WOJ 4-2011

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08 Vortrag Do, 17.11. 19.15 Uhr

Volkspolizei und »Betriebskampfgruppen« mit den Absperrmaßnahmen entlang der Sektorengrenze zu West-Berlin, bei der bald auch die Arbeitskraft der Bauarbeiter Ost-Berlins ausgenutzt wurde. Nur wenige Tage zuvor war es der SED-Führung gelungen, sich nun doch die zuvor noch verweigerte Zustimmung der sowjetischen Machthaber zu ihrem Absperr-Plan einzuholen. Schon im März 1961 hatte Ulbricht eine entsprechende Forderung erhoben, zunächst vergeblich, da dies nicht in das geltende deutschland- und weltpolitische Konzept der Moskauer Führungsspitze passte. Da sich der Ton im Ost-West-Konflikt seither verschärfte, gab Moskau dann Anfang August 1961 der SED-Führung doch grünes Licht. Bei der Umsetzung des Mauerbaus machte sich ein jüngerer Nachwuchs-Funktionär der SED besonders verdient: Erich Honecker. Fast 20 Jahre jünger als Ulbricht, bekleidete Honecker zu diesem Zeitpunkt bereits den wichtigen Posten des Sekretärs für Sicherheitsfragen beim ZK der SED. Seit 1958 gehörte der frühere kommunistische Jugendfunktionär und erste Vorsitzende der »Freien Deutschen Jugend« dem Politbüro der SED an und war damit in den engsten Machtzirkel der DDR vorgestoßen. Honeckers Koordinations- und Leitungstätigkeit beim Mauerbau verlief aus der Sicht seiner führenden Mit-Genossen bravourös. Er ebnete sich damit auch den Weg ganz nach vorn an die Spitze der SED und damit der DDR; Anfang Mai 1971 verdrängte er den sich freilich bis zuletzt sträubenden Walter Ulbricht. Trotz Honeckers »erfolgreicher« Arbeit kam es seit Beginn der Absperrmaßnahmen in Berlin unentwegt zu dramatischen Szenen. In den ersten Wochen nach Beginn des Mauerbaus gab es mehrere Hundert Flüchtlinge, allein 85 Angehörige der eingesetzten »Sicherheitskräfte« zogen es vor, sich nach West-Berlin abzusetzen. Aus den zunächst errichteten provisorischen Drahtverhauen wurde jedoch rasch eine »richtige« Mauer, die fortschreitend technisch perfektioniert wurde. Neben den kostspieligen technischen Maßnahmen (in der nicht nur an Baumaterialien notorisch knappen DDR wurden allein bis 1964 für die Mauer rund 400 Millionen DDR-Mark ausgegeben) setzte das SED-Regime entlang der Sperranlagen zu WestBerlin bis 1989 etwa 11.5000 Soldaten ein. Die sieben »Grenzregimenter« waren auch mit schweren Kriegswaffen ausgestattet, darunter eine Vielzahl gepanzerter Fahrzeuge, Granat- und Flammenwerfer. Annähernd tausend scharf dressierte Hunde unterstützten die Grenzwächter. Am Abend des 9. November 1989 endete die Existenz der Mauer als todbringendes Hindernis – wiederum mit einer Pressekonferenz, die nicht minder denkwürdig ist als jene Ulbrichts von 1961. SED-Politbüro Mitglied Günter Schabowski, Repräsentant der durch die Massendemonstrationen in Leipzig, Berlin und anderswo schwer verunsicherten Einheits-Genossen, reagierte verwirrt auf eine Journalistenfrage, wann die von ihm zuvor bekanntgegebene neue und großzügige Regelung für grenzüberschreitende Reisen von DDR-Bürgern in Kraft treten solle. In Unkenntnis der von den anderen SED-Oberen zuvor noch beschlossenen Verzögerungstaktik äußerte Schabowski, dies gelte ab sofort. Kurz darauf setzte ein Massenansturm auf die Grenzübergangsstellen ein, der nicht mehr aufzuhalten war. Mit der Mauer verschwand auch die SED-Diktatur. Bis dahin hatte die Berliner Mauer mindestens 136 Menschen das Leben gekostet, wahrscheinlich erheblich mehr. Genau wird man das nie wissen, denn die DDR-Be-

hörden taten alles, um die wahre Anzahl der Todesopfer zu verschleiern. Immerhin wissen wir, dass zeit der Existenz der DDR rund 75.000 Menschen als sogenannte »Republikflüchtlinge vor Gericht gestellt und meist für mehrere Jahre eingesperrt wurden – oder besser: Noch wirksamer eingesperrt wurden als zuvor schon … Prof. Dr. Manfred Wilke, der Referent des Abends, hat unlängst in seinem neuen Buch »Der Weg zur Mauer. Stationen der Teilungsgeschichte« die Vorgeschichte des Mauerbaus umfassend beleuchtet und analysiert. Professor Wilke ist einer der besten Kenner der Geschichte der DDR. In seiner langen wissenschaftlichen Karriere hat er sich immer wieder intensiv mit dem zweiten deutschen Staat auseinandergesetzt, außerdem mit der Geschichte des Kommunismus im Allgemeinen. Schon seit den 1970er Jahren unterhielt er zahlreiche persönliche Kontakte zu Dissidenten in der DDR und anderen Ostblock-Staaten. 1985 wurde er auf eine Professur für Soziologie an der Fachhochschule für Wirtschaft in (West-)Berlin berufen. Von der Gründung des »Forschungsverbundes SEDStaat« im Jahre 1992 an bis zu seiner Emeritierung 2006 war Professor Wilke einer der beiden Leiter dieser Einrichtung, die für die Erforschung der DDRGeschichte Bahnbrechendes geleistet hat. Manfred Wilke ist noch immer Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gremien und hat eine Fülle von Publikationen vorgelegt. Als Experte für das vorliegende Thema kommt ihm schwerlich jemand gleich. Winfrid Halder

In Zusammenarbeit mit der Konrad-Adenauer-Stiftung, Bildungswerk Düsseldorf


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