Auction 124 B | Modern Classic | Post War and Contemporary Art | Quittenbaum Art Auctions

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Künstlerpostkarten Über die Beziehung und den regen Kontakt von Elsa Hopf zu Schmidt-Rottluff, anderen Mitgliedern der Brücke oder Vertretern der zweiten Generation der Expressionisten geben die Künstlerpostkarten Auskunft, von denen 18 Stück in dieser Auktion angeboten werden. Künstlerpostkarten sind Vordruck-Postkarten, deren Vorderseite die Künstler mit einer flotten, meist sehr originären Zeichnung oder einem kleinen Aquarell versahen. Diese postalischen Grüße dienten den Malern für kurze Mitteilungen an Sammler und Freunde, zum Beispiel über den Stand ihrer Arbeiten in den Ateliers, ihre Ausstellungsvorbereitungen, ihre Treffen mit Sammlern oder einfach über ihre Gemütszustände. Die 18 Postkarten aus dem angebotenen Nachlasskonvolut sind zum Teil an Elsa Hopf, zum Teil an Rosa Schapire adressiert. Rosa Schapire erhielt von Schmidt-Rottluff im Laufe von fast zwei Jahrzehnten rund 120 Karten. „Nach Rosa Schapire erhielt die Hamburger Zahnärztin Dr. Elsa Hopf die Mehrzahl seiner Postkartenzeichnungen. Es handelt sich dabei um etwa 20 Karten (...), und die - bis auf eine Ausnahme von 1921 – sämtlich mit Poststempeln der Jahre 1910 und 1911 versehen sind“ (Wietek, S. 117). Auch Hopfs Lebensgefährtin Clara Goldschmidt bekam Postkartengrüße oder kleinere Arbeiten von den Brücke-Künstlern, wie die bei Quittenbaum Kunstauktionen angebotene Kohlezeichnung „Zwei Pferde“ von Schmidt-Rottluff (Kat.-Nr. 75). Da die Jüdin Clara Goldschmidt im Jahre 1934 Suizid beging, gelangten Werke aus ihrem Besitz in den Nachlass von Elsa Hopf. Grüße aus Chemnitz Die erste Künstlerpostkarte von Schmidt-Rottluff, die Elsa Hopf erreichte, stammt aus dem Jahr 1910, ihr Poststempel nennt das Datum 14.5.10. Sie ist mit einer Tuschezeichnung versehen, die ein Fabrikgebäude in der Region der Industriestadt Chemnitz zeigt (Kat.-Nr. 52), wo die Mutter des Künstlers lebte und dieser sich regelmäßig aufhielt. Abgeschickt wurde die Karte aus Varel am südwestlichen Jadebusen, in dessen Stadtteil Dangast die Brücke-Maler Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff viele Monate im Jahr lebten und arbeiteten. „Herzlichen Pfingstgruss Ihr S R“ ist darauf zu lesen. Die freundschaftliche Wertschätzung, die Schmidt-Rottluff Elsa Hopf entgegenbrachte, wird schon hier deutlich, zeigt sich aber noch eindeutiger in den Grußtexten von zwei sehr schönen mit Tusche, Bleistift und farbigen Kreiden gezeichneten Karten mit weiblichen Aktdarstellungen, beide aus dem Jahr 1911 (Kat.-Nrn. 54 und 55). Emanzipierte Frauenbande Zehn Postkarten aus dem Versteigerungskonvolut sind an Rosa Schapire gerichtet, mit der Elsa Hopf eng befreundet war. Die seit 1904 promovierte Kunsthistorikerin Schapire war auf Vermittlung von Gustav Schiefler schon im Juni 1907 der Brücke als passives Mitglied beigetreten. Es ist nicht übertrieben, vor allem Rosa Schapire als eine einflussreiche Ausnahmeerscheinung ihrer Zeit zu würdigen. Die eifrige, für das Reüssieren des deutschen Expressionismus stets aktive Geisteswissenschaftlerin bewährte sich zeitlebens als Freiberuflerin, trat nie eine Beamtenstelle an und musste sich mit allerlei Arbeiten ihren Unterhalt verdienen. In Ostgalizien geboren, wuchs sie dreisprachig auf und sprach fließend französisch, polnisch und russisch. 1924 publizierte sie das Werkverzeichnis der Druckgrafik von Karl Schmidt-Rottluff. Außerdem veröffentlichte sie zahlreiche Aufsätze und Artikel in Zeitschriften, schrieb Buchrezensionen, besprach und organisierte Avantgarde-Ausstellungen. Nach dem Ersten Weltkrieg gab Rosa Schapire gemeinsam mit dem Lyriker und Kunsthistoriker Wilhelm Niemeyer (Barchfeld b. Eisenach 1874-1960 Hamburg-Fuhlsbüttel) die prätentiöse Zeitschrift „Kündung“ heraus, eine Gazette, die sich aus Lyrik und Druckgrafik jüngerer expressionistischer Künstler speiste und sich mit ihrer einzigartig individuellen handgefertigten Aufmachung zusätzlich als Protest gegen das industriell gefertigte Buch verstand. Die realpolitische Situation, die Inflation, forderte schnell einen Tribut, die Zeitschrift „Kündung“ musste nach 1921 eingestellt werden. In dieser Auktion wird der komplett erhaltene Jahrgang 1921 mit allen erschienenen Ausgaben der „Kündung“ – die zwölf Monatsausgaben sind in sieben Bänden zusammengefasst - angeboten (Kat.-Nrn. 23-29).


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