Schweizer Jäger 7/2010

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IM R AUSCH DER HORMONE

Die Blattjagd auf den Rehbock ist eine der spannendsten Jagdarten. Aber warum genau springt ein Bock eigentlich aufs Blatt und verlässt dabei auch sein wohlgehütetes Territorium? Wie ist das überhaupt mit der verbreiteten Meinung, der Bock sei während der Brunft ganz besonders standorttreu? Was ist mit den suchenden Böcken? Und wer sucht wirklich wen? Wildbiologin und Rehwildexpertin Gundula Thor beleuchtet Vorder- und Hintergründiges. Von Gundula Thor Anfang Mai hatte ich ihn bereits einmal für anderthalb Stunden im Leuchtpunkt-Absehen meines Diavari. Ich sass abends auf einer Leiter am Rand einer fast kreisförmigen Lichtung, die dem Borkenkäfer zuzuschreiben, oder, aus Sicht des Waldjägers auf Rehwild, zu verdanken war. Nach einer halben Stunde sah ich ganz am anderen Ende der Lichtung auf etwa 150 Meter Entfernung ein Stück Rehwild aus dem dahinter liegenden Altholz austreten. Ich äugte durchs Glas und sah, dass es ein für diesen Pirschbezirk mit seinen kargen Böden

und grossen Dickungskomplexen recht starker Bock war. Genau genommen der stärkste, den ich dort bis dato je in Anblick bekommen hatte. Keineswegs ein Medaillenbock, natürlich, aber als reiner Waldjäger in solch einem – landschaftlich durchaus reizvollen – Gebiet wird man da bescheiden. Blick aus dem Ich koche auch jeden Knopfer ab und freue mich über die ErinneBlattstand: Im rung an das Jagderlebnis. Aber Randbereich der ehrlicherweise muss ich schon sakleinen, im Anschluss an den Alt- gen, dass dieser Bock mein Blut ein bisschen mehr als sonst in holzbestand zu erkennenden Lich- Wallung brachte. Nur: Er stand auf einer kleinen tung im HinterBöschung vor dem Altholz und grund, die etwa 200 Meter entfernt äste beschaulich an einem Holunist, hatte der Bock derbusch. Es war für mein Dafür-

halten kein ausreichender Kugelfang vorhanden. Also richtete ich mich so gut es ging im Anschlag auf der (unbequemen) Leiter ein und wartete darauf, dass er ein paar Schritte nach vorn und hinunter tun würde, bis der Erdwall einen sicheren Kugelfang bot. Und ich wartete und wartete. Der Bock äste mal links, mal rechts, mal drehte er sich um in die entgegengesetzte Richtung, aber er tat mir um nichts in der Welt den Gefallen, von seinem hohen Ross herabzusteigen. Langsam begann mir der rechte Arm einzuschlafen. Also setzte ich den Repetierer vorsichtig ab, machte ein paar langsame isometrische Übungen mit der rechten Hand und ging wieder in

Foto: G.Thor

Gut gedeckte Kanzel als Blattstand (Rückseite mit Einstieg): Hier spielte sich das geschilderte Blattjagderlebnis der Autorin am 26. Juli 2009 ab.

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Foto: G.Thor

seinen Einstand. Foto: G.Thor

Monatsthema

Blattzeit:

Von rechts hinten sprang der Bock rasant aufs Blatt, wendete – vom Schützen aus gesehen – scharf nach links und ... Fortsetzung siehe nächste Seite.


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