Frauenbad & Judentuck

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1820

Die Situation der jüdischen Gemeinde von Felsberg vor 1820 Um auf den Bau der Mikwe in Felsberg eingehen zu können, muss man in die Vergangenheit zurück schauen. Die Felsberger Juden haben in ihrer Besiedlungsgeschichte die gleiche Entwicklung erfahren müssen, wie viele andere Gemeinden es in Europa auch tun mussten. Damit ist die Zeit es Mittelalters gemeint, in der die Christen und besonders die katholische Kirche Europa dominierte. Die europäischen Staaten und die Kirche bildeten eine zusammenhängende Einheit. Seit dem Hochmittelalter betrachteten die Katholiken das Judentum als eine veraltete und fremdartige Religion. Sie entwickelten ein gehöriges Misstrauen und Hader gegenüber diesen andersdenkenden Minderheiten. Kam es in der Welt zu Krieg, Krankheiten, Epidemien oder Hungersnöten gab die Gesellschaft, der Staat und die Kirche den Juden die Schuld daran. Es setzte eine Art Judenpogrom1 ein, Massenmorde, Verbrennungen und Folter waren dabei nicht unübliche Maßnahmen. Im Zuge dieser Ausschreitungen exterminierte man alle Juden in für sie bestimmte Gettos oder verlagerte ihren Wohnsitz vor die Mauern der Stadt. Man vermutet, dass dieses beschriebene Vorgehen auch in Felsberg durchgesetzt wurde. Wie bereits im Text beschrieben umgab die Stadt eine Stadtmauer. Mit schätzungsweise 900 Metern Länge legte sich die Mauer aus Basaltsteinen wie ein Befestigungsgürtel um die heutige Altstadt und ließ die Stadt wie eine große Burg aussehen. Aus der Über-

1 Judenpogrom (v. russ. pogrom, urspr. = Verwüstung, Unwetter, später Ausschreitung gegen Minderheiten und Randgruppen) 16

lieferung kann man entnehmen, dass die Mauer zwischen vier bis sechs Meter hoch war und etwa eine Stärke von einem Meter hatte. Wer in die Stadt wollte, musste durch eins der drei bewachten Stadttore hindurch. Aus den historischen Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass hauptsächlich die jüdische Gemeinde vor den Mauern der Stadt sesshaft wurde. Da es zu dem im späten Mittelalter und auch in den folgenden Jahrhunderten noch keinerlei jüdische Einrichtungen in der Stadt Felsberg gab, waren die Anhänger des jüdischen Glaubens dazu gezwungen nach Alternativen zu suchen. So kann man nur vermuten, dass der Gottesdienst wahrscheinlich in einem oder zwei gemieteten Räumen eines Privathauses abgehalten wurde und somit zum Beth Tefila dem Haus des Gebets wurden. Zum rituellen Bad gingen die Felsberger Juden nach Neuenbrunslar einer kleinen Nachbargemeinde, die heute zur Stadt Felsberg gehört. Das Dorf wurde erstmalig 1154 urkundlich erwähnt und liegt an der Eder, einem Fluss, durch den die Region Schwalm Eder Kreis ihren Namen hat. Zur damaligen Zeit als es noch keine Mikwen in der Stadt Felsberg gab wanderten die Frauen etwa 5 Kilometer nach Neuenbrunslar um sich im Fluss reinzuwaschen. Das Eintauchen in den Fluss musste zu jeder Jahreszeit und zu allen Witterungslagen vollzogen werden.


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