Schlossseiten Magazin 02/2017

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Foto: Hildegard Steinmetz / Archiv der Salzburger Festspiele

Curd Jürgens, Senta Berger (1974)

aufgeführt, hinterlässt jedoch keinen bleibenden Eindruck. Der große Erfolg stellt sich erst neun Jahre später am 22. August 1920 ein. Reinhardts Regie-Idee, das Stück vor der prachtvollen Kulisse des Salzburger Doms aufführen zu lassen, wird von dem aufgeschlossenen Salzburger Fürsterzbischof unterstützt, der auch das von Reinhardt erbetene Orgelspiel und Glockengeläute genehmigt. Zum Dank verzichten die Beteiligten auf Tantiemen und Gagen, und der Reinerlös der Aufführungen wird verschiedenen wohltätigen Zwecken zugeführt. Die Aufführung beginnt bei Sonnenschein, erste Schatten fallen auf den Domplatz, als der Tod auftritt, und bei der Grablegung Jedermanns hat sich die Abenddämmerung über die Stadt gesenkt. Hofmannsthal schreibt im Jahr 1920: „Wie ein Selbstverständliches wirkten die marmornen fünf Meter hohen Heiligen, zwischen denen die Schauspieler hervortraten und wieder verschwanden, wie ein Selbstverständliches die Rufe ‚Jedermann‘ von den Türmen der nahen Kirche, von der Festung herab, vom Petersfriedhof herüber, wie ein Selbstverständliches das Dröhnen der großen Glocken zum Ende des Spieles, das Hineinschreiten der sechs Engel ins dämmernde Portal, die Franziskanermönche, die

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von ihrem Turm herunter zusahen, die Kleriker in den hundert Fenstern des Petersstiftes, wie ein Selbstverständliches das Sinnbildliche, das Tragische, das Lustige, die Musik.“ Bald schon fokussiert sich das Interesse der Zuschauer auf den jeweiligen Darsteller des Jedermann. Erster Protagonist ist von 1920 bis 1932 der berühmteste und bestbezahlte Bühnenschauspieler seiner Zeit, der in Triest geborene albanisch-österreichische Alexander Moissi. Für den Dichter Stefan Zweig war dessen Stimme „Musik“, Franz Werfel nannte ihn einen „Zauberer“ und Franz Kafka schrieb: „Trotzdem so viele Melodien zu hören waren, die Stimme gelenkt schien wie ein leichtes Boot im Wasser, war die Melodie der Verse eigentlich nicht zu hören. Manche Worte wurden von der Stimme aufgelöst, sie waren so zart angefasst worden, dass sie aufsprangen und nichts mehr mit der menschlichen Stimme zu tun hatten …“ Ihm folgt der „Reichsdeutsche“ Paul Hartmann vom Wiener Burgtheater, danach der Österreicher Attila Hörbiger, den Reinhardt als seinen „wahren Jedermann“ bezeichnete – volksnah und schlicht. Nach dem Anschluss Österreichs an Deutschland


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