Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Staats anwalt:
Nach fast 30 Jahren aktiver Mitarbeit im Rettungsdienst
liegt es dem Autor weiterhin besonders am Herzen, seine
Erfahrungen als Staatsanwalt und Rettungsassistent für Rechtssicherheit und ein gutes, verständnisvolles Mitein
ander in der Notfallmedizin einzubringen. Seine Ausfüh rungen sind aus der Praxis für die Praxis. Er leistet »Erste
Hilfe« bei immer wieder beklagten Rechtsunsicherheiten. Ihm kommt es darauf an, die Kollegen im Rettungsdienst
vor Schaden (sei es einer Bestrafung, Kündigung oder Scha densersatzforderung) zu bewahren, ihnen die Furcht vor dem Staatsanwalt zu nehmen und für einen fairen Umgang in Konfliktsituationen zu plädieren.
Die Annahme, bei der Arbeit im Rettungsdienst mit einem
Bein im Gefängnis zu stehen, ist unbegründet. Die Forde
Ralf Tries Strafrechtliche Probleme im Rettungsdienst
Ralf Tries
rung, Kompetenzen, Rechte und Pflichten der Rettungs
dienstmitarbeiter eindeutig zu beschreiben und zu erklä ren, ist jedoch begründet. In der deutlich erweiterten, 20 Kapitel umfassenden Neuauflage geschieht das.
Ralf Tries
Strafrechtliche Probleme im Rettungsdienst
Strafrechtliche Probleme im Rettungsdienst 4., vollständig überarbeitete Auflage
isbn 978 – 3 – 943174 – 51 – 9
www.skverlag.de
Strafrechtliche Probleme im Rettungsdienst Erkl채rungen, Fallbeispiele und Verhaltenstipps Ralf Tries
4., vollst채ndig 체berarbeitete Auflage
Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht 2015
Anmerkungen des Verlags Der Autor und der Verlag haben höchste Sorgfalt hinsichtlich der Angaben von Gesetzestexten, Drucksachen etc. aufgewendet. Für versehentliche falsche Angaben übernehmen sie keine Haftung. Da die gesetzlichen Bestimmungen und wissenschaftlich begründeten Empfehlungen einer ständigen Veränderung unterworfen sind, ist der Benutzer aufgefordert, die aktuell gültigen Richtlinien anhand der Literatur und der Verweise zu überprüfen und sich entsprechend zu verhalten. Die Angaben von Handelsnamen, Warenbezeichnungen etc. ohne die besondere Kennzeichnung ®/™/© bedeuten keinesfalls, dass diese im Sinne des Gesetzgebers als frei anzusehen wären und entsprechend benutzt werden könnten. Der Text und/oder das Literaturverzeichnis enthalten Links zu externen Webseiten Dritter, auf deren Inhalt der Verlag keinen Einfluss hat. Deshalb kann er für diese fremden Inhalte auch keine Gewähr übernehmen. Für die Inhalte der verlinkten Seiten ist stets der jeweilige Anbieter oder Betreiber der Seite verantwortlich. Aus Gründen der Lesbarkeit ist in diesem Buch meist die männliche Sprachform gewählt worden. Alle personenbezogenen Aussagen gelten jedoch stets für Frauen und Männer gleichermaßen. Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Angaben sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Alle Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, der Entnahme von Abbildungen oder Textteilen, vorbehalten. Einspeicherung in elektronische Systeme, Funksendung, Vervielfältigung in jeder Form bedürfen der schriftlichen Zustimmung der Autoren und des Verlags. Auch Wiedergabe in Auszügen nur mit ausdrücklicher Genehmigung. © Copyright by Verlagsgesellschaft Stumpf + Kossendey mbH, Edewecht, 2015 Satz: Bürger Verlag GmbH & Co. KG, Edewecht Umschlaggrafik: Ralf Schnelle, Stuttgart Druck: M. P. Media-Print Informationstechnologie GmbH, 33100 Paderborn ISBN 978-3-943174-51-9
˘ Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis Vorwort – Einsatz für den Staatsanwalt
11
Abkürzungsverzeichnis
14
1
16
1.1
Kompetenzen
Die Not mit der Kompetenz – Tun oder Unterlassen
16
1.2
§ 4 NotSanG
18
1.3
(Mutmaßliche) Einwilligung
20
1.4
»Pyramidenprozess«
23
1.5
Fazit
25
2
Körperverletzung
26
2.2
Können, Dürfen, Müssen 2.2.1 Standard 2.2.2 Konkretisierung des Standards 2.2.3 Bedeutung zertifizierter Kurssysteme 2.2.4 Analgesie 2.2.5 Tipps
29 29 31 36 37 40
2.3
Konsequenzen der Arbeitsteilung – Delegation 2.3.1 Vertikale Arbeitsteilung 2.3.2 Konfliktbewältigung
41 43 45
2.4
Telemedizin
47
2.5
Fazit
49
3
Ärztlicher Leiter Rettungsdienst – Verantwortung eines Chefarztes
50
3.2
Organisations- und Überwachungsverantwortung
53
3.3
Fazit
55
2.1
3.1
Tatbestandsvoraussetzungen
Führungsverantwortung
26
50
5
˘ Inhaltsverzeichnis
4
Gefahrenpotenzial – mangelhafte Ausrüstung
57
4.2
Ausrüstungsmanagement
61
4.3
Remonstration
62
4.4
Tipps
63
5
Urkunden und Dateien
64
5.2
Einsatzprotokoll
66
5.3
Elektronische Datenverarbeitung
67
5.4
Fazit
69
6
Kommunikation mit und über Komplikationen
70
6.2
Einfluss kultureller und religiöser Überzeugungen
73
6.3
Kommunikation im Team
74
6.4
Anamneseerhebung
74
6.5
Kommunikation über Komplikationen
78
7
Rechtfertigungsgründe – Angriff oder Flucht?
81
7.2
Rechtfertigender Notstand
84
7.3
Unzumutbarkeit und Pflichtenkollision
86
7.4
(Privates) Festnahmerecht
86
7.5
Anmerkung zur Verjährung von Straftaten
87
8
Alkohol – juristische Aspekte
88
Positional Asphyxia-Phänomen
89
4.1
5.1
6.1
7.1
8.1 8.2 6
Soll-Standard
Transportschein
Eine Aussage – vier Verständnisebenen
Notwehr
Eigen- und Patientenschutz
57
64
70
82
88
˘ Inhaltsverzeichnis
8.3
Mitfahrtverweigerung und Transportziel
90
8.4
(Rest-)Alkohol im Dienst
92
9
Drogennotfall – ein Fall für die Polizei?
95
9.2
Schweigepflicht
97
9.3
Drogenkonsum durch Rettungsdienstpersonal 101
10
Beleidigendes »Du« – höfliche Patientenanrede
102
11
Sensationsgier – Fotografieren, Stören, Notrufmissbrauch
105
9.1
Drogenkriminalität
11.1 Patientenbilder – Verletzung des Persönlichkeitsrechts 11.1.1 Gerechtfertigte Veröffentlichungen 11.1.2 Bilder für Lehrzwecke 11.1.3 Höchstpersönlicher Lebensbereich 11.1.4 Rettungsdienstliche Wertvorstellungen
95
105 105 107 107 108
11.2 Störer an Einsatzstellen
108
11.3 Missbrauch von Notrufen
109
12
Behandlung von Kindern – Personensorge contra Selbstbestimmung 113
12.1 Einsatz ohne Eltern
114
12.2 Einsatz mit Eltern
116
12.3 Einsatz mit einem Elternteil
119
12.4 »Kindesmisshandlung« – Verhaltensgrundsätze 119
13
Einsatz bei Sterbenden – wie viel Sterbehilfe ist erlaubt?
13.1 Patientenverfügung
122
122
13.2 Kreislaufstillstand
125
13.3 Sterbende mit Vitalzeichen
126 7
˘ Inhaltsverzeichnis
13.4 Sterbehilfe
127
13.5 Fazit
128
14
Rettungskette – Schnittstelle Krankenhaus
14.1 Aufnahmeprobleme
130
14.2 Zentrale Notaufnahme
132
14.3 Klinikwunsch des Patienten
134
15
Sexuelle Belästigung – oft verschwiegen und verharmlost
15.1 Arbeitgeberpflichten
135
137
15.2 Sexualdelikte
138
15.3 Reaktion
139
16
Mobbing – Nadelstiche besonderer Art
16.1 Definition
141
141
16.2 Ursachen und Motive
142
16.3 Pflichten des Arbeitgebers
142
16.4 Reaktion
144
17
Straßenverkehrsrecht – Sonderrechte mit Sonderpflichten
17.1 Sonderrechte und Wegerechte
8
130
145
145
17.2 Notarzteinsatzfahrzeug
148
17.3 Rechtsprechung zu Einsatzfahrten über Kreuzungen
149
17.4 Eigenunfall mit Personenschaden
151
17.5 Unfallflucht
152
17.6 Anschnallpflicht
153
˘ Inhaltsverzeichnis
18
Schweigepflicht
18.1 Verletzung von Privatgeheimnissen (§ 203 StGB)
155 156
18.2 Gegenstand der Schweigepflicht
157
18.3 Schweigepflicht bei Straftaten
157
18.4 Verteidigungsrecht
163
18.5 Wichtige Zeugen
164
18.6 Todesermittlungen
170
18.7 Behandelnder Arzt als Sachverständiger
173
19
175
Strafverfahren – Rechte und Pflichten
19.1 Beschuldigter
175
19.2 Ermittlungsverfahren
176
19.3 Möglichkeiten des Verfahrensabschlusses
180
20
Private Hilfeleistungen – Rechte und Pflichten
20.1 Private Nutzung von Arzneimitteln und Medizinprodukten
183 183
20.2 Sonder- und Wegerechte
184
20.3 Hilfs- oder Garantenpflicht
185
20.4 Schweigepflicht
187
Über den Autor
189
9
1 ˘ Kompetenzen
1
Kompetenzen
1.1
Die Not mit der Kompetenz – Tun oder Unterlassen
Das zum 1. Januar 2014 in Kraft getretene Gesetz über den Beruf des Notfallsanitäters (NotSanG) hat die Diskussionen um die Kompetenzen im Rettungsdienst leider nicht ent schärft. Warum das so ist und für welches Vorgehen zur Klä rung der Kompetenzfrage – übrigens schon seit über 20 Jah ren und durch einschlägige Rechtsprechung bestärkt – ich eindringlich plädiere, stelle ich an den Anfang. Juristen neigen dazu, mit ihren Ausführungen beim Grundgesetz oder mit einem geschichtlichen Hinweis zu beginnen. Ich greife Letzteres auf, nehme allerdings die Minimaldosis, da solche Rückblicke in der Regel wie Barbi turate wirken. Es war einmal das Reichsgericht, und zwar im Jahre 1894 – eine Zeit, in der Rettungsdienst noch in Form des mili tärischen Verwundetentransports betrieben wurde. Das Gericht hat entschieden, dass die von einem erfahrenen Arzt erfolgreich vorgenommene, indiziert gewesene Ampu tation des Fußes eines siebenjährigen Kindes gegen den erklärten Willen des Vaters eine »Beeinträchtigung der kör perlichen Unversehrtheit« und damit eine »tatbestandsmä ßige Körperverletzung« sei (RGSt. 25, 375ff.). Dabei wies das Reichsgericht ausdrücklich darauf hin, dass der verfolgte Heilungszweck oder gar der Erfolg des Eingriffs dem Arzt ebenso wenig eine rechtliche Befugnis dazu gewährt wie das sogenannte Berufsrecht. Es sei viel mehr in erster Linie »der Wille des Kranken«, der den Arzt legitimiere, Körperverletzungen zu begehen. Diese rechtliche Würdigung invasiver Maßnahmen gilt auch nach heutiger Gesetzeslage und Rechtsprechung im Krankenhaus, in der Hausarztpraxis, beim Heilpraktiker, beim Notarzt und den Rettungsdienstmitarbeitern, kurzum gleichermaßen bei jedem, der einen anderen am Körper ver letzt, egal, ob Arzt oder nicht. 16
1 ˘ Kompetenzen
Jeder Eingriff in die körperliche Integrität des Patienten, sei es durch z. B. Intubation, Legen eines venösen Zugangs, Defibrillation, ggf. auch die Applikation von Medikamen ten, ist also tatbestandsmäßig eine Körperverletzung. Diese wird sogar vorsätzlich begangen, schließlich wird z. B. mit der Braunüle nach Durchtrennung der Hautschichten auf eine hoffentlich dann auch getroffene Vene gezielt. Worin liegt der entscheidende Unterschied zum Messer stecher? – anders formuliert: Warum lesen Sie als Arzt oder Rettungsdienstmitarbeiter das Buch in Freiheit und nicht in einer Justizvollzugsanstalt? Weil bei Ihren invasiven Eingriffen ein Rechtfertigungs grund vorliegt. Entscheidender Rechtfertigungsgrund ist heute wie damals die Einwilligung des – aufgeklärten – Patienten. Wenn dieser z. B. über die Lage aufgeklärt kraft seines Selbstbestimmungsrechts weder vom Notarzt noch vom Notfallsanitäter, sondern nur von dem ihm als erfah ren bekannten Rettungsassistenten einen venösen Zugang gelegt bekommen möchte, dann ist dieser Wille zu akzeptie ren. Würde der Notarzt dennoch zustechen, wäre die Körper verletzung nicht gerechtfertigt. Bei einer Strafverfolgung wegen vorsätzlicher Körperverletzung könnte der Arzt sich nur noch auf der Schuldebene verteidigen. Das vielfach zur Begründung eines Arztvorbehalts und einer Kompetenzbegrenzung im Rettungsdienst herange zogene Heilpraktikergesetz ist nicht einschlägig. Es geht nämlich nicht um die dort geregelte berufsmäßige Aus übung der Heilkunde, sondern um einzelne lebensrettende Behandlungsmaßnahmen bei der Erfüllung des gesetz lichen Auftrags zur Notfallrettung. Konsequenterweise wird bei der (Früh)Defibrillation durch Laien auch kein Arztvorbehalt diskutiert. Die Berufsgruppen Heilpraktiker und Rettungsassistenten bzw. Notfallsanitäter finden ihre gesetzlichen Grundlagen gleichrangig in Bundesgesetzen (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG). Das Heilpraktikergesetz verbietet nicht jegliche Heilmaßnahmen durch NichtÄrzte, sondern bezweckt (zurückzuführen auf die noch im letzten Jahrhun dert frei durch die Lande gezogenen Berufsheiler) eine staat liche Erlaubnis (für diese allerdings ohne staatlich geregelte 17
1 ˘ Kompetenzen
Ausbildung, weshalb für Heilpraktiker noch nicht einmal die Schweigepflicht des § 203 StGB gilt und sie auch kein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 StPO haben). Straf bar wegen Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz (§ 5 HeilprG) macht sich der Notfallsanitäter, der meint, neben seiner Arbeit auf dem Rettungswagen zu Hause auch noch eine »Notfallsanitäterpraxis« eröffnen zu können, nicht aber derjenige, der während des Rettungsdienstes invasive Versorgungsmaßnahmen ergreift. Der Begriff des Arztvorbehalts sollte nur für die gesetzlich vorgesehenen Fälle verwendet werden. Beispiele für einen Arztvorbehalt sind die Applikation von Betäubungsmitteln oder die Todesfeststellung. Es ist endlich an der Zeit, die immer noch von der Bundes ärztekammer vertretene »Stellungnahme zur Notkompe tenz von Rettungsassistenten und zur Delegation ärztlicher Leistungen im Rettungsdienst« aus dem Jahr 1992 – als Reaktion auf das im Jahr 1989 geschaffene Berufsbild Ret tungsassistent – für tot zu erklären. In großer Ehrfurcht vor der Standesvertretung der Ärzte schlossen sich deren Denk weise, Vorgaben und juristischen Begründungen die mei sten der für den Rettungsdienst Verantwortlichen an. Als Rechtfertigungsgrund für invasive Maßnahmen geistert bis heute der Begriff Notkompetenz durch Aus und Fortbil dungen. Der propagierte Arztvorbehalt und der bei Missach tung der Vorgaben angebliche Verstoß gegen das Heilprak tikergesetz schüchtern ein und blockieren Aus und Fortbil dungen und selbst Hilfeleistungen am Patienten.
1.2
§ 4 NotSanG
Wer glaubt, mit dem Notfallsanitätergesetz sei die Kompe tenzlage klar geregelt und verbessert worden, der irrt. § 4 NotSanG beschreibt das Ausbildungsziel. Hierzu wird in der Gesetzesbegründung ausgeführt, dass die Ausbildungsziel beschreibung als Auslegungshilfe für »Fälle des rechtferti genden Notstandes« gedacht und bei der bestmöglichen Hilfe für den Patienten von den Möglichkeiten des recht fertigenden Notstandes nur in »angemessenem Umfang 18
1 ˘ Kompetenzen
Gebrauch zu machen« ist. Gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 1.c) NotSanG sollen eigenverantwortlich veranlasste invasive Maßnah men an Patienten nur bei Vorliegen folgender Vorausset zungen erlaubt sein: ˘ angemessene medizinische Maßnahme der Erst versorgung ˘ in der Ausbildung erlernt und beherrscht ˘ im Notfalleinsatz ˘ bei Lebensgefahr oder zu erwartenden wesent lichen Folgeschäden ˘ zur Vorbeugung einer Zustandsverschlechterung vor (not)ärztlicher Versorgung. Hinzu kommt die Regelung des § 4 Abs. 2 Nr. 2.c) NotSanG, wonach Notfallsanitätern ein »eigenständiges Durchführen von heilkundlichen Maßnahmen, die vom Ärztlichen Leiter Rettungsdienst oder entsprechend verantwortlichen Ärz tinnen oder Ärzten bei bestimmten notfallmedizinischen Zustandsbildern und situationen standardmäßig vorgege ben, überprüft und verantwortet werden«, ermöglicht wer den soll. Der Gesetzgeber hat damit mehr Baustellen aufgemacht, als dass welche geschlossen werden. Worin soll der Unter schied zwischen »invasiven« und – ausgerechnet – »stan dardgemäß« von verantwortlichen Ärzten vorzugebenden
19
1 ˘ Kompetenzen
»heilkundlichen« Maßnahmen liegen? Was dürfen in der Übergangszeit noch die vielen erfahrenen Rettungsassis tenten am Patienten vornehmen? Wird insoweit doch wie der dem Standesdenken der Ärzteschaft Rechnung getra gen und die Stellungnahme der Bundesärztekammer wie derbelebt? Dafür könnte auch die angeführte Gesetzesbe gründung sprechen, die als Rechtfertigungsgrund lediglich auf den rechtfertigenden Notstand, nicht aber die straf und zivilrechtlich bedeutende – mutmaßliche – Einwilligung des Patienten abstellt. Wie bereits ausgeführt, kann an dem verfassungsrecht lich garantierten Selbstbestimmungsrecht des Patienten und dem Stellenwert einzelner Bundesgesetze nicht gerüt telt werden. § 4 NotSanG missachtet nicht nur diesen ele mentaren Verfassungsgrundsatz, sondern verlässt mit sei nen Hinweisen zur Art und Weise der Berufsausübung auch die auf die Berufszulassung beschränkte Gesetzgebungs kompetenz des Bundes (Art. 74 Abs. 1 Nr. 19 GG). Dabei ist die Not mit der Kompetenz (insoweit ist der Begriff Notkompetenz berechtigt) unbegründet, wenn fol gende, schon immer geltende elementare juristische Grund sätze beachtet werden:
1.3
(Mutmaßliche) Einwilligung
Entscheidender Rechtfertigungsgrund für medizinische Eingriffe beim Patienten ist dessen Einwilligung (§ 228 StGB, § 630d BGB) und nicht der rechtfertigende Notstand (§ 34 StGB). Dieser betrifft Eingriffe in Rechtsgüter Drit ter und ist deshalb an objektiven Erwägungen ausgerich tet. Im Zweipersonenverhältnis Patient/Helfer müssen selbst unvernünftige Entscheidungen des Patienten (z. B. Mitfahrtverweigerung bei einer zu nähenden Kopfplatz wunde) respektiert werden. Andererseits muss dem Ver langen eines Patienten nach invasiven Maßnahmen nicht gefolgt werden, wenn keine medizinische Indikation dafür erkannt wird und/oder die fachlichen Fähigkeiten zur Durchführung fehlen (z. B. Nähen einer Kopfplatzwunde im Rettungswagen). 20
1 ˘ Kompetenzen
Nur über den einschlägigen Rechtfertigungsgrund der Einwilligung des Patienten ist übrigens auch das Erlernen von invasiven Eingriffen möglich. Der rechtfertigende Not stand ließe das gar nicht zu. Sollen Auszubildende »Hand anlegen«, ist zu beachten, dass der Patient auch über deren Fachkenntnis aufgeklärt wird und einverstanden ist. Allen falls für solche Maßnahmen, bei denen der verantwortliche Ausbilder jederzeit, direkt und sicher einen Anfängerscha den durch sein Eingreifen verhindern kann, kann ein Hin weis entbehrlich sein. Die in § 630e Abs. 1 bis 3 BGB aufgeführten Aufklärungs pflichten sind auch im öffentlichrechtlichen Rettungs dienst beachtenswert: (1) Der Behandelnde ist verpflichtet, den Patienten über sämtliche für die Einwilligung wesentlichen Umstände aufzuklären. Dazu gehören in der Regel insbesondere Art, Umfang, Durchführung, zu erwar tende Folgen und Risiken der Maßnahme sowie ihre Notwendigkeit, Dringlichkeit, Eignung und Erfolgs aussichten im Hinblick auf die Diagnose oder die Therapie. Bei der Aufklärung ist auch auf Alterna tiven zur Maßnahme hinzuweisen, wenn mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Methoden zu wesentlich unterschiedlichen Belas tungen, Risiken oder Heilungschancen führen kön nen. (2) Die Aufklärung muss 1. mündlich durch den Behandelnden oder durch eine Person erfolgen, die über die zur Durchfüh rung der Maßnahme notwendige Befähigung verfügt; ergänzend kann auch auf Unterlagen Bezug genommen werden, die der Patient in Text form erhält, 2. so rechtzeitig erfolgen, dass der Patient seine Ent scheidung über die Einwilligung wohlüberlegt treffen kann, 3. für den Patienten verständlich sein. Dem Patienten sind Abschriften von Unterlagen, 21
2 ˘ Körperverletzung
2
Körperverletzung
Körperverletzungen sind keineswegs nur unerwünschte Folgen mangelhafter Versorgung, sondern auch bewusst veranlasste Eingriffe in die körperliche Unversehrtheit des Patienten. Selbst der Arzt erfüllt beispielsweise bei einer Operation den Tatbestand der Körperverletzung allein dadurch, dass er die Hautschichten aufschneidet.
2.1
Tatbestandsvoraussetzungen
Die Einschätzung, ob eine strafbare (damit auch eine Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 BGB begründende) Körperverletzung vorliegt, setzt zumindest in Grundzügen die Kenntnis über den Aufbau eines Straftatbestandes und die daraus resultierenden Prüfungsschritte voraus: ˘ Tatbestand = die in einer Rechtsnorm beschriebenen abstrakten Merkmale eines Geschehens, die im konkreten Fall erfüllt sein müssen, um eine Rechtsfolge auszulösen > Objektiver Tatbestand = diejenigen Umstände, die das äußere Erscheinungsbild der Tat bestimmen, z. B. Körperverletzung, § 223 StGB (= körperliche Misshandlung oder Beschädigung der Gesundheit eines anderen) > Subjektiver Tatbestand = diejenigen Umstände, die dem psychisch-seelischen Bereich und der Vorstellungswelt des Täters angehören > Vorsatz = Wissen und Wollen des strafbaren Handelns > Fahrlässigkeit = Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt; strafbar nur in den Fällen, in denen dies im Gesetz ausdrücklich aufgeführt ist, z. B. § 229 StGB fahrlässige Körperverletzung, § 222 StGB fahrlässige Tötung. Zivilrechtlich sind Rettungsdienstmitarbeiter bei Ausübung ihrer hoheitlichen Tätigkeit als Amtsträger nach § 839 BGB 26
2 ˘ Körperverletzung
i. V. m. Art. 34 GG privilegiert, denn der haftende Staat kann Rückgriff auf den Einzelnen erst bei grob fahrlässiger oder vorsätzlicher Schadensverursachung nehmen (sogenannte Amtshaftung). ˘ Rechtswidrigkeit = wenn die Tatbestandsverwirklichung nicht durch einen Rechtfertigungsgrund gedeckt wird. Die für den Rettungsdienst wichtigsten Rechtfertigungsgründe sind: > Notwehr, § 32 StGB (= Abwehr eines gegenwärtigen Angriffs eines Menschen) > Notstand, § 34 StGB (= angemessene Abwehr einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für ein Rechtsgut, im Rettungsdienst insbesondere für Leben oder Leib) > Einwilligung (= Zustimmung eines zur Entscheidung über den Eingriff in das Rechtsgut Befugten). Nicht rechtswidrig handelt, wer sich bei mehreren Notfallpatienten entscheiden muss, wen er versorgt. Bei einer solchen Pflichtenkollision sind die Hilfsmöglichkeiten für die einzelnen Patienten abzuwägen. Insbesondere Leitende Notärzte und Organisatorische Einsatzleiter tragen die Verantwortung dafür, mit Überblick über das Gesamtgeschehen die Gesamtlage in den Griff zu bekommen. Das erfordert zumindest anfangs ein nicht einfaches, aber gebotenes Unterlassen eigener – intensiver – Behandlungsmaßnahmen an Patienten. ˘ Schuld = Vorwerfbarkeit der Tat > Schuldunfähig sind Kinder, die bei Tatbegehung noch nicht 14 Jahre alt waren (§ 19 StGB). > Schuldunfähig ist, wer bedingt durch seelische Störungen unfähig ist, das Unrecht der Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln (§ 20 StGB). > Durch einen Entschuldigungsgrund kann die Strafwürdigkeit entfallen, so insbesondere beim entschuldigenden Notstand (§ 35 StGB). Hier sind Leben, Leib oder Freiheit des Täters 27
2 ˘ Körperverletzung
˘
oder einer ihm nahestehenden Person derart bedroht, dass die rechtswidrige Tat begangen wird. Berufstypische Gefahren können aber zumutbar sein (z. B. Ansteckungsrisiko bei Infektionsfahrten). Begehen durch Unterlassen: Die Straftaten der vorsätzlichen oder fahrlässigen Körperverletzung (oder auch Tötung) können nicht nur durch Handeln, sondern von Garanten für das Wohlergehen (Beschützer) oder für Gefahrenquellen (Bewacher) auch durch Unterlassen verwirklicht werden. Rettungsdienstmitarbeiter sind im Einsatz gesetzlich verpflichtet, Schaden vom Patienten abzuwenden, d. h. sie nehmen eine Garantenstellung ein. Leidet der Patient, weil Rettungsdienstmitarbeiter beispielsweise trotz Alarmierung zum Notfalleinsatz erst noch ihr Mittagessen einnehmen, stehen sie mit ihrer unterlassenen Versorgung denjenigen gleich, die dem Patienten z. B. durch falsche Lagerung schaden (§ 13 StGB).
Personen, denen keine Garantenstellung zukommt, droht bei Untätigkeit eine Bestrafung wegen unterlassener Hilfeleistung gemäß § 323c StGB. Aber auch Garanten, deren Unterlassen keine Körperverletzung oder Tötung verursacht hat bzw. denen diese Kausalität nicht nachgewiesen werden kann, können sich im Rahmen der allgemeinen Nothilfepflicht wegen unterlassener Hilfeleistung strafbar gemacht haben. Mithilfe der dargestellten Prüfungsschritte gelingt es, die viel diskutierten invasiven Maßnahmen in ihrer straf-, aber auch zivilrechtlichen Relevanz zu erfassen.
28
2 ˘ Körperverletzung
2.2 Können, Dürfen, Müssen Beispiel: Wegen Personalmangels werden auf dem RTW als Fahr zeugführer ein Rettungssanitäter und als Beifahrer mon tags der hauptberufliche, unauffällige Rettungsassistent A, dienstags der ehrenamtliche Rettungsassistent B, zwi schenzeitlich Assistenzarzt in einem Krankenhaus, mitt wochs der engagierte Rettungsassistent C mit tags zuvor erfolgreich absolvierter dreitägiger Fortbildung in Trau matologie, donnerstags der bereits seit acht Jahren haupt amtlich tätige, erfahrene Rettungssanitäter D und freitags der junge, frisch examinierte Notfallsanitäter E eingeteilt. Unter anderem fährt jede Schicht ohne Notarztunterstüt zung zu einem chirurgischen Notfall mit einem erwachse nen Schmerzpatienten. Was wird erwartet? Dürfen oder müssen sogar diejeni gen am Patienten mehr leisten, die mehr können? Darf der nichts, der von Gesetzes wegen eigentlich nicht auf dem RTW hätte eingesetzt werden dürfen? Ist die Rechts lage für Notfallsanitäter eine andere als für Rettungsassis tenten?
2.2.1 Standard
Erfahrung in Theorie und Praxis lässt sich in keinem Beruf vollständig vereinheitlichen. Das Einsatzgebiet, die Einsatzhäufigkeit, das Dienstalter oder die Bereitschaft, sich über den Besuch der Pflichtveranstaltungen hinaus fortzubilden, sind Beispiele wesentlicher Umstände, aus denen die individuelle Leistungsfähigkeit im Rettungsdienst folgt. Dennoch bedarf es überschaubarer und kontrollierbarer Anforderungen, denen jeder in seinem Berufszweig genügen muss. Abzustellen ist dabei auf das Leitbild eines besonnenen und umsichtigen Angehörigen des betreffenden Berufszweigs, d. h. im Beispiel auf den Standard eines durchschnittlich befähigten Beifahrers auf einem Rettungswagen (RTW). Eine optimale Patientenversorgung wird nicht geschuldet. Auch ein Arzt schuldet keinen Behandlungserfolg im Sinne eines immer geretteten Patienten, sondern eine Behand29
13 ˘ Einsatz bei Sterbenden – wie viel Sterbehilfe ist erlaubt?
13 Einsatz bei Sterbenden – wie viel Sterbehilfe ist erlaubt? Verunsicherung hinsichtlich juristischer Rahmenbedingungen ist in der Notfallmedizin verbreitet. Wenn dann auch noch die Urkunde (schriftlich verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis im Rechtsverkehr geeignet und bestimmt ist und den Aussteller erkennen lässt) »Patientenverfügung« beachtet werden soll, nimmt das ungute Gefühl weiter zu. Zumal die Beweisführung, um die es hier geht, etwas sehr Wichtiges bei der medizinischen Versorgung betrifft, nämlich den Willen des Patienten. Der – mutmaßliche – Patientenwille ist der entscheidende Rechtfertigungsgrund für Behandlungsmaßnahmen oder deren Unterlassen auch bei Sterbenden. Vor allem der medizinische Fortschritt, die demografischen Veränderungen, die hohe Krebsinzidenz und viele schwere chronische Erkrankungen mit unheilbarem Verlauf haben das Verlangen nach Beachtung des Patientenwillens auch im Krankheitsstadium einer nicht mehr möglichen Willensbildung verstärkt.
13.1 Patientenverfügung Mit einer schriftlichen Patientenverfügung kann für einen späteren Zeitpunkt, zu dem die Einwilligungsfähigkeit nicht mehr besteht, vorsorglich festlegt werden, dass bestimmte medizinische Maßnahmen durchzuführen oder zu unterlassen sind. Die Rahmenbedingungen beim Umgang mit einer Patientenverfügung sind seit September 2009 in § 1901a BGB gesetzlich geregelt. § 1901a BGB Patientenverfügung (1) Hat ein einwilligungsfähiger Volljähriger für den Fall seiner Einwilligungsunfähigkeit schriftlich festgelegt, ob er in bestimmte, zum Zeitpunkt der Festlegung noch nicht unmittelbar bevorstehende Untersuchungen seines Gesundheitszustands, 122
13 ˘ Einsatz bei Sterbenden – wie viel Sterbehilfe ist erlaubt?
Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe einwilligt oder sie untersagt (Patientenverfügung), prüft der Betreuer, ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen. Ist dies der Fall, hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen. Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden. Liegt keine Patientenverfügung vor oder treffen die Festlegungen einer Patientenverfügung nicht auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zu, hat der Betreuer die Behandlungswünsche oder den mutmaßlichen Willen des Betreuten festzustellen und auf dieser Grundlage zu entscheiden, ob er in eine ärztliche Maßnahme nach Absatz 1 einwilligt oder sie untersagt. Der mutmaßliche Wille ist aufgrund konkreter Anhaltspunkte zu ermitteln. Zu berücksichtigen sind insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen, ethische oder religiöse Überzeugungen und sonstige persönliche Wertvorstellungen des Betreuten. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten unabhängig von Art und Stadium einer Erkrankung des Betreuten. (4) Niemand kann zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden. Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung darf nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses gemacht werden. (5) Die Absätze 1 bis 3 gelten für Bevollmächtigte entsprechend. Der auf Lebensrettung ausgerichtete und unter Zeitdruck bei zumeist bis dahin unbekannten Patienten arbeitende Rettungsdienst kann einer Patientenverfügung in der Regel kaum Beachtung schenken. Die Prüfung der Urkunde auf ihren Inhalt, die Geltungsmodalitäten, ihre Echtheit usw. ist beim Notfalleinsatz – dann auch noch unter Einbeziehung eines möglicherweise zur Durchsetzung des Patientenwillens berufenen Betreuers bzw. Bevollmächtigen (§ 1901b BGB) – ausgeschlossen. Der Rettungsdienst kann nicht erst 123
13 ˘ Einsatz bei Sterbenden – wie viel Sterbehilfe ist erlaubt?
mal eine Patientenverfügung studieren, mit einem Betreuer bzw. Bevollmächtigten die Lage erörtern und dann mit der Notfallversorgung beginnen. Erst recht trifft diese Unmöglichkeit das nicht ärztliche Personal, wie sich auch aus § 1901b Abs. 1 BGB ergibt. § 1901b BGB Gespräch zur Feststellung des Patientenwillens (1) Der behandelnde Arzt prüft, welche ärztliche Maßnahme im Hinblick auf den Gesamtzustand und die Prognose des Patienten indiziert ist. Er und der Betreuer erörtern diese Maßnahme unter Berücksichtigung des Patientenwillens als Grundlage für die nach § 1901a zu treffende Entscheidung. (2) Bei der Feststellung des Patientenwillens nach § 19101a Absatz 1 oder der Behandlungswünsche oder des mutmaßlichen Willens nach § 1901a Absatz 2 soll nahen Angehörigen und sonstigen 124
13 ˘ Einsatz bei Sterbenden – wie viel Sterbehilfe ist erlaubt?
Vertrauenspersonen des Betreuten Gelegenheit zur Äußerung gegeben werden, sofern dies ohne erhebliche Verzögerung möglich ist. (3) Die Absätze 1 und 2 gelten für Bevollmächtigte entsprechend. Umso wichtiger ist, dass Betreuer bzw. Bevollmächtigte bereits im Vorfeld eines möglichen Rettungsdiensteinsatzes klare Verhältnisse und im Zusammenwirken mit den Hausärzten bzw. Palliativmedizinern die Voraussetzungen dafür schaffen, dass unnötige Alarmierungen des Rettungsdienstes wegen des erwarteten Sterbens unterbleiben. Für medizinische Versorgungen ist eine verständliche, gut lesbare und aktuelle Krankendokumentation griffbereit vorzuhalten. Diese hat basierend auf dem Patientenwillen – ggf. unter Bezugnahme auf eine Patientenverfügung – konkrete Handlungsanweisungen aufzuführen. Solche Handlungsanweisungen sollten denjenigen, die den Patienten unmittelbar umsorgen, bekannt und verständlich gemacht worden sein. Gemäß § 37b SGB V haben schwer kranke und sterbende Krankenversicherte einen Anspruch auf ambulante palliative und pflegerische Behandlung. Das bloße Näheverhältnis von Familienangehörigen zum Patienten rechtfertigt übrigens keine Entscheidungsbefugnis. Deren – z. B. in Erwartung einer Erbschaft vielleicht auch eigennützigen – Angaben an der Einsatzstelle kommt daher nur eine Indizwirkung bei der Feststellung des Patientenwillens zu.
13.2 Kreislaufstillstand Wird dennoch der Rettungsdienst von überforderten Pflegekräften oder Familienangehörigen mit unklarer, vielleicht sogar unterschiedlicher Erwartungshaltung zu Patienten mit einem Kreislaufstillstand gerufen, steht insbesondere das ärztliche Hilfspersonal vor der Gewissensfrage: Soll ich einen offensichtlich nicht mehr zu rettenden Patienten noch mit Reanimationsmaßnahmen »quälen« oder mich bis zum Eintreffen des Notarztes zu den Beobachtern des Sterbevorgangs gesellen? 125
Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Staats anwalt:
Nach fast 30 Jahren aktiver Mitarbeit im Rettungsdienst
liegt es dem Autor weiterhin besonders am Herzen, seine
Erfahrungen als Staatsanwalt und Rettungsassistent für Rechtssicherheit und ein gutes, verständnisvolles Mitein
ander in der Notfallmedizin einzubringen. Seine Ausfüh rungen sind aus der Praxis für die Praxis. Er leistet »Erste
Hilfe« bei immer wieder beklagten Rechtsunsicherheiten. Ihm kommt es darauf an, die Kollegen im Rettungsdienst
vor Schaden (sei es einer Bestrafung, Kündigung oder Scha densersatzforderung) zu bewahren, ihnen die Furcht vor dem Staatsanwalt zu nehmen und für einen fairen Umgang in Konfliktsituationen zu plädieren.
Die Annahme, bei der Arbeit im Rettungsdienst mit einem
Bein im Gefängnis zu stehen, ist unbegründet. Die Forde
Ralf Tries Strafrechtliche Probleme im Rettungsdienst
Ralf Tries
rung, Kompetenzen, Rechte und Pflichten der Rettungs
dienstmitarbeiter eindeutig zu beschreiben und zu erklä ren, ist jedoch begründet. In der deutlich erweiterten, 20 Kapitel umfassenden Neuauflage geschieht das.
Ralf Tries
Strafrechtliche Probleme im Rettungsdienst
Strafrechtliche Probleme im Rettungsdienst 4., vollständig überarbeitete Auflage
isbn 978 – 3 – 943174 – 51 – 9
www.skverlag.de
Der Autor stellt als Staatsanwalt und ehrenamtlicher Rettungsassistent wichtige, vorrangig strafrechtlich relevante Themen mit dem Ziel dar,...
Published on Aug 27, 2015
Der Autor stellt als Staatsanwalt und ehrenamtlicher Rettungsassistent wichtige, vorrangig strafrechtlich relevante Themen mit dem Ziel dar,...