Schule im Aufbruch Kompass

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4 Lernen zu sein

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verbinden. Schulen, in denen dies möglich ist, zeichnen sich dadurch aus, dass die Erwachsenen in die Entwicklungsprozesse der Schüler vertrauen. Schülerinnen und Schüler sollten bei kleinen und größer werdenden Herausforderungen ihre eigenen Entscheidungen treffen können. Sie sollten nicht nur fremde vorgefertigte Lösungen übernehmen. Damit dies gelingen kann, brauchen wir bewertungsfreie Räume, in denen sich jeder ausprobieren und die eigenen Möglichkeiten und Grenzen austesten kann. Wichtig ist hierbei, dass Fehler erlaubt sind! Scheitern, ausprobieren und experimentieren zu dürfen, ohne für Ergebnisse beurteilt zu werden, sind Grundvoraussetzungen für Prozesse rund um das Entdecken der eigenen Potenziale. Es ist wichtig, dass Kinder erleben dürfen, dass Dinge nun einmal schiefgehen können. Durch solche Erfahrungen lernen sie, mit Enttäuschungen umzugehen - oder auch Flexibilität und Kreativität zu entwickeln, um Hindernisse zu überwinden. Intensive Lernerfahrungen und prägendes Wissen, entstehen nicht durch das, was wir gehört oder gelesen haben. Sie entstehen durch das, was wir erfahren, erlebt und reflektiert haben. Der unmittelbare Kontakt und die lebendige Interaktion mit der Welt sind Voraussetzungen für das Bilden eines eigenen Bewusstseins. Daher ist es wichtig, dass Schulen Gelegenheiten schaffen, in denen Schüler ihre Potenziale entdecken, entwickeln und in sinnvolle Kontexte einbringen können. An unseren tradierten Schulen dominieren die Wissensvermittlung und die Wissensreproduktion. Prozesse der Bewusstwerdung haben wenig Raum. Wir haben viele Techniken entwickelt, um Menschen Kenntnisse von Dingen zu übermitteln - mit denen sie persönlich nie in Berührung kommen. Die Reaktion darauf ist häufig, dass eigene Interessen zurückgestellt werden und verkümmern. Es bleiben passive Schüler zurück, die darauf hoffen, dass es die anderen schon richten werden. Menschen, die sich darauf verlassen, dass es immer jemanden gibt, der es besser weiß. Frederic Vester vergleicht die Unterrichtstechniken des Wissenstransfers, mit „dem Bau breiter Autobahnen, die uns mit Höchstgeschwindigkeit zum vorbestimmten Ziel bringen. Doch dabei bekommen wir die schönsten Landschaften und interessantesten Orte nie zu Gesicht“. Denn dafür müssen wir ein weit verzweigtes Netz von Landstraßen benutzen, auf denen man aber nur langsam fahren kann. In dieser Vielfalt, die links und rechts neben der Autobahn liegt, finden sich möglicherweise die Interessen und Leidenschaften der Schüler. Hier liegen die Themen, für die sie bereit wären. Für diese Themen würden sie aus sich heraus Kräfte und Energien mobilisieren, sich Wissen eigenverantwortlich aneignen, selbst Projekte initiieren und

Die lebendige und schöpferische Interaktion des Ich mit der Welt macht dann unaufhörlicher Nachahmung Platz. Damit geht die Sicherheit verloren, die von innen kommt und gleichzeitig wächst unsere Abhängigkeit von fremdem Rat und Belehrung von außen. Rebeca Wild


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