Schnüss Uni-Magazin 2016 Sommer-Semester

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04.04.2016

12:03 Uhr

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Kino

IM KINO: DER SPIELFILM »DIE KOMMUNE« VOM DÄNISCHEN REGISSEUR THOMAS VINTERBERG

Wohnexperimente am Rande der Stadt

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homas Vinterberg, der mit seinem legendären Dogma-Film Das Fest die bürgerlichen Familienstrukturen mit dramatischer Wucht seziert hat, setzt sich nun in Die Kommune mit den wahlverwandtschaftlichen Verhältnissen in einer linken Wohngemeinschaft während der siebziger Jahre auseinander. Als der Architekurdozent Erik (Ulrich Thomsen) das Haus seiner Eltern erbt, ist die Versuchung groß, das Anwesen für einen Millionenbetrag zu verkaufen. Viel zu geräumig ist die herrschaftliche Hütte für ihn, seine Frau Anna (Trine Dyrholm) und die gemeinsame Tochter Freja (Martha Sofie Wallstrøm Hansen). Aber Anna überredet Erik, mit ein paar Freunden eine Kommune zu gründen. Schließlich lebt man auch in Dänemark in den wilden Siebzigern, als kollektive Wohnexperimente zum freigeistigen Lebensstil gehören. Schon bald teilen sich sieben Erwachsene und zwei Kinder das 420qm große Herrenhaus am Rande der Stadt. Es wird viel getrunken, geraucht, palavert und abgestimmt. Es ist keine verkopfte Polit-Kommune, die Vinterberg hier entwirft, sondern eine, die sich mehr

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über den Spaß am Zusammenleben als über endlose ideologische Diskussionen definiert. Im Kino führte der retrospektive Blick auf die idealistischen Lebensexperimente jener Zeit ja zumeist direkt in die Komödie. Anders etwa als sein schwedischer Kollege Lukas Moodysson in Zusammen! besteht Vinterberg auf einem unironischen, undistanzierten Blick auf das WG-Leben der Siebziger und verzichtet auf die gängigen Kommune-Klischees. Die Kommune nimmt die alternativen Lebensentwürfe dieser Generation ernst, zeigt die befreienden Aspekte kollektiver Utopien genauso wie die Grenzen, an die das Paar gerät, als es die Gebote der freien Liebe in einer Dreiecksbeziehung zu leben versucht. Mit seinem großartigen Ensemble und einem ausgeprägten Sinn für Zeitkolorit wirft Vinterberg einen nostalgiefreien Blick auf den Lebensgeist dieser oftmals belächelten Ära, in der Wagnisse eingegangen wurden, die heute oft aus Bequemlichkeit zum Scheitern verurteilt werden. [ M A RT I N S C H W I C K E RT ]

Dänemark 2016; Regie: Thomas Vinterberg; mit Ulrich Thomsen, Tryne Dyrholm (ab 21.4. Filmbühne)

SCHNÜSS-UNIMAGAZIN · SOMMER-SEMESTER | 2016


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