Nr 21 1951-1952

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PLAUDERSTUNDE MIT SKIFLIEGERN von Hans Feldmann

Die Skiflieger sind Menschen wie wir alle. Ich habe nicht das Gefühl, daß man von ihnen und ihren Taten nur in Superlativen sprechen muß. Sie wünschen dies auch gar nicht, denn wie gesagt, sie sind Menschen, ganz gewöhnliche Menschen. Erstmals traf ich mit ihnen zusammen 1948 in Planica. Es war schon sehr spät am Abend, eigentlich mitten in der Nacht, als ich nach einer recht bewegten Fahrt in Planica eintraf. Am vorhergehenden Nachmittag hatte Fritz Tschannen eine neue Weltbestleistung erzielt, und ich platzte mitten hinein in die Gesellschaft der Skiflieger, Organisatoren und Helfer, die in aufgeräumter Stimmung die neue Bestleistung von Fritz Tschannen feierten. Ich fand keinen Unterschied zwischen diesem kleinen Fest oder einem solchen in der Schweiz, wenn beispielsweise der Turnverein lorbeergeschmückt ins heimatliche Dorf heimkehrt. Ich traf wiederum mit meinen nunmehrigen Freunden, den Skifliegern, zusammen, als 19jo und 195I die Sk$'ugversuche in Oberstdorf stattfanden. Es waren zum Teil dieselben Gesichter, zum andern Teil waren neue da. Die einen machten Eindruck und wußten sich durchzusetzen, die andern stachen nicht hervor, weder im guten noch im bösen. Auch hier wieder ist es dasselbe, wie mit allen Menschen irgend einer Richtung oder Gattung. Das Skifliegen wirkt irgendwie beruhigend und der Umgang mit Skifliegern ist für mich wie Ferien in der Einsamkeit auf einer Alp oder bei stundenlangen Gängen durch Wald und Forst. Das mag etwas paradox klingen, werden doch die Leistungen der Skiflieger sensationell angekündigt, füllen Spalten und Seiten und spornen die Redakteure und Pressemänner zu immer knalligeren und marktschreierischen Schlagzeilen an. Das Beruhigende am Skifliegen ist nämlich das, daß die Leistung nicht befohlen werden kann. Man weiß weder den Tag noch die Stunde, man kommt zusammen und lebt zusammen, macht wohl gewisse Versuche, im allgemeinen aber ist es ein Abwarten auf den günstigen Moment, der irgendwie im Laufe der vier, fünf Tage kommt oder eben nicht kommt (so ähnlich wie beim Sommerbock) und in diesem Zusammenleben liegt das Beruhigende, das etwas Schönes ist. Planica ist naturgemäß sehr geeignet für die Durchführung solcher Versuche. Der ,,Kurortcc besteht aus zwei Häusern und ist ziemlich weit entfernt von der nächsten bedeutenden Ortschaft oder gar Stadt. In Oberstdorf hat man mit viel psychologischem Geschick die Aktiven und Mannschaftsführer vom Rummel der Fremdenstation weggenommen, hat sie in die ländliche Stille des FreibergSees verpflanzt, wobei der unumgängliche 4ominütige Fußmarsch eine natürliche Barriere zwischen dem betriebsreichen Leben des Fremdenortes und dem Aufenthaltsort der Skiflieger bildet. Wohl ebenso interessant wie das Geschehen an der Schanze waren die gemütlichen Stunden am Abend, wo man, alles eine Familie, rund um den Tisch herum saß, wo etwas gehandorgelt wurde, wo etwas gesungen wurde und wo man hie und da auch vom Skifliegen sprach. Auch diese Gespräche und Plaudereien ließen sich nicht kommandieren. Sie mußten sich von selbst ergeben, waren dann aber umso wertvoller und inhaltsreicher. Einmal gab es da einen Abend in Freibergsee, wo ein Wort das andere gab und wo man eigentlich die Ansicht der verschiedensten Springer gegeneinander abwägen konnte; eine Plauderstunde von prachtvollem Gehalt. Da saß er, der Heini Klopfer, der das heilige Feuer der Begeisterung für das Skifliegen wohl ewig in seinem Herzen tragen wird, der Planica kannte und der als Architekt die Schanze von Oberstdorf geschaffen hatte. Er, der selber durch die deutschen Gaue reiste, um Tücher zu verkaufen oder, besser gesagt, um Geld zu betteln für den Bau einer Skiflugschanze in seinem Heimatort Oberstdorf. Daß er während der Dauer der Versuche seine junge Frau allein drunten in Oberstdorf ließ und oben in


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