33. Saison 2021 Frank S. Dodge Gründer und Künstlerischer Leiter
I. Eröffnungskonzert der 33. Saison Dienstag, 20. April 2021
MetaHaus Berlin 20 Uhr Live-Stream ohne Publikum in Zusammenarbeit mit NAXOS und otbmedien Berlin
MITGLIEDER DES ENSEMBLES SPECTRUM CONCERTS BERLIN
Boris Brovtsyn Violine Gareth Lubbe Viola Alexey Stadler Violoncello Eldar Nebolsin Klavier
Zu Ehren von Sergej Tanejew
SERGEJ TANEJEW (1856 – 1915) Sonate für Violine und Klavier a-Moll (1911) Allegro Adagio cantabile Minuetto: Allegretto Allegro ma non troppo
Streichtrio Es-Dur op. 31 (1910) Allegro con brio Scherzino. Allegretto vivace Adagio espressivo Presto PAUSE: Ein Gespräch mit Carlos María Solare und Frank Dodge
SERGEJ TANEJEW: 25.11.1856, Wladimir - 09.06.1915, Djutkowo
Quartett für Klavier, Violine, Viola und Violoncello E-Dur op. 20 (1906) Allegro brillante Adagio più tosto largo – Allegro agitato Finale. Allegro molto – Fuga – Moderato serafico
Sergej Tanejew
Das Programm des heutigen Abends möchte eine Lanze für einen Komponisten brechen, der zeit seines Lebens allgemein geachtet und bewundert wurde, dessen Werk jedoch seit seinem Tod vor gut 100 Jahren eher ein Schattendasein fristet. Dabei wurde gerade seine Kammermusik auf eine Stufe mit den Kompositionen der großen Wiener Meister gestellt und als „Muster reinen Stils und erhabener Kunst“ angesehen.
Programmänderungen vorbehalten
Wir danken für die gute Zusammenarbeit und Unterstützung:
Sergej Iwanowitsch Tanejew wurde am 25. November 1856 als Sohn eines kulturliebenden Regierungsbeamten in Wladimir geboren. Seine musikalische Begabung kam bereits in seiner Kindheit zum Vorschein, und mit neun Jahren wurde er am Moskauer Konservatorium aufgenommen. Dort studierte er Klavier bei Nikolai Rubinstein sowie Komposition bei Peter Tschaikowsky. Noch als Student gab er 1874 sein solistisches Debüt mit Werken von Chopin und Liszt, und ein Jahr später
33. Saison 2021 SPECTRUM NOTES 20. April 2021 - Ausgabe 1
spielte er mit glänzendem Erfolg die russische Erstaufführung des Ersten Klavierkonzerts von Brahms. Tanejew wurde der erste Student in der Geschichte des Konservatoriums, der bei seinem Abschluss die Goldmedaille sowohl im Instrumentalfach als auch in Komposition gewann. Kurz danach spielte er die Moskauer Erstaufführung des ursprünglich Rubinstein zugedachten Ersten Klavierkonzerts von Tschaikowsky und hob anschließend alle dessen wieteren Werke für Klavier und Orchester aus der Taufe, inklusive des Dritten Klavierkonzertes sowie des Andante und Finale, die er nach dem Tod des Komponisten editorisch für die Veröffentlichung vorbereitete.
1878 übernahm Tanejew Tschaikowskys Lehrstühle für Harmonielehre und Instrumentation am Konservatorium, dann Rubinsteins Klavierklasse, dann die Kompositionsklasse und 1885 wurde er schließlich Direktor der Institution. Er hielt diesen Posten vier Jahre lang und überarbeitete in dieser Zeit die gesamte Studienordnung. Obwohl er anschließend als Direktor zurücktrat, um sich auf die Komposition zu konzentrieren, unterrichtete er bis 1905 weiterhin sein Lieblingsfach, Kontrapunkt. „Er ist der größte Meister des Kontrapunkts in Russland, und ich bin mir nicht einmal sicher, ob es seinesgleichen im Westen gibt“, war Tschaikowskys Urteil über seinen Protégé, Verfechter und Freund. Zu Tanejews Schülern zählten Reinhold Glière, Alexander Ljapunow, Nikolai Medtner, Sergei Rachmaninow und Alexander Skrjabin.
In Folge der gescheiterten Revolution von 1905 kündigte er seine Stelle als Protest gegen die Disziplinarmaßnahmen, die der neue Direktor des Konservatoriums den am Volksaufruhr beteiligten Studenten auferlegt hatte. In seinen letzten zehn Lebensjahren nahm er seine Karriere als Konzertpianist wieder auf und schrieb dafür mehrere Kompositionen für seinen eigenen Gebrauch. Zudem veröffentlichte er ein einflussreiches Lehrbuch über den Kontrapunkt und begann ein wieteres über den Kanon. Bei Skrjabins Begräbnis im April 1915 zog sich Tanejew eine Lungenentzündung zu und starb schließlich am 19. Juni desselben Jahres an einem Herzanfall.
Tanejew war intellektuell hoch gebildet und hatte viele Interessen: zum Beispiel brachte er sich selbst Esperanto bei und vertonte Texte in dieser Sprache. Als Komponist blieb er ein Einzelgänger in der russischen Musiklandschaft, wenngleich er allgemein respektiert und bewundert wurde. Trotz seines Interesses an der russischen Volksmusik hielt er wenig vom Ansatz der St. Petersburger nationalistischen Schule um das „Mächtige Häuflein“ – und war doch mit Borodin, Rimsky-Korsakow und Glazunow befreundet. Am Wichtigsten bei der Kompositionsarbeit waren ihm ausgewogene Strukturen und eine gründliche Verarbeitung des musikalischen Materials, wofür er gelegentlich der „russische Brahms“ genannt wurde – sehr zu seinem Ärgernis, denn wie sein Mentor Tschaikowsky mochte er Brahms’ Musik nicht sonderlich! Tanejew pflegte den Gesamtplan einer Komposition im Voraus zu entwerfen und die Proportionen der einzelnen Teile genau abzuwägen. Zudem untersuchte er systematisch die kontrapunktischen-kombinatorischen Möglichkeiten seiner Motivik. Der Eindruck von Geschlossenheit, den die meisten seiner Kompositionen erwecken, rührt nicht zuletzt daher, dass deren Themen durch Umkehrung, Krebsbewegung, Augmentation oder Diminution voneinander abgeleitet sind. Dieser hohe Grad an Konstruiertheit hat Tane-
jew den Ruf eingehandelt, bloß ein trockener Kontrapunktiker zu sein, einen Ruf, der jedoch von seinen gelungensten Kompositionen eloquent widerlegt wird.
Sonate für Violine und Klavier a-Moll
Die Violinsonate a-Moll aus dem Jahr 1911 ist das späteste der drei Werke, die auf dem heutigen Programm stehen. Die augenfälligste Charakteristik von Tanejews letzten Kompositionen ist die distanzierte Darstellung der verschiedenen Stimmungs- und Ausdruckswelten sowie die Vermeidung virtuoser Ausbrüche. Nach dem eröffnenden Kopfsatz in klassischer Sonatenhauptsatzform, enden die anderen drei Sätze – ein schlichtes Lied, ein verspieltes Menuett und ein gesangliches Rondo – allesamt im pianissimo.
Streichtrio Es-Dur op. 31
Viele russische Komponisten haben eine Vorliebe für das Streichquartett an den Tag gelegt – man denke etwa an die sieben Quartette von Glasunow, die dreizehn von Mjaskowski, die fünfzehn von Schostakowitsch und eben auch an die neun, die Tanejew selbst im Laufe seiner kompositorischen Laufbahn schrieb. Mit seinem Engagement für das Streichtrio – er schrieb deren vier – stand unser Komponist jedoch ziemlich alleine da. Das Streichtrio in Es-Dur op. 31 stellt nicht nur ein vollständig ausgereiftes Werk, sondern auch Tanejews bedeutendsten Beitrag zum Genre dar. Das Werk wurde 1910 komponiert und war ursprünglich für eine ungewöhnliche Besetzung mit Violine, Viola und Tenor-Viola konzipiert. Letztere ist ein Instrument in der Form einer größeren Bratsche und ist eine Quarte tiefer als diese gestimmt wird. Obwohl das Trio 1911 in dieser Gestalt veröffentlicht und am 22. März 1913 in Moskau uraufgeführt wurde, hat sich die Tenorbratsche nicht im Konzertsaal etabliert, weshalb das Werk seitdem meistens mit einem Cello aufgeführt wird – so auch beim heutigen Konzert.
Der festliche erste Satz weist klassizistische Qualitäten auf, angereichert durch einen reichen kontrapunktischen Satz sowie spätromantische harmonische Verschiebungen und Wendungen. Tanejews Handhabung der drei Instrumente erweckt den Eindruck großer Klangfülle. Das folgende Scherzino ist ein melodischer, sprühender und eindeutig „russischer“ Satz voll forscher Rhythmen, in dem kontrastierend Gebrauch von arco- und pizzicato-Passagen gemacht wird. Der hymnisch gehaltene langsame Satz erinnert an die späten Streichquartette Beethovens. Das Rondo-Finale rundet das Werk mit der Wiedereinführung von musikalischem Material aus dem Kopfsatz in stark modifizierter Form ab.
Klavierquartett E-Dur op. 20
Das 1906 entstandene, in größtem Stil konzipierte Klavierquartett in E-Dur ist eine der wenigen Kompositionen Tanejews, die noch zum zentralen Repertoire russischer Kammermusik gehören. Der schmissige Kopfsatz ist mit überschwänglich-leidenschaftlicher Motivik durchschossen. Der zweite Satz stellt die melodische Gabe des Komponisten nachdrücklich unter Beweis, und das Finale ist ein großartiges Beispiel seiner kontrapunktischen Künste sowie seines formalen Gespürs. Die Schlussmomente jedoch schaffen eine verklärende Stimmung, die jenseits aller kompositionstechnischen Kunstgriffe ungehindert ihren Zauber ausübt.
Carlos María Solare
33. Saison 2021 SPECTRUM NOTES 20. April 2021 - Ausgabe 1
V. Dienstag, 30. November 2021
33. Saison 2021
Die nächsten Konzerte der 33. Saison
II. Samstag, 22. Mai 2021
Philharmonie/Kammermusiksaal Plan-B ist in Bereitschaft 20 Uhr Konzert Konzerteinführung
Eldar Nebolsin Klavier Mikhail Mordvinov Klavier Boris Brovtsyn Violine Radovan Vlatković Horn ROBERT SCHUMANN Adagio und Allegro für Horn und Klavier As-Dur op. 70
JOHANNES BRAHMS Trio für Horn, Violine und Klavier Es-Dur op. 40
NIKOLAJ MEDTNER Zwei Stücke für zwei Klaviere op. 58
Boris Brovtsyn Violine Alexander Sitkovetsky Violine Maxim Rysanov Viola Gareth Lubbe Viola Jens Peter Maintz Violoncello Torleif Thedéen Violoncello
Philharmonie/Kammermusiksaal 20 Uhr Konzert Konzerteinführung
JOHANNES BRAHMS Quintett für Viola und Streichquartett op. 115 (Bearbeitung von Johannes Brahms)
FRANZ SCHUBERT Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli C-Dur
Medienpartner 2021
SERGEJ RACHMANINOW Symphonische Tänze op. 45
Bearbeitung von Vyacheslav Gryaznov
CD-Veröffentlichung 2022
III. Donnerstag, 24. Juni 2021 Philharmonie/Kammermusiksaal 20 Uhr Konzert Konzerteinführung
Boris Brovtsyn Violine Clara-Jumi Kang Violine Gareth Lubbe Viola Maxim Rysanov Viola Jens Peter Maintz Violoncello
Kammermusik von Sergej Tanejew
Korngold-Projekt
JOHANNES BRAHMS Streichquintett Nr. 1 F-Dur op. 88
CD I: Klaviertrio op. 1 & Streichsextett op. 10 CD II: Suite op. 23 & Klavierquintett op. 15
IV. Donnerstag, 23. September 2021 Philharmonie/Kammermusiksaal 20 Uhr Konzert Konzerteinführung
In Zusammenarbeit mit Deutschlandfunk Kultur werden das Streichtrio op. 31 und das Klavierquartett op. 20 für unsere 17. CD-Veröffentlichung bei Naxos produziert. Unmittelbar nach dem Konzert/Stream am 20. April werden die Werke im Studio 3 des rbb aufgenommen. Es spielen Boris Brovtsyn, Violine, Gareth Lubbe, Viola, Alexey Stadler, Violoncello und Eldar Nebolsin, Klavier.
JOHANNES BRAHMS Streichquintett Nr. 2 G-Dur op. 111
Boris Brovtsyn, Clara-Jumi Kang Violine Gareth Lubbe, Yura Lee Viola Jens Peter Maintz, Torleif Thedéen Violoncello Eldar Nebolsin Klavier
BORIS BROVTSYN Violine ALEXANDER SITKOVETSKY Violine TORLEIF THEDÉEN Violoncello THORSTEN JOHANNS Klarinette JACOB KATSNELSON Klavier
Ursula Mamlok Confluences für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier
Maurice Ravel Trio a-Moll für Violine, Violoncello und Klavier
Olivier Messiaen Quatuor pour la fin du temps für Klarinette, Violine, Violoncello und Klavier
Bestellungen bitte an: info@spectrumconcerts.com. Wir senden Ihnen Ihre CDs mit Rechnung zu. Je 10,00 € zuzüglich MwSt. und 2,50 € Versandkosten.
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SHALL WE DANCE
Thank You
Spectrum Concerts Berlin 1988-2019 19,80 €
Deutschlandfunk Kultur Druckhaus Sportflieger Dwight und Ursula Mamlok-Stiftung Förderkreis Spectrum Concerts Berlin e.V. Maritim proArte Hotel Berlin MetaHaus und MetaDesign Berlin Otbmedien Berlin rbb Kultur Siemens Arts Program
HABAKUK TRABER • ISABEL HERZFELD • JOHN HARRIS BECK
Momente aus der jüngsten Vergangenheit
Clara-Jumi Kang, Eldar Nebolsin und Jens Peter Maintz spielten am 21. Januar 2021 die beiden Klaviertrios von Dmitri Schostakowitsch. Das Konzert wurde in Zusammenarbeit mit Naxos und Deutschlandfunk Kultur live aus der Jesus-Christus-Kirche über takt1 gesendet. (Fotos: Adil Razali)
Drei Jahrzehnte Spectrum-Geschichte in einem handlichen Buch mit informativen Bildern.
Drei Jahrzehnte Engagement für Kammermusik.
Drei Jahrzehnte Brückenschlag Berlin – USA, aber auch zwischen den oft unversöhnten Regionen Europas. Ein Plädoyer für die Würde der Kunst.
Shall We Dance kann direkt über Spectrum Concerts Berlin bestellt werden. Teilen Sie uns bitte Ihre Bestellwünsche per E-Mail mit. Wir senden Ihnen Shall We Dance per Post mit Ihrer Rechnung. (Versandkosten: 2,50 €)
Eldar Nebolsin und Jens Peter Maintz am 26. November im MetaHaus.
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