Bergbilder und Bilderberge
Erfindungen des Ich Vom Ätsch-Faktor bis zum Alpin-Groupie, vom Selfie bis zur Mammut-Show: Wer bin ich und wenn ja, wie viele? Technik und Social Media verhelfen Amateuren wie Berg-Profis zu täglich neuen Inszenierungen ihres Selbst. Von Franziska Horn
Wie wirklich ist die Wirklichkeit? Eine philoso-
licher und unterschwelliger Motive und Bot-
dümpelt.“ Funktioniert immer. Der Selfie-Trend,
phische Frage; schon im Tal schwierig, am Berg
schaften mit. Oft soll es ein Produkt oder ein
also das fortlaufende Sichselbstfotografieren,
unmöglich zu beantworten. Wie authentisch
Image verkaufen, manipulieren oder Gefühle
macht das Ich zum Epizentrum, die eigene Per-
kann ein Bild vom Berg und vom Bergsteigen
lenken.
son zum Eyecatcher. Also jenen Menschen, den
sein? Wie steil, wie ausgesetzt, wie hoch, wie
man – neben all den gefeierten Berghelden –
schwierig war die Position des Kletterers wirk-
Bilder machen Leute
lich? Wo doch alles von Standpunkt (örtlich und
Die Botschaft vieler Bilder vom Berg(steigen) ist
nicht falsch verstehen: Das Selbstporträt an
inhaltlich), Schärfe und Unschärfe, von Perspek-
dabei so archaisch wie aktuell: „Schau her, unter
sich ist so alt wie die Menschheit. Doch nie ha-
tive, Ausschnitt und schlichtweg davon ab-
meinem Hintern ist megaviel Luft, da passen
ben sich Menschen andauernd so stark auf sich
hängt, was der Fotograf thematisiert: die Leere
zwei Hochhäuser rein. Ich bin ein wilder Hund,
selbst „fokussiert“. Nur, weil die Technik es mög-
oder Tiefe, ein Detail oder das große Ganze –
ein Hammer-Bergsteiger, ein Abenteurer – ein
lich macht? Wohl nicht. Grundlage ist eine
oder vor allem einen „Akteur“, ein Ich? Geben
Held, womöglich?“. Bilder auf Social-Media-Ka-
selbstreferenzielle Gesellschaft, nur sie macht
Bilder die Wirklichkeit wieder oder eine wie auch
nälen bedienen zudem gern auch den Ätsch-
Phänomene wie das „Selfie“ oder ganze Platt-
immer geartete Sicht der Welt? Fakt ist: Jedes
Faktor: „Ha! Hab hier am Berg die Zeit meines
formen wie Facebook erst möglich. Eine Steige-
Bild bringt im „Subtext“ jede Menge offensicht-
Lebens, während ihr im grauen Büro dahin
rung des Selfies ist übrigens das Groupie-Bild
Foto: Tom Evans/elcap-pics.com, Andi Dick (2)
einfach am geilsten findet: sich selbst. Bitte
Markstein unter multimedialer Beobachtung: Die freie Begehung der „Dawn Wall“ wurde fotografiert, gefilmt und gepostet.
26
DAV
2/2015