikel entstand in Kooperation mit FfL-Rossetto.
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