Chemiextra 4 2017

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VERFAHRENSTECHNIK

Temperaturmessung in meterlangen Rohren

Genauer Blick in den Reaktor

Norbert Aschenbrenner 1 Siemens hat die Temperaturmessung auf Basis sogenannter Faser-Bragg-Gitter erstmals für industrielle Anwendungen adaptiert. Die neue Sonde misst die Temperatur in chemischen Reaktionsgemischen in meterlangen Rohren. Ihr Vorteil besteht darin, dass man entlang des faseroptischen Kabels an bis zu 48 Stellen messen und so ein genaues Temperaturprofil erstellen kann. Bisherige Sonden erlauben nur einige wenige Messpunkte. Dank der neuen Technik gewinnen Prozessingenieure einen nie gekannten Einblick in den Ablauf der Reaktionsprozesse und können diese effizienter steuern. Sitrans TO500 – so heisst der Messfühler – wurde bei Kunden in der chemischen Industrie erfolgreich erprobt und im November 2016 auf der Messe SPS IPC Drives vorgestellt.

Konventionelle Technik braucht viel Platz Rohrbündelreaktoren bestehen aus von aussen gekühlten Reaktionsrohren, in denen zum Beispiel ein Gasgemisch mithilfe eines Katalysators chemisch umgewandelt wird. Die Rohre sind einige Meter lang und 1

Norbert Aschenbrenner, Siemens AG

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haben einen Durchmesser von zwei bis fünf Zentimetern. Abhängig vom Prozess, beispielsweise davon, wo und wieviel Gas einströmt, ändert sich die Temperatur entlang der Reaktionsstrecke. Typische Temperaturbereiche solcher Reaktionen liegen im Bereich von 250 bis 600 Grad Celsius. Für die Temperaturmessung wird eine Sonde in einem Schutzrohr innerhalb des Reaktionsrohrs verlegt. Bei konventionellen Sonden wie Widerstandsthermometern oder Thermoelementen muss pro Messpunkt eine Komponente samt Kabel verlegt werden. Selbst für ganz wenige Messpunkte braucht man deshalb schon ein zentimeterdickes Schutzrohr. Bisher wird der Prozess deshalb anhand theoretischer Modelle und wenigen Messungen gesteuert. Mit genaueren Temperaturprofilen liesse sich die Anlage effizienter fahren. Zum Beispiel so, dass der Katalysator möglichst langsam altert und weniger häufig ausgetauscht werden muss.

Bild: Siemens AG

Ein faseroptischer Fühler misst genaue Temperaturprofile in meterlangen Reaktoren der chemischen Industrie. Die neue Technik von Siemens liefert erstmals Detailinformationen aus dem Inneren einer Anlage und hilft so, Reaktionsprozesse zu verbessern; kritische Betriebszustände lassen sich rechtzeitig erkennen.

Mit der neuen faseroptischen Temperaturmessung können genaue Temperaturprofile im Innern von röhrenförmigen Chemiereaktoren erstellt werden. Eingesetzt werden kann die neue Technik in petrochemischen Werken, wie dieses in Heide, Deutschland.

mehrere Bragg-Gitter für verschiedene Wellenlängen realisiert. Das eingestrahlte Laserlicht hat verschiedene Wellenlängen über eine Bandbreite von 100 Nanometern. So erhält man für die Position jedes Bragg-Gitters die jeweilige Temperatur.

Millimeterdünne faseroptische Sonde

Robuste Faser für die Industrie

Die neue faseroptische Sonde von Siemens hat bis zu 48 Messpunkte und passt dennoch in ein Schutzrohr mit weniger als zwei Millimetern Durchmesser. Als Messfühler dient eine weniger als einen Millimeter dicke optische Faser. Entlang der Faser sind optische periodische Strukturen – die Bragg-Gitter – eingebracht. Koppelt man Licht in die Faser ein, wird je nach Periodizität des Bragg-Gitters eine bestimmte Wellenlänge refl ektiert. Weil der Brechungsindex eines Mediums auch von der Temperatur abhängt, weicht die Wellenlänge des reflektierten Lichts für verschiedene Temperaturen von einem vorab aufgenommenen Referenzwert ab. Um an mehreren Punkten zu messen, sind entlang der Faser

Um die Faser-Bragg-Gitter Technologie für industrielle Anwendungen anzupassen, mussten die Siemens-Ingenieure die eigentlich spröde Faser so behandeln, dass sie in bestimmtem Mass gebogen werden kann. Nur so kann man sie beispielsweise während der Wartung in die die Anlage ein- und wieder ausführen. Ausserdem lässt sich die meterlange Sonde aufgerollt transportieren. Ein weiterer Punkt waren die hohen Temperaturen im Reaktor. Die Faser muss ihnen nicht nur standhalten, sie muss überdies vorab eingestellt werden, um Temperaturdrift in den Messungen auszuschliessen. www.siemens.com 4/2017


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