Purple Scare
queerfeministisches maga_zine
WÜrter, die in den folgenden Texten in dieser Schrift geschrieben sind, werden im Glossar nochmal erläutert.
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HELLO
Wir wollen am Anfang dieses Maga_zines kurz erzählen, wer wir sind und was dich auf den nächsten Seiten erwarten wird. Die Form des feministischen Zines hat sich aus der unkommerziellen do-it-yourself und revolutionären Riot-Grrrl* Bewegung entwickelt. Mit diesem Heft versuchen wir, an diese emanzipatorischen Bestrebungen anzuknüpfen: Das Maga_zine eröffnet uns einen Raum, durch den wir uns Gehör verschaffen. Dieser von uns kreierte zweidimensionale Freiraum bewegt sich zwischen Theorie und Praxis, zwischen konkret und abstrakt. Wir wollen mit diesem Maga_zine Aktivismus machen: In dem wir unsere Gedanken zu verschiedenen queerfeministischen Themen und Theorien mitteilen und Gesellschaft anders denken, versuchen wir Leute zu erreichen und eventuell Denkanstöße zu geben. Von Identitätskonzepten bis hin zu Gesellschaftskritiken oder Alltagssituationen wollen wir Topics aufgreifen, die uns schon einmal beschäftigt haben, total gegenwärtig sind oder aber mögliche Themen für die Zukunft darstellen. Aus queerfeministischen Perspektiven heraus möchten wir durch unsere Beiträge Fragen aufwerfen und Erfahrungen teilen, sowie durch aufgezeigte Handlungsmöglichkeiten empowernde Momente schaffen. In der ersten Ausgabe von PURPLE SCARE geht es um Begriffe und Konzepte von RAUM: Neben der Politik von Körper_Räumen und der emanzipatorischen Forderung der Raumeinnahme durch Schutzraumpolitik oder Körperpraxen, hinterfragt dieses Heft Mechanismen, die bestimmte Räume für Menschen un_zugänglich machen, sei es durch (Länder)Grenzen oder vergeschlechtlichte Raumdichotomien.
Hier wird Revolution gemacht, weitergemacht, mitgemacht.
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Die Spannbreite diverser queerer Feminismen ist groß und wir maßen uns nicht an, für alle davon zu sprechen. Welche Dimensionen unser Zeug bei euch erreichen wird, wie ihr unsere Beiträge auffasst und weiterdenkt, können wir nur erahnen. Wenn ihr Kritik, Fragen oder Anregungen habt, dann meldet uns das gerne zurück, denn nur so kann dieses Maga_zine zu der Diskussionsplattform werden, die wir uns wünschen. Fest steht, dass wir Bock haben auf die Entlarvung und Kritik gesellschaftlicher Konstruktionen und ein mögliches Angebot an alternativen Sichtweisen, die gegen Heteronormativität, Rassismus, Kapitalismus und für Queerfeminismus stehen können. Wie diese Kategorien zusammenhängen, sich gegenseitig bedingen und was genau wir eigentlich unter Queerfeminismus verstehen, haben wir in einem kleinen Einführungstext zusammengebastelt (siehe Seite 6). Unsere Gruppe setzt sich derzeit großteilig aus weißen Cis-Frauen* mit akademischem Hintergrund zusammen. Jetzt stehen wir vor der Frage, wie das für unser Maga_zine aufzubrechen ist, um keine einseitigen Perspektiven und Un/Sichtbarmachungen zu reproduzieren. Deswegen wollen wir durch das Zine auch einen offenen Raum für weitere Beiträge schaffen: Macht mit, schickt uns Kram oder kontaktiert uns, auch falls ihr Lust auf Orga-Zeugs und Gruppengedöns habt!
3 Hello 6 In_Formation 18 Sein Lassen 20 Support you local Grrrl*-Gang 22 Der Böse 30 Femcafé 32 Festivals 34 DIY Achselhaare 36 Haarige Angelegenheiten 40 Schlampe
Ableismus Ableismus ist das strukturelle Diskriminierungsverhältnis, das Nicht/beHinderung bzw. Dis/Ableisierung konstruiert. Personen, die in einer Gesellschaft nicht-beHindert sind, sind ableisiert. BeHinderung ist kein pathologischer Zustand von Menschen, sondern ein gesellschaftlicher Prozess, in welchem Menschen an gesellschaftlicher Teilhabe beHindert werden, weil sie nicht der angenommenen Norm entsprechen. Wir gehen davon aus, dass Menschen nicht beHindert sind, sondern beHindert werden (vergleiche Barrierefreiheit).
IN HALT
(vgl. feministisch-sprachhandeln.org/glossar/)
Androzentrismus das ‚Männliche‘, den Mann* ins Zentrum des Denkens stellende Weltanschauung. Antisemitismus Feindseligkeit gegenüber Jüd*innen. Der Begriff kam 1879 durch die organisierte judenfeindliche Bewegung in Deutschland auf. Während des Nationalsozialismus führte der politisch und staatlich betriebene Antisemitismus bis zum industriell ausgeübten Massenmord mit dem Ziel der systematischen Vernichtung der europäischen jüdischen Bevölkerung. (bdp.de)
I am me everyday
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Unsichtbares sichtbar machen
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Vexierbilder
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Körper_Räume
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Räume sind Schäume
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Biologismus Mit dem Begriff Biologismus wird eine Denkweise beschrieben, die bestimmte hierarchische Verhältnisse wie das Patriarchat oder Heterosexualität und Zweigeschlechtlichkeit als ‚natürlich‘ – also von der Natur und der Biologie vorgegeben – darstellt. Damit verbunden ist die Vorstellung, dass diese normativ gesetzten Rollen und Praxen ‚richtig‘ und unveränderbar sind und eben nicht gesellschaftlich konstruiert. cis-Frau* Eine cis-Frau* ist eine Person, die bei der Geburt dem weiblichen* Geschlecht zugewiesen wurde und sich auch als Frau* identifiziert. cis-Mann* s.o. Weiblich* ð männlich*, Frau* ð Mann*
Essenzialismus Annahme einer universell-wesenshaften ‚Weiblichkeit‘, die in den feministischen Strömungen der
Impressum
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70er noch vertreten war, später aber kritisiert wurde, da sie > biologistisch und aus einer >> weißen Position heraus argumentiert
3 Hello 6 In_Formation 18 Sein Lassen
Feminismus Es gibt nicht DEN Feminismus, sondern eine ganze Reihe von feministischen Strömungen/ Feminismen, die sich auch durchaus widersprechen können. Eine häufige Definition sagt aus, dass Feminismus für die soziale, kulturelle, politische und ökonomische Gleichstellung von Männern* und Frauen* eintritt. FLIT* Frauen*, Lesben, >> Inter* und >> Trans* >> Gendersternchen *
20 Support you local Grrrl*-Gang 22 Der Böse 30 Femcafé 32 Festivals 34 DIY Achselhaare
Gendersternchen * Wenn wir das Sternchen hinter die Worte Frau* oder Mann* schreiben, soll es vor allem anzeigen, dass es sich dabei um soziale und gesellschaftliche Konstruktionen handelt. Steht das Sternchen in einem Wort (z.B. Autor*innen) wird damit eine sprachliche Zweigenderung (Autoren, Autorinnen) kritisch hinterfragt und das * soll dabei eine Vielfalt von Positionierungen zwischen dieser Gender Binarität symbolisieren. Geschlecht Der Begriff Geschlecht wird als >> weiße >> ableisierte Vorstellung verhandelt, durch die Personen >> biologisierend als ‚meiblich‘ und ‚wännlich‘ differenziert und dadurch sozial positioniert werden. ð sex: ‚biologisches’ Geschlecht ð gender: soziales Geschlecht Mit Gender wird die Konstruktion von Geschlecht als Analysekategorie fokussiert und dadurch auch de_konstruierbar gemacht.
36 Haarige Angelegenheiten 40 Schlampe
Geschlechterdichotomonie behandelt Männer* und Frauen* als strikt voneinander getrennte Gruppen. Geschlechtsidentität Bezeichnet, mit welche_n_m Geschlecht_ern sich ein Mensch selbst identifiziert. Habitus Bezeichnet das Auftreten und Umgangsformen einer Person, die Gesamtheit ihrer Vorlieben und Gewohnheiten oder die Art ihres Sozialverhaltens.
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IN_FORMATION
LADYS* GET IN_FORMATION Wie Beyoncé diesen Frühling in ihrem* Song Formation ganz richtig festgestellt hat: Ladys* get in_formation ist eine essenzielle Empowerment Strategie. Information sind super. Wir möchten an dieser Stelle den Hut vor Kween Bs Awesomeness ziehen und ihre* Message supporten, ohne uns dabei Schwarze Kämpfe aneignen zu wollen. Frei nach dem Motto ‚bildet euch – bildet andere – bildet banden‘ haben wir an dieser Stelle mal einige Information zusammengetragen und versuchen in diesem Text aufzudröseln, was eigentlich Gender und Kapitalismus miteinander zu tun haben, warum Queerfeminismus cool und intersektional ist und Rassismus und Nationen scheiße.
STAAT – NATION – KAPITAL? WURSTBROT! Das, was uns die xtausendste romantische Komödie mit einem Feelgood Casting als immer dagewesene Größe verkaufen möchte, gibt es so lange dann doch noch nicht: Die bürgerliche Kleinfamilie, bestehend aus Mama (Hobbys: Gebären&Kochen), dem sehr berufstätigen Papa, zwei Kindern und – wenn es hochkommt – noch einem stubenreinen Golden Retriever im efeuumkränzten Einfamilienhausidyll, ist ein Produkt des staatlichen Kapitalismus – und vielleicht der Maggie Werbung für Spaghettisauce aus der Tüte.
Die Familie – natürlich mit Eheschein und bitte schön heterosexuell – ist von Beginn an ein Schauplatz für die Manifestation gesellschaftlicher Ungleichheiten:
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Sei es die Verteilung von Care-Arbeit, Vorstellungen von ‚geschlechterentsprechender‘ Erziehung oder die Institutionalisierung und Regulierung von Sexualität und Begehren. Anhand der gesellschaftlichen Vorstellungen davon, was Familie bedeutet und wer staatsgeprüft eine Familie sein kann, lässt sich viel über die Verhältnisse ablesen. Doch wie eingangs bereits erwähnt, gibt es dieses Abziehbildchen noch gar nicht so lange: Mit der Entwicklung des Kapitalismus im ausgehenden 18. Jahrhundert entstand im Zuge der einsetzenden Industrialisierung eine historisch neue Form der geschlechtlichen Arbeitsteilung, die eine eindeutige Trennung zwischen Reproduktions- und Produktionsarbeit vorsah. Ganz plump gesagt: Frauen* an den Herd, Männer* in die Fabrik. Im Zuge dieser Arbeitsteilung gab es auch eine räumliche Ordnung der Geschlechterdifferenz: Die Reproduktionsarbeit wurde dabei in der Sphäre des Häuslichen und ‚Privaten‘ verortet, die Produktionsarbeit fand im Bereich der Öffentlichkeit statt. Die Aufgabe der Haus_Frau* war es, Kinder zu bekommen und zu erziehen, alle satt zu kriegen und den Mann* für die Arbeit am nächsten Tag körperlich und seelisch wieder fit zu machen. Diese Aufgabenverteilung wurde hauptsächlich über den ‚weiblich*‘ konstruierten Körper begründet, der Frauen* dazu bestimmte, Kinder zu bekommen. Durch entsprechende ‚wissenschaftlich-medizinische‘
Den Mythen von ewigem Wachstum glauben jene nicht, die immer weiter an den Rand der Städte gedrängt werden, weil sie sich in den plötzlich hippen Vierteln keinen Wohnraum mehr leisten können. Kapitalismus ist nichts für die, die vielleicht lieber Händchen halten würden als Ellenbogen auszufahren.
In_Formation 10
Theorien wurden Frauen* in dieser Logik überdies mit bestimmten ‚weiblichen* Qualitäten‘ belegt, nach denen alle Menschen mit Uterus super fürsorglich und eigentlich ganz wild darauf seien, sich um alles und jeden zu kümmern. Aufbauend auf bereits vorher existierenden Rollenvorstellungen entwickelten sich sehr klare ‚Geschlechtscharaktere‘, die in der Literatur neu definiert und gefestigt wurden. So erklärte zum Beispiel das „Staatslexikon für das Volk [1848] die natürliche Ungleichheit der Geschlechter (…). Die ‚Naturaufgabe‘ binde die Frauen[*] an Heim und Herd. Körper und Geist seien bei Mann[*] und Frau[*] ‚unendlich verschieden‘, daher sei ‚hinsichtlich der Geschlechterverhältnisse das Verlangen der gleichen Stellung von Mann[*] und Weib[*] unvernünftig und unnatürlich‘.“ (Blum 1884 nach Brändli 1996: 100) Da gruselts einen richtig beim Lesen, gerade weil auch heute – etwa 170 Jahre später – zu viele Vollpfosten diesen Mist immer noch glauben. In dieser Un_Logik von Familie, Ehe und Kapitalismus war die Frau* zuständig für die Reproduktion des Mannes* sowie die der Nation – also Steaks braten und eheliche Babys gebären im gleichen Maße. Ihre* Verortung im Haus wurde über eine bestimmte körperliche Disposition (kann Babys bekommen) sowie die daraus abgeleitete, vermeintlich ‚natürliche‘ Berufung zur Hausfrau* und Mutter gerechtfertigt, womit die gesellschaftlichen Mechanismen der Ungleichheit verschleiert und als gottgegeben hingestellt wurden. Die Frage nach der Verteilung von Care-Arbeit, oder wer hier eigentlich wem die Butter aufs Brot schmiert, müssen wir uns heute auch immer wieder stellen, da sie an Relevanz nicht eingebüßt hat. Neben einer Kritik der momentanen Verhältnisse von Care-Arbeit, finden wir die kapitalistische Ökonomie und das Konzept von Arbeit insgesamt nicht so den Schocker. Es wird ja immer behauptet, dass Kapitalismus voll super sei und es ja anders gar nicht ginge, oder wir zumindest in der bestmöglichsten aller Versionen der Gesellschaft leben würden. Andere geben alleine den Banken die Schuld und verheddern sich schnell in ihrem strukturellen Antisemitismus, ohne Gesamtzusammenhänge auf den Plan zu kriegen. Kapitalismus als einzige Option zu begreifen und Konkurrenzgesellschaft cool zu finden, ist eine ziemlich traurige und gleichsam sehr privilegierte Aussage, denn kapitalistische Produktionsverhältnisse sind eben nicht im Interesse derer, die in Fabriken unter krassesten Bedingungen Klamotten nähen, die anschließend irgendwo teuer in fancy Läden rumhängen. Kapitalismus ist für die scheiße, die unter dem Leistungsdruck psychisch und/oder physisch kaputt gehen.
Die Idee des jetzigen Sozialstaats können diejenigen nicht abfeiern, die regelmäßig vom Amt schikaniert und beschissen werden und denen man dann noch vorwirft, sie würden mit dem Minimum an Geld nicht richtig haushalten. Eine Kritik am jetzigen System bedeutet ja nicht, dass wir bitte alle wieder in ein vorindustrielles Zeitalter zurückkehren und unsere OBs aus Baumwolle selber häkeln sollen.
Luxus ist klasse, und noch viel klassenloser wäre es, wenn allealle daran partizipieren könnten. Das Anrecht auf ein gutes Leben ist gerade sehr einseitig verteilt – das nervt hart und ist super unfair. Deshalb wünschen wir uns eine Gesellschaft, in der alles für alle da ist – und zwar umsonst und ganz ohne Grenzen.
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Gerade ein grenzenloser, antinationaler und rassismuskritischer Feminismus ist uns wahnsinnig wichtig, vor allem auch angesichts der massiven Instrumentalisierung von Antisexismus zur Legitimierung von Rassismus im Kontext der Übergriffe in Köln. Wenn sich weiße deutsche Cis-Männer*, die bislang einen Scheiß drauf gegeben haben oder im besten Fall selber harte Sexisten sind, sich plötzlich für die Sicherheit ‚deutscher‘ Cis-Frauen* ereifern, wenn es sich bei den Tätern* vermeintlich (!) um Geflüchtete handelt, dann ist das einfach nur ekelhaft. Es geht nämlich bei Weitem nicht um eine wirkliche Auseinandersetzung und Kritik von sexistischen Strukturen, sondern um das Markieren von angeblichen Besitzansprüchen. Wenn es tatsächlich um eine Reflexion von Sexismus und Übergriffigkeit ginge, dann müsste man(n) sich nämlich auch mal mit sich selbst und dem eigenen Verhalten auseinandersetzen. Und auch sexualisierte Gewalt gegenüber Schwarzen Frauen*, Trans*Personen oder Women*/Queers of Color thematisieren und verurteilen.
Dagegen wollen wir uns klar positionieren – unser Queerfeminismus bleibt antirassistisch! Zu Zeiten der erschreckenden Ausmaße von Pegida-Wahnsinn und der offenen Verbreitung rassistischen Gedankenguts in allen Bereichen der Gesellschaft, sowie von Übergriffen auf Geflüchtete und ihre Unterkünfte, stellt sich die Frage nach den Gefahren von der Verknüpfung von Sexismus, Rassismus und Nationalismus immer dringlicher. Diese findet ihren Ausdruck nicht nur in den zunehmenden Gewalttaten und den rassistischen Aussagen rechtspopulistischer Kartoffeln. Solche Dinge sind nur die traurige Spitze eines Eisbergs, dessen Fundament in der breiten Gesellschaft verankert ist. Eine menschenverachtende Asylpolitik, die auch von vermeintlich gemäßigten Parteien forciert wird, reproduziert rassistische Ressentiments und die Setzung einer weißen Norm. Meinungen, die Kartoffeldeutsche anbringen, um ihren Rassismus zu begründen, beziehen sich oftmals auf nationalistische Konzepte. So nimmt die leider viel zu oft gehörte Aussage, dass zunächst ‚jeder Deutsche‘ das Recht auf einen Arbeitsplatz hätte, bevor Menschen aus ‚anderen Ländern‘ bei ‚uns‘ ihr Geld verdienen dürften, eine klare Differenzierung zwischen ‚Deutschen‘ und ‚Nicht-Deutschen‘ vor. Wer immer das auch sein mag. Allein die Begrifflichkeiten von ‚wir‘ und ‚die‘ zeigen, dass eine grundlegende Unterscheidung gemacht wird, in dem eine hypothetische Gemeinschaft ‚der Deutschen‘ generiert wird, auf die sich im Zweifelsfall positiv bezogen wird.
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Interessant ist, dass selbst ausgesprochene Feminist*innen ähnlich unreflektierte Argumentationen übernehmen und Antisexismus mit Rassismus verweben.
Die Nation bezeichnet eine Form der kollektiven Identität, die unter historischen Bedingungen sozial und kulturell konstruiert wird – dabei stellt sie allerdings keine unausweichliche Gegebenheit dar, sondern ist Resultat von politischen Prozessen sowie sozialem und kulturellem Wandel. Man muss sich nur mal anschauen, wie sich die Landesgrenzen durch Krieg, Annektierungen oder politische Zusammenschlüsse im Laufe der Geschichte verändert haben und damit ja immer wieder neue Menschen (gewaltvoll) zum Teil einer Nation gemacht wurden. Folgen einer gewaltsamen Zusammenfassung von Menschen zu einer Nation werden verkehrt in den rechtfertigenden Grund dieses Nationalstaates. Das Kriterium für eine Sortierung ist nicht die Ähnlichkeit der Sitten und Gebräuche bestimmter Regionen, die Bestimmung ‚typischer‘ nationaler Eigenarten vollzieht sich willkürlich entlang von Staatsgrenzen. Ein Beispiel hierfür ist, dass die ostfriesische Teekultur ebenso wie bayrisches Weißwurstessen als ‚deutsch‘ wahrgenommen werden, eben weil diese Praxen innerhalb der Staatsgrenzen vollzogen werden und nicht, weil sie sich so ähnlich sind. Genauso wie die Existenz einer Nation und die Zugehörigkeit dazu als etwas Natürliches generiert werden, wird auch Zweigeschlech-
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Dass eine Anzahl höchst unterschiedlicher Menschen ein bestimmtes ‚Volksganzes‘ bilden soll, ist ganz schön absurd.
tlichkeit als eine gegebene und unwiderrufliche Tatsache dahingestellt. Nation und Gender sind jedoch diskursiv erzeugte soziale und kulturelle Konstrukte die Differenzen produzieren:
Die Konstruktion der Nation, ebenso wie die eines binären Geschlechtersystems, beruht wesentlich auf Prozessen des Ausschlusses. Darum fordern wir eine Gesellschaft ohne Grenzen und Nationen – und mit mehr als zwei Geschlechtern. *QUEERFEMINISTISCHE KRITIK AN DER GESAMTSCHEISSE*
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Schon Simone de Beauvoir hat 1949 eine Entkoppelung von Körper und sozialem Geschlecht eingefordert. Nur, weil manche Menschen einen Uterus haben, heißt das noch lange nicht, dass sie automatisch fürsorglich oder mütterlich sind und ihre Identität zwangsläufig auf reproduktive Fähigkeiten reduziert werden kann. By the way, nicht alle Personen mit Uterus können oder wollen Kinder bekommen und außerdem: Wer sagt denn, dass die Person, die den kleinen Klopper aus sich herausgepresst hat, auch gleichzeitig die Kümmerperson Nummer eins sein muss? Für ein emanzipierteres Verständnis von dem, was Familie bedeuten kann, ist es wichtig, diese Vorstellungen über Bord zu werfen und den Zwängen der bürgerlich-biologischen Kleinfamilie adieu zu sagen. Diese von Beauvoir vorgenommene Analyse der Konstruiertheit des naturalisierten ‘Geschlechtscharakters’ wurde später durch die Begriffe sex (biologisches Geschlecht) und gender (soziales Geschlecht) erweitert. Während gender als sozialisiert beschrieben wurde (also durch Gesellschaft und Erziehung beigebracht und erlernt), blieb das biologische Geschlecht unverändert als zweigeschlechtlich vorausgesetzt. Diese in feministischen Diskursen lange Zeit als Tatsache hingenommene Unterscheidung wurde 1990 von Judith Butler in ihrem* Buch Gender Trouble kritisch hinterfragt. Butler konstatiert darin, dass auch das biologische Geschlecht nicht ‘natürlich’, sondern ein Effekt von gender und einer bestimmten wissenschaftlichen Perspektive sei. Kritische Biolog*innen geben ihr* darin Recht und sagen, dass es auch ‚biologisch‘ mehr als bloß zwei Geschlechter gibt. Es stellt sich die Frage, wonach Zweigeschlechtlichkeit eigentlich festgelegt wird? Durch das, was wir zwischen den Beinen haben? Über Chromosomen? Oder sind es doch die Hormone? Und warum braucht es eigentlich diese Einteilung und Kategorisierung von Menschen, außer durch normativen Bullshit bestimmte Machtansprüche zu festigen? Zudem haben seeehr lange Zeit irgendwelche Cis-Dudes* diese Wissenschaft geprägt und festgelegt, was ‚richtig‘ und ‚falsch‘ sein soll. Butler schreibt außerdem, dass Geschlecht etwas mit Performativität zu tun hat, also dass wir jeden Tag eine Rolle mit verschiedenen Facetten spielen, die wir so gelernt haben. Wenn ich als weiblich* sozialisierte Person zum Beispiel meine Beine überkreuze, wenn ich in der Bahn sitze und der Cis-Typ* neben
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mir schöön manspreading betreibt, also breitbeinig dasitzt und sich so viel Raum nimmt, wie seine* Eier (oder sein* Ego) brauchen. Das sind keine ‚natürlichen‘ Körperhaltungen, sondern Techniken, die wir lernen und unbewusst verinnerlichen. Wieviel Raum darf mein Körper einnehmen? Wie gehe, esse, spreche ich? Wie bewege ich mich durch welche Räume? Wenn man mal anfängt darüber nachzudenken, wodurch ‚Geschlecht‘ eigentlich produziert wird, fallen einem bestimmt xtausend Gesten ein, die ganz klar ‚weiblich*‘ oder ‚männlich*‘ codiert sind. Deshalb ist es ja auch so vermeintlich witzig, wenn bärtige Typen* irgendwelche sexistische Werbung nachstellen – die Inszenierung ‚weiblich*‘ konnotierter Körpertechniken durch Männer* kommt einem Tabubruch gleich, der von vielen als ‚lustige‘ Mimikry angesehen wird. Gleichsam entlarven solche Brüche mit bestimmten gegenderten Codes ebenjene normativen Diskurse und können als subversive Praxis eingesetzt werden:
Im Alltag diese normierten Geschlechterrollen zu durchbrechen ist gar nicht so easy. Wahrscheinlich wirst du ziemlich doofe Blicke und Sprüche kassieren, wenn du dich als Frau* gelesene Person in der Bahn zwischen den Beinen kratzt oder eben breitbeinig dasitzt – zu Letzterem gab es bereits einige Videoprojekte, in denen Frauen* mit versteckter Kamera die Reaktionen auf ihre* lässige Sitzpose gefilmt haben. Die Gesichtsausdrücke der Passant*innen sind priceless – von Entsetzen zu unendlicher Irritation haben wir alle Emotionen versammelt. Doofe Blicke sind allerdings nur ein Teil der gewaltvollen Erfahrungen, die Personen mit vermeintlich gendernonkonformem Verhalten und Auftreten alltäglich erleben. Zum Beispiel wird oftmals das heterosexuelle Begehren eines Typen* sofort in Frage gestellt und aggressiv verurteilt, der* keinen klassisch ‚männlichen*‘ Habitus hat – also vielleicht seinen* kleinen Finger von der Bierflasche abspreizt oder dessen* Hüften ein bisschen mehr shaken als die von Arnold Schwarzenegger. Wie bescheuert ist das eigentlich, von
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Durch das Aneignen geschlechtlich genormter Posen kann einerseits die Absurdität dieser Werbe_Bilder verdeutlicht und gleichsam auch die performative Konstruiertheit von Geschlecht bewusst gemacht werden.
bestimmten Gesten darauf zu schließen, wen ich gern hab? Und wen interessiert das eigentlich? Das ist beispielsweise auch eine Kritik Butlers an der Gesellschaft, die Zwangsheterosexualität. Sprich: Heterosexualität wird als Norm gesetzt und alles andere ist dann eine ‚Abweichung davon‘. Ziemlicher Bullshit.
Wir finden jede*r sollte die Person*en lieben, die er*sie will. Ob sich diese Person*en nun als queer, oder Trans*, oder agender, als Mann* oder Frau* oder Inter*, oder … definieren und ob sie Persons of Color oder weiß sind, sie es zu dritt oder allein, romantisch oder platonisch, eher asexuell oder bdsm-affin zelebrieren: Solange das Ganze auf Konsens beruht und alle damit glücklich sind, ist doch alles tutti. Es gibt aber leider immer noch wahnsinnig viele Menschen, die das nicht so sehen und dieser Ignoranz möchten wir in unseren queerfeministischen Kämpfen begegnen. Eine intersektionalere Perspektive hat sich auch Butler für den Feminismus der 90er gewünscht. Dort wurde sich oftmals nur auf die politische Kategorie der Frau* (obwohl damals klar ohne Sternchen gedacht) bezogen. Es kann aber a.) sowieso nicht davon ausgegangen werden, dass es eine homogene Gruppe von Frauen* gibt und b.) wird durch diese Essenzialisierung (also die Annahme einer universell-wesenshaften ‚Weiblichkeit*‘) eben eine neue Kategorie gebildet, die nur bestimmt definierte Individuen adressiert. Butlers Gegenvorschlag zu diesem einseitigen Feminismus war zum einen die Dekonstruktion von Geschlechterkategorien überhaupt, als auch Heterosexismus und Intersektionalität auf den Plan zu kriegen.
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*INTERSEKTIONALITÄT – EIN BLICK IN DIE SCHUBLADEN* Es gibt neben (Hetero)Sexismus noch andere Machtlinien und Diskriminierungsstrukturen in unserer Gesellschaft, wie Rassismus, Antisemitismus, Klassismus, Ableism oder Lookismus. Ganz schön viele -Ismen, zugegeben. Besonders scheiße wird es, wenn du von diesen -Ismen betroffen bist: Also wenn du beispielsweise Schwarz bist und von Leuten aufgrund dessen anders als eine weiße Person behandelt wirst, weil Weißsein immer noch als unsichtbare Norm gesetzt wird. Oder (struktureller) Antisemitismus teilweise immer noch salonfähig ist und du dir als Jüd*in irgendwelchen verschwörungstheoretischen Mist anhören musst. Oder wenn du als Kind von Harz IV Empfänger*innen mal wieder nicht auf irgendeine Klassenfahrt mitfahren kannst, weil niemand mal auf die Idee kommt, coole Sachen zu organisieren, bei denen wirklich alle mitmachen können, unabhängig vom Einkommen ihrer Eltern. Oder wenn du und dein*e Freund*in euch nicht küssen könnt in der Öffent-
Eine weiße Mittelstands-Cis-Frau* erfährt beispielsweise andere Sachen, als eine Schwarze Trans*Frau*. Erfahrungen von FLIT* Personen sind nicht alle gleich, manche erleben neben dem alltäglichen Sexismus noch Trans*phobie, andere Rassismus oder aber beides gleichzeitig. Die Analyse, wie sich diese verschiedenen Kategorien bedingen, in die dich die Gesellschaft packt und wie sie miteinander verwoben auf Personen wirken, heißt Intersektionalität. Ein queerer Ansatz versucht Kategorien wie Geschlecht zu dekonstruieren, intersektionale Ansätze versuchen zu verstehen, wie diese gerade noch existierenden Einteilungen miteinander funktionieren. Klingt verschieden – schließt sich aber gegenseitig nicht aus: Eine intersektionale Perspektive sollte immer auch Teil einer queerfeminisministischen Kritik sein, denn obwohl das Ziel ja eigentlich ist, den Zwang von Kategorien abzuschaffen und frei und gleich und glücklich zu leben, ist es für eine Bestandsaufnahme der Gesamtscheiße und dem, was gehörig schief läuft, sehr wichtig zu checken, in welche Raster die Gesellschaft Menschen packt und was das mit Macht und Ungleichheit zu tun hat. Deshalb beziehen wir uns in vielen Texten auch noch auf den Begriff der Frau*, da die gesellschaftliche Realität leider immer noch ziemlich unqueer ist und Menschen kategorisch einteilt in zwei Geschlechter. Darunter verstehen wir allerdings keine biologistische Kategorie, sondern ein Konstrukt. Zudem umfasst der Begriff alle Personen, die sich als Frauen* verstehen, bzw. die von der strukturellen Diskriminierung des heteronormativen Patriarchats betroffen sind.
*KRITIK AN DER KAPITALISMUSKRITIK ODER: HAT HIER JEMENSCH NEBENWIDERSPRUCH GESAGT?*
Manche Menschen in linken Kontexten sagen, wenn erstmal der Kapitalismus abgeschafft ist, dann leben wir alle im Happyland ohne Ungleichheiten. Deshalb ist Queerfeminismus nicht so wichtig und mit sexistischen Strukturen (auch im eigenen Leben) müsse man(n) sich gar
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Personen können von verschiedenen Diskriminierungen betroffen sein, oder von mehreren gleichzeitig, weil sie verschieden in der und durch die Gesellschaft positioniert werden.
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lichkeit, weil irgendwelche homo/trans*phoben Arschsäcke euch doofe Kommentare hinterherrufen. Oder wenn du als Rollstuhlfahrer*in mal wieder nicht das coole Konzert am Wochenende besuchen kannst, wegen der bekackten Treppen. Oder wenn dein awesome fetter*kleiner*großer*dünner*haariger*gestreifter Body gesellschaftlich beständig (negativ) bewertet und kommentiert wird, obwohl du niemanden um eine Meinung gefragt hast.
nicht beschäftigen, das würde sich ja eh erledigt haben, wenn man(n) genug Sticker mit fetzigen Antikapitalismussprüchen verklebt. Nebenwiderspruch nennen das Leute, die ihren Bullshit in klug verkaufen wollen.
15 Kapitalismus fußt aber auf Geschlechterdifferenz und den Konzepten Familie, Ehe, Zweigeschlechtlichkeit, Heteronormativität genauso wie auf Rassismus, Nationalismus und einer bestimmten Ökonomie. Die Kritik und Transformation der Verhältnisse MUSS zeitgleich passieren, denn nur wenn sich das Geschlechterverhältnis verändert und auflöst, kann die Ökonomie mit der Trennung von Produktions- und Reproduktionsarbeit so auch nicht mehr aufrechterhalten werden. Außerdem: Rassismus und Heterosexismus sind ja nicht nur in der kapitalistischen Ordnung begründet, sondern existieren auch ohne sie. An den Gegebenheiten muss sich grundlegend etwas ändern und eine Auseinandersetzung damit kann nicht einfach auf die Wartebank geschoben werden.
Unsere Kritik setzt hier und jetzt an, bei uns selber, in unserer Crew, in der Schule, in der Szene, im Alltag. Der erste Schritt ist zu erkennen, was uns stinkt – um dann zusammen für eine coolere Gesellschaft zu fighten (mit unseren Mitteln & Ressourcen), in der Geschlecht sowas von yesterday und Solidarität angesagt ist.
In_Formation
Wir wollen nicht nur Däumchen drehen bis zum Sanktnimmerleinstag und warten, bis sich der Kapitalismus selbst weggewirtschaftet hat.
Quellen & Anmerkungen *: Das Sternchen hinter Begriffen wie Mann* oder Frau* soll verdeutlichen, dass es sich dabei um Konstrukte handelt. Auch wenn sich in der gesellschaftlichen Logik auf biologistische Zweigeschlechtlichkeits-Kackscheisse bezogen wird – wie beispielsweise in der Theorie der Geschlechterdifferenz im Kapitalismus, oder im Text über cis-Personen geschrieben wird, setzten wir als Autor*innen hinter diesen Wörtern trotzdem das Sternchen, um deren Gemachtheit aufzuzeigen. Blum, Robert (1848): Volkstümliches Handbuch der Staatswissenschaften und Politik. Ein Staatslexikon für das Volk. Leipzig. Brändli, Sabina (1996): „Sie rauchen wie ein Mann, Madame“. Zur Ikonographie der rauchenden Frau im 19. Und 20. Jahrhundert. In: Hengartner/Merki (Hg.): Tabakfragen. Rauchen aus kulturwissenschaftlicher Sicht. Chronos Verlag, Zürich. S. 81- 109
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Her mit dem schönen Leben – sofort und mit Kirsche drauf!
NOTIZEN
Sein Lasse
en
Supp y lo gr g
port your ocal rrrl* gang
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ICH HABE KEINE LUST MEHR DARAUF DER BÖSE ZU SEIN
Seitdem ich mich mit feministischen Themen befasse, erlebe ich immer wieder Situationen, in denen ich mich mit anderen Menschen in Diskussionen verstricke, selbst wenn das gar nicht gewollt war. Ich merke, dass ich mit meinen Ansichten selbst unter Menschen, die ich als irgendwie ‚alternativ‘ oder einer bestimmten Szene zugehörig einschätze, sehr oft anecke. Manchmal sind solche Gespräche interessant und fruchtbar, oft aber auch nervenaufreibend und frustrierend. Dieser Beitrag gibt einen Austausch wieder, den ich in einem online Forum mit jemandem geführt habe, der sich in der linksautonomen Szene bewegt. Das Gespräch war erst eher persönlich, entwickelte sich dann aber zu einer Diskussion über FLIT* Räume, also Veranstaltungen und Projekte, die sich an Frauen*, Lesben, Inter- und Trans* Personen richten und von denen Cis-Männer* ausgeschlossen sind. Persönliche Informationen habe ich herausgenommen, sodass nur die Textteile wiedergegeben sind, die zu unserer Diskussion gehören, denn es geht mir nicht darum, eine bestimmte Person zu kritisieren.
Mit diesem Beitrag möchte ich zum einen ein Beispiel für meine persönlichen Erfahrungen mit dem Bestreiten meiner Ansichten wiedergeben, zum anderen exemplarisch Haltungen aufzeichnen, die so in der linksautonomen Szene vertreten werden. Ich erhebe nicht den Anspruch, dass meine eigenen Argumentationen, wie sie hier wiedergegeben sind, der Weisheit letzter Schluss seien und in jedem Fall richtig, es handelt sich um spontane Reaktionen und Argumente, die aus der Diskussion heraus entstanden sind. Der Textausschnitt setzt an einer Stelle an, in der wir uns über Aktivitäten und Interessen austauschen und ich erzählt habe, mit einer Gruppe an einem queerfeministischen Zine zu arbeiten.
25 Nickname Ein feministisches Zine? Ok. Wir versuchen gerade eine Awareness Struktur für Festivals aufzubauen mit Menschen, die Sexismus nicht begreifen... aber Hilfe holen ist da schwierig, da ich mit einigen feministischen Personen und Gruppen auf Abstand gehe. Ich glaube, Verbitterung macht blind und vor allem diese “Thron-Position”, die sich in Diskussionen Akteurinnen anmaßen und sagen, wer reden darf und wer nicht, kotzt mich an. Ich finde Feminismus und Antisexismus mehr als wichtig und angebracht aber habe keine Lust mehr darauf der Böse zu sein, nur weil ich eben bin, wer und was ich bin. Naja, ist n Frust Thema bei mir.
finds ziemlich schade, dass sich immer wieder Männer*, die theoretisch offen für solche Themen sind, von Feminismus distanzieren, weil sie sich in die Ecke ‚der Bösen‘ gedrängt fühlen. Ist aber auch schwierig, weil ja strukturell tatsächlich Männer* die Gruppe sind, die im Machtverhältnis oben steht, und ich schon den Eindruck hab, dass viele keinen Bock haben sich damit auseinanderzusetzen.
Der Böse
Ich Hm das klingt nach ner schwierigen Aufgabe! Ja ich kenn diese Frust-Thematik leider ziemlich gut von Männern* mit denen ich befreundet oder auch zusammen war und
Nickname Naja bist du solidarisch heißt es ‚Fürsprecher‘, was ist daran schlimm FÜR etwas zu reden? Nennt man das nicht Solidarität? Naja, es heißt, ich sei ein Macker, habe nen Bart, höre Blackmetal und bin zufrieden mit mir... und dann darf ich mir von queer Menschen (verstehe nicht warum das Annehmen sogenannter ‚weiblicher* Attribute‘ wie ein Rock z.B. was ihn als solchen bestätigt überwindend sein soll) anhören, ich solle meine weibliche* Seite zeigen wie z.B. Sensibilität. Dass die Aussage sexistisch ist, interessiert keine Sau. Hab mich damals in Ortsname vielen Angriffen aussetzen dürfen, da mir wohl Habitus und Interesse an Hegemonie fehlt. Ne Freundin wollt nicht mit nem Mädel schlafen nach ner Party und dann war sie „heteronormative Kackscheiße“. Ich frag mich, gehts noch? Hab da viel Wut und Frustration erfahren, als weißer Cis-Mann*, der weder queer, schwul oder was-weiß-ich ist, bist du der Arsch, egal wie du denkst, das ist stumpfes Schwarz-Weiß-Denken was man bei Faschos häufig antrifft. Ich Hmm da passieren schon teilweise komische Sachen... also ich bin auf jeden Fall der Meinung, dass alle rumlaufen und aussehen dürfen wie sie wollen, es hat ja überhaupt keinen Sinn Menschen zu sagen, dass sie ‚klassische‘ mit Geschlechtern verknüpfte Attribute nicht tragen dürfen, dann dürfte ich ja auch keine langen Haare haben.. Und ich finde auch, dass sich jede*r frei fühlen können sollte, heterosexuell und/oder Cis-gender zu sein oder monoamouröse Beziehungen zu führen, wenn das eben das ist, womit der*diejenige
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Andererseits kenn ich auch Männer*, die das tun und in feministischen Kontexten total gut klar kommen.. Ich weiß noch nicht genau was den Unterschied ausmacht, also wie was zustande kommt...
sich wohl fühlt. Aber auch immer vor dem Hintergrund, dass diese Problema-
Hegemonie tik sich auf die kleine Blase unserer Szene bezieht, während es in der GesamtVorherrschaft
gesellschaft ja ganz anders aussieht. Das Ziel sollte natürlich sein, die Normalzustände der Gesellschaft zu dekonstruieren, aber ohne irgendwen in ein Heteronormativität bestimmtes Muster zu zwingen. Scheint irgendwie nicht so einfach zu sein.. Heteronormativität beschreibt eine Weltsicht,
die Heterosexualität als soziale Norm fordert. Sie ist eine >> weiße >> ableisierte Normsetzung von zweigeschlechtlichen Paarbeziehungen. Nickname Daran schließt sich das Verständnis an, dass es Naja es wird ein ‚Soll-Bild‘ erschaffen. Und was da raus fällt ist falsch, ich ausschließlich zwei Geschlechter und einmich formen zu lassen für eine freie Welt. Bin auch ein sehegibt es nicht dass Geschlecht festgemacht wird an vermeintlich Gegner von FLIT* Tagen in autonomen Zentren. Hatten das in Ortsname, ‚eindeutigen‘ biologischen Merkmalen.
ohne gemeinsame Workshops, Diskurse oder irgendwas. Es war ein reines „nä nä nä, heute dürfen nur wir rein“ und wenn du Kritik geäußert hast am Konzept, gab es Hausverbot. Das war eine von vielen Erfahrungen bis hin Heterosexismus zur Abwertung meiner ex-Freundin als „Beiwerk des Mackers“ usw. Unter Heterosexismus wird ein verbalen gesellschaftliches (vgl. feministisch-sprachhandeln.org)
Klima verstanden, in dem heterosexuelle Beziehungen immer bevorzugt und gleichgeschlechtliche/ polyamouröse/ >> queere Lebensweisen disIch kriminiert und unsichtbar gemacht werden. Also den ersten Punkt kann ich gut verstehen, über die FLIT*-Sachen hab (queer-lexikon.net) ich ‘ne
andere Meinung. Dadurch, dass wir eben in ‘ner Männer*-Gesellschaft leben und man das als FLIT*-Person auch jeden Tag zu spüren kriegt, erleb Intersexualität / Inter* ich solche Aktionen, wo man sich einfach mal Freiraum schafft, als sehr angeBei Inter* geht es im Bedingungen, in denen die nehm. Klar gibts auch kritische Punkte an dem Konzept bzw. an dem Ausreproduktive oder geschlechtliche Anatomie, mit schluss-Prinzip, aber ich versteh trotzdem nicht, warum es nicht mal für einen der eine Person geboren wird, nicht zuordenbar Tag möglich scheint nach HERRschenden Maßstäben, Inter*ist, einer Gruppe von Menschen, die oft genug Ausschluss erfahren, diesen Raum zu lassen. ist ein Sammelbegriff für Menschen, deren Da scheints ja bei euch ordentlich gekracht zu haben. Keine Ahnung, ich ‚biologisches’ Geschlecht (beispielsweise die kann dir da jetzt auch schwer sagen, dass das alles furchtbar ungerecht war, Genitalien oder die Chromosomen) nicht in die Norm von ‚eindeutig’ männlichen* oder weil ich einfach nicht dabei war und nicht den Eindruck hab, darüber weiblichen* Körpern zu passen scheint. urteilen zu können... (vgl. feministisch-sprachhandeln.org/glossar/)
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Intersektionalität Nickname Diskriminierungen sind immer komplex und people of color ( poc )-Tag ist, und Naja u.a weil ich gefragt habe, wo der mehrschichtig. Es gibt verschiedene Formen von Women* of Color ja rein kommen können und ich mir gesagt wurde, dass Diskriminierung wie Rassismus, (Hetero)Sexismus eine Person gefragt habe, wie sie sich anmaßen kann, ihren Erfahrungen oder Ableismus (…), von denen Personen einzeln mehr Gewicht zu geben als denen eines Flüchtlinges. jedoch auch kombiniert betroffen sein können. Ich kann dein Argument verstehen, nur verstehe ich nicht, warum UnbeteiIntersektionalität fokussiert diese sich gegenseitig bedingenden Positionierungen von Menschen in ligte bestraft werden für eine Gesamtproblematik? der Gesellschaft und macht das Zusammenwirken verschiedener Diskriminierungsformen sichtbar.
Ich
Lookismus Wieso stellt man denn die eigenen Erfahrungen über die eines*r Geflüchteten, Beschreibt die Normierung von Körpern entlang nur weil man sich in dem Moment mit dem Thema Sexismus beschäftigt von Schönheitsnormen. (lookism.info) und nicht mit Rassismus? Das ist wie wenn Fleischessende einem vorwerfen,
wie man sich nur mit Tierrechten beschäftigen könnte, wenn doch auf der
Naturalisierung Welt auch Kinder verhungern. Es sind zwei Themen und beide sind wichtig.. Oft verbunden mit dem Argument der menschlwelchem Sinne werden denn Unbeteiligte bestraft? Weil Cis-Männer* ichen Reproduktion, nachdemInHeterosexualität
da mal ausgeschlossen werden?
Der Böse
Ich für menschlichen Nachwuchs sorge >> BiologisHm das klingt nach ner schwierigen Aufgabe! mus. Gesellschaftlich konstruierte Konzepte Ja ich kenn diese Frust-Thematik leider ziemlich gut von Männern* mit denen (Zweigeschlechtlichkeit, Heterosexualität, ich befreundet oder auch zusammen war und >> Patriarchat, Arbeitsteilung, Nation) werden
als wieder immer dagewesene Strukturen und Größen finds ziemlich schade, dass sich immerhingestellt und über ihre vermeintliche ‚Natürlichkeit‘Themen legitimiert. Somit werden Machtlinien Männer*, die theoretisch offen für solche und Diskriminierungen verschleiert und die sind, von Feminismus distanzieren, weil sie der Verhältnisse bleibt unsichtbar. Gemachtheit sich in die Ecke ‚der Bösen‘ gedrängt fühlen. Patriarchat Ist aber auch schwierig, weil ja strukturell Wörtlich: Herrschaft von Vätern. Bezeichnet nun epochenübergreifende Gesellschaftssysteme tatsächlich Männer* die Gruppe sind,auch die im und Beziehungen, bei denen einige Männer* dominant und Frauen* untergeordnet sind. Machtverhältnis oben steht, und ich schon Verknüpft wird das Patriarchat oft mit dem den Eindruck hab, dass viele keinen Bock haben Kapitalismus und der Verdrängung der Frau* in die reproduktive, häusliche bzw. schlechter sich damit auseinanderzusetzen. bezahlte Arbeit.
Andererseits kenn ich auch Männer*, die das tun und in feministischen POC Kontexten total gut klar kommen.. Ich weiß noch nicht genau was den Der Begriff steht für Person of Color (Einzahl)/ Unterschied ausmacht, also wie was zustande kommt...
People of Color (Mehrzahl) und ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die von Rassismus betroffen sind. Es ist ein Bündnisbegriff, der Nickname Verbindungslinien zwischen Menschen herstellt, Naja bist du solidarisch heißt es ‚Fürsprecher‘, was ist daran schlimm FÜR die Rassismuserfahrungen machen.
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etwas zu reden? Nennt man das nicht Solidarität? Naja, es heißt,(vgl. ichfeministisch-sprachhandeln.org/glossar/) sei ein Macker, habe nen Bart, höre Blackmetal und bin zufrieden mit mir... und dann darf ich mir von queer Menschen (verstehe nicht warum das Queer Früher Annehmen sogenannter ‚weiblicher* Attribute‘ wie ein Rock z.B. Schimpfwort, was ihn als heute Selbstbezeichnung für Menschen, die ihre Identität oder sexuellen solchen bestätigt überwindend sein soll) anhören, ich solle meine weibliche* Orientierungen als ‚außerhalb der gesellschaftist, interessiert Seite zeigen wie z.B. Sensibilität. Dass die Aussage sexistisch lichen Norm‘ verorten. Queer beschreibt aber auch keine Sau. Denkrichtung, Hab mich damals in Ortsname vielen Angriffen aussetzeneine dürfen, da mir die sich gegen Schubladendenken wehrt wie z.B. die Queer Theory als wohl Habitus und Interesse an Hegemonie fehlt. Ne Freundin wollt nicht theoretisches Konzept, das zweigeschlechtliche mit nem Mädel schlafen nach ner Party und dann war sie „heteronormative Norm sowie >> naturalisierende Diskurse Kackscheiße“. Ich frag mich, gehts noch? dekonstruieren möchte und vermeintlich Gegeder Gesellschaft weder Hab da viel Wut und Frustration erfahren, als weißer Cis-Mann* benes in, der kritisch hinterfragt. queer, schwul oder was-weiß-ich ist, bist du der Arsch, egal wie du denkst, das ist stumpfes Schwarz-Weiß-Denken was man bei Faschos häufig antrifft. Queerfeminismus Queerfeminismus begreift sowohl >> sex als auch >> gender als gesellschaftlich konstruierte Kozepte. Einen radikalen Queerfeminismus, wie wir ihn Ich positioniert Hmm da passieren schon teilweise komische Sachen... also verstehen, ich bin auf jeden sich kritisch gegen Diskriminierung jeglicher Form und versucht Fall der Meinung, dass alle rumlaufen und aussehen dürfen wie sie wollen, >> naturalisiernden es hat ja überhaupt keinen Sinn Menschen zu sagen, dass sie ‚klassische‘ mitDiskursen von Geschlecht, Sexualität oder Nation kritisch entgegenzustehen.
Geschlechtern verknüpfte Attribute nicht tragen dürfen, dann dürfte ich ja auch keine langen Haare haben.. Und ich finde auch, dass sich jede*r frei fühlen können sollte, heterosexuell und/oder Cis-gender zu sein oder monoamouröse Beziehungen zu führen, wenn das eben das ist, womit der*diejenige
sich wohl fühlt. Aber auch immer vor dem Hintergrund, dass diese Problematik sich auf die kleine Blase unserer Szene bezieht, während es in der Gesamtgesellschaft ja ganz anders aussieht. Das Ziel sollte natürlich sein, die Normalzustände der Gesellschaft zu dekonstruieren, aber ohne irgendwen in ein bestimmtes Muster zu zwingen. Scheint irgendwie nicht so einfach zu sein.. Nickname Naja es wird ein ‚Soll-Bild‘ erschaffen. Und was da raus fällt ist falsch, ich sehe es nicht einmich formen zu lassen für eine freie Welt. Bin auch ein Gegner von FLIT* Tagen in autonomen Zentren. Hatten das in Ortsname, ohne gemeinsame Workshops, Diskurse oder irgendwas. Es war ein reines „nä nä nä, heute dürfen nur wir rein“ und wenn du Kritik geäußert hast am Konzept, gab es Hausverbot. Das war eine von vielen Erfahrungen bis hin zur verbalen Abwertung meiner ex-Freundin als „Beiwerk des Mackers“ usw. Ich Also den ersten Punkt kann ich gut verstehen, über die FLIT*-Sachen hab ich ‘ne andere Meinung. Dadurch, dass wir eben in ‘ner Männer*-Gesellschaft leben und man das als FLIT*-Person auch jeden Tag zu spüren kriegt, erleb ich solche Aktionen, wo man sich einfach mal Freiraum schafft, als sehr angenehm. Klar gibts auch kritische Punkte an dem Konzept bzw. an dem Ausschluss-Prinzip, aber ich versteh trotzdem nicht, warum es nicht mal für einen Tag möglich ist, einer Gruppe von Menschen, die oft genug Ausschluss erfahren, diesen Raum zu lassen. Da scheints ja bei euch ordentlich gekracht zu haben. Keine Ahnung, ich kann dir da jetzt auch schwer sagen, dass das alles furchtbar ungerecht war, weil ich einfach nicht dabei war und nicht den Eindruck hab, darüber urteilen zu können...
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Nickname Naja u.a weil ich gefragt habe, wo der people of color (poc)-Tag ist, und mir gesagt wurde, dass Women* of Color ja rein kommen können und ich eine Person gefragt habe, wie sie sich anmaßen kann, ihren Erfahrungen mehr Gewicht zu geben als denen eines Flüchtlinges. Ich kann dein Argument verstehen, nur verstehe ich nicht, warum Unbeteiligte bestraft werden für eine Gesamtproblematik? Ich Wieso stellt man denn die eigenen Erfahrungen über die eines*r Geflüchteten, nur weil man sich in dem Moment mit dem Thema Sexismus beschäftigt und nicht mit Rassismus? Das ist wie wenn Fleischessende einem vorwerfen, wie man sich nur mit Tierrechten beschäftigen könnte, wenn doch auf der Welt auch Kinder verhungern. Es sind zwei Themen und beide sind wichtig.. In welchem Sinne werden denn Unbeteiligte bestraft? Weil Cis-Männer* da mal ausgeschlossen werden?
Der Böse
Nickname Das hat damit nichts zu tun, sondern damit, dass ein Raum geschaffen wird, der einfach in keinem Verhältnis steht (das AZ war ein riesen Komplex und es wurde ein Raum genutzt, Gruppen, die Projekte vorbereiten mussten hatten Pech gehabt) und ich verstehe das Prinzip immer noch nicht. Wie soll durch das eigene Wegschließen ein Raum für alle entstehen, es sollte um Befreiung gehen und nicht um irgendwelche politisierten Vergeltungsschläge. Was soll denn jetzt das Cis-Männer*? Cis-Männer* (im übrigen auch so ne Sache, Begriffe trennen) sind keine homogene Masse martialischer Macker, die alle das Patriarchat wollen, sondern um Trennung durch biologische Geschlechter [sic!], das ist keine antisexistische Befreiung, für mich grenzt es eben an Apartheid. Ich frage mich wo mein Freiraum ist? Klar bin ein Cis-Mann* und damit Ende, aber wer ich bin oder wo ich Unterdrückung erfahre, interessiert in dem Moment nicht, da ich ein Kerl bin und damit ‚falsch‘ wo jede ‚Frau*‘ (egal wie sie* drauf ist) direkt einen Hoheitsstatus erfährt. Und das ist mein Problem damit einfach.
Ich Bei FLIT* Projekten geht es darum, mal für eine kurze Zeit eine Art Auszeit zu haben und unter Menschen zu sein, die den gleichen Erfahrungshintergrund haben wie man selber. Es geht doch gar nicht darum, jemanden zu strafen oder sich zu rächen! Was sollte das denn bitte auch für ne Rache sein? Klar gibts auch total viele entspannte und coole Männer* und natürlich kann auch Niemand was dafür, nicht die Erfahrungen machen zu können, die man als Frau* nun mal machen muss, aber wir suchen uns auch nicht aus jeden Tag mit beschissenem sexistischem Verhalten konfrontiert zu werden und uns jeden Tag behaupten zu müssen!
Wer das Konzept von Schutz- oder Freiräumen nicht versteht, hat einfach keine Vorstellung davon, wie der Alltag aus FLIT*perspektive aussieht. Das ist genau das was ich meine, wenn ich sage, dass viele Männer* einfach keinen Bock haben, sich mit den Strukturen des Alltagspatriarchats auseinanderzusetzen. Und klar ist eine gemeinsame Auseinandersetzung mit Sexismus superwichtig, quasi das A und O wenn man etwas verändern will, aber auch diese
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Ich will etwas erschaffen wo die Menschen gleich behandelt werden und nicht wo ‚Randgruppen‘ sich bashen und versuchen die ‚am meisten betroffenen und somit am wertvollsten‘ zu sein.
Auseinandersetzung wird von uns praktisch jeden Tag gefordert und man muss sich dieser Auseinandersetzung auch mal entziehen dürfen (Ich kann ja offensichtlich nicht mal mit jemandem über n Online-Forum schreiben, ohne seinen ganzen Frust abzukriegen sobald ich sage, dass ich mich mit Feminismus beschäftige).
Und diese Empörung und Wut, die das dann hervorruft, wenn Frauen* sich mal Räume aneignen und Regeln aufstellen finde ich geradezu bezeichnend dafür, wie die Machtverhältnisse in unserer Gesellschaft normalerweise sind. Ein einziges Mal wird Männern* irgendein Raum vorenthalten und schon sind sie der Meinung ganz schlimm diskriminiert zu werden von diesen dominanten Emanzen.. Sorry, da hält sich meine Empathie echt in Grenzen. Die Bezeichnung Cis-Männer* hab ich deswegen benutzt, weil das die Gruppe ist, die von FLIT*-Räumen ausgeschlossen ist, und das war ja das Thema um das es geht. Ich fänds ja auch toll, wenn wir alle immer schön zusammen leben könnten, ohne dass Geschlechter eine Rolle spielen, das wär ja der Optimalzustand, aber diese Illusion von ‚post-gender‘ hat leider mit der Realität und der jetzigen Gesellschaft ziemlich wenig zu tun. Man merkt das ja grade in Orten der linksautonomen Szene, wo eigentlich niemand Sexismus möchte (was ja schon mal ein guter Anfang ist und mehr als man anderswo antrifft), aber viele Strukturen trotzdem bleiben. In einer idealen Welt bräuchten wir natürlich keine FLIT* Projekte, aber da sind wir nun mal noch nicht.
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Nickname Ok. Ich gebe dir da bedingt auch Recht, klar gibt es Verhältnisse denen FLIT* (zur Vereinfachung) ausgesetzt sind, keine Frage, aber ich finde es schwierig sich Raum zu nehmen, den andere (nicht erwähnte) Menschengruppen genauso benötigen. Dadurch entsteht, meiner Meinung nach, eine Singularisierung, die Machtverhältnisse lediglich umkehrt. Die oben erwähnten ‚anderen Menschengruppen‘ (keine Ahnung wie ich das am besten ausdrücken soll/ kann) benötigen Freiraum genauso, doch der wird weder ermöglicht noch erfragt. (Stell mal FLIT* Räume in ein Verhältnis zu poc-Räumen, unterdrückten Glaubensrichtungen innerhalb der linken Strukturen, Räume für homosexuelle Männer* usw. usw.). Ich finde nämlich, dass da eine klare Ungerechtigkeit entsteht gegenüber Betroffenen anderer Machtverhältnisse – die wie gesagt neu entstehen – und somit auch neue Betroffenheit. Klar gibt es auch Deppen, die die Tatsache der Unterdrückung der Frau* in der Gesellschaft nicht erkennen oder wahrhaben wollen, nur bedenke einfach, dass z.B. der von dir erwähnte “Frust” den du abkriegst ebenso eine Betroffenheit ist, die eben durch den Austausch entstand.
gibt es ne Männer*gruppe zum Thema Sexismus, weils vielen Männern* leichter fällt sich mit dem Thema erstmal ‚untereinander‘ zu befassen und sich mit Menschen auszutauschen, die einen ähnlichen Erfahrungshintergrund haben.
Der Böse
Ich Klar gibts auch andere Gruppen, die solche Räume brauchen, und die haben auch meine volle Solidarität wenn sie sich die nehmen. In Ortsname gibts z.B. regelmäßig Partys nur für schwule Männer*. Oder in Ortsname
Die Diskussion ging noch eine Weile in der Art weiter, verlief sich aber irgendwann. Im Nachhinein fällt mir besonders auf, wie poc als Menschengruppe, die ebenfalls Diskriminierung erfährt, in der Argumentation dazu benutzt wird, den Freiraum den Frauen* sich bei FLIT* Projekten nehmen, in Frage zu stellen. Dabei geht es meinem Gesprächspartner eigentlich um seine vermeintliche Diskriminierung wegen seines männlichen* Geschlechts, aber mit konkreten gesellschaftlichen Beispielen konnte er* dafür nicht aufwarten.
Mal ganz davon abgesehen, dass FLIT* und poc keine getrennten Gruppen sind, die gegeneinander gestellt werden können, sondern Queers* und Women* of Color als Schnittmenge beider Gruppen von verschiedenen Formen der Diskriminierung in besonderer Weise betroffen sind.
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Sowas finde ich auch völlig Ok, weil all diese Dinge nicht der erwünschte Zielzustand sind, sondern Mittel und Wege sich mit Problemen auseinanderzusetzen. Mit poc find ich das immer sehr schwierig. Es ist ja so, dass in der linken Szene Rassismus immer ein ganz großes Thema ist, aber trotzdem fast alle weiß sind, also eigentlich auch wieder aus ner Fremdperspektive auf die ganze Thematik gucken. In dem Fall bin ich als weißer Mensch ja auf der strukturell bevorteilten Seite, also sehe ich meine Aufgabe darin, mich mit meinem eigenen Rassismus auseinanderzusetzen (weil irgendwie haften solche Dinge, wenn auch oft unbewusst und ungewollt, uns ja allen irgendwie an) und mich mit dem, was diese Menschen wollen und brauchen, solidarisch zu zeigen. Aber es würde ja wenig Sinn machen als weiße Person für People of Color exklusive Projekte zu organisieren, da geht ja genau der Gedanke von Empowerment, sich selbst Raum nehmen, selber was organisieren und gestalten, total flöten. Und dann sind wir wieder bei dem Punkt, dass die linksautonome Szene People of Color offenbar nicht anzieht und man sich fragen muss, woran das liegt. (Eventuell ist das wieder ähnlich wie bei Antifa-Gruppen, wo der Frauen*anteil meistens sehr gering ist.)
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DAS FEMCAFÉ
— ein Raum für Frauen*
Bei der Idee solch ein Café zu gründen, erzählt uns Josi, eine der Gründerinnen, spielte der Wunsch eine große Rolle, mit Frauen* in Kontakt zu treten, die neu nach Bremen kommen, sodass auch sie* sich in einem Schutzraum befinden, indem Sexismus keine Rolle spielt. Zusätzlich zum Sonntagscafé bietet das femcafé einmal wöchentlich einen kostenlosen Deutschkurs für Frauen* an, nachdem dies bei einem der Sonntagscafés als häufigstes erwähntes Bedürfnis genannt wurde. Lina, eine der Mitorganisatorinnen und seit fünf Monaten Bremerin, beschreibt einen weiteren Vorteil dieses Deutschkurses: Dieser kann nämlich sofort nach der Ankunft besucht und die Wartezeit somit gut überbrückt werden, bis es möglich ist, einen Intensivdeutschkurs zu besuchen, was locker auch mal ein paar Monate dauern kann. Auch Fireweyni, eine Besucherin der beiden Angebote, ist glücklich über diese schnelle Möglichkeit und möchte so schnell es geht Deutsch lernen, damit sie* ihren* Sohn beim Lernen der Sprache unterstützen kann. Beim Deutschkurs wie beim Café werden Freundschaften geschlossen und es wird eine Plattform geschaffen, auf der sich Frauen* mit
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In Bremen gibt es viele etablierte Projekte, Vereine und Institutionen speziell für Frauen* und auch einige Projekte, die sich um das Thema ‚Flucht‘ drehen, sind in den letzten Jahren entstanden. Die Fusion von ‚Flucht‘ und ‚Frau*‘ als Projekt ist bis jetzt selten anzutreffen. Einerseits liegt es womöglich daran, dass die in Deutschland angekommenen Geflüchteten mehrheitlich Männer* sind, andererseits, dass eine Sensibilisierung für das Thema fehlt und spezifische Schwierigkeiten von Frauen* mit Fluchthintergrund nicht ernst genommen werden oder die Anerkennung dieser gänzlich fehlt. Endlich soll es Ende 2015 in Osterholz ein Übergangswohnheim ausschließlich für Frauen* mit Kindern geben, sowie eine Einrichtung speziell für traumatisierte Frauen*. Jetzt schon existiert in Bremen neben dem InCa – Internationales Café ein interaktives Sonntagscafé für Menschen mit und ohne Fluchthintergrund und auch ein Sonntagscafé einzig und allein für Frauen*: das femcafé.
Informationen und Tipps vernetzen und austauschen können. Auch können Frauen* diese Angebote nutzen, die* in einer Partnerschaft leben, in der der Mann* gemischtgeschlechtliche Treffen verbietet. Zudem ermöglicht es allen Frauen* für eine kurze Zeit aus den Übergangswohnheimen zu ‚entfliehen‘, in denen es meistens keine Frauen*räume gibt. Bei dem Deutschkurs wie bei dem Café wird auch eine Kinderbetreuung angeboten, welche eine weitere kurze Erholung für die Besucher*innen darstellt. Zu der Kinderbetreuung, dem Informationstisch, der Präsentation einer Organisation, einer Vorstellungsrunde und dem Angebot von Kaffee und Kuchen soll zusätzlich bald, auch auf Wunsch der Frauen*, ein Tanzworkshop angeboten werden, berichtet uns Insa, eine weitere Mitorganisatorin. Das femcafé wächst und die Räumlichkeiten im Mädchenkulturhaus im Viertel werden vielleicht bald zu klein werden. Auf Nachfrage, ob sie noch Hilfe benötigen, wird uns erzählt, dass immer Frauen* gesucht werden, die mehrere Sprachen sprechen und beim Übersetzen helfen können, sowie auch bei der Kinderbetreuung während des Deutschkurses Hilfe immer gern gesehen ist. Bei Interesse am Deutschkurs sowie am Café sollen Frauen* einfach vorbeikommen! Am 23.11.2015 trafen wir uns mit Lina, Josi, Fireweyni und Insa in den Räumlichkeiten von belladonna e.V. und unterhielten uns über das femcafé. Vielen Dank für eure Zeit! Wir sind total inspiriert von euren Erfahrungen und Engagement – Bis zum nächsten femcafè!
Info www.femcafe-bremen.org/femcafe-info/
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Das Sonntagscafè Ort ... Mädchenkulturhaus, Heinrichstr. 21; 28203 Bremen Termin ... einmal im Monat, sonntags von 15-18 Uhr Vorbereitungstreffen ... wöchentlich, dienstags ab 18 Uhr Der Deutschkurs Ort ... Weserterrassen, Osterdeich 70b, 20205 Bremen Termin ... wöchentlich, dienstags von 10-12 Uhr Kontakt post@femcafe-bremen.org, 0160 / 33 13 740 Weitere Projekte zum Thema ‚Flucht‘ http://www.bremen-hilft-fluechtlingen.de
FESTIVALS
Hurricane 2014, Seeed, letztes Konzert: Ich bin alleine auf dem Konzert, da ich den Rest verloren habe, aber seit wann sollte mensch denn nicht alleine auf Konzerte gehen können? Es ist unglaublich voll, hinter mir laufen ständig Leute vorbei. Der erste packt mir an den Arsch. Wird wohl nen Versehen gewesen sein, denk ich mir, ist ja ganz schön eng hier. Der zweite. Der dritte. Das Konzert hat gerade erst angefangen, aber ich hab keinen Bock mehr und geh zurück zum Campingplatz. Hab ich was gesagt? Irgendwem eine gescheuert? Nö, in dem Gedränge hätte ich eh nicht gewusst, wer das war. Im Nachhinein habe ich mich immer ziemlich geärgert.
Warum kann ich als weiblich* sozialisiertes Wesen nicht alleine auf ein Konzert oder Festival gehen, ohne direkt dumm angemacht oder angetatscht zu werden? Und überhaupt, warum ist zumindest der deutsche Durchschnittsfestivalbesucher männlich*, weiß,
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Spoiler: Dieser Text ist leider nicht so reflektiert oder belegt, wie ich ihn gerne hätte und alles, worüber ich schreibe, sind meine persönlichen Erfahrungen. Aber weil mich diese Dinge so ankotzen, schreibe ich ihn trotzdem. Ich mag Bier. Ich mag Rockmusik. Und manchmal suhle ich mich auch gerne für vier Tage im Dreck. Ich bin quasi der geborene Festivalmensch. Da mein Musikgeschmack auch nicht speziell oder alternativ genug ist, zieht es mich auch eher auf die großen Festivals, wie das Hurricane oder Deichbrand. Seitdem ich mich aber eingehender mit dem Thema Feminismus beschäftige, macht mir das alles nicht mehr so viel Spaß. Deichbrand 2015, auf dem Weg vom Zelt zu den Toiletten: Links und rechts eine Reihe betrunkener Typen*, über dem Weg ein Absperrband liegend. Als ich darüber gehen möchte, wird das Band hochgezogen. Dazu wird skandiert: „Tits out for the boys! Tits out for the boys!“. Dass der Trick jemals geklappt hat, einer Frau* mit Absperrband das Oberteil hochzuziehen, bezweifle ich zwar, trotzdem fühle ich mich angegriffen. Gesagt hab ich nichts. Wer will schon als Spielverderberin gelten? Mit Rudeln von Betrunkenen diskutiert es sich auch nicht so gut.
ohne Migrationshintergrund und
sexistisch? Und wo sind eigentlich die
Frauen*bands? Oder wenigstens Bands mit Frauen*? Spontan fallen mir kaum Bands ein. Die BBC hat mal Festivalplakate modifiziert und nur die Bands stehen gelassen, in denen wenigstens eine Frau* mitspielt. Sah ganz schön traurig aus. Ich bin ziemlich wütend. Eine Band mit Frau* hab ich dieses Jahr nämlich gesehen. Blood Red Shoes. Die Gitarristin und Sängerin sah verdammt heiß aus auf der Bühne. Leider hatte der Kameramensch mehr Interesse daran den Schlagzeuger zu zeigen. Frauen* sollten ja, wenn sie* denn schon Musik machen, einfach ein bisschen Akkustikgitarre spielen und dazu nett singen. Oder halt Popmusik machen. Aber mit ner E-Gitarre auf nem Rockfestival… Das war dem Kameramensch dann doch zu viel des Guten. Nächstes Jahr geh ich wohl wieder auf ein Festival. Und dann will ich mich nicht ständig über sexistische Arschlöcher ärgern müssen, sondern einfach die Musik und das Drumherum genießen können. Und ich will möglichst viele heiße Frontfrauen* auf Großbildleinwänden anhimmeln können.
37 Heiße, wilde, laute, leise, crazy Frontfrauen*. Große, kleine, dicke, dünne, fancy Frontfrauen*. Schwarze, weiße, alte, junge, excellente Frontfrauen*. Queere, rollstuhlfahrende, schicke, cracking Frontfrauen*. Frontfrauen*! Frontfrauen*! Frontfrauen*!
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Vorbereitungszeit: mind. 3cm Haare unter den Armen Zeit zum Färben und so: ca. 30 Min pro Durchgang Und so geht’s: Step 1 und 2 können weggelassen werden, wenn die Achselhaare lang genug sind. Step 1:
Haare wachsen lassen. Das dauert, also enjoy!
Step 2:
Nicht unterkriegen lassen – sieht geil aus! Wenn dir Leute blöd kommen, gib ‘nen Fick!
Step 3:
Such dir eine endgültige Farbe für die Haare aus und kauf sie (notfalls im Internet). Kostenpunkt: ca. 5 €. Damit kannst du aber öfter als einmal färben, lohnt sich also.
Step 4:
Bleichmittel holen. Die Haare müssen vor dem Färben gut hell werden, damit die Farbe fancy aussieht! Starkes Blondier- mittel ist hier das Zauberwort.
Kostenpunkt: ca. 4 €. Kann aber nur einmal angewendet werden, Bleichmittel hat die fantastische Eigenschaft auszurasten und Waschbecken einzusauen. Gummihandschuhe sind auch eine gute Investition.
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Step 5:
Haare sind lang genug? Dann ran an die Achseln! Gut waschen, um Deorückstände & friends zu beseitigen. Blondiermittel nach Packungsanleitung auftragen. Handschuhe! Gut auswaschen.
Step 6:
Um die Haare etwas Creme, Vaseline oder ähnliches auftragen, du willst ja bunte Haare und keine bunten Achseln! Dann Farbe eurer Wahl auftragen. Auch hier gilt: Handschuhe + du = bff! Je länger Einwirkzeit, desto intensiver die Farbe. Gut auswaschen. Tipp: Vorher Zigaretten drehen & Serien laden, kann die Wartezeit versüßen. Bei Bedarf nachfärben.
Step 7:
Mut zur Farbe, hoch die Arme!
Kleine Anmerkung: Achselhaare wachsen einfach. Es geht hier nicht darum, besonders ‚gepflegte‘ Haare zu haben und das Äußere zu optimieren, sondern um den Spaß und das Experimentieren mit den eigenen Körperhaaren. Auf Stigmatisierung und Zwang zur Anpassung an vermeintliche Schönheitsideale haben wir keinen Bock! Dennoch ist es natürlich okay, sich zu rasieren. (die omis.)
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HAARIGE ANGELEGENHEITEN
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Hier geht’s jetzt ein bisschen um Rundungen‘ abgebildet. Mal wieder Körper‚pflege‘ und Haare. Überall. was speziell für Frauen*. Ich habe Mensch Meyer ist weiß, ihre* Eltern daraufhin eine eher rudimentäre Internetrecherche betrieben. Es gibt sind keine Akademiker*innen und bestimmt irgendwo Waschlösungen sie* ist weiblich* sozialisiert, bezeichnet für Penisse, aber Männer* müssen sich dennoch ungern als Frau ohne *. Bisher fühlte sie* sich zu Cis-Typen* da schon genauer suchen. Ich habe hingezogen. nichts gefunden. Die Muschi soll nicht riechen. Da ist Andere Frauen* können andere Realitäten haben. es dann auch egal, ob Waschlotionen oder Intimtücher schlecht für die Scheidenflora sind. mehr ich mich mit Feminismus Gibt es Werbung in Jeauseinandergesetzt habe und dem denen Frauen* ver- Zwang zur Reinlichkeit und Possierdesto weniger duschte ich schwitzt Coladosen michlichkeit, (Hier möchte ich darauf hinweidurch die Gegend sen, dass Duschen nicht unfeministisch ist!). schleppen und durch Warum dusche ich mich weniger? ihren* Schweiß un- Ich möchte mich vom Zwang der Reinbefreien. Ich möchte keine gewaschen sexy wirken? lichkeit Blume oder Frucht oder andere Männer* sind sexy, wenn sie* Pflanze sein. Ich möchte auch nach schwitzen. Sie* gucken auch grimmig mir riechen. Ich will bei heißen und selbstbewusst in den Spiegel, Temperaturen nicht zweimal am Tag wenn sie* ihre* For-Men Gesichtscreme duschen, damit ich auf keinen Fall auftragen. Frauen* tun das nicht, meine Mitmenschen mit meinem sie* sind froh, endlich schöner zu sein. Geruch belästige und schön frisch bin Werbespots, Zeitungsanzeigen, und möglichst unscheinbar wirke. wenns um Duschgel, Shampoo, Deodorants, Reinigungsmittel fürs Ich habe meinen Gesicht und all den anderen Krempel Körpergeruch als eine geht, sind meistens Frauen* die Art Raumnahme Adressat*innen. Woran das zu erkennen ist? Es steht nicht „for Men“ erfahren. auf dem Etikett. Ob das Produkt sportlich nach Minze oder fruchtig Mir geht es nicht darum, beißend nach Grapefruit riecht, die still- zu riechen und Menschen abzuschreschweigende Voraussetzung ist: Alles cken. Ich möchte aber so riechen andere ist für Frauen*körper. (Hier können, wie ich rieche und dadurch stellt sich die Frage, was an Zitruseben auch Präsenz zeigen. früchten ‚weiblich*‘ riecht. Oder noch Ich habe ungewaschene Haare und besser: Überhaupt, was riecht rieche nach mir selbst. Ich habe eigentlich weiblich*?) weniger Stress. Ich hab da auch eine Damit auch gar nichts nach dem Art Entdecker*innenfreude: Wie eigenen Körper riecht, gibt es spezielle verändert sich mein Geruch? Intimwaschlotionen. Auf der Allerdings bin ich in dieser Hinsicht Verpackung sind stilisierte ‚weibliche* als weiße Person privilegiert. Ich
Frauen* haben keine Haare. Nirgendwo. Nicht um die Brustwarzenvorhöfe, keine Schnauzbärte, keine Kotletten. „Mach die Haare weg, das fühlt sich komisch an“ hat mal ein Typ* zu mir gesagt.
Haarige Angelegenheiten
es schön ist, wenn sich Menschen unabhängig von Normen und anderen Menschen als genau richtig und perfekt empfinden. Was bewirkt Rasur denn noch, außer sich schön glatt anzufühlen? (Wenn sie nicht praktische Gründe hat...) Sie verändert Körperkonturen, macht Dinge auch unsichtbar. Ich bemerke immer wieder, dass es mich erstarren lässt, wenn meine Intimbehaarung wegen der kurzen Hose oder des Bikinis zu sehen ist. Das mag für manche albern klingen, aber ich habe festgestellt, dass es anderen auch so geht. Menschen könnten wissen, dass ich eine Muschi habe?! Dass ich irgendwie doch ein Mensch bin, dass auch ich Geschlechtsteile habe, die sich nicht durch irgendwelche Jeans abzeichnen. In der Bravo gabs mal 100 Tipps für Mädchen* wie sie* Jungs* gefallen könnten (die wurden wieder rausgenommen, nachdem es einen sogenannten Shitstorm gab, dass das ja sexistisch sei). Dazu zählt auch perfekt rasierte Beine und Achseln, denn Mädchen* sollen gepflegt auf Jungs* wirken. Mädchen* sollen überhaupt nichts!! Beinbehaarung ist unweiblich* und Achselhaare sind ekelig.
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kann nicht nach Parfüm und Deo riechen und werde nicht rassistisch verurteilt. Außerdem kann ich mich für und gegen das Duschen entscheiden, da ich das Privileg habe, Zugang zu einer Dusche zu haben. Dürfen Frauen* wirklich ‚natürliche‘ Individuen sein (Ich mag den Begriff des ‚Natürlichen‘ häufig nicht, da Natur viel zu oft mit Reinheit – auch so ein Scheiszwort, gerne auch im NS verwendet – in Verbindung gebracht wird. Außerdem sind ‚natürliche‘ Frauen* in der Werbung trotzdem geschminkt und gephotoshopped. In einer Episode der Serie Die Nanny fragte die Protagonistin einmal, wann das natürliche Makeup endlich wieder out ist, weils so aufwändig ist.) oder sollen sie* durch Düfte gezähmt werden? Werden Menschen durch übertriebene Reinlichkeit mehr zu Objekten oder Puppen1, eingeengt in eine Norm? Duschen kann natürlich auch eine wahre Freude sein. Aber das genussvolle Duschen war hier nicht Thema. Was zeichnet Puppen im Normalfall, außer Geruchlosigkeit, noch aus? Sie sind glatt. Wenn vom Kopf abgesehen wird, gibt es keine Puppen mit Körperbehaarung. Hier möchte ich noch einmal kurz darauf eingehen, weshalb ich das Wort Puppe verwende. Ich denke, dass Frauen* viel Zeit in Make-up, Duschen und all den Kram verwenden müssen, damit sie* ‚perfekter‘ sind, eine Schönheitsnorm anstrebend, die nicht erreicht werden kann. Viele Frauen* versuchen gleich und perfekt auszusehen, und ‚NichtNormschönes‘ zu übertünchen. Es gibt unendlich viele Menschen, die fragwürdige weiße Schönheitsideale nicht erreichen können. Menschen sind nie perfekt. Wobei
Außer am Kopf natürlich! Da soll das Gesicht schön eingerahmt werden. Das ist sogar bei selbsternannten systemkritischen Menschen wie Punker*innen auffällig: Frauen* haben zum allergrößten Teil rasierte Beine und Achseln. Und wenn was am Kopf rasiert wurde, dann gibt es zumindest einen Pony. Denn das ist ja schön weiblich*. Ich verurteile es nicht, sich zu rasieren. Ich prangere nur die Mechanismen an, die diesen Druck aufbauen. Allerdings gibt es in der queerfeministischen Szene einen anderen Ausschlussmechanismus. Frauen*, die sich dazu entschieden haben, sich zu rasieren, sind ernsthafter Verurteilung ausgesetzt und müssen sich rechtfertigen, weshalb sie* sich rasieren. Natürlich müssen sie* es nicht!
Und nun? Sei ein stinkiges, haariges Monster. Unweiblich*. Oder auch nicht! Das ist dann genau richtig so.
43 Fußnoten 1
Puppe ist ein Wort, dass gerne von
Cis-Typen abfällig für Frauen* verwendet
wird. Deshalb ist es schwierig es zu verwenden. Allerdings habe ich kein anderes Wort gefunden, dass zu meinen Überlegungen passt. Beim Wort Objekt fehlt mir die menschliche Form.
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SCHLAMPE
— über die Bewertung sexuellen Wollens
In unserem Alltag begegnen wir häufig Sexismen, die von vielen Menschen überhaupt nicht als solche wahrgenommen werden. Für Menschen, die sich schon etwas mehr mit dem Thema befasst haben, sind sie allerdings nur allzu offensichtlich und mensch steht vor der Frage, wie andere sich daran gar nicht stören können. Zum Beispiel: Warum ist es sexistisch, jemanden als ‚Schlampe‘ zu bezeichnen und die Benutzung dieses Wortes als eine Beleidigung für alle als Frau* wahrgenommenen Personen hinzustellen, ganz gleich ob diese jetzt mit der Bezeichnung gemeint waren oder nicht? Im weiteren Artikel wird viel von ‚der Frau*‘ und ‚dem Mann*‘ gesprochen. Ich beziehe mich damit auf die gesellschaftlich gängigen Kategorien, in die Menschen bei Geburt anhand von Penis oder Vagina eingeteilt und nach denen ihr Handeln beurteilt wird. Dieser Beitrag deckt längst nicht alle Erfahrungen und Problematiken ab, die Menschen mit verschiedenen Geschlechtsidentitäten oder sexuellen Orientierungen in Hinsicht auf die Bewertung ihres sexuellen Wollens machen können, sondern bezieht sich vor allem auf den heterosexuellen Normzustand. Auffällig ist zunächst die Doppeldeutigkeit des Wortes, das ja eigentlich von ‚schlampig‘ im Sinne von ‚unordentlich‘ kommt. Unordentlichkeit oder Schmutzigkeit sind beides Dinge, die mit dem weiblichen* Rollenbild viel schlechter vereinbar sind als mit dem männlichen* und demnach bei Mädchen* und Frauen* viel negativer bewertet werden.
Über Schmutzigkeit und Unanständigkeit kommen wir leicht zu der gebräuchlicheren Bedeutung des Wortes, nämlich ‚Schlampe‘ als eine Frau*, die Sex außerhalb einer monogamen Beziehung hat, was einer patriarchalen Moral zufolge was Schlechtes ist. 41
Nach dieser Logik ist eine Frau* nur ‚anständig‘, wenn sie* monogam lebt, sich also auf einen Mann* beschränkt, der* exklusiven ‚Zugang‘ zu ihrer* Sexualität hat und damit auch Anspruch auf die Kinder, die daraus entstehen könnten. Schläft eine Frau* mit vielen Männern*, sinkt zum einen ihr* Wert als Besitzobjekt für den Mann*, da etwas, das jeder* haben kann, natürlich weniger toll ist. Zum anderen könnte sich ein Mann* nicht mehr sicher sein, ob die aus dem Verhältnis entstehenden Kinder tatsächlich von ihm* sind und die Frau* als Folge daraus seine* Unterstützung verdient hat, auf die sie* im Zuge patriarchaler und kapitalistischer Abhängigkeitsstrukturen angewiesen wäre: Das Aufziehen der Kinder bleibt im Zweifelsfall an der Frau* hängen. Um dies zu tun, ist sie* häufig von Lohnarbeit abhängig, hat aber wegen der Kinder weniger Zeit dafür und ist nach kapitalistischen Kriterien eine weniger effektive Arbeitskraft, die dann auch schlechter bezahlt wird. Die Versorgerrolle kommt nach patriarchaler Tradition dem Mann* zu, der* sich aber nur ‚seiner*‘ Frau* und ‚seinen*‘ Kindern verpflichtet fühlen muss. Beim Mann* funktioniert die Bewertung sexueller Freizügigkeit eher andersrum:
Oft wird behauptet, solches Denken sei altmodisch und längst überholt, aber gerade die allseits gebräuchliche abwertende Kraft der Beleidigung als ‚Schlampe‘ zeigt, wie diese sexistischen Denkweisen noch immer die Gesellschaft prägen.
Schlampe 46
Hat er* Sex mit vielen Frauen*, zeugt das von seinen* männlichen* Fähigkeiten, sich ‚Zugang‘ zu möglichst vielen Frauen* zu verschaffen. Ein ausgeprägtes sexuelles Bedürfnis im Sinne von ‚viel Sex wollen‘ wird als ‚natürlich‘ für einen Mann* angesehen. Das kann auch für Männer* problematisch werden, wenn sie sich unter Druck gesetzt fühlen diesem Bild gerecht zu werden obwohl es mit seinen* tatsächlichen Wünschen vielleicht gar nichts zu tun hat. Er* hat aber nicht die negativen Bewertungen und Konsequenzen zu befürchten wie eine Frau*, die ihre* sexuellen Bedürfnisse erfüllt. Zum einen wird die Sexualität des Mannes* nicht in gleichem Maße in den Dienst der Reproduktion gestellt, da er* keine Kinder austragen kann. Zum anderen ist im gesellschaftlichen Denken der Mann* der*jenige mit dem sexuellen Willen, die Frau* ist die*jenige, die* nachgibt (oder genommen wird), ‚die Beine breit macht‘ oder ‚flachgelegt wird‘ – sprachlich interessant ist auch die Phrase ‚gefickt werden‘, die auch auf Männer* angewendet werden kann im Sinne von ‚das Nachsehen haben‘, betrogen oder abgewertet werden. Eine Frau*, die* von sich aus mit vielen Männern* Sex haben will, gilt als promiskuitiv, unanständig, wenn nicht gar psychisch gestört oder zumindest selbstschädigend. Als aktiver Part tritt eine Frau* wenn es um Sex geht höchsten dann in Erscheinung, wenn sie* den Mann* verführt: Dann aber meistens um etwas Bestimmtes zu erreichen, nicht einfach aus eigener Lust heraus – diese Pseudo-Macht, die Frauen* hierbei zugeschrieben wird, wäre nochmal einen eigenen Artikel wert- und eine Frau*, die* sowas tut, ist vermutlich auch eine ‚Schlampe‘. Eine Frau* mit eigenem sexuellen Willen wird höchstens innerhalb der eigenen (monogamen) Partnerbeziehung geschätzt: Hier darf eine Frau* gerne ‚willig‘ und ‚versaut‘ sein, nicht aber, wenn es um andere Männer* geht. Sie* soll es auch nicht sein, wenn es sich bei der Frau* um die eigene Schwester oder Mutter handelt, diese werden gerne als nicht-sexuelle Wesen, als ‚rein‘ und daher respektabel betrachtet. Hier gilt es dann die Frau* vor dem sexuellen Willen der anderen Männer* zu ‚schützen‘. Dieser Gedankengang zeigt, wie die extrem negative Bewertung einer nicht monogam lebenden Frau* und die Beleidigung als ‚Schlampe‘ letztendlich auf patriarchale Besitzansprüche zurückgeht, in denen die Frau* als Objekt angesehen wird und nicht als Subjekt mit eigenen Zielen und Bedürfnissen.
GEGEN GEGEN SEXISMUS SEXISMUS
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FÜ FÜRR SEXUELLE SEXUELLE SELBSTBESTIMMTHEIT, SELBSTBESTIM MTHEI FREIHEIT FREIHEIT UND UND GLEICHBERECHTIGUNG! GLEICHBERECHTIGUNG!
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UNSICHTBARES SICHTBAR MACHEN
Mensch Meyer menstruiert seitdem sie* 12 ist. Fand das damals scheiße, weil Menstruation in ihrer* Familie irgendwas Lästiges und Schlechtes war. Ihrer* kleinen Schwester hat sie* leider nur ihr* Beileid ausgedrückt, als diese ihr* als einzige menstruierende Person im Haushalt erzählt hat, dass sie* jetzt auch angefangen hat zu bluten. Sie* ist weiß, ihre* Eltern sind keine Akademiker*innen und sie* ist weiblich* sozialisiert, bezeichnet sich dennoch ungern als Frau ohne *. Bisher fühlte sie* sich zu Cis-Typen* hingezogen. Sie* schreibt aus einer persönlichen Sicht. Sie* benutzt die Begriffskombination ‚menstruierende Menschen‘, weil nicht nur Frauen* menstruieren.
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Wenn eine als weiblich* gelesene Person irgendwie aus irgendeinem Grund, der für das meist männliche* Gegenüber nicht ersichtlich ist, schlecht drauf ist (Scheißtag, Scheißmenschen, einfach mal so ne Scheißlaune), heißt es oft: „Du hast doch deine Tage!“. Menstruation wird als was Negatives aufgefasst, macht Menschen zu Furien (Als gäbe es nicht tausend andere Gründe im kapitalistischen Normalvollzug!). Es wird, wenn überhaupt, hinter vorgehaltener Hand darüber gesprochen. Die meisten heterosexuellen Cis-Typen* haben keine Ahnung davon, finden die Partner*in im schlimmsten Falle während der Mens sogar abstoßend. Menstruierende Menschen sind auch in unserer vermeintlich säkularen Gesellschaft unrein, ihnen haftet dann der Makel an, nicht rational, sondern emotional und unberechenbar zu reagieren. Menstruation muss unsichtbar sein. Damit meine ich nicht nur, dass es unangenehm sein kann, dass das blaue Bändchen aus der Bikinihose lugt oder irgendwelche blöden Sprüche von Cis-Typen*, ‚Freunden‘ und ‚Kumpels‘ zu hören, wenn ein Tampon aus der Tasche rollt. Ich meine auch, dass menstruierende Menschen trotz Schmerzen funktionieren müssen. Viele können sich über Tage kaum bewegen und müssen Unmengen an Schmerzmitteln nehmen, damit sie es irgendwie über den Tag schaffen. Und dann hat mensch auch noch Uni oder Arbeit im Hinterkopf. Weil sie eigentlich Präsenz zeigen müssen und sich manchmal auch noch hinschleppen, anstatt einfach im Bett zu liegen und trotz der irrsinnigen Schmerzen (oder unendlicher Wut / Traurigkeit / was auch immer) versuchen, es sich halbwegs gut gehen zu lassen. Weil sie ja eigentlich funktionieren müssen.
Was für eine Vorstellung, wenn sich menstruierende Menschen einfach die Zeit und den Raum nähmen, um zu menstruieren und Schmerzen zu haben, statt zu arbeiten oder studieren. Das wäre regelrecht revolutionär. Und dann kreiert Menstruation auch Ausschluss. Unendlich viele Toiletten in Kneipen/Bars/Cafés/Restaurants/Kinos… sind nicht menstruierendenfreundlich. Sie sind dreckig. Es gibt kein Klopapier, keine Seife. Was soll ich tun, wenn die Binde gewechselt werden muss? Es stellt ein Gesundheitsrisiko dar, wenn ich mit ungewaschenen Händen den Tampon wechsle und nicht jede*r hat Feuchttücher dabei. Manchmal kommt die Menstruation überraschend, oder das Blut läuft stärker als gedacht. Wenn alles vollgesogen und
Seitdem ich mich unter queerfeministischen Aspekten mit Mens auseinandergesetzt und auch ausgetauscht habe, akzeptiere ich sie eher, ich kenne meinen Körper besser und nehme mir Raum.
Auch eine Mens*tasse kann Menstruation sichtbar machen, das Blut verschwindet nicht so schnell im Müll, wie bei Tampons. Mensch sieht, wie sich die Konsistenz und Farbe verändert und wie es langsam ausklingt. Ich finde das irgendwie gut. Für mich ist Menstruation kein mysteriöses Geheimnis. Kein Hokuspokus, den ich zelebrieren möchte. Ich fühle mich nicht weiblicher* und erdverbundener damit. Die Mens*tasse wähle ich nicht wegen der Natürlichkeit. Schmerzen sind kein Zeichen dafür einfach mal zurückzutreten und in uns hineinzuhorchen, sondern einfach nur Scheiße. Menstruation ist für mich manchmal spannend und faszinierend, aber wäre ich vor die Wahl gestellt, würde ich trotzdem lieber nicht menstruieren.
Unsichtabres sichtbar machen
kein Ersatz dabei ist, heißt es oft nach Hause gehen. Die Party ist vorbei. Es kann empowernd sein, sich mit der eigenen Menstruation auseinanderzusetzen, sich mit menstruierenden Menschen auszutauschen, sich auch mit Cis-Typen*-Freunden darüber zu unterhalten. Menstruation soll nicht unsichtbar sein, wenn eine*n das gerade beschäftigt / beutelt. Ich fand Menstruation immer ätzend und einfach nur lästig.
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Körper und Raum verschwimmen diskursiv, werden zu sich gegenseitig bedingenden Konzepten. Räume werden mit Metaphern des Körperlichen belegt und Körper analog zu Raumgefügen besprochen. Frauen*körper werden dann zu Häusern, die ‚bewohnt‘ werden sollen. Von Kindern und Ehemännern* natürlich, von wem auch sonst. Gleichsam wird Raum vergeschlechtlicht und eingefügt in eine zweigeschlechtliche Matrix. Es gibt Herren*zimmer, in denen geraucht wird und über Politik gesprochen, es gibt die Küche, die nach wie vor zu einem Ort
der ‚weiblichen*‘ Tätigkeit stilisiert wird. Diese dichotomen Unterscheidungen befinden sich im Wandel, trotzdem sind sie nach wie vor wirkmächtig und beeinflussen unseren Alltag. Raum kann Geschlecht produzieren: Räume unterteilen Menschen, Städte sind gespalten an den Grenzen des Einkommens, die nächtliche Stadt wird zum Angstort für Personen, die gelernt haben, dunkle Straßen zu meiden. Wir werden geordnet, durch
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und in Räume_n. Das binäre Toilettensystem ist nur ein Paradebeispiel dieser Sortierung durch vergeschlechtlichte Orte. Neben der Konzeption von Zweigeschlechtlichkeit beeinflussen noch viele weitere Kategorien unsere Bewegungs / un / freiheit: Dein Alter, dein Aufenthaltsstatus, dein Körper, ob du
Treppen steigen kannst, oder nicht, … Es geht um Ein- und Ausschlüsse, es geht um die Unsichtbarmachung von Weißsein und das Nichtzulassen von Zwischenräumen, dem Verweigern des Entweder / Oder.
Wir brauchen mehr Nischen, mehr Schwellen zur Uneindeutigkeit.
der
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Die Fotoserie greift die ver naturalisierenden Diskurse auf, die Körper und Raum/ Textil synonym beschreiben und legt diese Ebenen visuell übereinander, macht die Bildflächen durch/sichtig um aufzuzeigen, wie oft zwei Konzepte zu einem verschmelzen und ihre Konstruiertheit dabei zur Unkenntlichkeit verwischt.
Ein Pelz ist ein Pelz ist ein Brusthaartoupet.
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KÖRPER_RÄUME — zur Naturalisierung von Raum und Geschlecht
„Thierrys Kasernenstühle und die Fabriklampe passten nicht zu Janinas floralen Dekoideen.“ Mein Lieblingsfundstück aus dem IKEA live Magazin. Einfach, aber prägnant, fast schon komisch. Denn sofort sind da die Bilder. Wortketten rattern im Kopf. Rustikal trifft auf verspielt. Kantig auf weich. ‚Männlich*‘ auf ‚weiblich*‘? Ist Army-Thierry, groß und grobschlächtig, einfach pragmatisch, wenn er* die vor Schmutz starrenden Kasernenstühle auf Janinas Flokati stellt? Die sind ja schließlich noch gut. Und reagiert Janina nicht etwas über, wenn sie* die Teller mit Blümchendruck nach der Kasernenlampe wirft? Zum Glück sind die ja aus Plastik, das Baby kommt schließlich in zwei Monaten. Aber das Einrichten soll Thierry doch bitte ihr* überlassen, davon verstünde sie* mehr, schließlich wäre er* ja schon für den kaputten Heizungsboiler verantwortlich und fürs Geldverdienen ja sowieso. Im Folgenden möchte ich einen kurzen Überblick geben zu Naturalisierungsversuchen von Wohnen und Geschlecht und warum sich bestimmte heteronormative Vorstellungen leider so hartnäckig halten, auch in meinem Kopf, obwohl der ja theoretisch schon einer queerfeministischen Generalüberholung unterzogen wurde.
Ebenso wie das Wohnen ist auch Geschlecht ein kulturelles Produkt, das einer historischdiskursiven Wandelbarkeit unterliegt. Wie eng diese beiden Konstrukte und das Sprechen über sie miteinander verzahnt sind und sich gegenseitig bedingen, soll im Weiteren erörtert werden.
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Die von uns als so selbstverständlich hingenommene Unterteilung in private und öffentliche Arbeits-Sphären sowie die Vorstellung des Wohnens als ein ahistorisches Bedürfnis des Menschen sind nicht weniger eine gesellschaftliche Narration als die scheinbar natürliche Unterscheidung von Menschen in nur zwei Geschlechter mit jeweils eingeschriebenen stereotypen Charakteristika. Dass die bürgerliche Kleinfamilie mitsamt dem ihr eigenen Behausungsverhalten als auch die räumliche Manifestation der symbolischen Ordnung zwischen privaten und öffentlichen Bereichen historische und kulturell bedingte Konstruktionen sind, bestätigt ein Zurückblicken auf die Geschichte der Wohnkultur. Denn das mittlerweile etablierte Konzept der bürgerlichen Kleinfamilie im Reihenhaus ist keine immer dagewesene Größe, sondern hat sich erst im Zuge der Herausbildung einer bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft als normativer Wohnentwurf verankert. Neben einer auf das Wohnen bezogenen Grenzziehung zwischen öffentlicher und privater Sphäre manifestierte sich in der bürgerlichen Gesellschaft auch eine hierarchisierte Differenzierung der Lebenswelten und Geschlechterrollen von Männern* und Frauen*, die als kulturelles Leitbild westlicher Ideologie in Teilen bis heute vorherrscht. Erst mit Auflösung der vorbürgerlichen und vorindustriellen Hausökonomie entwickelte sich eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, die den bürgerlichen
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Mann* aus dem Haus in den öffentlichen Raum der Erwerbsarbeit führte und den Tätigkeitsbereich der Frau* im Haus verortete. Dieser Prozess der Ausprägung einer kapitalistischen Geschlechterdichotomie von Produktionsund Reproduktionsarbeit wurde begleitet von der Neubewertung des Hauses als privates Refugium, das den Gegenpol zur öffentlichen Arbeitswelt bildete. Die Literatur dieser Zeit konstruierte einen weiblichen* Geschlechtscharakter, dessen einzige Destination in der Erfüllung des Hausfrauen*daseins lag und sich durch seine vermeintlich urwüchsige Verbindung zum Häuslichen auszeichnete (Spengler 2011: 135-136). Die Verortung der Frau* und ihrer* Arbeit in der Sphäre des Privaten wurde im bürgerlichen Diskurs des 19. Jahrhunderts mit dem Begriff der ‚Hausfrau*‘ terminologisch verankert. Durch die Naturalisierung der Geschlechter/Differenz sowie ihrer (Arbeits-) Umgebung über biologistische Erklärungsmuster wurden patriarchale Strukturen legitimiert und die Unterordnung der Frau* in ihrem* Geschlechts charakter festgemacht. Durch die Macht der Naturalisierung wird eine gesellschaftliche Legitimation der hierarchischen Ordnung zwischen Männern* und Frauen* als auch dieser binären Unterteilung hinfällig, denn wenn etwas naturbedingt ist, braucht es keine Rechtfertigung mehr (Terlinden 2010: 19). Genauso, wie versucht wird, Arbeitsteilung und Zweigeschlechtlichkeit als etwas Natürliches zu generieren, so wird auch Wohnen in einer vermeintlichen Ursprünglichkeit des Menschen verortet. Rückblickend wird Geschichte umgedeutet und ausgehend von den vorherrschenden Gesellschafts- und Geschlechterideologien einer Zeit nachträglich modelliert, um es als eine ahistorische, immer da gewesene Größe zu etablieren.
Der Verweis auf eine vermeintliche Triebhaftigkeit des Menschen zu behausendem Verhalten wird in der Architekturgeschichte beispielsweise anhand von archäologischen Funden festgemacht. So schreibt Klotz über eine um 400 000 v. Chr. datierte Ausgrabung: „In einer der Hütten fand man einen Stein mit zahlreichen Kratzern: hier war das Fleisch (...) geschnitten worden, in der ‚Küche‘. (...) Schließlich fand man einen offenbar zum Sitzen herbei geschleppten, großen Stein, der von einer Fülle von Steinsplittern umgeben war: die ‚Werkstatt‘.“ (Klotz 1995: 20) Diese Umdeutung von prähistorischen Artefakten in die heutigen Systeme ausgehend von einer Perspektive der Jetztzeit, die durch kulturelle Prägung nur ein sehr begrenzt-binäres Sichtfeld umfasst, versucht eine ahistorische Konstante aufzuzeigen, wie sie auch gerne bei der Biologisierung von Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität herangezogen wird. Der inflationäre Verweis auf die Steinzeit, in der schon eine bestimmte Arbeitsteilung geherrscht haben soll, passt sich ein in diesen Versuch, die funktionelle Unterteilung des Wohnraums als eine natürliche zu konstruieren. Hätte man in der Küche noch als ‚weiblich*’ konstruierte Schädelfragmente gefunden, und hätte sich zu den Steinsplittern eine ‚männliche*‘ Fingerkuppe gesellt, die
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Der Bau einer ‚Urhütte‘ wird beispielsweise zum Naturtrieb erklärt und Wohnen somit als naturhaftes Bedürfnis aller Menschen hingestellt (Terlinden 2010: 17).
beim Hobeln ausversehen zwischen Werkstein und Schlagstein kam, dann
Rassismus wäre dies derbiologislupenreine Beweis dafür, dass Frauen* einfach ein ‚angeborenes‘ Rassismus unterstellt eine Homogenität Talent zum Kochen haben. tisch konstruierter ‚Rassen‘ aufgrund vermeintNeben dieser Rhetorik findet sich in der Literatur zudem das Konzept licher äußerlicher Unterschiede von Menschen. deswerden biomorphen Den so konstruierten Gruppen fälsch- GeschlechtsHauses. In der Medizin wie auch in der Kunst werden Frauen*körper mit einer architektonischen Sprache besetzt und licherweise bestimmte Wesenszüge und Charaktereigenschaften zugeschrieben.besprochen. Diese werden Die in wechselseitige Festschreibung des Hauses als Lebensraum Bezug auf die eigene Gruppe überhöht undund in des ‚weiblichen*‘ Körpers als hausähnlichem Gebilde, das der Frau* Bezug auf andere Personennur oderdafür Gruppen errichtet wurde, um von Mann* und Kind ‚bewohnt‘ zu werden, abgewertet. Rassismus fördert damit das eigene offenbart die verschränkten Bemühungen um die Naturalisierung von Überlegenheitsgefühl und erzeugt Vorurteile, Wohnen und Gender. Solange das Haus als feminin interpretiert wird, stellt Ablehnung und Feindseligkeit gegenüber anderen es auch die angemessene Umgebung für die Frau* dar, denn modelliert Menschen und führt zu sozialer Ausgrenzung. (bdp.de) nach
ihrem* Vorbild, fungiert es dazu, ihre* Sexualität zu kontrollieren und zu bestimmen Rassismus ist die systematische Herrstellung(Kuhlmann 2003: 173). Die Vorstellungen des ‚weiblichen*‘ Körpers als Otoo) Innenraum wurden maßgeblich geprägt von einem androzentrivon white supremacy. (Sharon Dodue schen Medizindiskurs, der uterine Anatomie mit Metaphern des HäusRepressionlichen belegte und darüber hinaus die Vorstellung von binär-biologischem [gewaltsame] Unterdrückung von Kritik, Geschlecht maßgeblich mitkonstruierte. Schon in den Texten von Hildegard Widerstand, politischen Bewegungen, individuvon Bingen wurden die Geschlechtsorgane junger Mädchen* als ein uneller Entfaltung, individuellen Bedürfnissen. fertiges, aus bloßen Fundamenten bestehendes Haus beschrieben. Mit der Zeit würde dieses architektonische Gebilde wachsen, bis die Gebärmutter der Reproduktion Mädchen* im Alter von 15 und 20 Jahren wie ein fertiges Haus sei, das auf Care oder auch Reproduktion bezeichnet allgeseine Möblierung warte (Kuhlmann 2003: 172-173).
mein jene Sphäre der Arbeit und Ökonomie, die dem Bereich der klassischen ‚Produktion‘ entgegensteht. Sie bezeichnen in der sozialwissenschaftlichen und >> feministischen Debatte bestimmte Tätigkeiten und Arbeitsbereiche, die eng an Pflege und Versorgung gekoppelt sind.
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Verknüpft man die Bezugspunkte zwischen den Konstrukten Körper, Frau* und Wohnung, so zeigt sich wie eng „verwoben das Feld des Wohnens mit der Sozialform Familie ist.“ Schwarz [adjektivische Großschreibung als typografischer2010:18) Dem Urtrieb nach dem Bau (Terlinden Stolperstein] einer Hütte geht –natürlich- das Bedürfnis zur Selbstbezeichnung mit Widerstandspotenzial. >> Analysebegriff, der alle People of Color Gründung einer Familie voraus, denn Fortumfasst, die von der >> weißen Mehrheitsgesellschaft als ‚anders‘ markiert werden. Schwarzsteht ja gemeinhin immer am Anfang pflanzung zu sein ist keine Eigenschaft, sondern eine Bestrebungen – klar, wie auch sonst im gesellschaftspolitische Position sowie aller ein politischer Identitätsbegriff. Eigenbezeichnung all derjenigen, heteronormativen Happyland. die zu Objekten von >> Rassismus konstruiert
Dasgegenüber Bestreben, werden: Widerstandspotenzial den Wohnen als ein dem Menschen ursprünglich anhaftendes >> hegemonialen weißen Strukturen stehtzuim Bedürfnis etablieren, ausgehend von dem Trieb der Fortpflanzung, setzt Vordergrund. Die Selbstbenennung ›Schwarz‹ heteronormativer Familienstrukturen voraus und steht in die Herausbildung markiert bestimmte gemeinsame Erfahrungsengem Zusammenhang mit der Naturalisierung von Zweigeschlechtlichhorizonte und Lebensrealitäten eineranderem Frauen* innerhalb des Wohnens verortet und dies als keit, die inunter >> weiß-dominierten Gesellschaft. unverrückbare Tatsache hinstellt. Es findet also auf verschiedenen Ebenen eine diskursive Analogiesetzung
Sexismus von Wohnen und Gender statt. Das Haus wird als ordnungsgemäßer ArbeitsSexismus bezeichnet jede Form der Diskrimiraumzugeschrieder Frau* etabliert, in dessen Kontext ihr* die Aufgabe zukommt, nierung von Menschen aufgrund ihres das heteronormative Ideal der Kleinfamilie aufrechtzuerhalten als Fixpunkt
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Mann* aus dem Haus in den öffentlichen Raum der Erwerbsarbeit führte und benen Geschlechts und der daraus resultierenden den Tätigkeitsbereich der Frau* im Haus verortete. Dieser Prozess der Aus-(stereotyper) Eigenschaften. Unterstellung prägung einer kapitalistischen Geschlechterdichotomie von Produktions(vgl. gender-glossar.de) und Reproduktionsarbeit wurde begleitet von der Neubewertung des Transsexualität / Trans* Hauses als privates Refugium, das den Gegenpol zur öffentlichen Arbeitswelt Menschen, deren Identitätsgeschlecht nicht mit bildete. Die Literatur dieser Zeit konstruierte einen weiblichen* Geschlechts‚biologischen‘ Geschlecht übereinstimmen. charakter, dessen einzige Destination in der Erfüllung des ihrem Hausfrauen*daseins Geschlecht wird dabei nicht als System mit nur lag und sich durch seine vermeintlich urwüchsige Verbindung zum Häuszwei Kategorien (männlich* und weiblich*) lichen auszeichnete (Spengler 2011: 135-136). Die Verortung der Frau* und gesehen, sondern als unendliches Spektrum. ihrer* Arbeit in der Sphäre des Privaten wurde im bürgerlichen Diskurs des Trans* als politischer, d.h. kritisch verorteter Sam19. Jahrhunderts mit dem Begriff der ‚Hausfrau*‘ terminologisch verankert. melbegriff für Personen, die sich nicht in naturaihrer (Arbeits-) Durch die Naturalisierung der Geschlechter/Differenz sowie lisierten Formen von Zwangszweigenderung und Umgebung über biologistische Erklärungsmuster wurden patriarchale den Gendervorstellungen, die ihnen in ihrer Strukturen legitimiert und die Unterordnung der Frau* inSozialisation ihrem* Geschlechts nahegelegt worden sind wiederfinwirddieeine charakter festgemacht. Durch die Macht der Naturalisierung den und Eindeutigkeit von Genderzuweisgesellschaftliche Legitimation der hierarchischen Ordnung zwischen Männern* ungen infrage stellen. feministisch-sprachhandeln.org/glossar) und Frauen* als auch dieser binären Unterteilung hinfällig, denn (vgl. wenn etwas naturbedingt ist, braucht es keine Rechtfertigung mehr (Terlinden 2010: 19). / weiß Genauso, wie versucht wird, Arbeitsteilung und Zweigeschlechtlichkeit Weißsein als gesellschaftspolitische Bezeichnung; historisch etwas Natürliches zu generieren, so wird auch Wohnen in einer vermeintbedingte soziale Position, die unabhängig von lichen Ursprünglichkeit des Menschen verortet. Rückblickend wird Geschichte Selbstwahrnehmung existiert. Der Begriff weiß ist umgedeutet und ausgehend von den vorherrschenden Gesellschaftsund geschrieben, da es sich um eine klein und kursiv Geschlechterideologien einer Zeit nachträglich modelliert,analytische um es alsKategorisierung eine von über (Kolonial) ahistorische, immer da gewesene Größe zu etablieren. Rassismus privilegierte Personen und entsprechenden sozialen Positionierungen handelt.
(vgl. feministisch-sprachhandeln.org/glossar) Der Bau einer ‚Urhütte‘ wird beispielsweise zum Naturtrieb erklärt und Wohnen somit als naturhaftes Bedürfnis aller Menschen hingestellt (Terlinden 2010: 17).
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Der Verweis auf eine vermeintliche Triebhaftigkeit des Menschen zu behausendem Verhalten wird in der Architekturgeschichte beispielsweise anhand von archäologischen Funden festgemacht. So schreibt Klotz über eine um 400 000 v. Chr. datierte Ausgrabung: „In einer der Hütten fand man einen Stein mit zahlreichen Kratzern: hier war das Fleisch (...) geschnitten worden, in der ‚Küche‘. (...) Schließlich fand man einen offenbar zum Sitzen herbei geschleppten, großen Stein, der von einer Fülle von Steinsplittern umgeben Wir danken unseren Unterstützer*innen war: die ‚Werkstatt‘.“ (Klotz 1995: 20) super herzlich: Diese Umdeutung von prähistorischen Artefakten in die heutigen Systeme belladonna e.V. ausgehend von einer Perspektive der Jetztzeit, die durch kulturelle Prägung nur ein sehr begrenzt-binäres Sichtfeld umfasst, versucht eine ahistorische Autonomes Feministisches Referat Konstante aufzuzeigen, wie sie auch gerne bei der Biologisierung von ZweiUniversität Bremen geschlechtlichkeit und Heterosexualität herangezogen wird. Der inflationäre Verweis auf die Steinzeit, in der schon eine bestimmte Arbeitsteilung Autonomes Feministisches Referat geherrscht haben soll, passt sich ein in diesen Versuch, die funktionelle der Uni Oldenburg Unterteilung des Wohnraums als eine natürliche zu konstruieren. Hätte man in der Küche noch als ‚weiblich*’ konstruierte Schädelfragmente gefunden, AStA HfK Bremen und hätte sich zu den Steinsplittern eine ‚männliche*‘ Fingerkuppe gesellt, die
beim Hobeln ausversehen zwischen Werkstein und Schlagstein kam, dann wäre dies der lupenreine Beweis dafür, dass Frauen* einfach ein ‚angeborenes‘ Talent zum Kochen haben. Neben dieser Rhetorik findet sich in der Literatur zudem das Konzept des biomorphen GeschlechtsHauses. In der Medizin wie auch in der Kunst werden Frauen*körper mit einer architektonischen Sprache besetzt und besprochen. Die wechselseitige Festschreibung des Hauses als Lebensraum der Frau* und des ‚weiblichen*‘ Körpers als hausähnlichem Gebilde, das nur dafür errichtet wurde, um von Mann* und Kind ‚bewohnt‘ zu werden, offenbart die verschränkten Bemühungen um die Naturalisierung von Wohnen und Gender. Solange das Haus als feminin interpretiert wird, stellt es auch die angemessene Umgebung für die Frau* dar, denn modelliert nach ihrem* Vorbild, fungiert es dazu, ihre* Sexualität zu kontrollieren und zu bestimmen (Kuhlmann 2003: 173). Die Vorstellungen des ‚weiblichen*‘ Körpers als Innenraum wurden maßgeblich geprägt von einem androzentrischen Medizindiskurs, der uterine Anatomie mit Metaphern des Häuslichen belegte und darüber hinaus die Vorstellung von binär-biologischem Geschlecht maßgeblich mitkonstruierte. Schon in den Texten von Hildegard von Bingen wurden die Geschlechtsorgane junger Mädchen* als ein unfertiges, aus bloßen Fundamenten bestehendes Haus beschrieben. Mit der Zeit würde dieses architektonische Gebilde wachsen, bis die Gebärmutter der Mädchen* im Alter von 15 und 20 Jahren wie ein fertiges Haus sei, das auf seine Möblierung warte (Kuhlmann 2003: 172-173).
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Verknüpft man die Bezugspunkte zwischen den Konstrukten Körper, Frau* und Wohnung, so zeigt sich wie eng „verwoben das Feld des Wohnens mit der Sozialform Familie ist.“ (Terlinden 2010:18) Dem Urtrieb nach dem Bau einer Hütte geht –natürlich- das Bedürfnis zur Gründung einer Familie voraus, denn Fortpflanzung steht ja gemeinhin immer am Anfang aller Bestrebungen – klar, wie auch sonst im heteronormativen Happyland. Das Bestreben, Wohnen als ein dem Menschen ursprünglich anhaftendes Bedürfnis zu etablieren, ausgehend von dem Trieb der Fortpflanzung, setzt die Herausbildung heteronormativer Familienstrukturen voraus und steht in engem Zusammenhang mit der Naturalisierung von Zweigeschlechtlichkeit, die unter anderem Frauen* innerhalb des Wohnens verortet und dies als unverrückbare Tatsache hinstellt. Es findet also auf verschiedenen Ebenen eine diskursive Analogiesetzung von Wohnen und Gender statt. Das Haus wird als ordnungsgemäßer Arbeitsraum der Frau* etabliert, in dessen Kontext ihr* die Aufgabe zukommt, das heteronormative Ideal der Kleinfamilie aufrechtzuerhalten als Fixpunkt
der Rest sind junge Paare, die sich probehalber schon mal eine Katze angeschafft haben. Natürlich befinden sich die Personen in ausschließlich heterosexuellen Beziehungen, zumindest wird es so dargestellt. Ein Leben und Lieben abseits von diesen Kategorien wird nicht thematisiert. Das darauffolgende Heft
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bürgerlicher Identität. So wie die reproduktiven Tätigkeiten der Mütterlichkeit zur ‚Natur‘ der Frau* gehören, sind das Haus und die Wohnung die natürlichen Orte des Frauen*lebens (Terlinden 2010: 20-21). Ausgangspunkt für diese Repression und Vereinheitlichung weiblicher* Identität sind hierbei durch Wissenschaftsdiskurse konstruierte Körper mit ihrer vorausgesetzten Fähigkeit zur Reproduktion, die als patriarchale Rechtfertigungsgrundlage für die Arbeitsteilung und biologisierte Geschlechterdichotomie dienen. So wird nachträglich das Praxisfeld Wohnen zur ‚weiblichen*‘ Kulturleistung und immer dagewesenem Phänomen stilisiert. Eigentlich werden diese schon immer überholten Diskurse zwar schon seit längerem aus queerfeministischer Perspektive dekonstruiert, doch leider halten sie sich hartnäckig, auf allen Ebenen. Gerade das Wohnen ist nach wie vor ein Feld, in dem sich tradierte Vorstellungen von ‚Männlichkeit*‘ und ‚Weiblichkeit*‘ manifestieren und heterosexistische Stereotypen zum Tragen kommen. Das Ideal der eigenen Wohnung als privatem Refugium und Platz zum Kinderkriegen schwebt omnipräsent als zu erreichendes Versprechen der Glückseligkeit über uns, in den verschiedensten Ausprägungen visueller Kultur. Wir bewegen uns innerhalb eines Systems, das eine beständige Unterteilung in zwei Geschlechter voraussetzt. Die wenigsten Räume sind frei von diesen un/ sichtbaren Grenzen. Das live Magazin von IKEA richtet sich beispielweise explizit an die IKEA FAMILY und zelebriert die traute Zweisamkeit. Die Ausgabe Frühling 2013 stellt insgesamt sechs Familien vor, davon hat die Hälfte bereits Kinder,
sticht heraus mit dem Portrait einer alleinerziehende Mutter mit zwei Söhnen, das allerdings eingeleitet wird mit den Worten der Schauspielerin Debbie Allen: „Aus Einschränkung entsteht Kreativität.“ Hierbei wird natürlich nicht hinterfragt, wie das System Alleinerziehende eingeschränkt und warum du auch als berufstätige Frau* noch den Anforderungen als Hausfrau* und Mutter überdurchschnittlich gerecht werden musst. IKEA formt die Worte Allens zu einem Leitspruch mit Aufforderungscharakter, denn „als alleinerziehende Mutter musst du kreativ werden.“ Wahre Worte, allerdings merkwürdig ins Positive verkehrt. Kreativität äußert sich hier zudem in so netten Tätigkeiten wie „kochen, malen und einrichten“. ‚Weibliche*‘ Kreativität hat demnach einen rein reproduktiven Charakter, da sie ihre einzige Bestimmung im Herrichten der Wohnung findet. Möglichst bunt, möglichst dekorativ und alles für die Familie. Der Artikel über Hans wird hingegen mit einem Zitat von George Bernard Shaw eingeleitet, nach dem „Fantasie der Anfang der Schaffung [ist]“. Klar, dass Hans ein Haus baut. Der Mann* erschafft das Haus, die Frau* richtet es ein. So jedenfalls das Narrativ des live Magazins und die Hierarchie in der Wertigkeit von Arbeit. „Nach Bourdieu gibt es keinen Raum, der nicht auf die gesellschaftliche Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern Bezug nimmt. Diese Arbeitsteilung ist eine soziale Konstruktion (...)“ (Terlinden 2010: 17), die allerdings nach wie vor Naturalisierungsversuchen unterliegt.
Wie früh man eingegliedert wird in bestimmte Arbeitssphären, wird deutlich, wenn das live Magazin fotografiert, wie Tochter Polly in der Kinderküche backt, anschließend der Mutter beim Nähen hilft und Sohn Pim „zum Grillmeister ernannt“ wird. 65 Quellen Klotz, H. (1995): Geschichte der Architektur. Von der Urhütte zum Wolkenkratzer. München, New York. Kuhlmann, Dörte (2003): Raum, Macht & Differenz. Genderstudien in der Architektur. edition selene, Wien. Spengler, Lars (2011): Bilder des Privaten. Das fotografische Interieur in der Gegenwartskunst. transcript Verlag, Bielefeld. Terlinden, Ulla (2010): Naturalisierung und Ordnung. Theoretische Überlegungen zum Wohnen und zu den Geschlechtern. In: Reuschke, Darja (Hrsg.): Wohnen und Gender. Theoretische, politische, soziale und räumliche Aspekte. Wiesbaden.
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ich such mir meinen raum ich richte ihn mir ein wie ich will ich lasse nicht alle inside denn er scheint bright like a diamond und besser
Räume sind
roomless was passiert wenn der Raum sich verschiebt wenn es keine Regeln mehr gibt wer weiss dann noch wie zu handeln und wer wird sich in was verwandeln Âżwohin dann mit unseren Sorgen weil wir nicht mehr wissen was Morgen passiert dann etwas Neues und ich bereu es?
Schäume
Räume sind
in between und kurz davor wohin warum woher zu verharren find ich schwer doch Zwischenstationen müssen sein auf direktem Wege in die Revolution hinein und ja, eine Treppe baut sich auch mit Wörtern das lass ich mal elegant so stehen ohne zu erörtern
Impressum K o n z e p t i o n , Te x t e , B i l d l i c h e s & G e s t a l t u n g pampelmuse, Mensch Meyer, Incredible Lou, Schmiddi, Beckel, Bauer, gidd_os, die omis, Wnck, Toni, Frau Fink, Schlocki. K o nt a k t f 체 r A n r e g u n g e n & I nt e r e s s i e r t e fem_zine@posteo.de
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