SKIP März 2020

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#SERIEN

DAS GROSSE EXKLUSIV-INTERVIEW

Marvin Kren: Nein! Man hat mir vorgerechnet, was es kosten würde, was sich dann zu Neurosen auswachsen kann. Das hat er ganz tief gespürt, aber noch nicht so formulieren können. Und dadurch ist er vielleicht wenn man verschiebt … und dann hab ich halt mit 40 Grad Fieber und angefeindet worden, weil er gesagt hat: Nein, ich höre meinen Patienten irgendwie halbwegs fitgespritzt weitergemacht! zu, ich widme mich ihnen. Dadurch war er ein Revolutionär seiner Zeit. SKIP: Zu guter Letzt habt ihr dann auch noch einige wenige Tage SKIP: Wenn man die Figur dann mal ausformuliert hat, braucht in Wien gedreht. Tut es dir nicht ein wenig leid, dass es nicht man auch immer noch den Darsteller, der sie zum Leben erweckt. mehr sein konnten? Wann war dir klar, dass Robert Finster dafür der Richtige ist? Marvin Kren: Um ehrlich zu sein: Die Energie von Wien ist in mir drinnen. Marvin Kren: Wenn man eine Serie über einen Intellektuellen macht, dann Ich liebe die Stadt, ich saug sie auf, ich bin hier aufgewachsen. Das Tolle hat man den Archetypen von jemandem im Kopf, der sehr verschlossen an Tschechien und Prag ist aber, dass die Straßen nicht alle so renoviert ist, Bücher liest und sehr viel nachdenkt. Axel Corti hat’s uns schon vorsind, du findest dort Straßen mit Patina. Bei uns ist alles zuckerlmäßig gemacht (mit Der junge Freud, Anm.). Ein toller Film, aber auch langweilig. schön angemalt und perfekt renoviert – daraus ergibt sich leicht ein zu Weil der eben nicht nach vorne geht. Du brauchst für eine Serie in unserer modernes Bild. Deswegen habe ich aus Heimatstolzgefühlen gern in Wien heutigen Zeit aber jemanden, der rausgeht und den Entdecker spielt, einen gedreht, aber in Prag war’s besser. Abenteurer, eine zerrissene Persönlichkeit. Die Idee unseres Freud ist, SKIP: Worauf habt ihr die Figur des jungen Freud denn aufgebaut? Er hat die zahlreichen Notizen aus seinen frühen Jahren dass er ein sehr kontroverser Charakter ist. Auf der einen Seite hochintelligent und ehrgeizig, auf der anderen rastlos, süchtig nach Kokain und von bekanntermaßen ja später vernichtet. Marvin Kren: Wir kennen ja alle dieses berühmte der unheimlichen Idee besessen, dass es so etwas wie das Unbewusste gibt. Die Casting-Szene Bild von Sigmund Freund, auf dem er mit einer war die erste Hypnose-Szene mit Freud. Und da Zigarre posiert. Er wollte, dass ihn die Welt war es sehr interessant zu sehen, wie Schaugenauso sieht und war extrem darum bemüht, spieler sie interpretieren. Die meisten waren an seiner Legacy zu arbeiten. Deshalb hat er sehr sachlich und bei sich – so wie man sich später alle Papiere aus der Zeit, in der er etwa das vorstellt. Das Tolle an Robert Finster war: 30 war, auch zerstört. Wobei ich denke, dass Er wollte sein Gegenüber richtig überzeugen. dies ganz tolle Papiere des Suchens und des Von ihm ging eine gewisse Form der UnheimForschens gewesen sein müssen. Dass wir aus lichkeit aus. Will ich das, dass jemand so in mich seinen frühen Jahren in Wien wenig wissen, Marvin Kren (m.) und Robert Finster (r.) am Set von Freud reingeht? Das war sehr befruchtend. Robert hat uns aber wiederum die Freiheit gegeben, war halt damals jemand, der noch nicht kreativ mit seiner Biografie umzugehen. so viel gemacht hatte im Filmbereich Nichtsdestotrotz war es mir wichtig, dem Es war natürlich ein unfassbarer Kraftakt, – aber zum Glück konnte ich meine Menschen Freud so nah wie möglich das alles in 86 Drehtagen hinzukriegen. Partner davon überzeugen, dass er der zu kommen. Wer war er? Wen hat er Richtige ist. Er hat dann wirklich ein halbes Jahr vor Drehbeginn das Go geliebt? Wie war sein Verhältnis zu seiner Mutter, zu seinem Vater? Was hat bekommen und konnte sich entsprechend lange vorbereiten. Er hat total es für einen jüdischen Arzt ohne finanzielle Mittel und noch dazu mit ganz abgenommen, gelebt wie ein Asket und sich einen Bart wachsen lassen. andersartigen Ideen bedeutet, erst seinen Platz in der Gesellschaft finden SKIP: Als erste Koproduktion von ORF und Netflix betritt Freud zu müssen? Darum geht’s am Anfang: Freud richtig zu greifen – und ihn definitiv Neuland. Wie herausfordernd war es, die unterschiedlidann in ein Abenteuer des Mystery-/Thriller-Genres zu schicken. chen Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen? SKIP: Du hast Freuds andersartige Ideen angesprochen. Wie man Marvin Kren: Ach, es gab einfach das Bedürfnis, eine super Serie zu auch gleich zu Beginn in deiner Serie sieht, wurde er damals machen. Deswegen war’s mir immens wichtig, dass ich die absolute deswegen stark angefeindet. Marvin Kren: Psychische Krankheiten wurden damals rein als physiologikreative Kontrolle bekomme, die mir ORF und Netflix glücklicherweise auch sche Erkrankungen, als Erkrankungen des Gehirns betrachtet. Freud hat zugestanden haben. Ich hatte auch bei 4 Blocks schon viel Freiheit, aber aber gemeint: Es kann ja nicht sein, dass alle, die an Hysterie erkranken, hier war es nun sogar noch ein Stück freier. Man hat an das Konzept und eine Erkrankung des Gehirns haben. Er hat etwas erahnt und gespürt, was meine Herangehensweise geglaubt – deshalb konnte ich kreativ ziemlich viele andere auch erahnt und gespürt, aber verdrängt haben. Dass da frei arbeiten. Ich hoffe halt sehr, dass das auch goutiert wird, dass das etwas in uns ist, das mit unserer Vergangenheit zu tun hat, wie Traumata, vom Publikum gemocht wird! 53 Christoph Prenner die durch eine nicht glückliche Erziehung oder Umgebung passiert sind,

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Fotos: © Viennareport, ORF/Satel Film/ Bavaria Fiction/Jan Hromádko

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