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Quetschwunde, Nasenbeinfraktur, Hirnverletzung, Prellungen, gebrochene Finger.

netzt den Finger und blättert und stöhnt, liest dann in den späten Morgen: eine Schrotflinte in der Wohnküche, geladen; eine Winchester im Ehebett zwischen den Matratzen, geladen; eine Pistole der Marke Browning, 7.65 Milli­ meter, in der Jackentasche, geladen; ein Revolver der Marke Smith & Wesson, .357 Magnum, im Milchlager, geladen; ein Flobert mit Schalldämpfer im Treppenabgang zum Keller, geladen; eine Winchester Sioux Caroline in der Futtertenne, geladen; eine Winches­ ter Sheriff im Heustock; eine Winchester

«Manchmal, wenn die Trauer hochkommt, überlegt man sich, ob es woanders nicht besser wäre» Marlene G. acht Uhr nach Thal zu fahren, um, von der Polizei heimlich begleitet, Toni das Geld zu bringen, das der, eine grosse schwarze Pistole auf dem Tisch, zwei Tage zuvor erpresst hatte. Am schlimmsten ist es dann, sagt Ja­ kob G., wenn neue Akten kommen, zwanzig, dreissig Seiten Papier, nächte­ lang lese ich dann die neuen Akten – und dann kocht die Angst wieder hoch. Gell. Und die Wut, dass nicht ist, was sein könnte. Ruhe im Waldweidli, sagt die Frau, nur Ruhe, mehr braucht man nicht. Lies vor, bittet jetzt Jakob, was die Polizei bei Z. fand. Sie greift zu den Akten, teilt den Stapel,

K012567 im Heustock; ein Karabiner in der Liegehalle der Kühe. Plus Muni­ tion. Unser Nachbar!, sagt Jakob. Unser Albtraum!, sagt die Frau. Der Sprecher der Kantonspolizei Appen­ zell Ausserrhoden gab der Schweizeri­ schen Depeschenagentur zur Auskunft, 23. Juni 2010, zwar sei der Auftraggeber der Tat, die äusserst brutal zu nennen sei, befragt, aber nicht in Haft gesetzt worden. Für den Mann bestehe kein Haftgrund, Haftgründe wären gemäss Gesetz Flucht- oder Vertuschungs­gefahr, das Risiko einer Wiederholungstat oder der Ausführung einer geplanten Tat. Herr Z., die Männer, die Sie angeheuert haben, sagen aus, Sie hätten ihnen den

Auftrag erteilt, nicht nur den jungen G. zusammenzuschlagen, sondern, sollten die dazu stossen, auch seine Frau, seine Kinder und seinen Vater? Es ging immer nur um den jungen G! Herr Z., weiters sollte G. mindestens sechs Monate im Krankenhaus liegen? Äh, dummes Zeug. Dann stimmt das also nicht, dass Sie das gesagt haben? Nein, sicher nicht. Man sollte G. die Knochen brechen? Dumme choge Seich. Und ihn invalid machen? Woher … Also nein? Ja, wirklich nicht. Was beabsichtigen Sie eigentlich mit Ihrer Tat? Dass G. vernünftig wird! Am 18. Juli 2010, als niemand im Haus war, schob Z.s Freundin I., eine Lehre­ rin, lic. phil., mit der er zwei Kinder hat, einen Brief in Jakobs Kasten. An Jakob und Familie G., hatte Hans­ueli in groben Lettern geschrieben. Ich bedaure ausserordentlich, dass es so weit gekommen ist, und ich kann es selbst nicht fassen, dass ich komplett den Kopf und die Kontrolle über mich verloren habe. Denn ich hatte es in meinem Leben noch nie so gut wie jetzt. Ich würde am liebsten die Zeit zurückdrehen. Mit freundlichen Grüssen HU. Z. Um seine Türen und Fenster hat der Z. Drähte gezogen und elektrisch geladen, im Stall hat er Infrarotkameras, die nachts alles aufzeichnen, was den Kühen passiert, Bewegungsmelder stehen dort, irgendwo auch Bildschirme, mindestens drei, sagt Jakob – steht alles in diesen u verdammten Akten. schweizer illustrierte

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