Das grafische Werk 1956 – 2017
Richard Heß (1937 – 2017)
Bildhauer
Das grafische Werk 1956 – 2017
Herausgegeben von Ilka und Jürgen Heß
Wissenschaftliche Bearbeitung und Text von Bärbel Mann
Mitarbeit: Hermann Büchner
Berlin 2022
Richard Heß im Atelier, 2002Vorbemerkung
Der Bildhauer Richard Heß (1937-2017) schrieb sich bereits zu Lebzeiten in die Geschichte der figurativen Kunst des 20. Jahrhunderts in Deutschland ein. Seit 2016 liegt das von Ilka und Jürgen Heß, Witwe und Sohn des Künstlers, herausgegebene Verzeichnis des plastischen Werks vor. Heß, für den die menschliche Figur über mehr als sechs Jahrzehnte Zentrum seines Werks und unerschöpfliche Quelle für immer neue Bildentwürfe war, hinterließ in seinem künstlerischen Nachlass ein Konvolut von über 500 Arbeiten auf Papier, überwiegend Handzeichnungen und einige druckgrafische Blätter. Das Vorhaben, sich erstmals mit den Zeichnungen des Bildhauers zu befassen, regte Ilka Heß an. Als Kuratorin und Managerin hatte sie den Bildhauer auf vielfältige Weise und mit Erfolg in seiner künstlerischen Arbeit unterstützt. Diese intime Kenntnis der Werkentstehungen seiner Plastiken, Skulpturen und Reliefs stellte neben der zahlreich vorhandenen monografischen Literatur eine verlässliche Quelle bei der Erarbeitung des plastischen Werkverzeichnisses dar. Doch die Zeichnungen waren auch für sie ein unbekanntes Terrain, mit Ausnahme jener Blätter, die auf Ausstellungen gezeigt wurden. Sie erinnert sich, dass Richard Heß spontan Sammlern eine Zeichnung schenkte, wenn er ihr Interesse und besonderes Verständnis bemerkte. Aufzeichnungen dazu machte er nicht.
Zu den im Nachlass befindlichen Zeichnungen, die sich vorwiegend in einem fünfschübigen Zeichnungsschrank in Heß’ letztem Atelier in Berlin-Wilmersdorf befanden, gehören zwei Skizzenblöcke und ein begonnenes Skizzenbuch. Im Nachlass fanden sich zudem schwarz-weiß Abzüge von Handzeichnungen des Künstlers, deren Originale nicht mehr aufzufinden waren. Auch der Vergleich der gesichteten Originale mit Werklisten von Zeichnungen in Ausstellungskatalogen und anderen Publikationen wies leider Defizite auf. Blätter von öffentlichen und privaten Eigentümern, die bekannt waren, standen dankenswerter Weise für die Einbeziehung ins Werkverzeichnis zur Verfügung. Dank geht an Frau Dr. Rita Täuber von den Städtischen Museen Heilbronn und Frau Dr. Mechthild Haas vom Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Gleichfalls gebührt den Leihgebern Herrn Dr. Andreas Pfeiffer, Museumsdirektor i. R., dem Ehepaar Bärbel und Bernd Moll sowie Frau Dr. Stefanie Pahlitzsch-Leschke für die großzügige Ausleihe von Werken ein herzlicher Dank.
Da Richard Heß selbst zu keinem Zeitpunkt seine Zeichnungen evaluiert hat – sieht man von der Auswahl für Ausstellungen ab –, stehen im Werkverzeichnis neben Zeichnungen von hohem eigenständigen Wert auch flüchtige Skizzen und sporadisch gezeichnete Notizen, denn auch Herausgeber und Autorin haben im Vorfeld nicht korrigierend in den grafischen Bestand eingegriffen. Alle im vorliegenden Verzeichnis publizierten Blätter ohne Vermerk zu Eigentümern oder Verbleib stammen aus dem künstlerischen Nachlass von Richard Heß.
Die Abbildungen der Blätter im Katalogteil sind mit fortlaufender Nummerierung versehen. Sie folgt der chronologischen Ordnung, wobei undatierte Arbeiten durch Vergleiche zeitlich zugeordnet wurden. Die Methode der chronologischen Erfassung ermöglicht dem Außenstehenden, die Entwicklung des grafischen Werkes am besten nachzuvollziehen und ermöglicht bei Bedarf den Vergleich mit dem plastischen Da sich das Werkverzeichnis der Handzeichnungen und Druckgrafik als Ergänzung des bereits vorliegenden Verzeichnisses der Plastiken und Skulpturen versteht, das im Anhang Biografie, Ausstellungsverzeichnisse und Bibliografie enthält, wird in dieser Publikation auf deren Wiederholung verzichtet.
Die in Text und Werkangaben erfolgte Zitation im Harvard Standard wurde der Kurzform wegen gewählt. Erläuterungen dazu enthalten die technischen Hinweise. Eine Wiederholung als Klammerbemerkung erfolgt zur besseren Orientierung im ausführlichen Literaturverzeichnis im Anhang. Abschließend sei darauf verwiesen, dass die Autorin keine Gendersprache verwendet, sondern das generische Maskulinum, in das weibliche und diverse Geschlechteridentitäten inbegriffen sind, sofern es aus dem Inhalt nicht abweichend hervorgeht.
Zum grafischen Werk von Richard Heß
Als Schlüssel zum Verständnis des hinterlassenen Konvoluts an Handzeichnungen von Richard Heß dient die Bedeutung, die er selbst seinen Zeichnungen zu maß. Im folgenden Zitat benennt er wesentliche Funktionen und Besonderheiten: „…ich mache keine Vorzeichnung oder ganz selten mal, weil ich diese Spontanität, diese Unmittelbarkeit des Anfangs, diese Unmittelbarkeit bei der Plastik, die ich machen will, haben möchte und nicht schon bei der Zeichnung, die ich davor anfertige, oder bei dem Modell. Für mich sind Zeichnungen auch keine Zeichnungen wie ein Maler sie macht, sondern für mich sind Zeichnungen eigentlich nur Studien… Die Zeichnung ist eigentlich ein Nebenprodukt. Nur ist für mich das Zeichnen deswegen, weil man so konzentriert gucken muß und das alles so schnell geht, unglaublich mühselig. Es ist für mich viel mühseliger als Plastiken zu machen.“ (Krimmel 1982: XVII)
Richard Heß definierte, dass das Primat seiner künstlerischen Arbeit in Plastiken und Skulpturen liege, die er mit nicht vorweggenommener innovativer Energie schaffen wolle, ohne sich vorher in der Zeichnung bereits schöpferisch verausgabt zu haben. Die Direktheit und Frische, die in eine Entwurfszeichnung flösse, wolle er für die plastische Arbeit bewahren. Er betonte, dass er die Form erst im Prozess des Modellierens oder Abtragens endgültig finde. Könnte das eine Zeichnung leisten, spitzte er zu, „brauche man nur eine Skizze zu machen und dann könnte man jemanden anstellen, der baut das Ding dann groß auf.“ (Krimmel 1982: XVI) Seine Zeichnungen charakterisiert Heß als Studien. Sie erlaubten ihm auch, einen geistigen Fundus anzulegen, aus dem er bei Bedarf schöpfen könne. „Die Zeichnungen entstehen im Beobachten des Modells, und ich schaffe mir sozusagen einen Vorrat, den ich abrufen kann. Ich meine jetzt nicht gezeichnete Vorlagen, die ich mir später hervorholen könnte, sondern: Das speichert sich in meinem Gehirn, dass ich dann jederzeit weiß, das Bein sieht bei der und der Bewegung so oder so aus oder der Arm oder der Rücken und jedes Körperteil oder überhaupt eine Figur verändert sich bei der und der Bewegung so und so.“ (Krimmel 1982: XVII)
Betrachtet man im Œvre von Richard Heß die Entstehung des grafischen Werks über den Zeitraum von sechs Jahrzehnten, wird erkennbar, dass er sich der Zeichnung in zeitlichen Schüben zuwandte. Fast ein Fünftel aller Zeichnungen fertigte er in der Zeit des Studiums an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin (West) an und der sich dort anschließenden einjährigen Meisterschülerzeit bei Bernhard Heiliger. Die frühesten Datierungen auf den zumeist großformatigen Blättern aus dieser Zeit stammen aus dem Jahr 1956. Es ist möglich, dass das eine oder andere Blatt Bestandteil der Bewerbungsmappe im strengen Aufnahmeverfahren der renommierten Kunstakademie war oder im Zeichensaal der Hochschule entstand, in dem Wilhelm Tank, den Heß sehr schätzte, Anatomie und Naturstudium lehrte. Anhand der frühen Zeichnungen können wir an den Versuchen des Studenten der freien Bildhauerei teilhaben, den Aufbau des menschlichen Körpers genau zu studieren. Die suchenden Linien führen entlang medizinisch-anatomischer Grundkenntnisse zur konstruktiven Beschaffenheit und Funktionsweise des menschlichen Körpers, der sich in fast geometrisch geformte Gebilde zerlegen lässt. Auf mehreren Blättern sind noch die Linien zu sehen, die Heß als Orientierungshilfe durch Kugeln und Ovale zieht oder als Achsen und Winkel für Längen und Bewegungen der Gliedmaßen anlegt, ganz nach dem Grundsatz: „Figuren waren für mich nie eine kompakte Masse, sondern eher eine durchsichtige Konstruktion.“ (Giacometti 1987: 338)
In den ersten Jahren liegt der Fokus auf dem einfachen plastischen Körper, der stark durch die Tektonik bestimmt wird und dem Prinzip folgt, Haltung und Körperlichkeit des Modells wiederzugeben anstatt die Vollendung einer eigenständigen Zeichnung anzustreben. Auf der Fläche werden das Körpervolumen und die räumliche Ausdehnung imaginiert, was in der Plastik und Skulptur real vorhanden und mit den Händen zu greifen ist. Die Umgebung wird ausgeblendet. Das Reduzieren, das auch Merkmal der Vollplastik ist, bestimmt auch das Prinzip seiner Bildhauerzeichnungen. Richard Heß zeichnet Ganzfiguren, meist Akte, auch einige Torsi und vor allem weibliche Körper als Stehende, Sitzende oder Liegende. Am Akt kann er am besten die unterschiedlichen Bewegungsabläufe und Körperhaltungen, Drehungen und Beugungen erkunden. Nur wer den Bau des menschlichen Körpers kennt, kann auch eine bekleidete Figur glaubhaft wiedergeben. Beim Aktzeichnen hat der anatomische Blick, gleich ob Frau oder Mann, das Primat.
Ein aufgestütztes Bein, ein angewinkelter Oberarm oder eine Drehung aus dem Bild, alles hat Einfluss auf Struktur und Funktion des Knochen- und Muskelapparates und verändert die Formen und Proportionen des Körpers. Oft unterscheiden sich die Motive nur in kleinen Nuancierungen. Bei den Skizzen geht es vor allem um die rasche Erfassung und Fixierung einer Momentaufnahme.
Der Bleistift ist das maßgebliche Werkzeug, mit dem er die Umrisslinien zeichnet, die geraden oder gebogenen Striche, die das dargestellte Objekt von seiner Umgebung auf dem Blatt abgrenzen. Mit zunehmender Sicherheit gewinnen die Binnenzeichnungen, Schraffierungen und Schattierungen an Bedeutung. Der Finger verreibt die Grafitspuren und prüft, auf welche Weise der Ausdruck von Plastizität, von Wölbungen und Vertiefungen am menschlichen Körper am besten zu erzeugen ist. Verwischungen, Geflechte aus Linien oder übereinander gelagerte Liniennetze sorgen vor allem bei den weiblichen Akten für eine zunehmend plastische Wirkung. Die Betonung bestimmter Körperregionen, die Dunkeltonigkeit, mit der sie hervorgehoben sind und der Lichteinfall steigern Spannung und Sinnlichkeit. Es dominieren in den plastischen Körpermodellierungen die runden Formen eines Frauenkörpers neben gespannten Muskelsträngen der wenigen Männerköper. Rückblickend führte Richard Heß seine Sicht auf voluminöse Frauenkörper auf das eigene Körpergefühl zurück, das er „voluminös“ nannte. Seine eigene Körperstatur habe wahrscheinlich etwas „mit der Prallheit und Größe seiner Figuren zu tun“. (Krimmel 1982: XIII)
In dem Bestreben, in den gezeichneten Figuren bereits Wesenhaftes zu erfassen, fallen zunehmend feine Grauabstufungen auf. Die parallele intensive Bildhauerarbeit und der sich wiederholende Wechsel zur Zeichnung befruchten sich gegenseitig und festigen bei Heß die von der plastischen Vorstellung dominierte Anschauung. Sie führt zu Studien von unterschiedlichen Blickpunkten, Perspektiven und Anschnitten, die die Dargestellten auf der Fläche ‚verlebendigen’. Das Erkunden der plastischen Formen und Volumina schult Auge, Geist und Hand gleichermaßen und vor allem deren Zusammenspiel. Über die Erfassung des Volumens versucht er die Dreidimensionalität darzustellen. In den Blättern offenbart sich der Blick des Bildhauers, der von der Notwendigkeit geleitet ist, räumlich zu denken. Er bestimmt auch die Arbeit auf der Fläche, denn in der zweidimensionalen Erfassung des Geschauten wird jedes Detail auf die Übertragung in eine dreidimensionale Ordnung geprüft. Die Umsetzung der in der Zeichnung geklärten Raum- und Formauffassung wird bei Richard Heß erst in der dreidimensionalen Darstellung, in der Allansichtigkeit der Figur, ihre Vollendung finden.
In den Jahren 1965 bis 1998 lebt und arbeitet Richard Heß in Braunschweig, Darmstadt und Bielefeld. Nach wenigen Jahren freiberuflicher Berufspraxis in Berlin (West) hatte er drei Jahre dem vielseitigen Künstler und Theoretiker Jürgen Weber am Lehrstuhl für Elementares Formen an der Architekturfakultät der Technischen Universität Braunschweig assistiert, bevor er als Assistent zu Waldemar Grzimek an die Technische Hochschule Darmstadt wechselt, um am Aufbau des dortigen Lehrstuhls für Plastisches Gestalten mitzuwirken. Einem einjährigen Lehrauftrag schließen sich acht Jahre Dozentur an, die auch eine produktive Zeit für das Zeichnen bedeuten. Gemeinsam mit seinen Studenten praktiziert Heß wieder das Zeichnen vor dem Modell. Er wird sich später erinnern, dass die Arbeit mit Modellen für ihn dennoch die Ausnahme war. Die meisten seiner Figuren entstehen aus dem Kopf, d. h. aus seinem Gedächtnis, selbst wenn er porträtiert. „Ich zwinge mich dazu, das Modell so intensiv anzugucken, wie ich es sonst nie täte.“ (Netuschil 1991: 60)
Zwischen 1969 und 1972 hat die Stilistik seines plastischen Werks jene charakteristische Ausprägung erfahren, die Arbeiten von ihm unverwechselbar machen. Das sichert ihm auch die Aufmerksamkeit wichtiger Auftraggeber. Die soziale Kompetenz des Künstlers, seine Empathie mit den Unterdrückten und sozial Benachteiligten, das spontan durch ein Foto in der Zeitung oder eine Nachrichtenmeldung ausgelöst werden kann, ist im plastischen Werk explizit zu erkennen. Auch in der Druckgrafik, die hauptsächlich in der Zeit an der Darmstädter Hochschule entsteht, fallen Beispiele auf, in denen er unmittelbar auf gesellschaftliche Missstände reagiert. Mitte der 1970er Jahre thematisiert er in variierten Zustandsdrucken die Arbeit von Prostituierten auf dem Straßenstrich wie auch das Thema der körperlichen Gewalt an Frauen in Paarbeziehungen. Aus dem Jahr 1989 stammt das Blatt Flucht, mit dem Heß einem Aufruf des Kunstvereins und der Kunsthalle Darmstadt für eine Ausstellung folgt. Im selben Jahr nimmt er auch das Motiv des ans Kreuz Gefesselten wieder auf.
Bereits als Kunststudent hatte Heß bei einem um 1959/60 ausgelobten Wettbewerb des Französischen Kulturzentrums Maison de France in Berlin (West) zum Thema Musik mit zwei grafischen Blättern den ersten Platz belegt. Die eine noch erhaltene Lithografie, die Blatt füllend das markante Gesicht eines afroamerikanischen Sängers in den Mittelpunkt stellt, rückt bereits ganz selbstverständlich die Historie von Gospel und Blues und deren Interpreten mit ins Bild und verweist auf die ursprüngliche Entstehung als Sklavenmusik und die Funktion von Identität und Protest im Apartheidregime Südafrikas.
Als Mittdreißiger beherrscht Richard Heß die Mittel als Bildhauer souverän. Souveränität zeigt sich auch in den Zeichnungen. Mit der Grundsatzentscheidung für figürliche Kunst und dem unerschöpflichen Generalthema der menschlichen Figur hatte er sich früh festgelegt und die Basis für die stetige Vertiefung und Weiterentwicklung seines Hauptmotivs geschaffen. Das ersparte ihm grundsätzliche Brüche und Neuorientierungen. Sein Lehrer Waldemar Grzimek hob hervor, dass Heß zu den ersten und wenigen gehörte, „die den oft druckvollen Anweisungen widerstanden. Er misstraute jener Avantgardisten-These, dass mit der Negation der Figur das Gestalten endgültig befreit sei … dass nämlich die Figur nicht nur endlos viele Erneuerungen erlaubt, sondern auch die Begeisterungsfähigkeit oder andere Formen der Anteilnahme erst zur äußersten Intensität bringen kann, erkannte bzw. erfühlte Heß schon als Student.“ (Grzimek 1976)
Richard Heß findet seine Bildmotive in den „großen Themen, die praktisch immer gültig sind: Tod, Geburt, Liebe…“ (Krimmel 1982: XIX ) Das in der Plastik von den elementaren Themenbereichen abgeleitete Spektrum an Motiven führt zu ganz aktuellen Bildentwürfen, in denen allgemeine philosophische, politische und ethische Dimensionen verankert sind. Die von einem sozialen Impetus getragenen Fragestellungen bilden sich im Grafischen nicht in dieser Differenzierung ab. Dennoch sind Analogien, d. h. ‚Motiv-Parallelen’ in Plastik und Zeichnung feststellbar. Sie treten auf als Gefesselte, Gekreuzigte, Stürzende und Sterbende; in den Spiegel Schauende, sich Ankleidende und Entkleidende, sich Waschende, Badende oder in tänzerischen Figuren, Mutter-Kind-Darstellungen und unterschiedlichen Paarkonstellationen. Zu ihnen gehören auch Momentaufnahmen als Rauchende, Diskutierende, Sitzende, Träumende, Wartende und nicht zuletzt das Thema der käuflichen Liebe. Der Liegenden, in vielen variierenden Zeichnungen festgehalten, können wir in der Plastik als sich Ausruhende, Erschöpfte oder Schlafende begegnen. In ihrem Grundgestus modelliert Heß auch das liegende Opfer, die Gepeinigte, Gefesselte oder Gestürzte aus dem Themenkomplex Täter-und-Opfer, aber auch Protagonisten, die für Schutzbedürftigkeit stehen oder an Mitmenschlichkeit und Verantwortung appellieren. Die sitzende Frau, mannigfaltig und differenziert gezeichnet, wird zur wartenden Figur als Vollplastik. Im szenischen Relief verkörpert sie auch das klassische Modell im Künstleratelier.
Der Bildvorrat an gezeichneten Paaren erfährt erfindungsreiche Anverwandlungen als Liebende, die Erotik, Innigkeit und Verbundenheit symbolisieren ebenso wie in Paarbeziehungen, die Macht und Gewalt thematisieren. Zu einem frühen Zeitpunkt hat Richard Heß bereits das häusliche Milieu auch als abgeschotteten Austragungsort für gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Frau und Mann angesprochen und in der Plastik wie in der Druckgrafik der gewohnten Sichtweise, dass die Frau stets das Opfer sei, abweichende Darstellungen entgegen gesetzt.
Während Richard Heß mit der Plastik in Problembereiche und konfliktbetonte Felder vorstößt, die einen sozialkritischen Ansatz unterstreichen, erfolgt in der Zeichnung eine Verdichtung der Figurengestaltung. Das Abbild wird zum Sinnbild verallgemeinert. Ihm gelingen Darstellungen, in denen die gestische Körpersprache auch zum psychologisierenden Gestaltungsmittel wird. Die äußere Gestalt verrät nicht nur die Zugehörigkeit zu Geschlecht und Generation. Gesicht und Mimik sind an einem Gesamtausdruck beteiligt, der auch Auskunft über die innere Verfasstheit der Dargestellten gibt. Die große Zahl der sitzenden, stehenden und liegenden Frauen wird durch kleine Bilddetails wie eine Halskette, einen Hut, ein Tuch oder einen Schuh mit kleinen Geschichten aufgeladen und trägt individuelle Züge. Das soziale Wesen Mensch wird zur Metapher und führt im Heß’schen Bildkosmos zu Figuren, die nicht idealisiert werden, sondern wie Menschen aus Fleisch und Blut wirken. Zu den Symbolen und Mythen der christlichen Ikonografie treten profane Elemente der Kleidung und Attribute, die mit aktuellen Bedeutungen konnotiert werden.
Damit setzt er eine wichtige Erkenntnis der Bild-Anthropologie um, dass menschliche Körper nicht nur Trägermedium für Natur bzw. Kultur sind, sondern immer auch eine soziale Rolle spielen. „Sie zeigen uns Erscheinungskörper, in denen sich der Mensch verkörpert und sein Rollenspiel betreibt.“ (Boehm/Stierle 2001: 88)
Während sich in der Plastik und Skulptur spätestens seit den 1980er Jahren ein Frauentypus entwickelt, der sich, mit betont weiblichen Rundungen ausgestattet und Gesichter mit hoch gezogenen Stirnpartien, am Phänotyp der Norditalienerin orientiert ist und nicht zuletzt an italienische Porträts der Frührenaissance erinnert, verstärkt sich in der Zeichnung der Aspekt der Individualisierung. Die im plastischen Material durch Lochvertiefungen oder Ritzungen gebildeten Augen tragen dazu bei, dass die Frauenfiguren einem verallgemeinerten Typus entsprechen und nicht auf Abbildhaftigkeit zielen. Dadurch wirken sie zum einen geheimnisvoll und zum anderen wird das Bewusstsein wach gehalten, dass es sich um Kunstfiguren handelt. Die Rolle der Bekleidung der Frauenfiguren ist in beiden Kunstgattungen vergleichbar: die Blusen und Hemden zeichnen den Oberkörper beschreibend nach, sie sind vollständig geöffnet oder fehlen ganz, was sich erst beim sehr genauen Hinschauen offenbart. Die plastischen Frauenfiguren in verschiedenen Altersgruppen und biografischen Situationen sind betont sozial bestimmt. Sie erscheinen als junges Mädchen; Mutter mit Kind; Ehefrauen, die nicht nur biologisch für neues Leben stehen, sondern beim Neuaufbau nach dem Krieg die Zügel in die Hand nehmen und zu Akteurinnen im Alltag werden oder allegorisch die zukunftsweisenden Wissenschaftlerinnen verkörpern. In der Zeichnung determiniert sich das Soziale stärker im Individuellen. Den nackten weiblichen Körper, ein zentrales Sujets der abendländischen Kunst, betrachtet Richard Heß aus verschiedenen Perspektiven. Ihn interessiert nicht nur der schöne und verführerische Körper – obwohl ihm zuweilen Ikonen weiblicher Sinnlichkeit gelingen –, sondern auch der gealterte oder verletzte Frauenleib. In den Zeichnungen wird wie in der Plastik das Weibliche in all seiner Natürlichkeit reflektiert und zeittypische Schönheitsideale werden vermieden. Die schöne Frau, die Heß in ihrer anziehenden Weiblichkeit betont, bewegt sich auf dem sicheren Pfad von Sinnlichkeit und Erotik. Die Körpersprache ist der Wirklichkeit abgeschaut und erweckt den Eindruck, als handelte es sich um reale Menschen aus Fleisch und Blut.
1980 hat Richard Heß eine Professur an der Fachhochschule Bielefeld angenommen, an der er eine Bildhauerklasse einrichtet und den Studenten in den ersten vier Semestern in der Grundlehre Zeichenunterricht erteilt. Das Jahr 1980 ist für Heß auch ein Jahr der Ehrungen. Die Stadt Darmstadt verleiht dem Bildhauer den Kunstpreis und sichert ihm eine damit verbundene Preisträgerausstellung auf der Mathildenhöhe zu. Sie findet zwei Jahre später statt und zeigt neben Skulpturen und Plastiken auch 99 Zeichnungen, die in der Zeit von 1970 bis 1982 entstanden sind. 1980 würdigen ihn die Städtischen Museen Heilbronn mit einer umfassenden Werkschau, die ebenfalls 32 Zeichnungen einschließt. In diesen beiden Expositionen, die durch profunde Kataloge begleitet werden, kann sich ein großer Interessentenkreis davon überzeugen, dass der Bildhauer Richard Heß nicht nur in der Plastik einen eigenen reifen Personalstil gefunden hat. Die Zeichnungen beweisen als Bildhauerstudien und in den durchgearbeiteten Blättern einen virtuosen Umgang mit der Linie in der Fläche. Es wird erkennbar, dass das grafische Werk dem plastischen nicht nur eine kammerspielartige Note hinzufügt, sondern dass es als künstlerisches Medium für sich steht.
Bildnisse von Richard Heß, Porträts, Büsten und Halbfiguren aus Bronze, Terrakotta oder Beton entstehen fast alle ohne gezeichnete Porträtstudien. Ausnahme sind zwei undatierte frühe Zeichnungen, die die Mutter des Künstlers jeweils in Seitenansicht zeigen und vermutlich im Zusammenhang mit zwei Bronzebüsten um 1960 und 1967 entstanden. Die mit Bleistift bzw. blauer Kugelschreibermine ausgeführten Zeichnungen halten das Gesicht einer streng wirkenden Frau fest, deren Haar eng am Kopf anliegt. In einem Skizzenblock aus den 1960er Jahren ist das Porträt des Vaters, Richard Heß senior, enthalten und durch die Bezeichnung am rechten Rand des Blattes Erinnerung an meinen Vater identifizierbar. Aus dem Schatten tief schwarzer Tuschelinien und -flächen schiebt sich dem Betrachter der Oberkörper eines Mannes entgegen, dessen Gesicht zur Hälfte im Dunkeln liegt. Der ernste und konzentrierte Blick richtet sich in eine unbekannte Ferne. Die linke Hand hält eine Zigarette. Mit wenigen Details ist ein Künstleratelier angedeutet. Der Vater war Maler. Er starb 1941 34jährig im Krieg.
Die besondere Strenge des Gesichtsausdrucks mag aus dem Erinnerungsvermögen des damals vierjährigen Sohnes an den Vater resultieren oder durch Erzählungen der Mutter in seiner Vorstellung hervorgerufen sein. Das kleine Blatt fällt durch die besondere Emotionalität des grafischen Vortrags auf und macht es zu einem psychologisierenden Porträt des Vaters, das aus der Übertragung der Verlusterfahrung des Künstlers eine starke Intention bezieht. Von sorgfältiger Beobachtung zeugen mehrere Bildnisse, die Jürgen Heß, den Sohn des Künstlers, zeigen. Einer vermutlich 1964 entstanden Zeichnung des sitzenden Kleinkindes im Alter von etwa sechs Monaten folgt eine seltene Pinselzeichnung des etwa siebenjährigen Knaben, dessen Hände auf dem rechten Knie des leicht nach vorn gerückten Beines ruhen. Jeder kleine, mit spitzem Pinsel in Silbergrau gezogene Strich ist daran beteiligt, ein stilles und eindringliches Bild des Heranwachsenden zu erzeugen. Die edle Farbe, die an kostbare Silberstifte erinnert, unterstützt den Charakter von Zartheit und Schutzbedürftigkeit. 1976 wird der zwölfjährige Sohn vom Vater noch einmal auf einer mit Kreide präparierten Hartfaserplatte in sitzender Pose gezeichnet, die der Künstler auch in anonymen Aktdarstellungen bevorzugt. Es wird zum klassisch anmutenden Porträt eines Jünglings und befindet sich heute im Hessischen Landesmuseum Darmstadt. Eine mit dünnen schwarzen Kugelschreiberlinien gezeichnete Kopfstudie bannt den Augenblick melancholischen Versunkenseins des jungen Erwachsenen und liefert im Porträt des Sohnes eine allgemeingültige Aussage zu dieser Altersgruppe.
Mehrere Zeichnungen zeigen Ilka Heß, die Ehefrau des Künstlers. Spuren der Gesichtszüge der schönen jungen Frau lassen sich in mehreren plastischen Frauengesichtern erkennen. Ein Foto von einer Vernissage, das gerahmt im Berliner Atelier des Künstlers hängt, zeigt Ilka Heß mit Hut, an dem ein kurzer Gesichtsschleier befestigt ist. Es ist vermutlich Ende der 1970er Jahre in Darmstadt aufgenommen und besticht durch ein elegantes und natürliches Flair, das einem französischen Spielfilm jener Zeit entlehnt sein könnte. 1980 zeichnet Richard Heß das Mädchen mit Hut in einer Mischung aus jugendlicher Unbekümmertheit und inszenierter Weiblichkeit mit verführerischer Pose. Es gelingt ihm in einer raffinierten Komposition, die lediglich mit Hut, Schleier und Schuh bekleidete Frau mit angezogenen Beinen, so ins Zentrum des Blattes zu rücken, dass die erotische Ausstrahlung zwischen jungem Mädchen und Femme fatale oszilliert und in einer Schwebe zwischen einmaliger Kostümierung und Frau von Welt gehalten wird. Die Zeichnung zeigt eine erfrischend natürliche Sicht auf eine anziehende Frau und offenbart die Sicht des Zeichners, der das weibliche Geschlecht verehrt. Wie ein Pendant wirkt der in historisierender Anmutung gezeichnete Frauenkopf Herbst aus dem Jahr 2006, dessen sparsame Lineatur zum wesentlichen Ausdrucksträger eines einprägsamen zeitlosen Frauengesichtes wird.
Richard Heß ist 36 Jahre alt als er mit Bleistift drei Selbstbildnisse zeichnet. In ihnen blickt er selbstbewusst frontal in einen Spiegel, so dass die gesamte Aufmerksamkeit auf das Gesicht gelenkt wird. Nachdenklichkeit beherrscht das erste Selbstporträt, eine hohe Konzentration mit nicht verheimlichten Zweifeln charakterisiert das zweite und ein beruhigter bilanzierender Blick zeigt das dritte Blatt. Die mit energischen Strichen gezeichneten Gesichtszüge deuten auf das hinter dem Äußeren Sichtbare. Mit lockeren Strichen hält er den Augenblick der Selbstbefragungen fest. Ausschließlich mit der dunklen Bleistiftlinie und geringfügigen Verwischungen erzeugt Heß Gesichtszüge von Wachheit und Anspannung, die von seinen lebendigen Augen, der großen Nase und einem Gesicht ausgehen, dem erste Spuren des Lebens eingeschrieben sind. Hals und Hemdkragen, der mal geöffnet, mal zugeknöpft ist, begrenzen den Bildausschnitt an der unteren Blattkante.
In der Einführung zum Verzeichnis des plastischen Werks von Richard Heß stellt Helmut Börsch-Supan fest, „dass es bei ihm keine auf Repräsentation bedachten Selbstbildnisse gibt, obgleich das Porträt, mit wenigen Ausnahmen als Kopf, bei ihm nicht selten ist.“ (Börsch-Supan 2016: 8) Diese Feststellung trifft auch auf die Handzeichnungen zu, denn auch die gezeichneten Selbstbildnisse stellen nicht dar, sondern vermitteln Einblicke in wesenhafte Züge des Porträtierten. 2007, kurz vor seinem 70. Geburtstag, fügt er ein weiteres Selbstporträt hinzu. Fast 70 nennt er das ebenfalls mit Bleistift gezeichnete Konterfei mit weit aufgerissenen Augen in sparsam gesetzten Linien und gewischten Partien. Der Gesichtsausdruck des gealterten Bildhauers wirkt durch den leicht geöffneten Mund, der die Zähne frei legt, fast erschrocken. Das schüttere Haar am Vorderkopf ist ablesbares Zeichen vergangener Lebensjahrzehnte. Ein kleiner Lichtreflex der unbearbeiteten hellen Papierfläche an der rechten oberen Kopfhälfte komplettiert die Zeichnung
mit ihren reduzierten und wirkungsvollen Gestaltungsmitteln. Wie schon die früheren Selbstporträts überzeugt auch dieses Blatt durch die Nahsichtigkeit der Darstellung, die die Intensität steigert. Alle vier Zeichnungen sind direkte und unverstellte Selbstreflexionen, die durch physiognomische Ähnlichkeit bestechen und einen Blick in die Innenwelt des Künstlers zulassen.
Andere Handzeichnungen und auch drei druckgrafische Blätter reflektieren im weitesten Sinne das Alter Ego des Künstlers Richard Heß, ohne auf äußerliche Ähnlichkeit abzuzielen. In der Radierung thematisiert er in drei Zustandsdrucken – wie auch in mehreren Reliefs und Vollplastiken – seine Arbeit als Bildhauer. Der scharfe Strich der Radiernadel zeichnet unabgesetzt die Umrisslinie des im Atelier stehenden Bildhauers vor dem Modellierbock. Wenige Linienverläufe genügen, um das Interieur des Ateliers anzudeuten. Dasselbe Motiv variiert er in zwei Bearbeitungen, die einen Grundkurs zum Einsatz der grafischen Linie in der Kaltnadelradierung liefern und die Hervorhebung von Bildelementen und Erzeugung von Wertigkeiten durch Strichelung und Kreuzschraffuren demonstrieren.
Die Vermutung, dass sich Richard Heß ausschließlich im Kontext seiner Lehrtätigkeit mit Druckgrafik befasste, die ihn als freien Künstler nicht interessierten, bestätigt neben der geringen Zahl und den Entstehungszeiten der vorgefundenen Blätter auch seine Äußerung: „Ein Mädchen zu zeichnen und das dann hundertmal abzuziehen, ist ziemlich unsinnig.“ (Heß 1981: 134)
Etwa vierzig Handzeichnungen können dem Genre Stillleben zugeordnet werden, das in einer Spannbreite von Objekten und deren Arrangements, Gewandstudien bis zum allegorischen Vanitas-Stillleben liegt. Mehrfach zeichnet Richard Heß Quitten, Äpfel, Paprika, eine Birne, verwelkende Sonnenblumen oder eine einzelne Mohnblüte. Mit sparsamem Aufwand, indem er nur die äußere Konturlinie wieder gibt, werden die signifikanten Formen der Dinge festgehalten. Später sind es auch Zufallsfunde aus dem Haushalt, wie ein Sportschuh mit drei Klettverschlüssen, ein Teller mit ausgekochten Suppenknochen oder eine bäuerliche Hose, die ihm vermutlich am Körper eines Jungen aufgefallen war. Auch mehrere arrangierte Früchtestillleben hält er mit flinken Linien auf dem Blatt fest. Heß wirft sie z.B. lakonisch mit blauem Filzstift auf kariertes Papier. Zum Bildgegenstand erhebt er auch einen Teller mit Weintrauben, dem Symbol für Jugend und Leben, das er auch einer Liegenden aus Bronze in die Hand gibt. Es hat den Anschein, als erfüllten manche der flüchtigen Zeichnungen die Funktion von „Fingerübungen“ wie bei Musikern vor dem Spiel oder dem Aufwärmen eines Sportlers, der sich mit Körperdehnungen auf den Wettkampf vorbereitet.
Detailreich ist das vom Mai 1973 mit Bleistift gezeichnete Blatt Jürgens Maikranz, das einen von Hand geflochtenen Kranz aus Immergrün, Blüten, kleinen Ästen und Zweigen zeigt, die mit einem Band zum Kreis gebunden sind. Sie sind mit Bleistift skizziert und können durch den Betrachter in Gedanken ergänzt werden. Es entsteht ein filigranes Naturstück, ein Jahrhunderte altes Symbol für Frühling und Glück, die in ländlichen Gemeinden mit geselligem Beisammensein gefeiert werden.
In Gewandstudien wie Ilkas Mantel wendet sich Heß dem Faltenwurf zu und den dadurch verursachten Hell- und Dunkelbrechungen des Lichts sowie der veränderten Textur des Materials. Die Bleistiftzeichnung Gewandstudie, die er 1976 auf Hartfaser zeichnet, führt das Thema in perfekter Beherrschung vor.
In diesem Zusammenhang ist auch die Studie der Rückansicht eines Godet-Rocks zu sehen, einem Modeklassiker, der den weiblichen Unterkörper an Taille, Po und Knie körperbetont nachzeichnet und durch Kellerfalten die Bewegungsfreiheit der Beine sichert. Als ein anderes markantes Stillleben im Stil des Minimalismus kann ein mit hartem Bleistift und dezenten Lavierungen gezeichnetes Ensemble aus Flaschen, einer Vase und einem schmalem hohen Karton gelten. Die reduzierte Komposition und die absichtsvolle Monochromie dezenter Grautöne zeugen von künstlerischer Finesse durch Besinnung auf Einfachheit. In einem 2003 entstandenen Stillleben mit Löffel, das mit zarten Wasserfarben laviert und auf eine rhombenförmige Unterlage drapiert wird, fällt die Sorgfalt der kompositorischen Überlegung auf.
Das Arrangement der Früchte mit beigelegtem Löffel wird durch die zurückhaltende Farbigkeit zu einem einfachen, aber kostbaren Tischstillleben.
Als Selbstverständlichkeit gilt, dass die genaue Beobachtung von Richard Heß beim Zeichnen und sein sensuelles Interesse stets vom Blick des Bildhauers geleitet werden. In einem direkten Bezug zu einem Hauptthema des plastischen Werks steht die 1975 präzise mit Bleistift und Buntstiften gezeichnete kleine Helmstudie, die exakt einen Motorradhelm wieder gibt. Die vielfältigen Variationen, als Kopfschutz des Boxers mit gleichzeitigem Kinnschutz, als Schutz oder Verhüllung im Themenkreis Täter-und-Opfer, als Helm mit Visier, der wie ein Käfig wirkt und den Täter auch zum Opfer werden lässt, finden ausschließlich in der
Plastik statt, wofür die gezeichnete Helmstudie Ausgangspunkt ist. Auch die Zeichnung des Totenschädels bereitet eine Reihe an plastischen Vanitas-Stillleben vor, mit dem Heß das Leben des Menschen als Zyklus von Geburt, Leben und Tod als natürlichen Lebensverlauf aufruft und auch den von Menschen verursachten Tot als Folge von Gewalt und Krieg einbezieht.
Zum Thema des menschlichen Lebenszyklus’ gestaltet Richard Heß 1995 im Auftrag eines Bauvereins für Arbeiterwohnungen in Darmstadt ein sechs Meter langes Wandrelief für den Speisesaal eines Seniorenheims. Der Entwurf zur Wandgestaltung Lebensalter kann als Solitär im Bestand der Handzeichnungen des Künstlers gelten, in dem farbige Zeichnungen ohnehin in der Minderzahl sind und Farbtöne zurückhaltend eingesetzt werden im Vergleich zu den kontrastierenden Farbfassungen in einigen Reliefs. Das mit zehn Figuren gefüllte Tempera-Blatt bildet den Mittelteil des Wandreliefs ab und scheint die verbreitete Auffassung zu bestätigen, dass die Zeichnung die kleine Schwester der Malerei sei. Die Mitte der im betonten Querformat gestalteten Zeichnung bildet ein sich umarmendes Paar vor einem schwarzen Fonds. Links und rechts führen Tanzende und Theaterbesucher wie in einem Filmstreifen das Freizeitverhalten junger Erwachsener vor Augen. In dieser Arbeit auf Papier wechselt Heß permanent vom Zeichnerischen zum Malerischen, in dem die bewusst skizzenhaft gesetzten und sichtbar gehaltenen Linien des Bleistifts souverän mit den gemalten Farbflecken konkurrieren. Der Wechsel von hellem Grund des Kartons, gezeichneter Kontur und farbig ausgefüllter Fläche demonstriert seine souveräne Beherrschung der Mittel beider Kunstgattungen.
Eine Folge von Landschafts- und Architekturzeichnungen von 1974 weist keine Verbindung zum plastischen Werk auf. Die in Reliefs von Richard Heß auftauchenden urbanen Räume, die von Menschen gestalteten Städte, Straßenzüge oder Gebäude, bilden den Aktionsraum für handelnde Figuren. Ausnahmen stellen die Toscanischen Reliefs dar, in denen eine Pinie zur Metapher des Sehnsuchtsortes Italien wird, das seit den 1980er Jahren für das Ehepaar Heß häufiges Arbeits- und Reiseziel ist. Gezeichnete Baumstudien, darunter auch eine Pinie, finden sich auf mehreren Blättern.
Mit Große Tanne bei Haslach, einem kleinen Ort im Schwarzwald, betitelt Heß eine Bleistiftarbeit, in der er einen hoch gewachsenen Baum mit zerzauster und dezimierter Krone auf einem hohen Stamm an den vorderen Blattrand rückt und die absterbenden Bäume deutscher Wälder thematisiert. In einem zweiten Blatt gelingt es ihm durch den Wechsel des Zeichenutensils die Große Tanne in Haslach als kraftvolle Naturerscheinung zu präsentieren. Auf einer braun getuschten Fläche, über die er mit einem Filzstift dichte schwarze Linien legt, entfaltet sich auf dem Zeichenblatt ein prächtiger Tannenbaum. Die bedrohliche Dunkelheit der mit Tusche gezeichneten Umgebung bildet den Kontrast zur Blattmitte, aus der der weiße Papiergrund leuchtet. Auf diesen ist die Tanne mit ihren ausgebreiteten und fülligen Ästen gesetzt, indem jeder Ast in die Fläche geklappt und in der Binnenstruktur mit sparsamen leichten Bleistiftlinien durchgearbeitet wird. Strichführung und Tonigkeit erzeugt eine Aura des Baumes, die an Landschaftsschilderungen der Romantik denken lässt. Es gelingt dem Zeichner Heß mit dieser kleinen Tuschezeichnung meisterhaft, einen Baum in seiner magischen Wirkung zwischen Erhabenheit und Bedrohung zu zeigen und ihn zum Symbol für die Kraft der Natur zu machen.
Zwanzig Landschaftszeichnungen aus dem Luftkurort Waging am See in Oberbayern, an dem die Familie über zehn Jahre ihren Sommerurlaub auf einem Bauernhof verbringt, fangen mit einfachsten Mitteln der Zeichenkunst überzeugend die Erscheinungsformen der Natur und Baukunst ein. Bei den Landschaftsschilderungen wandert die horizontale Line nach unten oder oben, und die freie ausfahrende Linie gliedert und definiert die Fläche. Nicht alle Details der Landschaft werden aufgegriffen, sondern die Vegetation wird als Ganzes gezeigt. Mal steigt das Gelände durch die gekonnte Erzeugung von Raumtiefe nach hinten an. Mal entwirft er breit hingelagerte Waldungen, in denen er mit wenigen Strichen einzelne Bäume hervorhebt. Wie auch der hohe Himmel und der tief ins Blatt führende Vordergrund entfalten die Partien des nicht bearbeiteten Papiers ihre Wirkung. Die sich verjüngende Zufahrt zum See, bestehend aus zwei dünnen Linien, führt in die Tiefe und in das Landstück hin zum Waginger See. Dunkle und große Wolken bilden den Himmel in einer Gewitterlandschaft, die den unter der Mittellinie des Blattes liegenden Waldstrich, der mit flüchtigen, in dunklen Strichen gezeichneten Sträucher und Bäume markiert wird, das Unwetter bescheren. Eine Landschaft bei Rupolding zeigt er als eine Bergkulisse, deren Spitzen in den Himmel zu stoßen scheinen. Mit dem sicher geführten Zeichenstift und seiner tonigen Wandelbarkeit von Hell zu Dunkel und von Linie zu
Stofflichkeit gelingt die anschauliche Wiedergabe der Wiesen und Höhen im Chiemgauer und Berchtesgadener Alpengebiet.
Auf vier Blättern taucht die Pfarrkirche in Wagin auf, das markante Bauwerk der römisch-katholischen Pfarrkirche St. Martin inmitten des Zentrums der Stadt. Zwei Skizzen belegen Heß’ Interesse am Innenraum der im 17. Jahrhundert an der Stelle ihrer Vorgängerbauten errichteten Kirche mit Architektur- und Gestaltungsmerkmalen des Barock und Rokoko. Mit routiniertem Strich hält er die auf halber Raumhöhe des Kircheninneren thronende Kanzel mit Schalldeckel fest, zu der eine links im Blatt angedeutete Treppe hinauf führt. Die Kanzel scheint den Bildhauer in ihrer künstlerisch prunkvollen Gestaltung zu faszinieren, denn er entwirft auf der kleinen Fläche einer Schreibheftseite von ihr eine plastische Architekturzeichnung im Grau des Grafit, die durch die Fülle der Formendetails die üppige Ausgestaltung in ihrer räumlichen Wirkung anklingen lässt. Im zweiten Blatt reichen wenige gekrümmte Linien und Striche für den Ausschnitt eines Säulenkapitels, um die reiche und von hoher bildhauerischer Qualität zeugende Schnitzkunst barocker Kirchenbauten anzudeuten und Assoziationen an klassischen Akanthus, Kartuschen mit windenden Blumengirlanden und Rocaillen zu wecken. Heß hat während des Familienurlaubs sowohl vor der Natur gezeichnet, als auch aus dem Gedächtnis die Eindrücke des Tages aufs Papier gebracht. Dazu gehört auch ein Güllewagen, der die Aufmerksamkeit des Künstlers auf sich zog. Er zeichnet den alten Karren aus Holz und es gelingt ihm, die markante Oberfläche des verwitterten Materials so ins Bild zu setzen, dass das landwirtschaftliche Gerät zum symbolhaften Zeichen wird. Der Güllewagen, mit dem der Bauer auf den Feldern den Dünger ausbringt, wird zu einem besonderen Stillleben bäuerlicher Kultur, einem Sachzeugen für ländliche Arbeitskultur und Sozialgeschichte.
Solitär im grafischen Werk von Heß stehen acht großformatige Tafelzeichnungen, entstanden 1970, 1975/76 und 1982. Es sind 130 bis 150 Zentimeter hohe Bleistiftzeichnungen, auf Platten kaschiert, die sich unverglast wie Gemälde präsentieren. Beim nahen Betrachten entsteht der Eindruck, man stünde den Abgebildeten vis-a-vis, zuweilen in der unfreiwilligen Rolle eines Voyeurs. In Trinkende vorm Spiegel und Gebückte zeigt Heß zwei Frauen in einem Moment intimer Zurückgezogenheit. Während die Szene der Trinkenden, die als Spiegelbild erkennbar wird, gedanklich in Hinterzimmer halblegaler Etablissements führt, vermittelt der mit kraftvollen Bleistiftstrichen und -schraffuren gezeichnete reife Körper einer Gebückten beim Auskleiden den Kontext eines Abends nach einem anstrengenden Tag. Zwei Tafelzeichnungen mit Paar-Darstellungen thematisieren Mitte der 1970er Jahre die körperliche Liebe zwischen Mann und Frau. In Umarmung verschmelzen die sich stehend umschlingenden Körper von Mann und Frau zu einem Gebilde, unterstützt durch die gleichartige Behandlung der weich verwischten Bleistiftpartien aus Hell und Dunkel. Die Eindringlichkeit, die von der schwarz-weißen Zeichnung ausgeht, steht einem farbigen Bild nicht nach. In der mit Blei- und Rötelstift gezeichneten Tafel Berlin, Straße des 17. Juni wird das Thema Liebe aus dem geschützten privaten Raum in die Öffentlichkeit verlegt. Auf der Titel gebenden Magistrale in Berlin-Tiergarten, damals bekannter Straßenstrich in der Westberliner City, agiert eine Prostituierte mit einem Freier Sie steht frontal aus dem Bild schauend mit Zigarette dicht bei einem älteren unbekleideten Mann. Ihre kurze Jacke ist geöffnet und zeigt ihre Brüste. Auch der Unterkörper der Frau ist hauteng nachgezeichnet, so dass es überflüssig ist, erkunden zu wollen, ob sie nackt oder bekleidet sei. Heß faszinierte im öffentlichen Rotlichtmilieu die strikte Trennung von Emotionalität und Geschäft, so dass er mit nüchternem Kalkül in der Zeichnung das älteste Gewerbe der Welt als Normalität im Großstadtalltag der westlichen Zivilisation vorführt. Dafür sprechen auch die Vermeidung von denunzierenden Details oder Anzeichen von Peinlichoder Heimlichkeit der Protagonistin, einer selbstbewussten Frauengestalt, die er auch in Bronze gestaltete. 1982, acht Jahre später, wird Heß noch eine letzte Tafelzeichnung zum Thema hinzufügen. In ihr verabschiedet er sich von der Askese des Schwarz-Weißen. Eine mit Bleistift ausgeführte Vorzeichnung bleibt in Linien sichtbar. Die Verwendung ausgesucht zarter Pastelltöne für die sommerliche Kleidung einer jungen Frau in lasziver Pose und eines Mannes mit definiertem Oberkörper, der in Rückenansicht gezeigt wird, imaginiert überzeugend eine Paarkonstellation auf engstem Raum. Die Zeichnung entwickelt sich zu einer Szenenbeschreibung, die an einen Filmstill denken lässt. Während der männliche Tourist den stillen Ort aufsucht, um vor einem Urinal seine Notdurft zu verrichten, taxiert die dicht vor ihm stehende Prostituierte den potentiellen Käufer ihrer schnellen Liebe.
Richard Heß, so berichtet seine Frau, hatte in den engen Seitengassen der Altstadt Genuas eine solche Situation beobachtet und als Bildvorwand genutzt. An der Oberkante der Tafel fügt er wie als Verweis auf die Authentizität die Bezeichnung an: Das Genueser Pissoir. Die weiblichen Protagonisten der beiden weiteren Tafelzeichnungen Studie zu Tina und Liegende mit Nuß sind Wiederbegegnungen mit bekannten Bildfiguren früherer Zeichnungen. Auf den weißen Flächen der grundierten Faserplatten entstehen im Duktus kleinerer Blattformate aus umlaufenden Bleistiftlinien zarte weibliche Figuren, deren Körperlichkeit mit sparsamen Schraffuren und Verwischungen angedeutet ist. Sie bilden den Mittelpunkt des Bildes, keine weiteren Details lenken ab. Tina trägt nur eine Bluse und sitzt auf einem Hocker. Sie hat den Fuß des rechten Beins an die Sitzfläche gezogen und den Kopf zur Seite gedreht. Die unbekleidet Liegende, die in der rechten Hand eine Walnuss hält, ist in einer gekonnt verkürzten Perspektive gezeichnet und schaut gemeinsam mit dem Betrachter ins Bildinnere. Beide Tafeln fesseln durch eine Zartheit, die Erhabenheit und nicht Schwäche demonstriert. Der Eindruck von Zugewandtheit und Sympathie stellt sich wie von selbst ein. Die kleine Reihe der Tafelzeichnungen sind ein Beispiel dafür, dass Richard Heß auch beim Zeichnen die in der Plastik gezeigte Neugier und Experimentierfreudigkeit entwickelt hatte, um Gestaltungsmöglichkeiten in ihren Wirkungen auszuloten und die Grenzen der Gattungen zu verschieben.
Im grafischen Konvolut von Richard Heß finden sich auch Zeichnungen zu Literatur, darunter zwei Buchprojekte mit Illustrationen. Diese angewandte Form der Zeichnung wird von der Funktion bestimmt, einen vorhandenen Text visuell zu veranschaulichen oder assoziativ zu begleiten. 1978 gibt die Technische Hochschule Darmstadt in einer Sonderedition von 150 Exemplaren die Buckower Elegien von Bertold Brecht erstmals vollständig als Einzelausgabe heraus. Richard Heß trägt mit drei Illustrationen zum Gelingen der bibliophilen, in naturfarbenem Leinen gebundenen Ausgabe bei. Zum Gedicht Große Zeit, vertan thematisiert Heß die von Brecht geäußerte Kritik an moderner Großstadtgestaltung, die an den Bedürfnissen ihrer Bewohner vorbei geht. Heß zeichnet eine fiktive Stadtszene mit Hochstrassen für Busse und Autos und in Nahsicht vorbei eilende Passanten. Irritierende Winkel, Größenverhältnisse und Perspektiven erzeugen eine künstliche und befremdlich wirkende Stadtkulisse, die von Hochhäusern als Inkunabeln modernen Bauens flankiert wird. In deren briefmarkengroßen Fenstern gewinnen wir Einblicke in das private Leben der Hausbewohner und treffen auf vertraute Heß’sche Kunstfiguren. In Heißer Tag folgt Heß mit seiner Zeichnung analog einer vom Dichter beschriebenen Situation auf dem Schermützelsee, die er vom Platz im Gartenpavillon seines Landhauses am Ufer beobachtet hatte. Heß zeichnet ein diagonal übers Blatt ziehendes Ruderboot mit drei Insassen. Einem unbekleideten Knaben, der mit großer Kraftanstrengung rudert, sitzt in der Spitze des Bootes eine Nonne in Ornat gegenüber, die ihre Hände zum Gebet faltet. Im Heck des Kahnes sitzt ein nackter Mann mit fast kahlem Kopf und massigem Oberkörper, abwesend und in sich versunken. Sozialstatus und Verhalten der beiden Erwachsenen konterkarieren den naiven Ersteindruck eines ruderbegeisterten Kindes. Was Brecht an ‚alte Zeiten’ erinnert, formuliert die Zeichnung als moderne Parabel für das Verhältnis von Herr und Knecht. Zum Gedicht Die Musen wählt Heß aus seinem eigenen ikonografischen Repertoire das eingeführte Motiv der Gewalt zwischen Frau und Mann. Der prügelnde Mann, mit Helm geschützt, und die vor Schmerz schreiende Frau werden zum Synonym für Geschlechterkampf und variieren den Themenkomplex der Täter-und-Opfer-Darstellungen des Künstlers. Vermutlich hat Richard Heß die Auswahl des letzten Gedichtzyklus’, den Brecht 1953 in seinem Buckower Sommerhaus in der Märkischen Schweiz verfasste, aus einer Seelenverwandtschaft getroffen. Genau wie Brechts Verse politische- und Naturlyrik miteinander verbinden und darin Widersprüche zwischen Realität und Utopie fokussieren, intendiert Heß vor allem in seinem plastischen Werk die Konflikte zwischen Ideal und Wirklichkeit im Alltag der Menschen.
Illustrationen zeichnet Richard Heß auch in einer weiteren Übungsarbeit im Studium für angehende Gewerbelehrer in einem 42-seitigen Buchmanuskript zu Francois Villon – Drei Gedichte. Der bekannte Dichter des Spätmittelalters Villon (1431-1463) fesselte seine Leser durch zahlreiche Parodien und Balladen, angereichert durch Autobiografisches aus seinem abenteuerlichen Leben. Alle drei Gedichte widmen sich dem Thema der lasterhaften Liebe aus der Perspektive einer älteren Prostituierten und entwerfen ein satirisches
Sittenbild des späten Mittelalters in Frankreich, das auch zeitgenössische Honoratioren des Pariser Lebens nicht schonte. Heß siedelt in seinen den Text begleitenden Zeichnungen das Thema auf der individuellen Ebene an und zeichnet mit roter Kugelschreibermine Entwürfe von jungen und alten Freudenmädchen als Opfer der Konstellation von Armut und Macht. Die vordere und letzte Seite der Edition zieren je eine Vignette von vier Zentimeter Durchmesser mit dem Konterfei des Dichters Villon im Profil und einer allegorischen Galgenszene mit Krähen.
Das dritte Beispiel für Zeichnungen im Zusammenhang mit literarischen Vorlagen ist eine sechsteilige Folge zum Roman Moby Dick von Herman Melville (1819-1891), der weltweit Generationen übergreifend Leser fesselte. Diese Zeichnungen sind frei gezeichnete Blätter, die ausschließlich der Fabulierkunst von Richard Heß entspringen. Sie folgen Friedrich Schillers populärer Sentenz „… der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.“ (Schiller 1975: 315). Auch Richard Heß liebte das zweckfreie Spiel, in der gestalterische Kreativität geweckt und auch einfließen konnte. Zwei große Bleistiftzeichnungen in den Abmessungen 100 mal 75 Zentimeter und vier kleinere Blätter übertragen Szenen des Romans in gezeichnete Bilder. Kompositorisch besonders überzeugend ist die etwa DIN A4 große Zeichnung Silver und Christian werden von einem englischen Kriegsschiff verfolgt, in der dem Betrachter durch eine raffinierte Aufteilung der Blattfläche ein spannendes Orts- und Zeiterlebnis vermittelt wird. Heß legt die Horizontlinie in die Mitte des Zeichenblattes, so dass der Eindruck entsteht, als spiele sich das Geschehen auf Höhe seines Augenpunktes ab. Es wird suggeriert, die Szene vollziehe sich in unmittelbarer Gegenwart und der Betrachter wohne dem Geschehen unmittelbar beobachtend bei. Bei der Wahl der literarischen Vorlage durch Heß kann davon ausgegangen werden, dass der 37Jährige in dem Buch nicht nur den Abenteuerroman sah. Die Parabel des rücksichtslosen und blindwütigen Walfangs entlang der Ostküste Amerikas bis zu den Galapagosinseln bot auch die philosophische Dimension, an der sich Heß’ ausgeprägte Liebe zur Natur, seine Moralität und Empathie aktivierten, so wie der Stoff bis heute Künstler aus unterschiedlichen Kunstbereichen zu aktuellen Werkadaptionen veranlasst.
Von 1999 bis 2017 lebt und arbeitet Richard Heß wieder in Berlin. Seine Professur in Bielefeld hat er aus gesundheitlichen Gründen vor der planmäßigen Emeritierung beendet. Im Berliner Atelier entstehen noch einmal über 100 Handzeichnungen neben rund 150 plastischen Werken. Er beteiligt sich auch weiterhin an Wettbewerbsausschreibungen für architekturbezogene Kunst und Arbeiten im öffentlichen Raum. Im Nachlass finden sich beispielhafte Zeichnungen, die den Auftraggebern den Entwurf des Kunstwerkes und seine Einbindung in den vorhandenen Außen- (oder Innen-) Raum veranschaulichen. Vom 2002 an der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur in Leipzig realisierten Auftrag zum Thema Mensch Natur Technik geben beispielsweise zwei Zeichnungen die Vorschläge für die künstlerische Eingangsgestaltung und den Lichthof der Hochschule wieder. Zum letzten großen Auftrag, den Richard Heß für die Wohnungsbaugesellschaft Berlin-Mitte ausführt, stellt er für das Dach des Firmensitzes am Hackeschen Markt eine Gruppe aus fünf überlebensgroßen Bronzenfiguren zusammen, die den Charakter der modernen Hauptstadt Berlin symbolisieren sollen: Karyatide, die für Bauen und Architektur steht, und die Figur aus der Commedia dell Arte, die Berlin als Stadt der Künstle visualisiert. Sie werden als Gruppe komplettiert von der Figur des Bildhauers I und des Wächters, letzterer stellt den Bezug zur Stadtgeschichte, zur Zitadelle von Berlin-Spandau her, der erhaltenen Renaissancefestung und dem ältestem Profanbau Berlins, dem Juliusturm aus dem 13. Jahnhundert. Ein Mannequino repräsentiert den philosophischen Denker und kennzeichnet Berlin als Universitätsstadt und in ihrem Anspruch als internationaler Austragungsort aktueller Diskurse.
Entwurfszeichnungen für Auftraggeber oder Jurys von Wettbewerben stellen jene Ausnahmen dar, in denen der Bildhauer Richard Heß Werkzeichnungen zu den geplanten Plastiken und Skulpturen ausführte. Zu ihnen gehören auch Werkskizzen mit gelegentlichen (Maß-) Vorgaben für die Aufstellung, die sich an Architekten und ausführende Gewerke richten, sowie Erläuterungstexte des Künstlers. Zu rund 140 Projekten hat Richard Heß jene, das plastische Werk beschreibende Zeichnungen ausgeführt, vorwiegend für den öffentlichen Raum, im Einzelfall auch für private Auftraggeber. In der Regel werden diese Blätter bei den Initiatoren archiviert. Stadtbildprägende Auftragsarbeiten waren u. a. der 1980/81 aufgestellte Große Wasserbrunnen Frauenlob aus Bronze am Rheinufer Mainz, die 1983 installierte Großplastik David und Goliath IV auf dem Einkaufsboulevard Zeil in Frankfurt am Main als Ergebnis einer internationalen Ausschreibung,
die 1985/86 für die U-Bahn-Station Bockenheimer Warte in Frankfurt am Main gestaltete funktionale Säule oder der Brunnen am Kilianplatz in Heilbronn, dessen Entwurfszeichnung in Tusche sich heute im Sammlungsbestand der Städtischen Museen Heilbronn befindet. In Einheit mit architektonischen und baulichen Umgestaltungen leisteten diese Kunstwerke von Richard Heß einen wichtigen Beitrag zur Aufwertung von Plätzen und Parks, U-Bahnstationen oder Fußgängerzonen und verfolgten das Ziel, die sozial-städtebauliche Lebensqualität ihrer Nutzer zu verbesserten.
Als der Gesundheitszustand von Richard Heß die Kraft anstrengende bildhauerische Arbeit nicht mehr zulässt, bildet das Zeichnen die Brücke zur Bildhauerei. Es sind nicht mehr die großen Formate, die er anlegt, sondern handliche Blattgrößen. Wiederholt greift er Figuren seiner Plastiken auf und zeichnet sie als Reminiszenzen an sein künstlerisches Leben, darunter gelegentlich auch skurrile und launische Stücke. In die Weihnachtszeit des Jahres 2015 ist ein kleines 22seitiges Skizzenkonvolut aus mehrschichtig geklebten Zeichenpapieren zu datieren, das er von Hand mit Faden bindet. Im Format 21 mal 14,5 Zentimeter und unter dem Titel Mein Skizzenbuch/Zu Weihnachten 2015 stellt Richard Heß Zeichnungen mit früheren Motiven zusammen, übermalt und aktualisiert sie. Auf der oberen Hälfte des Einbandes, die noch Schriftzeilen einer früheren Verwendung als Manuskript erkennen lässt, ist Anthaios gezeichnet, der Riese aus der griechischen Mythologie. Diese Inkarnation für unbezwingbare Stärke zeigt er wie eine frühere namensgleiche Plastik als Halbfigur. Die Rückseite des Skizzenheftes ist vollständig mit einer Figurengruppe und einem rechts abseits stehenden Liebespaar ausgefüllt, die aus dem Relief Proklamation II bekannt sind. In seiner Gesamtheit ist das kleine Buch ein melancholischer Rückblick, der auch in der Figur namens Melanconia seinen Ausdruck findet. Es ziehen noch einmal wichtige Themen des Bildhauerwerks an seinem geistigen Auge vorüber und regen ihn an, sich an das eine oder andere Werk zeichnend zu erinnern. Mit Bleistift und Deckweiß auf Zeichenkarton greift Heß Motive aus der Themenvielfalt seiner Plastiken und Skulpturen auf. Mit schnellem Strich werden 23 erinnerte Motive seiner plastischen Arbeiten gezeichnet, wie der Totenschädel, der noch am Knochen die Gewalteinwirkung zeigt, Nachtasyl II, Verurteilung, die Geigerin oder Haarwaschende, die In die Dusche steigende Frau und das Paar vorm Fenster. Bei diesen Selbstzitaten steht die Qualität der Ausführung der Zeichnung nicht im Vordergrund. Es genügt, wenn Wesentliches aus der Erinnerung hervor tritt. Noch einmal bewährt sich die Zeichnung in der dienenden Funktion für seine Plastiken.
Viele der in dieser Zeit entstandenen Zeichnungen widmet Heß seiner Ehefrau Ilka. Seine letzte Zeichnung setzt er mit Bleistift auf ein kleines, unregelmäßig beschnittenes Kartonstück und bezeichnet es auf der Rückseite. Er gibt ihr den Titel Paar. Das Blatt füllen viele Linien und umhüllen zwei dicht beieinander Stehende, Mann und Frau, ein zärtliches Symbol für Verbundensein und innige Zusammengehörigkeit. Partien der mit dem Finger verwischten Bleistiftlinie bilden Schatten an den Körpern und unterstreichen ihre Plastizität, die trotz des dicht gesetzten Linienvorhangs deutlich wird. Der auffällig große Bauchnabel der Frau, die sich dem Betrachter mit ihrer entblößten rechten Brust zuwendet, sind deutlich herausgearbeitete Merkmale des weiblichen Körpers in der ansonsten allegorisch aufgefassten Komposition. Sie fließen vermutlich genau so routiniert aus der Hand des Künstlers wie die kleinen runden Lochaugen, dem unverwechselbaren Merkmal seiner Frauenplastiken, die jetzt auch im Gesicht dieser gezeichneten Frau erkennbar sind. Als verdichte sich auf diesem kleinen Geviert noch einmal die Sicht auf Kunst und Leben. Ilka Heß vermerkt neben der handschriftlichen Bezeichnung von Richard Heß: Allerletzte Zeichnung von Richard.
Für Richard Heß selbst standen sein plastisches und grafisches Werk nicht gleichrangig nebeneinander, denn er war mit vollem Herzblut Bildhauer und benötigte für seinen Erfindungsreichtum nicht den gezeichneten Entwurf. Seine Energie und spontanen Einfälle wollte er nur mit den Mitteln der Plastik und Skulptur ausagieren. Unmittelbarkeit und Frische bei der körperhaften Umsetzung seiner Figuren und Szenen sollten sich durch die Transformation der Zweidimensionalität in die Dreidimensionalität nicht wiederholen und verflachen. Insofern spiegeln seine Handzeichnungen nicht die Genese des plastischen Werks. Dennoch zeigt die Sichtung des grafischen Nachlasses, dass Heß nach der kurzen Phase der anatomischen Grundlagenforschung des menschlichen Körpers und seiner Beziehungen zum ihn umgebenden Raum in den Zeichnungen eine vitale Eigenständigkeit entwickelt. Auch wenn das umfangreiche Spektrum an Themen, Motiven und Sujets, das der Bildhauer Richard Heß plastisch umsetzte, der Zeichner Heß nicht aufweist, wird deutlich, dass er die Figuren seiner dreidimensionalen Kunstpersonage auch mithilfe des Zeichnens gefun-
den hat. Gleichfalls hat die Notwendigkeit für den Bildhauer, räumlich zu denken, das Zeichnen, das Gestalten auf der Fläche, positiv beeinflusst. Die klare Bildkomposition, das Extrahieren des Wichtigen und Herauslösen aus der Fülle von Details sind in seinem plastischen Werk wie auch im grafischen kennzeichnend. Selbst wenn er wiederholt bekräftigte, Zeichnungen nicht als Entwürfe für Plastiken und Skulpturen anzulegen und Werkzeichnungen mit Ausnahme von Auftragsarbeiten abzulehnen, so waren ihm Zeichnungen lebenslanges Arbeitsmaterial zur Klärung von Form- und Raumfragen. Sie dienten ihm als Fundus für Motivfindungen, als Anregungen für Kompositionen oder als kontinuierliches Training für genauestes Beobachten. Aus diesem Reservoir bediente sich der Bildhauer wie ein Regisseur und ergänzte, veränderte, kombinierte oder verfremdete das dreidimensionale Werk durch Attribute, bis die von ihm intendierte Aussage erreicht war. In vielen Arbeitsphasen nutzte er die Zeichnung wie ein Schriftsteller sein Notizbuch. Eine andere Gemeinsamkeit, die das Grafische mit dem Plastischen verbindet, ist die Klarheit in der Form. Heß vertrat in beiden Kunstgattungen eine Werkauffassung, die auf Verrätselung und effektbetonte Etüde verzichtet, was nicht bedeutet, dass seine Arbeiten nicht mehrere Rezeptionsebenen ansprechen und auf die geistige Mitarbeit des Betrachters zielen. Zur überzeugenden Wirkung seiner Kunstfiguren zählt auf dem Blatt wie in der Plastik die Aufrichtigkeit seiner Darstellung. Aus dem Vorsatz, der Wahrhaftigkeit verpflichtet zu sein, bezog er seine Glaubwürdigkeit und umging die Gefahr von Idealisierungen.
Die Quellen für Richard Heß’ künstlerische Ideen, seine Inspirationen sind für das plastische und grafische Werk gleichermaßen das wirkliche Leben, das Studium der Natur, die Kunst in ihrer Vielfalt, der Rückgriff auf Gesehenes, Erlebtes und Erinnertes sowie seine umfangreiche Bibliothek. Die Sicht des Bildhauers Heß ist auch die des Zeichners und Grafikers, der kein Künstler im Elfenbeinturm ist, sondern über seine Kunst mit den Menschen kommunizieren will. Insofern verwundert es auch nicht, dass er einverstanden war, wenn Rezensenten ihn als Erzähler beschrieben.
Vielleicht werden Freunde seiner Kunst die zeichnerischen und druckgrafischen Arbeiten im Hinblick auf seine plastischen beurteilen wollen und nach der direkten Verbindung von skulpturaler, plastischer und zeichnerischer Tätigkeit suchen. Im Einzelfall ist sie auch zu entdecken. Wer sich vertraut macht mit der Arbeitsweise von Richard Heß und seinem Arbeitsprinzip folgt, wird neben dem Plastiker und Skulpteur auch den überzeugenden Zeichner entdecken, der den Wert und die Schönheit der grafischen Linie kannte und sie sicher beherrschte. Richard Heß hinterlässt ein Konvolut an Blättern, dass durch hohe Professionalität, Vitalität und Leidenschaft genauso überzeugt wie durch Raffinesse, subtilen Humor und emotionale Eindringlichkeit.
Werkverzeichnis Zeichnungen
Z 001
Ohne Titel, 1956
Bleistift auf Tapetenrückseite
73 × 50,2 cm
bezeichnet u. r.: 2 56
Z 002
Ohne Titel, 1956
Bleistift auf Tapetenrückseite
72 × 50,2 cm
unbezeichnet
Z 003
Ohne Titel, 1950er Jahre
Bleistift auf Papier
21 × 29,7 cm
unbezeichnet
Z 004
Ohne Titel, 1950er Jahre
Bleistift auf Papier
30,9 × 27,3 cm
unbezeichnet
Z 005
Ohne Titel, 1950er Jahre
Bleistift auf gelbem Karton (Trennblatt für Aktenordner), links gelocht
30,9 × 27,3 cm
unbezeichnet
Z 006
Ohne Titel, 1950er Jahre
Bleistift auf Karton
53,4 × 32,2 cm
unbezeichnet
Z 007
Ohne Titel, 1950er Jahre
Bleistift und Kohle auf Papier 61 × 42,7/43 cm
unbezeichnet
Z 008
Ohne Titel, 1950er Jahre
Bleistift auf Papier, Reißkante oben 48 × 34 cm
unbezeichnet
Z 009
Ohne Titel, 1950er Jahre
Bleistift und Kohle auf Papier 61 × 43 cm
unbezeichnet
Z 010
Ohne Titel, 1950er Jahre
Bleistift auf Papier, Reißkante rechts 42 × 59 cm
unbezeichnet
Z 496
Frau mit Rock, 2015 Ölkreide und Deckweiß auf Zeichenkarton
23 × 14,7 cm
bezeichnet u. l.: Frau mit Rock, u. m.: Heß
Z 497
Ohne Titel, 2015 Ölkreide und Deckweiß auf Zeichenkarton
14,7 × 21 cm
bezeichnet o. r.: Heß
Z 498
Ohne Titel, 2015 Ölkreide und Deckweiß auf Zeichenkarton
14,7 × 22 cm
bezeichnet o. l.: Heß
Z 499
Proklamation II, 2015 Bleistift, Ölkreide und Deckweiß auf Zeichenkarton
21 × 14,7 cm
bezeichnet u. l.: Proklamation II, u. m.: Heß
Z 500
Badende, 2016
Bleistift und Deckweiß auf Papier
21 × 29,7 cm
bezeichnet u. r.: Rich. Heß/Juni 2016/„Badende“
Privatbesitz, Berlin
Z 501
Ohne Titel, 2016
Bleistift und Ölkreide auf Zeichenkarton
24,8 × 20,6 cm
bezeichnet u. l.: Rich Heß/2016/„Zeichnung nach/ Zeichnung“ von mir für Ilka
Privatbesitz, Berlin
Z 502
Giodarno Bruno „Buon Natale“, 2016 Bleistift auf Papier
29,4 × 20,6/20,2 cm
bezeichnet o. r.: Rich. Heß/2016, L. R.: Mei/ner/lieben/Ilka, u.: „Giodarno Bruno“/„Buon Natale“
Privatbesitz, Berlin
Z 503
Das Superschwein, 2017 Bleistift auf Papier
14,8 × 21,1 cm
bezeichnet u.: Rich Heß 2017 „Das Superschwein“
rechte Seite:
Z 504
Das Paar, 2017
Bleistift und Deckweiß auf Karton
16,3 × 7,8/8,2 cm
bezeichnet verso: Rich Heß 2017/„Paar“
Privatbesitz, Berlin
Werkverzeichnis Druckgrafik
D 001
Ohne Titel, 1959/60
Lithografie
29,5 × 31 auf 62,2 × 48,7 cm
unbezeichnet
D 002
Ohne Titel, 1962-64
Lithografie
24 × 19 auf 39,5 × 30 cm
bezeichnet u. r.: Rich. Heß/[Ex./Aufl.] 2/20
D 003
Friseur, 1970 Radierung
11,5 × 11 auf 36,8 × 27,3 cm
bezeichnet u.: Rich. Heß „Friseur“ 1970 [Aufl./Ex.] 30/2
D 004
Alte Frau/Raucherin, 1971 Radierung
14 × 11,3 auf 36,8 × 27,3 cm
bezeichnet u.: Rich. Heß „Alte Frau“ 1971 [Aufl./Ex.] 30/1
D 023
Ohne Titel, 1986 Radierung
13 × 9 auf 17,9 cm × 12,9 cm
bezeichnet u. l.: Rich. Heß/86, u. r.: [Ex./Aufl.] Probe
Privatbesitz, Berlin
D 024
Ohne Titel, um 1986 Radierung
14,8 × 10 auf 31,8 × 23,9 cm
bezeichnet u. l.: [Ex./Aufl.] EA 5, u. m.: Paar, u. r.: Rich. Heß
D 025
Ohne Titel, um 1986 Radierung
19,5 × 14,2 auf 39,7 × 29,7 cm
unbezeichnet
D 026
Ohne Titel, um 1986 Radierung
19,5 × 14,2 auf 39,7 × 29,7 cm
unbezeichnet
D 027
Ohne Titel, um 1986
Radierung
19,5 × 14,2 auf 39,7 × 29,7 cm
unbezeichnet
D 028
Ohne Titel, um 1986
Radierung
21,5 × 18 auf 49,4 × 39,5 cm
unbezeichnet
D 029
Flucht, um 1989 Radierung
21 × 20,7 auf 39,6 × 30 cm
bezeichnet u. l.: Rich. Heß, u. m.: Flucht, u. r.: [Ex./Aufl.] Probe
D 030
Ohne Titel, um 1991 Radierung
38 × 27,3 cm
unbezeichnet
D 031
Ohne Titel, 1997 Radierung, mit Bleistift schraffiert 13 × 9,8 auf 29,3 × 22,3 cm
bezeichnet u. l.: [Ex./Aufl.] Probe, u. r.: Rich. Heß/97, Fußzeile u. r.: Für meine Ilka/ Richard
Privatbesitz, Berlin
Technische Hinweise
Das grafische Œvre von Richard Heß umfasst 504 Handzeichnungen und 31 Druckgrafiken, die seit Mitte der 1950er Jahre bis 2017 entstanden sind. Das Werkverzeichnis führt alle ermittelten Handzeichnungen (Z) und Druckgrafiken (D) in der Chronologie ihrer Entstehung auf. Auch Zeichnungen aus Ausstellungsverzeichnissen ohne Abbildungen, zu denen auch keine anderen Fotos verfügbar waren, sind Bestandteil der chronologischen Erfassung, werden jedoch am Schluss des Werkverzeichnisses in einer Liste separat zusammen gefasst. Frühe Ausstellungskataloge, die keine Verzeichnisse enthielten bzw. Zeichenkonvolute lediglich quantitativ erfassten (z. B. „Position 12 bis 24 Zeichnungen“) konnten ins Werkverzeichnis nicht einbezogen werden.
Alle Titel der Werke sind autorisiert. Abweichende Titel, die sich aus unterschiedlichen Versionen des Künstlers oder aus der Literatur ergaben, werden kenntlich gemacht durch einen Schrägstrich im Werktitel, mit dem auf unterschiedliche Bezeichnungen derselben Arbeit hingewiesen wird. In den vom Künstler handschriftlich ausgeführten Werkbezeichnungen werden durch einem Schrägstrich die Zeilenumbrüche gekennzeichnet.
Bei der Angabe der Papiersorten und den von Richard Heß verwendeten Zeichengründen wird in den Fällen, wo nicht übliche Künstlermaterialien verwandt wurden, in Klammern auf den alltagsüblichen Gebrauch der eingesetzten Materialien verwiesen. Die Farbigkeit des verwendeten Zeichenpapiers in den Farbnuancen Naturweiß, Champagner, Chamois, Hellgelb bis Grau-Gelblichweiß werden nicht differenziert angegeben. (Es ist naheliegend, dass innerhalb der Entstehungs- und Aufbewahrungszeit von bis zu 70 Jahren diverse Farbveränderungen eingetreten sind.) Davon abweichende Farbtöne werden entsprechend benannt. Der Empfindlichkeit der Papierarbeiten Rechnung tragend wurden jene Zeichnungen, die vom Künstler passepartouriert und mit einem Karton als Rückenbogen geschlossen aufbewahrt wurden, nicht herausgelöst. Die Abbildungen zeigen in diesen Fällen Ausschnitte.
Die Orthografie in Zitaten und Bezeichnungen sind vom Original übernommen. Das betrifft auch die Signaturen von Richard Heß, die in den Varianten erscheinen: Richard Heß, Rich. Heß bzw. Rich Heß (ohne Punkt für Abkürzung). Abweichungen bilden die Angaben zu Laufzeiten von Ausstellungen im Literaturnachweis, die aus Gründen der besseren Lesbarkeit vereinheitlicht wurden.
Im Anhang befindet sich die Liste der verwendeten Literatur. Sie enthält vollständig die Angaben der Quellen aller im Text und in den Werkangaben verwendeten Zitate und Hinweise auf Ausstellungen und Katalogabbildungen. Im Einführungstext erfolgt der Literaturverweis im Harvard Standard als Klammerbemerkung. Die darin erfassten Quellenangaben enthalten den Namen des Autors, das Erscheinungsjahr der Publikation und getrennt durch Doppelpunkt die betreffende Seitenzahl, Beispiel: Heß 1982: 12. Bei unpaginierten Publikationen entfällt die Seitenzahl. Im ausführlichen Literaturverzeichnis im Anhang wird die Kurzform der Literaturangabe zum Zwecke einer besseren Orientierung in Klammern wiederholt.
Sofern die Handzeichnungen im Besitz von Museen sind, sind die Eigentümer Bestandteil der Angaben zum Werk. Nicht in allen Fällen war es möglich, die aktuellen Besitzer zu ermitteln, da der Künstler Auftraggebern oder Käufern von plastischen Werken Zeichnungen schenkte, ohne den Besitzerwechsel zu dokumentieren.
Die angegebenen Blattmaße der Handzeichnungen beziehen sich auf das Papierformat. Es steht Höhe vor Breite und wird in Zentimeter angegeben. Bei unregelmäßig beschnittenen Blättern stehen Minimal- und Maximalangabe, getrennt durch einen Schrägstrich, hintereinander.
Bei den druckgrafischen Blättern werden jeweils den Maßen des Blattformats die Abmessungen der bearbeiteten Fläche (Druckstock) vorangestellt, sofern diese vom Blattmaß erheblich abweichen, z. B. 15 × 23 auf 30 × 36 cm. Bei den Grafiken, die für Bücher geschaffen wurden wird auf diese Unterscheidung verzichtet, da sie blattfüllend ins Buchformat eingepasst sind.
DieimWerkverzeichnisangegebeneAuflagenhöhederDruckeistdenhandschriftlichenNummerierungendesKünstlersentnommen.BeifehlendenAngabenzuAuflagenhöhenistdavonauszugehen,dassessichumEinzelblätterbzw. umKleinstauflagenbiszumaximal10Stückhandelt,dieimRahmenderArbeitmitStudentenentstandensind.Bei Motiven,dieinmehrerenExemplarenvorhandenwaren,wurdendievomKünstlerhandschriftlichbezeichnetenfür dieErfassungausgewählt.
FolgendeAbkürzungenwerdenindenWerkangabenverwendet:
Aufl. Auflage
EA (épreuvesdartiste),dieersteninBild-undFarbqualitätgutenAbzügevonderDruckplatte,zumeist ProbenfürdenKünstler,begehrteSammlerstücke
Ex. ExemplarinnerhalbderAuflage
Probe Probedruck,derdernochmaligenÜberprüfungderDruckform,derFarbeu.a.dient,vonSammlern alsRaritätgeschätzt
DieAngabenderPlatzierungenvonSignatur,DatierungundBezeichnungensindwiefolgtabgekürzt:
l. links
r. rechts
m. mittig
o. oben
u. unten
R. Rand
Verwendete Literatur
Gottfried Boehm/ Karlheinz Stierle (Hrsg.): Hans Belting: Bild-Anthropologie. Entwürfe für eine Bildwissenschaft. München 2001 (Boehm/Stierle 2001)
Helmut Börsch-Supran in: Ilka und Jürgen Heß (Hrsg.): Richard Heß·Bildhauer·Das Plastische Werk 1960-2017, Berlin 2016 (Börsch-Supran 2016)
Alberto Giacometti in einem Brief an Pierre Matisse, in: Alberto Giacometti. Katalog zur Ausstellung in der Nationalgalerie Berlin Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz vom 9.10.1987 bis 3.1.1988 und Staatsgalerie Stuttgart vom 21.9. bis 20.3.1988. Berlin (West) 1987 (Giacometti 1987)
Waldemar Grzimek in Katalogheft zur Ausstellung richard hess·neue plastiken und handzeichnungen vom 19.3. bis 10.4.1976 in der galerie k, Darmstadt, unpaginiert (Grzimek 1976)
Richard Heß·Plastik und Zeichnungen 1970-1980. Katalog zur Ausstellung in den Städtischen Museen Heilbronn Deutschhof vom 18. Juli - 21. September 1980 (Heß 1980)
Richard Heß in Bernd Krimmmel (Hrsg.): Katalog zur Ausstellung Kunstpreis der Stadt Darmstadt 1980. Richard Heß·Plastiken und Zeichnungen. Auf der Mathildenhöhe Darmstadt vom 12. Dezember 1982 bis 13. Februar 1983. Darmstadt 1982 (Heß 1982)
Richard Heß·Plastiken. Katalog zur Ausstellung im Dominikanerkloster Frankfurt am Main vom 24. September bis 28. Oktober 1983. Darmstadt 1983 (Heß 1983)
Figur·Ansichten von Figur in der Moderne. Skulptur exemplarisch 1. Katalog zur Ausstellung in den Städtischen Museen Heilbronn Deutschhof vom 1. Februar bis 21. April 1991. Heilbronn 1991 (Heß 1991)
Richard Heß in: Claus K. Netuschil (Hrsg.): Zeichen und Figur·Bildhauerzeichnung heute. Katalog zur Ausstellung in der Saalbau-Galerie Darmstadt vom 21. Juli bis 24. August 1991. Darmstadt 1991 (Heß/Netuschil 1991)
Richard Hess „Omaggio a Mantegna“. Katalog zur Ausstellung vom 8. September bis 6. Oktober 1996 in der Casa del Mantegna, Verona 1996 (Heß 1996)
Richard Heß: Donne & Arcano vom 14. Juli bis 10. September 2006 im Palazzo Fantini, Tredozio 2006 (Heß 2006)
Emanuel Merck (Hrsg.): Menschen Richard Heß·Plastiken und Zeichnungen von Richard Heß. Darmstadt 1982 (Merck 1982)
Andreas Pfeiffer (Hrsg. im Auftrag der Stadt Heilbronn): Richard Heß·Plastiken und Zeichnungen 1970 -1980. Ausstellung der Städtische Museen Heilbronn vom 18. Juli bis 21. September 1980. Heilbronner Museumskatalog Nr. 13 (Pfeiffer 1980)
Schiller, Friedrich: Über die ästhetische Erziehung des Menschen in einer Reihe von Briefen. Fünfzehnter Brief. In: Claus Träger (Hrsg.): Friedrich Schiller·Über Kunst und Wirklichkeit. Schriften und Briefe zur Ästhetik. Leipzig 1975 (Schiller 1975)
Angelika Ulrike Schmid: Der figürliche Bildhauer Richard Heß. Kunst als Ausdruck gesellschaftlicher Wirklichkeit. Inaugural-Dissertation an der Philosophischen-Historischen Fakultät der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. In: Deutsche Hochschulschriften 1177, Egelsbach, Frankfurt a. M., München, New York 2000 (Schmid 2000)
Für die Unterstützung bei der Erstellung des Werkverzeichnisses bedanken sich die Herausgeber bei:
Dr. Hermann Büchner, Berlin
Dr. Mechthild Haas, Hessisches Landesmuseum Darmstadt
Dr. Bärbel Mann, Hohen Neuendorf bei Berlin
Bärbel und Bernd Moll, Berlin
Dr. Stefanie Pahlitzsch-Leschke, Berlin
Dr. Andreas Pfeiffer, Museumsdirektor i. R., Heilbronn
Ilona Ripke, Berlin
Dr. Rita Täuber, Städtische Museen Heilbronn
Impressum
Herausgeber:
Ilka und Jürgen Heß
Konzeption und Redaktion:
Dr. Bärbel Mann
Redaktionelle Mitarbeit, Werkreproduktionen* und Einrichtung:
Dr. Hermann Büchner
*außer Werkfotos: Hessisches Landesmuseum Darmstadt (Z 217, Z 2019), Frank Kleinbach, Stuttgart (Z 175, Z 192, Z 239, Z 240, Z 398, Z 399, Z 400), Andreas Pfeiffer, Heilbronn (Z 256, Z 396), Ilona Ripke, Berlin (Z 001, Z 002, Z 019, Z 020, Z 021, Z 025, Z 031, Z 108, Z 109, Z 176, Z 177, Z 193, Z 222, Z 223, Z 300)
Porträtfoto Richard Heß, Seite 2: Ferdinando Cioffi
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek
Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über www.dnb.de abrufbar.
Abbildung Titelseite: Z 336 Ohne Titel, um 1990 (Ausschnitt)
© Ilka und Jürgen Heß und Autoren, Berlin 2022
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Publiziert im Selbstverlag
Druck: Sprintout Digitaldruck GmbH, Berlin
ISBN 978-3-00-074054-1