The Red Bulletin Juli 2018 - DE

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TEAM ROW4CANCER

MARK SLATS Er ruderte für seine krebskranke Mutter zum Rekord.

the red bulletin: Wie kommt man auf die Idee, allein über den Atlantik zu rudern? mark slats: Umsegelt hatte ich die Welt schon dreimal, also war ich auf der Suche nach einer neuen Herausforderung (lacht). Stimmt es, dass du davor nur wenig Rudererfahrung hattest? Gar keine! Ich hatte nie davor gerudert. Vor einigen Jahren lern­ te ich auf Teneriffa zwei Jungs kennen, die sich gerade anschick anschick­ ten, in die Karibik zu rudern. Ich dachte: „Cool, das will ich auch!“ 2016 meinte ein Freund, ich müs­ se mein Vorhaben langsam in die Tat umsetzen. Zurück in Holland, ging ich zum erstbesten Ruder Ruder­ klub, den ich auf Google fand. Wie trainiert man sich in 12 Monaten von null auf Weltrekord? Zunächst prüfte ein Arzt, wie viel ich meinem Körper zumuten kann. Ich bin zwei Meter groß und wiege 100 Kilo, vertrage also ein bisschen was. Und dann betrieb ich mein Training wie eine mili­ tärische Mission, mit gut 40 Stun­ den pro Woche. Ich ruderte jeden Sonntag 50 Kilometer, fuhr 120 bis 150 Kilometer Fahrrad und schwamm zehn Kilometer.

BEN DUFFY

Woher kam deine Motivation? Ich wollte es für meine Mutter schaffen. Sie hat Lungenkrebs. Ich hatte immer diesen einen Gedanken im Kopf: Mir mag es gerade schlecht gehen, aber mei­ ner Mutter geht es viel schlechter. Und da war die Sache mit meiner Freundin. Die letzten Monate vor dem Rennen hatten wir kein Wort miteinander gesprochen, dann stand sie auf La Gomera plötz­ lich vor mir. Sie war einfach her her­ THE RED BULLETIN

Mark Slats: in einem Jahr vom Ruder-Anfänger zum Weltrekordler, mit 14.000 Kalorien pro Tag

geflogen, um mir vor der Abfahrt Glück zu wünschen. Wir kamen wieder zusammen – und wenn du frisch verliebt bist, hast du die Energie von zehn Männern. Und mit dieser Energie rudert man dann solo nur 17 Stunden langsamer als das siegreiche Vierer-Team? Ich bin ein Wettkampftyp. Sogar wenn jemand neben mir am Herd ein Spiegelei brät, will ich meins schneller braten. Neben meinem Sitz hatte ich einen Bildschirm, auf dem ich meine Daten kontrol­ lieren konnte. Außerdem wurde mir die Position der anderen an­ gezeigt. Wann immer ich ein Mo­ tivationsproblem hatte, schaute ich auf diesen Bildschirm. Deine Taktik? Drei Stunden rudern, eine Stunde schlafen und essen. Ich ruderte

täglich 16 bis 18 Stunden. Bis die Halluzinationen zu heftig wurden. Dann ruderte ich nur zwei Stun­ den, ehe ich eine Pause machte. Manchmal dachte ich, ich rudere mitten durch eine Einkaufsstraße oder durch einen Wald. Ich hatte zwei psychische Zusammen­ brüche, auch Panikattacken, weil ich fürchtete, ich würde beim Schlafen vergessen, mich anzu­ leinen, und über Bord fallen. Wie konntest du diese Phasen überwinden? Einmal habe ich acht Stunden am Stück geschlafen. Als ich auf auf­ wachte, aß ich eine Mahlzeit von 8000 Kalorien – und es ging mir wieder gut. Essen ist der Schlüssel: Du musst dir tausende Kalorien reinzwängen. An guten Tagen nahm ich 14.000 Kalorien zu mir. War es eine gute Idee, über den Atlantik zu rudern? Definitiv – auch wenn ich jedes Mal weinen muss, wenn ich mir heute Videos von meinem Trip ansehe, weil ich mich an die Schmerzen erinnere. 67


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