Antirassismus- und Fanarbeit bei der Europameisterschaft 2008™ in Österreich und der Schweiz

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Fachhochschule Technikum Kärnten Feldkirchen Studiengang Soziale Arbeit

ANTIRASSISMUS- UND FANARBEIT BEI DER EUROPAMEISTERSCHAFT 2008™ IN ÖSTERREICH UND DER SCHWEIZ, IN KLAGENFURT

Diplomarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Magister für sozialwissenschaftliche Berufe Mag. (FH)

eingereicht von David Hudelist Personenkennzeichen: 0310164008

Erstbegutachter: Dr. Hubert Höllmüller Zweitbegutachterin: Dr.in Konstanze Wetzel

Feldkirchen, Juni 2007


Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht.

Die

Arbeit

wurde

bisher

in

gleicher

oder

ähnlicher

Form

keiner

anderen

Prüfungskommission vorgelegt und auch nicht veröffentlicht.

Ferlach, am 27. Juni 2007

David Hudelist


Danksagung Meine Danksagung gilt an erster Stelle meiner Familie, die mich durch die gesamte Studienzeit begleitete und unterstützte. Meiner Mutter möchte ich besonderen Dank aussprechen, für ihre Aufgeschlossenheit gegenüber jeglicher meiner Lebenslagen und dem großen Verständnis und Freiraum, den sie mir entgegenbringt. Herzlichen Dank auch meiner lieben Freundin Eva, die mir nicht nur in schwierigen Phasen die Studienzeit enorm versüßen konnte und immer für mich da war. Ich möchte ihr danken für das Verständnis mir gegenüber und für die enorme Unterstützung in der Phase der Diplomarbeit. Danke an meine StudienkollegInnen für die schönen gemeinsamen Erfahrungen und Anregungen. Ein großes Dankeschön möchte ich meinem Erstbetreuer Dr. Hubert Höllmüller aussprechen. Nicht nur für die nachsichtige Begleitung meines Diplomarbeitsprozesses und die wertvollen Anregungen, auch für das stetige Ermutigen zum Auslandsstudium. Er hat mich nicht „ins Verderben“ geschickt, ganz im Gegenteil wurden diese Semester eine unschätzbar wertvolle Erfahrung für mich. Danke dem gesamten Team von FairPlay, welches ich zu Beginn meiner Studienzeit kennen lernen konnte und mich bis heute begleitet. Danke für die große Unterstützung bei der Umsetzung meiner Projekte und das Vertrauen das mir entgegengebracht wird. Ebenso möchte ich mich für die Möglichkeiten und Erfahrungen bedanken, die sich durch FairPlay für mich ergeben. Vielen Dank Anita, für das spontane und mühsame Korrekturlesen meiner Arbeit. Schließlich gilt mein Dank allen, die mich in irgendeiner Weise beim Erstellen dieser Arbeit unterstützten. Sei es durch die wertvolle Informationsweitergabe der Organisationen oder auch die emotionale Unterstützung und Aufheiterung meiner Freunde.


Zusammenfassung Im Zuge der Europameisterschaft 2008 wird Fußballfans in Österreich erstmals professionelle sozialpräventive Fanarbeit angeboten. Im Zentrum dieser präventiven Fanund Antirassismusarbeit stehen Fanbotschaften, welche als zentrale Anlaufstellen für Fans in allen Austragungsstädten dienen. Wesentlich für die Positionierung und die Arbeit der Fanbotschaften ist die Kooperation mit dem Austragungsort. Weitere Elemente der präventiven Fanbetreuung sind Fankonsulate, die Erstellung von Fanguides und einer eigenen Webpage, sowie Antirassismusarbeit. In dieser Arbeit wird die öffentliche Sicht von Fans kritisch beleuchtet und eine objektive Darstellung von Fußballfans und Fankulturen versucht. Erscheinungsformen von Gewalt und Rassismus werden in Zusammenhang mit Fußballfans gebracht und die Möglichkeiten der Sozialen Arbeit in diesem Handlungsfeld vorgestellt.

Schlüsselbegriffe

Jugend, Fußball, Fan, Fanarbeit, aufsuchende Jugendarbeit, Lebensweltorientierung, Streetwork, Subkultur, Sozialprävention, Gewalt, Rassismus

Abstract In the course of the European Championship 2008, professional soical preventive work for footballfans will be provided for the first time in Austria. In the centre of this preventive fan- and anti-racist work are fans´ embassies, which are a central meeting point for fans in each host city. The cooperation with the host city is fundamental for the positioning and the work of the fan embassy. Further elements of the preventive work are the provision of fans´s consulates, fanguides and a webpage, as well as anti-racist work. The present study will illustrate the public view on football fans and will try to give an objective description of fanculture. Manifestations of violence and racism will be examined in connection with footballfans and possibilites in this field of social work will be presented.

Keywords:

youth, football, fan, supporters work, youth-work, outreach work, subculture, social prevention, violence, racism


Inhaltsverzeichnis

I

EINLEITUNG ..................................................................................................... 8

I.I

ARBEITSHYPOTHESE UND ZIELVORSTELLUNGEN .................................................. 9

I.II

ZENTRALES ERKENNTNISSINTERESSE ............................................................... 9

I.III

METHODE UND AUFBAU .............................................................................. 10

I.IV

BEGRIFFSERKLÄRUNGEN ............................................................................. 11

II

FUSSBALL ALS GESELLSCHAFTSPHÄNOMEN .............................................................. 12

II.I

EIN FUSSBALLHISTORISCHER ÜBERBLICK ......................................................... 12

II.II

FUSSBALL UND SEINE FANS BEI INTERNATIONALEN GROSSEREIGNISSEN .................. 14

II.III

FUSSBALL(-FANS) IN DER ÖFFENTLICHKEIT...................................................... 16 Fußball im TV und die Auswirkungen für die Fankultur ........................ 17 Fußball und die Darstellung seiner Fans in den Medien........................ 18

III

FANKULTUR IM FUSSBALL ................................................................................... 20

III.I

DER FANBEGRIFF ...................................................................................... 20 Konsumorientierte Fans .................................................................... 20 Fußballzentrierte Fans ...................................................................... 21 Erlebnisorientierte Fans .................................................................... 21 Kritische Fans .................................................................................. 22

III.II

THEORIE DER SUBKULTUR ........................................................................... 23 Entstehung der Fankulturen und der Auflösungsprozess des subkulturellen Fan – Seins ................................................................ 24

III.III

DIFFERENZIERUNG EINZELNER FANKULTUREN ................................................... 27 Kuttenfans....................................................................................... 27 Hooligans ........................................................................................ 28 Ultras.............................................................................................. 30 Neue Gruppierungen kritischer Fans .................................................. 32

IV IV.I

GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL.................................................................. 34 GRUNDSÄTZLICHE ERLÄUTERUNGEN ZU GEWALT ............................................... 35 Erklärungsansätze von Gewalt........................................................... 35


Psychologische Theorieansätze.......................................................... 35 Soziologische Theorieansätze ............................................................ 36 Gewaltprävention ............................................................................. 39 Repressive Polizeiarbeit – präventive Soziale Arbeit ............................. 41 Gewaltbegleitung in der Sozialen Arbeit ............................................. 41 IV.II

RASSISMUS, FREMDENFEINDLICHKEIT UND RECHTSEXTREMISMUS.......................... 42

IV.III

VERKNÜPFUNG VON RASSISMUS UND GEWALT IM FUSSBALL ................................. 45

IV.IV

STRATEGIEN UND ZIELE DER ARBEIT GEGEN RASSISMUS, FREMDENFEINDLICHKEIT UND RECHTSEXTREMISMUS ................................................................................ 46 Strategien im Rahmen internationaler Turniere ................................... 47

IV.V

DAS DILEMMA DER MODERNISIERUNG IM ZUSAMMENHANG MIT RASSISMUS UND GEWALT ........................................................................................................... 48

V V.I

SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS ..................................................................... 51 AUFSUCHENDE JUGENDARBEIT ..................................................................... 51 Spezifisches Profil aufsuchender Jugendarbeit .................................... 52

V.II

LEBENSWELTORIENTIERUNG ........................................................................ 53

V.III

SOZIALE ARBEIT MIT FANS IM VEREINSFUSSBALL .............................................. 54 Soziale Arbeit mit Fußballfans in Österreich ........................................ 55 Methodik der Fanarbeit..................................................................... 57

V.IV

SOZIALPRÄVENTIVE FANARBEIT BEI GROSSVERANSTALTUNGEN ............................. 61 Zum Präventionsverständnis der Fanarbeit bei Großveranstaltungen..... 61 Streetwork als lebensweltorientierter Ansatz....................................... 61 Arbeitsmethoden und Konzepte internationaler sozialpräventiver Fanarbeit......................................................................................... 62 Die Entwicklung sozialpräventiver Fanarbeit im Fußball ....................... 63 FSI – Football Supporters International .............................................. 68 FARE – Football Against Racism in Europe.......................................... 70

V.V

UNTERSCHIEDE ZWISCHEN SOZIALER ARBEIT MIT FUSSBALLFANS IM VEREINSFUSSBALL UND BEI

VI VI.I

GROSSEREIGNISSEN ....................................................................... 71

KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008...................................... 73 ELEMENTE DER FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008 ........................................ 74 Stationäre Fanbotschaften ................................................................ 74 Mobile, internationale Fanbotschaften ................................................ 80


Fankonsulate ................................................................................... 81 Fanguide und Webpage .................................................................... 82 VI.II

ANTIDISKRIMINIERUNGS- UND ANTIRASSISMUSPROGRAMM BEI DER EURO 2008 ...... 83

VII KLAGENFURT ALS AUSTRAGUNGSSTADT DER EURO 2008............................................ 85 VII.I

ALLGEMEIN ............................................................................................. 85 Das Stadion in Klagenfurt ................................................................. 86 Lokale Vereine und Fanszene ............................................................ 86 Soziale Institutionen......................................................................... 88

VII.II

DIE ANWENDUNG DES FANBETREUUNGSKONZEPTS DER EURO 2008...................... 89 Station채re Fanbotschaft.................................................................... 89 Mobile, internationale Fanbotschaften ................................................ 90 Fankonsulate ................................................................................... 91 Fanguide und Webpage .................................................................... 91

VII.III

ANTIDISKRIMINIERUNGS- UND ANTIRASSISMUSPROGRAMM BEI DER EURO 2008 IN KLAGENFURT ........................................................................................... 92

VIII SCHLUSSBETRACHTUNG ..................................................................................... 93

IX

QUELLENVERZEICHNIS ....................................................................................... 95


EINLEITUNG

I

8

EINLEITUNG

Seit meinem 7. Lebensjahr bin ich in das Fußballgeschehen involviert. Erstens als aktiver Spieler, zweitens seit 2006 als ausgebildeter Nachwuchstrainer. In meiner Ausbildung an der Fachhochschule für Soziale Arbeit konnte ich schließlich ein weiteres, für mich sehr interessantes, Handlungsfeld in diesem Bereich kennen lernen. Ich absolvierte im 2. Semester des Studiums ein Volontariat bei der Antirassismusinitiative FairPlay-vidc. Innerhalb meiner Tätigkeit bei dieser Einrichtung bin ich bereits in die Vorbereitungen der Fan- und Antirassismusarbeit zur Europameisterschaft 2004 in Portugal involviert gewesen. Durch die stetige Zusammenarbeit und dem Interesse an der Weiterentwicklung

dieses

Bereichs,

war

es

für

mich

ein

Ziel,

auch

bei

der

Europameisterschaft 2008 im eigenen Land aktiv mitzuwirken. Die Möglichkeit meine Diplomarbeit zu dieser Thematik zu gestalten erschien mir daher logisch. Einerseits um mich fundiert mit Fankulturen und dem Hintergrund Sozialer Arbeit im Fußball auseinanderzusetzen, andererseits um ein konkretes Konzept der Fanbetreuung, mit Schwerpunktsetzung auf die Ausrichtungsstadt Klagenfurt, vorstellen zu können.

In Klagenfurt finden in der Zeit vom 7. – 29. Juni 2008 drei Vorrundenspiele der EURO 2008 statt. Kärnten erwartet sich eine Wertschöpfung von 120 Millionen Euro und rund 900 neue Arbeitsplätze. Klagenfurt rechnet mit ca. 100.000 BesucherInnen an den Spieltagen.

Insgesamt

Wirtschaftskammer

zur

2,5

Millionen

größten

Gäste

werden

Sportveranstaltung,

die

laut bis

der dato

österreichischen in

Österreich

stattgefunden hat, erwartet.

Österreich ist 2008 zum ersten Mal in der Geschichte Teil einer Europameisterschaft im Fußball. Österreich und die Schweiz als Tourismusländer, sowie ihre Austragungsorte Innsbruck, Klagenfurt, Salzburg, Wien, Basel, Bern, Genf und Zürich werden Interesse daran haben, dass die BesucherInnen der EURO 2008 sie als Land bzw. Stadt in Erinnerung behalten, in welche(s) man gerne wiederkommt.


EINLEITUNG

9

Im Bereich der professionellen Fanbetreuung erwartet man sich einen nachhaltigen Nutzen. Im Zuge der EURO 2008 werden in jeder Ausrichtungsstadt, professionelle Strukturen der Fanarbeit bei Fußballgroßereignissen, angeboten. Diese sollen die Soziale Arbeit mit Fußballfans, auch nach der Europameisterschaft, in Österreich verstärkt etablieren.

I.I

ARBEITSHYPOTHESE UND ZIELVORSTELLUNGEN

Die Darstellung von Fans im öffentlichen Diskurs spiegelt das Potential und die Diversität von Fankulturen nicht wieder. Für viele Jugendliche ist der Fußball und das Fandasein Lebensmittelpunkt und Sozialisationsraum. Die Reise zu und das Mitwirken bei einer Europameisterschaft stellt einen Höhepunkt ihrer „Fankarriere“ dar. Für die Soziale Arbeit ist die Fanarbeit auf Vereinsebene als auch bei Großveranstaltungen im Fußball ein Handlungsfeld, das es zu erschließen und zu professionalisieren gilt.

Durch diese Diplomarbeit soll eine Möglichkeit entstehen, die Antirassismus- und Fanarbeit während der Europameisterschaft 2008 in Klagenfurt theoretisch und konzeptuell darzustellen und auch praktisch umsetzen zu können, sowie diverse Erfahrungen und Erkenntnisse nachhaltig für diesen Raum nutzbar zu machen.

I.II

ZENTRALES ERKENNTNISSINTERESSE

Um ein Konzept der Fanbetreuung für die Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz vorzustellen zu können, galt es folgende Fragestellungen auszuarbeiten:

-

was macht das Phänomen Fußball in unserer Gesellschaft eigentlich aus?

-

wie werden Fußballfans in der Öffentlichkeit wahrgenommen und inwieweit differenzieren sie sich in verschiedenen Fankulturen?

-

(wie) reagiert die Soziale Arbeit auf die Subkultur der Fußballfans und die Anforderungen bei einer Großveranstaltung im Fußball?

-

wie kann eine Konzeption der Fanbetreuung alle Fußballfans der teilnehmenden Nationen involvieren?


EINLEITUNG

-

10

kann die professionelle sozialpräventive Fanarbeit während der EURO 2008 auch auf Vereinsebene in Klagenfurt genutzt werden?

I.III

METHODE UND AUFBAU

Um das Konzept der Antirassismus- und Fanarbeit bei der Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz, mit Schwerpunktsetzung auf die Ausrichtungsstadt Klagenfurt, darzustellen, war es notwendig, vorab essentielle Themen für das Verständnis und den Hintergrund der Arbeit zu erörtern. Ich entschied mich einen theoretischen Zugang anzuwenden und Ergebnisse aus meinem Literaturstudium zu verknüpfen. Innerhalb meines

Auslandsstudiums

in

Slowenien,

konnte

ich

ergänzend

zu

meinen

Literaturrecherchen, mit Protagonisten der Fanszene von Ljubljana zusammenarbeiten. Dadurch verschaffte ich mir eine praktische Sichtweise zu diesem Thema. Zur Darstellung des Konzepts der Fanarbeit während der EURO 2008 stützte ich mich unter anderem auf eine Reihe unveröffentlichter Dokumente und Berichte, die mir von den zuständigen Organisationen zu Verfügung gestellt wurden. Ebenso war ich in der Phase der Entwicklung von Fanarbeitsmaßnahmen bei der EUEO 2008 involviert. Bei Fachkonferenzen und Tagungen, in denen ich als designierter Fanbotschaftsleiter von Klagenfurt fungierte, erhielt ich zahlreiche interne Informationen und Erkenntnisse, die ich in meine Arbeit einfließen lassen konnte.

In dieser Arbeit wird zunächst versucht, den generellen Stellenwert von Fußball in unserer Gesellschaft darzustellen (Kapitel II). Nach einem kurzen historischen Überblick zum Fußballsport, wird die Rolle seiner Fans beleuchtet. Danach gehe ich genauer auf die Fanthematik ein, differenziere einzelne Fantypen und stelle die wichtigsten Fankulturen vor. Die Theorie der Subkultur stellt die Basis des III. Kapitels dar, welche auch von Bedeutung für gewalttätiges und rassistisches Verhalten von Fußballfans ist. Erklärungsansätze für Gewalt und Methoden der Gewaltprävention werden vorgestellt, um diese danach in Verbindung mit Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zu bringen und Gegenstrategien zu erläutern (Kapitel IV). In Kapitel V wird auf die Soziale Arbeit mit Fußballfans eingegangen, wobei zwischen Fanarbeit im Vereinsfußball und bei Großereignissen unterschieden wird. Als Grundlagen für Soziale Arbeit mit Fußballfans stelle ich die Ansätze der aufsuchenden Jugendarbeit


EINLEITUNG

11

bzw. der Arbeitsmethode Streetwork und die Theorie der Lebensweltorientierung vor. Weiters versuche ich das Präventionsverständnis der Fanarbeit bei Großveranstaltungen zu erläutern. Kapitel VI und VII wenden sich schließlich der Vorstellung des Konzepts der Fanarbeit bei der EURO 2008 und nehmen Bezug auf das geplante Antirassismusprogramm. Nach einer generellen Darstellung der Elemente des Konzepts wird versucht, diese auf Klagenfurt anzuwenden.

Die Diplomarbeit richtet sich an Fußballfans, die die Anwendung Sozialer Arbeit in ihrer Lebenswelt theoretisch erfahren, und vom nachhaltigen Nutzen der professionellen Fanarbeit bei der EURO 2008 profitieren können, indem sie integrativer Bestandteil dieses Konzepts sind. Auf der anderen Seite ist die Arbeit zur öffentlichen Verwendung bestimmt. Sie soll zur Sensibilisierung der Fandebatte und zum besseren Verständnis von Fankulturen beitragen. Zukünftigen Auftraggebern der Fanarbeit und politischen Verantwortlichen wird somit eine Grundlage gegeben, um den Nutzen von Sozialer Arbeit mit Fußballfans zu erkennen.

I.IV

BEGRIFFSERKLÄRUNGEN

Der Begriff „Fußball“ wird in dieser Arbeit gebraucht, um den Fußballsport oder das Fußballspiel, gemäß einer umgangssprachlichen Verwendung, darzustellen. Mit den Abkürzungen „EURO“, „EM“ oder „WM“ sind die Bezeichnungen Europameisterschaft und Weltmeisterschaft im Fußball gemeint. „Fanarbeit“ und „Fanbetreuung“ werden synonym verwendet und verstehen sich des Weiteren als Soziale Arbeit mit Fußballfans.


FUSSBALL ALS GESELLSCHAFTSPHÄNOMEN

II

II.I

12

FUSSBALL ALS GESELLSCHAFTSPHÄNOMEN

EIN FUSSBALLHISTORISCHER ÜBERBLICK

England gilt als Mutterland des Fußballs. Hier finden sich in vielerlei Hinsicht die Ursprünge dieses Spiels wieder. Im 10. Jahrhundert entstand dieses „Volksspiel“, das noch keine genauen Regelungen vorsah. Im Zuge der industriellen Revolution des 19. Jahrhunderts in England verschwand die volkstümliche Variante und es entstand eine organisierte Form des Fußballs. Außerschulische Fußballklubs gründeten sich und die ersten ZuseherInnen verfolgten die Spiele (vgl. Schulze-Marmeling, 2000: 11-13).

1863 wurde der weltweit erste Fußballverband, die Football Association (FA) gegründet, welche auch ein einheitliches Regelwerk mit sich brachte.

Fußball galt als einfacher, verständlicher, billiger und demokratischer Sport, der das Gemeinschaftsgefühl stärkte und klassenunabhängig gleich gespielt werden konnte. Die Wandlung des Fußballs zum Zuschauersport vollzog sich rasch. Waren es Ende des 19. Jahrhunderts knapp 5.000 Zuseher, kamen bis 1904 über 60.000 AnhängerInnen zu den Finalspielen des FA-Cups. Es entstanden Stadien, erste Kommerzialisierungsprozesse und Presseinteressen am Fußballspiel.

Die internationale Verbreitung des Fußballs begann mit einer zeitlichen Verzögerung von mehreren Jahrzehnten rund um den Globus. Der Fußball wurde zum weltweiten Massenphänomen (vgl. Schulze-Marmeling, 2000: 46).

1904 wurde der weltweite Fußballverband FIFA gegründet, 1930 fand die erste Fußballweltmeisterschaft in Uruguay statt (vgl. www.wm-geschichte.info, 19.03.2007) Die Gründung des europäischen Fußballverbands UEFA erfolgte im Jahr 1955. Fünf Jahre später gab es den erste Nationen-Cup in Europa, den Vorgänger der heutigen Europameisterschaft. Diese wurde 1968 in Italien das erste Mal ausgetragen (vgl.


FUSSBALL ALS GESELLSCHAFTSPHÄNOMEN

13

www.uefa.com, 19.03.2007).

Mitte des 20. Jahrhunderts konnte man auch von der ersten Zuschauerkrise im Fußball sprechen (vgl. Schulze-Marmeling, 2000: 216ff). Eine schleichende Entwicklung der Kommerzialisierung, die bis heute andauert, drängte die ZuseherInnen mehr und mehr in die Rolle der KonsumentInnen.

Die 80er Jahre werden auch als das „graue Jahrzehnt des Fußballs“ bezeichnet (vgl. Schulze-Marmeling, 2000: 201). Das Spiel wird als zunehmend unattraktiv und langweilig empfunden und das Mittelschichtspublikum zieht sich von den mittlerweile überdachten Sitzplatzreihen vermehrt aus den Stadien zurück.

Zeitgleich entsteht das Gewaltproblem der Zuschauer auf den Rängen: 1985 starben im Brüsseler Heysel Stadion beim Spiel Juventus Turin gegen den FC Liverpool 39 ZuschauerInnen, 376 Menschen wurden schwer verletzt (vgl. Weiser, 2002: 47). Nur vier Jahre später kam es 1989 im Sheffielder Hillsborough-Stadion bei einem Spiel zwischen dem FC Liverpool und Nottingham Forest zu einem weiteren Vorfall. 96 LiverpoolAnhängerInnen wurden bei einer Massenpanik in ihrem überfüllten Sektor zu Tode erdrückt, da aufgrund der Ereignisse in Brüssel verstärkt hohe Zäune in den Sektoren aufgebaut wurden. Wie ein roter Faden zogen sich Vorfälle geringeren Ausmaßes im 20. Jahrhundert durch das Fußballgeschehen. Der aufkommende Hooliganismus hatte den Besuch eines Fußballspiels in England teils zu einem gefährlichen Unterfangen gemacht.

Im Jänner 1990 wurde der als „Tayler-Report“ bekannt gewordene Bericht der britischen Regierung veröffentlicht. Neben dem generellen Alkoholverbot auf den Rängen und der Entfernung aller Begrenzungszäune, um im Panikfall das Flüchten auf das Spielfeld zu ermöglichen, war vor allem die Entfernung der traditionellen Stehplatztribünen ein Hauptpunkt.

Die Stadien wurden in reine Sitzplatzarenen umgewandelt, die Eintrittspreise drastisch erhöht. Dies bedeutete einen großen Verlust der traditionellen Fankultur in Englands höchsten Ligen, waren die Terraces 1 doch die sozialen Schmelztiegel in den Stadien

1

Terrace ist die übliche englische Bezeichnung für Stehplatztribüne auf der sich die Fans befinden


FUSSBALL ALS GESELLSCHAFTSPHÄNOMEN

14

gewesen und die neuen Eintrittspreise meist zu hoch für die traditionellen AnhängerInnen aus einfachen Verhältnissen. FIFA und UEFA haben diese Sicherheitslinie großteils übernommen, internationale Spiele dürfen heute nur noch von Sitzplätzen aus verfolgt werden. In Deutschland konzipierte man bei Neubauten meist weite Teile der Fankurven 2 als Stehplatzbereich, welche im Bedarfsfall zu Sitzplätzen umfunktioniert werden können.

II.II

FUSSBALL UND SEINE FANS BEI INTERNATIONALEN GROßEREIGNISSEN

„Internationale

Turniere

sind

Großereignisse,

bei

denen

man

enorme

ZuschauerInnenbewegungen und große Menschenmassen über einen längeren Zeitraum steuern muss.“ (Entwurf eines Handbuches zur Gewaltprävention im Sport, 2002: 4) Diese internationalen Turniere, welche sich über einen Zeitraum von ca. vier Wochen erstrecken, haben spezifische Strukturmerkmale.

Bei der Fußball-Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz werden zwischen 7. und 29. Juni 2008 16 Mannschaften 31 Spiele austragen. Sieben davon werden im Wiener Ernst Happel-Stadion stattfinden, je drei in Salzburg, Klagenfurt und Innsbruck. Insgesamt werden 550.000 ZuschauerInnen in Österreich erwartet. In der Schweiz gibt es fünf Spiele in Basel, je drei in Bern, Genf und Zürich. Die Auslosung zur Endrunde der EURO 2008 findet am 2. Dezember 2007 in Luzern (Schweiz) statt (vgl. Dernier, Ryba: 2004).

Eine

Europameisterschaft

ist

nach

den

Olympischen

Sommerspielen

und

einer

Weltmeisterschaft im Fußball das drittgrößte Sportereignis der Welt (vgl. Gabriel, Schneider. 2001: 3). Demnach ist auch die Aufmerksamkeit für dieses Ereignis weltweit entsprechend groß.

Die zunehmende gesellschaftliche Akzeptanz des Fußballs spiegelt sich vor allem bei Großereignissen wie einer Europameisterschaft wieder. So waren es bei der letzten EURO 2004 in Portugal über 600.000 BesucherInnen, die aufgrund dieses Ereignisses das Land 2

Als Fankurve oder nur Kurve bezeichnet man den Platz im Stadion, auf dem sich Fans des Vereines befinden. Die Fansektoren, Fanblocks oder Terraces sind meist hinter den Toren.


FUSSBALL ALS GESELLSCHAFTSPHÄNOMEN

15

besuchten. ZuseherInnen und ihre Begeisterung sind für den Ablauf und die Atmosphäre des Events außerordentlich wichtig (vgl. Becker, Pilz. 1988: 7).

Events

sind

in

diesem

Zusammenhang

„typische

außeralltägliche

Vergemeinschaftungsformen grenzenloser, sich zunehmend individualisierender und pluralisierender Gesellschaften“ (Gebhard, Hitzler, Pfadenhauer. 2000: 12ff) Der

Besuch

eines

Welt-

oder

Europameisterschaftsturniers

ist

attraktiv

für

fußballbegeisterte Fans, die aufgrund der eigenen Nationalmannschaft anreisen und das internationale Ereignis nutzen, um in Kontakt mit anderen Fangruppen zu treten. Die Zusammensetzung der BesucherInnen und ZuseherInnen bei einem solchen Ereignis ist sehr heterogen. Die Klientel ist ein anderes als das im Vereinsfußball.

Viele

organisierte

Fangruppen

stehen

solchen

Großveranstaltungen

sehr

kritisch

gegenüber. Sie wehren sich gegen die Inszenierung einer Fußballidylle für die breite Masse und distanzieren sich von der EM, die für sie zahlreiche Schattenseiten mit sich bringt. Konsumenten treten an Stelle der Fans, den Bedürfnissen von Sponsoren, TV und VIP´s wird Vieles untergeordnet. Fankultur muss Kommerz weichen und ist von negativen Begleiterscheinungen

einer

EM

betroffen.

Konkret

sind

damit

die

steigenden

Sicherheitsbestimmungen und Repression gegen Fans, die ihre Fankultur bedrohen, gemeint (vgl. AGIS-Konferenz Innsbruck. 27. - 28. April, 2007). Es wird befürchtet, dass neu eingeführte Gesetze, wie zum Beispiel strengere Auflagen für Stadionverbote oder Meldepflichten für polizeibekannte Fans, nach der EM nicht zurückgenommen werden.

Es gab hingegen bei vergangenen internationalen Turnieren immer mehr anreisende Fans ohne Karten, die ebenfalls Teil der Welt- oder Europameisterschaft sein wollten. Dementsprechend höher wurden die Anforderungen an Austragungsländer und -städte, ein entsprechendes Rahmenprogramm zu bieten.

Internationale

Turniere

sind

durch

ihre

Komplexität unübersichtlicher

geworden.

Fußballfans verlangen eine Reihe zusätzlicher, spezifischer Auskünfte, weshalb spezielle Informationsangebote für Fans notwendig sind.

Die Besuchermassen und die weltweite öffentliche Aufmerksamkeit gegenüber dem


FUSSBALL ALS GESELLSCHAFTSPHÄNOMEN

16

mehrwöchigen Event stellen an die OrganisatorInnen enorme sicherheitspolitische Anforderungen, welche eine zentrale Rolle bilden. Die

vorherrschende

Stimmung

unter

den

BesucherInnen

eines

internationalen

Großereignisses trägt maßgeblich zum Gesamterfolg bei. Es ist relevant, inwieweit es den TeilnehmerInnen tatsächlich ermöglicht wird, sich als Bestandteil einer emotionalen Gemeinschaft zu fühlen (vgl. Gebhardt, 2000: 24ff). Eine

Überbetonung

des

Sicherheitsaspekts

vor

allem

im

Hinblick

auf

den

ordnungspolitischen Umgang mit den Fans kann jedoch die Gesamtatmosphäre und öffentliche Wahrnehmung eines Fußballgroßereignisses wesentlich beeinträchtigen.

Die Überzeugung, dass FußballanhängerInnen in erster Linie eine atmosphärisch positiv bestimmende Größe im Rahmen eines internationalen Turniers darstellen können, scheint vermehrt Zuspruch zu finden (vgl. Schneider, Gabriel. 2004: 11-12).

Die

Anziehungskraft

internationaler

Turniere

geht

einher

mit

einer

verstärkten

kommerziellen und massenmedialen Vereinnahmung der Ereignisse. Vor allem Fernsehen, Presse und Sponsoring spielen dabei eine zentrale Rolle.

II.III FUßBALL(-FANS) IN DER ÖFFENTLICHKEIT

Fußballfans sind wichtiger Bestandteil dieses Sports. Trotz der Entwicklung zu einer „Verdrängung“ der traditionellen Fans aus den Stadien hat sich das bis heute nicht geändert.

Fußballfans trugen dazu bei, dass der Fußball zu jenem Ereignis werden konnte, welches er heute darstellt und seit Jahren in zunehmendem Maße das Interesse der Öffentlichkeit erregt. Er wurde zum Sport der Masse3, ein sozialer und gesellschaftlicher Mittelpunkt.

Fußball genießt in der Öffentlichkeit einen recht hohen Stellenwert, das Bild seiner Fans jedoch ist negativ besetzt. Es ist vor allem geknüpft an Gewalt und Randale (vgl. Horak, Spitaler. 2006: 521). Der 3

In Österreich sind 592.375 (davon knapp 12.000 Frauen bzw. Mädchen) aktive FußballerInnen gemeldet. (www.oefb.at, 15.03.2007)


FUSSBALL ALS GESELLSCHAFTSPHÄNOMEN

17

öffentliche Diskurs über Fußballfans betrifft in erster Linie Fragen der Sicherheit. Aus der organisierten Fanszene wird dies vehement beklagt (vgl. ebd. 519 – 521). Das öffentliche Interesse an jugendlichen Fußballfans nimmt immer dann zu, wenn Gewalt und Randale in und um die Stadien zu verzeichnen sind.

Der Fan wird oft als potentielle/r GewalttäterIn oder als ein marginalisiertes Opfer der Gesellschaft gesehen, der sich mit Assoziationen von Rechtsextremismus und potentiellem Alkoholismus auseinander setzen muss (vgl. Heitmeyer, Peter. 1988: 9-11).

Die Öffentlichkeit beschäftigt sich kaum mit möglichen Ursachen und versucht auch nicht, sich seriös mit Fankulturen auseinander zu setzen.

Fußball im TV und die Auswirkungen für die Fankultur

„Fußball im Fernsehen gibt es schon fast so lange wie das Medium selbst.“ (ballesterer, Nr. 15. 2004: 10)

Großveranstaltungen wie Welt- und Europameisterschaften im Fußball verzeichnen Fernsehzuschaltungen in Milliardenhöhe. In Städten versammeln sich Menschen in Pubs, ihren Lieblingslokalen, zu Hause oder auch auf öffentlichen Plätzen an denen Großbildleinwände angebracht sind, um ein Fußballspiel zu verfolgen.

Das Fernsehen hat das ZuschauerInnenverhalten im Fußball in den letzten fünfzig Jahren stets begleitet, stark beeinflusst und lässt (fast) jeden an dem „Kulturgut“ Fußball teilhaben. Viele sehen in ihm aber auch das Ende einer traditionell aufgebauten Fankultur (vgl. Federmeier, Spitaler. 2004: 15). In den 60er Jahren wurde das Fernsehen endgültig zum zentralen Medium im Fußball und löste das Radio ab. Die

dadurch

ausgelöste

Kommerzialisierungswelle

machte

das

traditionelle

Fußballpublikum immer wählerischer und ist mitunter dafür verantwortlich, dass das Spiel mehr und mehr den Bezug zur Arbeiterklasse verlor. Es wurde von einer Domäne der unteren Klassen zu einem Vergnügen der bürgerlichen Mittel- und Oberschicht (vgl. Aschenbeck, 1998: 18).


FUSSBALL ALS GESELLSCHAFTSPHÄNOMEN

18

Der ökonomische Aspekt der Fernsehübertragungen erhöhte sich in den 80er Jahren und erlangte eine bis heute andauernde, nach oben offene Preisspirale (vgl. Federmaier, Spitaler. 2004: 10-12).

Entsprechend stieg die Abhängigkeit der Clubs von den Fernsehanstalten. Das Fernsehen hat ein neues Fußballpublikum geschaffen, das ZuschauerInnen zu bloßen Kunden eines Markenproduktes reduziert – kurz: KonsumentInnen statt Fans (vgl. Federmaier, Spitaler. 2004: 10-12).

Ein stärkeres weibliches Interesse am Fußball, vor allem bei Großereignissen wie Weltmeisterschaften und der EURO, wird dem „neuen Fußballpublikum“ angerechnet. Fußball und Fernsehen scheinen eine ökonomische Symbiose eingegangen zu sein und auch die Fankultur beginnt die Gesetze der Kamera zu verinnerlichen. Transparente werden für Fernsehkameras sichtbar positioniert, aufwendige Choreographien werden von diesen jedoch nur selten eingefangen.

Fußball und die Darstellung seiner Fans in den Medien Printmedien spielen bei Fußballereignissen eine zentrale Rolle, unter anderem in der Vermittlung des Bildes von Fans. Diese werden hauptsächlich mit Gewalt und Randalen in Verbindung gebracht werden. Probleme von Fans und deren Hintergründe bleiben meist unbelichtet. Immer wenn soziale Erscheinungen

nicht

kurz

und

bündig

erklärt

werden

können,

kommt

es

zu

Vereinfachungen und falschen Bildern, in die Fußballfans hineingepresst werden (vgl. Heitmeyer, Peter. 1988: 9f).

Bei Welt- und Europameisterschaften herrscht ein erhöhtes Medieninteresse. Fußballfans stellen vor allem dann ein dankbares Thema dar, wenn über voraussichtliche oder bereits geschehene Ausschreitungen berichtet werden kann.

„Die Schere zwischen Sensationslust der Medienhysterie und der Realität ist dabei weit geöffnet“ (Hoeck, 2001: 59ff). Medieninteressen schwanken zwischen der verkaufsfördernden Verbreitung von Gewalt


FUSSBALL ALS GESELLSCHAFTSPHÄNOMEN

19

und Warnung derselben (vgl. Heitmeyer, Peter. 1988: 11)

Massenmedien entwickeln einen großen Beeinflussungsprozess der öffentlichen Meinung, wobei der überwiegende Teil der Rezipienten nicht in der Lage zu sein, auf die nötige Fachkompetenz

zurückzugreifen,

um

sich

differenziert

mit

dem

Thema

auseinanderzusetzen (vgl. ebd. 1988: 62).

In erster Linie ein medienträchtiges Thema unter den Fußballfans bedeuten die Hooligans, wobei hier kaum tatsächliche Fanszenen differenziert werden.

„Hooligan-Berichterstattung ist Sensationsberichterstattung“ (Hoeck, 2001: 60) und es erfolgt gleichsam schnell eine Stigmatisierung aller Fans als Fußballverbrecher und Gewalttäter. Diese Verurteilung zur Devianz löst bei LeserInnen den Effekt aus, Vorurteile und Wut gegenüber Fußballfans zu entwickeln und lässt eine Korrektur ihres einseitigen und größtenteils falschen Fanbildes selten zu.

Die dramatisierende Medienberichterstattung über Fußballfans und Hooligans kann schließlich in einer Kriminalisierung der FußballanhängerInnen enden und übt zudem starken Einfluss auf sicherheitspolitische Maßnahmen aus (vgl. Hoeck, 2001: 59 – 64). Andererseits existieren in seriösen Zeitungen und Fachzeitschriften Versuche, sich mit Fankulturen und dem Nutzen von Fanarbeit detaillierter auseinandersetzen.

Ein österreichisches Beispiel hierfür ist das Fußballmagazin „ballesterer fm“, es entstand aus einem Projekt von Studierenden der Publizistik und Kommunikationswissenschaften4 in Wien und versucht Fankulturen seriös zu beleuchten. Weiters erwähnenswert sind das kritische Fußballkulturmagazin „11 Freunde“ und zahlreiche „Fanzines“, die vom Fan für den Fan geschrieben werden und als Spiegelbild der Stimmung in der jeweiligen Fanszene gelten. Fanzines thematisieren die Abneigung gegen

die

zunehmende

Kommerzialisierung

im

Fußball

und

die

kritische

Auseinandersetzung mit der Vereinspolitik (vgl. Germann, 2007: 20).

Fanmagazine und Fanzines sind Möglichkeiten der differenzierten Literatur für Fans und über Fans, die auch bei Großveranstaltungen wahrgenommen werden.

4

Gründung im Zuge einer Seminararbeit vom nunmehrigen Chefredakteur Reinhard Krennhuber.


FANKULTUR IM FUSSBALL

III

III.I

20

FANKULTUR IM FUSSBALL

DER FANBEGRIFF

Der Fanbegriff bezieht sich auf das englische Wort „fan“, eine Kurzform des Wortes „fanatic“.

Ins

Deutsche

übersetzt

bedeutet

es

„begeisterter

Anhänger“

oder

„schwärmender Verehrer“ (vgl. Brockhaus, 2000: 438).

Eine entscheidende Unterteilung der Fans im Hinblick auf deren Heterogenität und den Wandel der Rahmenbedingungen des Fußballs wurde von Wilhelm Heitmeyer durchgeführt. Er hat einen Ansatz entwickelt, der unterschiedliche Kriterien zu Wertemustern und Einstellungen von Fans differenziert und somit drei wesentliche Fantypen definiert.

Konsumorientierte Fans Die soziale Relevanz bei konsumorientierten Fans ist relativ unbedeutend. Sie finden diese Bestätigung und Akzeptanz auch in anderen Bereichen und sehen den Fußball als austauschbare Freizeitbeschäftigung. Die Leistung der Mannschaften und das Niveau des Spiels stehen im Vordergrund, man findet diesen Fan demnach auch auf jenen sozialräumlichen Plätzen im Stadion wieder, die die bestmögliche Übersicht des Spielgeschehens bieten (vgl. Heitmeyer, 1988: 33). Die Zusammensetzung dieser ZuseherInnen erfolgt in oftmals wechselnden Kleingruppen, oder besteht aus Einzelpersonen, die alleine ins Stadion gehen. Man kann den konsumorientierten Fan mit einem Kunden vergleichen, der für sein Geld eine entsprechende Gegenleistung erwartet.


FANKULTUR IM FUSSBALL

21

Fußballzentrierte Fans Wortnah ist für fußballzentrierte Fans der Fußball auch Lebensinhalt. Die soziale Relevanz ist sehr hoch, stellt der Fußball doch ein unverzichtbares Präsentationsfeld dar, „über das

Anerkennung für den Einzelnen und die Gruppe gesucht wird“ (Heitmeyer, 1988: 33). Die sportliche Darbietung wird als wichtig empfunden, fußballzentrierte Fans sind aber nicht ausschließlich leistungsfixiert, es steht auch bei sportlichem Misserfolg die Treue zum Verein im Vordergrund. Das Erleben von Spannungssituationen wird durch eigene Beiträge erhöht, in dem man sich in der Gruppe gemeinschaftlich im Fan-Block darstellt. Entsprechend stark ist die Gruppenorientierung, die über den Sozialraum Fan-Block bzw. Fankurve hinausgeht. In dieser Szene lassen sich am ehesten subkulturelle Bestände finden (vgl. ebd.).

Erlebnisorientierte Fans Die sportliche Bedeutung des Fußballspiels hat für den erlebnisorientierten Fan einen ambivalenten Akzent. Es geht vorrangig um die individuell erlebte Spannung und Reizdichte unter dem Gesichtspunkt des Spektakels. Fehlen Spannungszustände aufgrund des Spiels selbst, werden diese vom erlebnisorientierten Fan erzeugt. Somit wird der Fußball in seiner Rolle mehr zu einer Bühne um soziale Kontakte und Anerkennung zu erlangen. „Ablösungsrozesse vom Fußball sind deutlich, die sich mit wechselnden

Gruppenorientierungen und instabilen Stadionstandorten verbinden“ (Heitmeyer, 1988: 33).

Obwohl die typologische Dreiteilung der Fanszene sich auch heute in den Stadien Europas weitgehend widerspiegelt (vgl. Aschenbeck, 1998: 90), muss man diese Kategorisierung um zumindest eine neue Fanbewegung erweitern.5 Der Autor Aschenbeck spricht hierbei von den so genannten „kritischen Fans“.

5

relativ neue Fankulturen wie zum Beispiel die der Ultras, die seit Mitte der 90er Jahre etabliert ist, werden nachgehend in der Beschreibung der einzelnen Fan(sub)kulturen beschrieben.


FANKULTUR IM FUSSBALL

22

Kritische Fans Die kritische Fanbewegung steht der fußballzentrierten sehr nahe, wobei gegenüber gegenwärtiger Entwicklungen im Fußballgeschehen sowie gegenüber Vereinspolitik, Modernisierung und Kommerzialisierung des Fußballs eine kritische Haltung und Meinung eingenommen wird. Kritische Fans wollen ihre Position im Fußball und in der Fanszene aktiv beeinflussen und positiv verändern, treten zum Beispiel gezielt gegen vereinspolitische Maßnahmen auf oder legen ihre Meinung offen in Fanzines und Diskussionsveranstaltungen dar. Inhalt ihrer Anliegen sind neben der Kapitalisierung des Fußballs unter anderem die Sicherheitspolitik in und um die Stadien, die totale Versitzplatzung und somit Verdrängung der traditionellen Fankulturen aus den Stadien oder auch Themen wie Rassismus, Rechtsradikalismus, Xenophobie und Homophobie im Fußball. Ihr erklärtes Ziel ist die Erhaltung des Fußballs als Stadionerlebnis für alle sozialen Schichten (vgl. Aschenbeck, 1998: 128 – 135).

Diese Gruppierungen können mit der Kategorisierung der Fans durch Ordnungsinstanzen verglichen werden. Die österreichische Exekutive orientiert sich hier nach dem deutschen Vorbild in der Einteilung von „A-“ „B-“ und „C-“ Fans (vgl. Horak, Spitaler. 2006: 521), wobei

diese

dementsprechend

den

konsumorientierten,

fußballzentrierten

und

erlebnisorientierten Fan zugeschrieben werden können.

Unter Kategorie „A“ versteht die Exekutive den „friedlichen Fan“, der den Durchschnitt der ZuseherInnen ausmacht und zu keiner Gewalt im Stadion neigt.

Die in der Kategorie „B“ erfassten „fußballzentrierten Fans“ sind Personen in der Fankurve und laut polizeilicher Einstufung jene, die zur Gewalt neigen oder gewaltbereit sind. Dr. Peter Jedelsky, im Wiener Kriminalamt für die Prävention von Fußballfangewalt zuständig, spricht von 400 bzw. 900 erfassten „B-Fans“ (vgl. Horak, Spitaler. 2006: 521f).


FANKULTUR IM FUSSBALL

23

In der Kategorie „C“, „gewaltsuchende Fans“ sind es rund 200 als gefährlich eingestufte Fans, wobei derzeit 44 mit einem Stadionverbot belegt sind (vgl. ebd.). Diese Kategorie ist am ehesten betroffen von sicherheitspolitischen Novellierungen. Meldeauflagen und vermehrte Verhängung von Stadionverboten sollen Hooligans, welche eine spezielle Typologie des elebnisorientierten Fans darstellen, von der Teilhabe an der EURO 2008 abhalten. 6

Festzuhalten ist, dass die Polizei grundsätzlich nach dem Prinzip der 3-D Strategie (Dialog, Deeskalation, Durchgreifen) agieren möchte. Von Seiten der Fans wird jedoch oft die umgekehrte Reihenfolge des Eingreifens geschildert.

III.II THEORIE DER SUBKULTUR

Laut Lamnek geht der Subkulturansatz davon aus, dass in einem komplexen sozialen System Normen, Werte und Symbole nicht für alle Gesellschaftsmitglieder die gleiche Bedeutung haben. Subkulturen schaffen eigene Normen und Werte und unterscheiden sich durch diese vom Gesamtsystem. Eine Zugehörigkeit zu diesem, durch Übernahme von Basiswerten, geht jedoch nicht verloren. Kennzeichnend ist also das „Abweichen von

gesamtgesellschaftlichen Werten und Normen, bei partieller Übernahme beider kultureller Inhalte“ (Lamnek, 2001: 162). Für Schwendter ist Subkultur ein allgemeiner Begriff, der in der affirmativen Soziologie verwendet wird. Sie ist ein Teil einer konkreten Gesellschaft. Dieser Teil unterscheidet sich laut dem Autor in wesentlichem Ausmaß von der Gesamtgesellschaft.

Das Bestehen einer Subkultur hat folgende Funktionen (vgl. Lamnek, 2001: 157f): -

Subkulturen verleihen ihren MitgliederInnen einen Status, den sie ohne sie nicht erreichen können.

-

Sie rechtfertigen Aggression und Feindseligkeit gegen außenstehende Systeme bzw. Personen.

-

6

Sie vermindern Angst- und Schuldgefühle in der Gesamtheit der Gruppe.

Laut Protokoll während der FairPlay-vidc Host City Tour zur „Fanbetreuung bei der UEFA EURO 2008 in Klagenfurt, 22. – 23. März 2007.


FANKULTUR IM FUSSBALL

24

Springer stellt für die Entstehung einer Subkultur folgende Hypothesenkette auf: 1. Wenn eine Gesellschaft in soziale Klassen unterteilt ist, 2. wenn sozialer Status nach Kriterien zugeteilt wird, die klassengebundene Fähigkeiten voraussetzen, 3. wenn benachteiligte Klassen durchgesetzte Werte und Normen akzeptieren und sich dem niedrigeren sozialen Status bewusst sind, 4. wenn das Statusstreben spezifisch männliche Anpassungsprobleme aufwirft, 5. wenn diese Anpassungsprobleme sich wechselseitig wirksam beeinflussen, 6. wenn sie Ablehnung und Feindschaft gegenüber denen hervorrufen, die ihnen einen niedrigeren Status zuweisen, 7. dann entwickeln sich Gruppen, in denen ein eigenes Werte- und Normsystem entsteht, die sich gegen das gesellschaftlich gültige richtet und eigene soziale Ränge beinhalten. (Springer, 1973 in Lamnek, 2001: 162).

„Die Fanszene ist die letzte intakte Jugendsubkultur der Bundesrepublik“ (Buchholz. 1985 zit. nach: Weiser, 2002: 49). Um die Fanszene und das Verhalten der Fußballfans zu erläutern, muss man diese sowohl in ihrer kulturellen Eigenart verstehen, als sie auch als subkulturelle Gemeinschaft begreifen (vgl. Weiser, 2002: 49).

Entstehung

der

Fankulturen

und

der

Auflösungsprozess

des

subkulturellen Fan – Seins Die Geburtsstunde der Fankulturen erfolgte in den 60er und 70er Jahren. Eben beschriebene jugendliche fußballzentrierte Fans lösten sich vom Erwachsenenpublikum ab und begründeten eine Fankultur mit eigenen Regelwerken und Verhaltensnormen (vgl. Löffelholz, 1991: 61). In dieser werden Aggressions- und Gewalttabus oftmals aufgehoben. Löffelholz sieht darin eine „offensichtlich strukturell notwendige Reaktion auf die

fortschreitenden gesellschaftlichen Modernisierungsprozesse.“ (ebd.) Die Bedeutung des Zusammenhalts und der gemeinsamen Entdeckung sozialer Räume, ist Kernelement einer eigenständigen Fankultur. Nach Weiser werden Fußballstadien auch als Orte beschrieben, die erst mittels klassenanalytischer

Theoriebildung

oder

sozialisationstheoretischer

Erklärungen

zu


FANKULTUR IM FUSSBALL

25

begreifen sind und „immer ein öffentlicher Raum waren, der von der ortsansässigen

Jugend oder Arbeiterschaft genutzt wurde“ (Podiumsdiskussion der KOS, 1999: 89). Eine besondere

Leistung

des

sozialen

Ortes

Fußballstadion

liegt

in

einer

generationenübergreifenden, soziokulturell integrierenden Gemeinschaftserfahrung (vgl. Göbbel, 1986: 28). „Das Stadion ist Aktions- und Erlebnisraum für Fans und bietet ihnen

Platz für ihre Selbstdarstellung“ (Becker, 1988: 34). Göbbel sieht in der Fußballszene das Bedürfnis nach dem Aufbau eines gegenkulturellen Milieus, welches Ersatzsituation und Alternative zu standardisierten Formen des herrschenden Kulturbetriebes darstellt. In dieser gegenkulturellen Fanszene und den daraus resultierenden Fanhandlungen bewertet der Autor die Handlungsweisen als

„Versuch einer Überwindung sozialer Isolation, institutionalisierter Minderwertigkeit und lebenspraktischer Perspektivlosigkeit“ (Göbbel, 1986: 27). Viele Jugendliche finden sich um die Fußballstadien zu einer stark rituell geprägten Fankultur zusammen (vgl. Löffelholz. 2004: 61).

Wird das weite Feld der Fankultur betrachtet, so kann man von „der Individualität

ausgehend, über die Fanszene weitergehen, die die soziale Gruppe erfasst und diese dann als subkulturelle Gemeinschaft in ein Verhältnis zur Gesellschaft stellt und schließlich strukturelle Prozesse kenntlich macht, denen die Fans unterworfen sind“ (Weiser, 2002: 86).

Die Fußballfankultur ist eine interessante jugendliche Subkultur, in der unterschiedliche Stile und Formen jugendlichen Verhaltens zum Ausdruck kommen, positive wie auch negative (vgl. Becker, Pilz: 11). Sie konturierte sich zu Beginn der 80er Jahre als aggressiv-nationalistischer Pol im Spektrum der Jugendkulturen (vgl. Löffelholz, 2004: 62.). Subkulturelle Szenen wie die bestimmter Fankulturen (zum Beispiel Hooligans) werden als Orte angesehen, an denen „in gemeinsamen Inszenierungen alternative Identitäten gelebt

werden können“ (Konstantinidis, 2005: 115). Heitmeyer spricht von Auflösungstendenzen eines subkulturellen Fan-Seins (vgl. Heitmeyer, 1988: 9). Er versucht einem Zusammenhang der Kapitalisierung des Fußballs und gewalttätig Auseinandersetzungen nachzugehen. Eine schlichte Kausalität existiert hier nicht, eine gewisse Parallelität lässt sich aber nicht


FANKULTUR IM FUSSBALL

übersehen.

Die

26

Kapitalisierung

hat

ebenso

zugenommen

wie

gewaltförmige

Auseinandersetzungen in dieser Zeit. Der Fußball wird durch die Ökonomisierung aus dem sozialen Leben und der Sinnproduktion sozialer Klassen herausgelöst und verändert wiederum Rolle und Bedeutung der Fans (vgl. Heitmeyer, 1988: 9-11). Die Kapitalisierung aller Lebensbereiche, führt zu einer individuellen wie sozialen Entwertung der Fans. Identitätsprobleme von Jugendlichen im Alltag verlängern sich in und um das Fußballstadion. Versuche, verloren gegangene soziale Einbindung in den Fußballverein zu kompensieren, vermittelt man über Gewalt, über nationalistische Sichtweisen und Identifikationen (vgl. ebd. 34f).

Fanausschreitungen

können

als

langfristige,

schwer

wahrzunehmende

soziale

Veränderungen angesehen werden. Heitmeyer nimmt weiters an, dass der Versuch unter Gleichgesinnten und Gleichaltrigen eine Subkultur herauszubilden, in der das Prinzip der Gemeinsamkeit rund um den Fußball herausragt, in der Vereinzelung aufgelöst wird. Der Fußball und das Stadion fallen als Sozialisierungsraum und Präsentationsort. Es gibt kein identifizierbares kollektives Gruppendasein mehr. Durch die Individualisierung von Lebenssituationen ist für Jugendliche das Gefühl kollektiver Gemeinschaft kein gesicherter Grundbestand mehr, sondern nur momentan herstellbar (vgl. Weiser, 2002: 53ff).

„Der Auflösungs- bzw. Zerstörungsmechanismus der Fankulturen setzt an zwei Stellen an. Zum einen am standardisierenden Einfluss der Disziplinierungs- und Kontrollinstanzen, zum anderen an der Durchkapitalisierung des Fußballs“ (Heitmeyer, 1988: 35). Im Bereich der Fußballfans lässt sich erkennen, dass durch die Umwandlung der Fußballvereine in Fußballunternehmen ein Zerstörungsmechanismus in Kraft gesetzt wird, der diese Gruppen ausgrenzt und auflöst (vgl. Heitmeyer: 36-38). Die Fans möchten mit

„eigenen Mitteln und Möglichkeiten diese autonome Kultur bewahren“ (Podiumsdiskussion der KOS, 1999: 89). Dies gelingt jedoch nicht immer. Das Gewaltproblem findet an dieser Stelle Nährboden, denn „wenn Jugendlichen etwas

weggenommen wird, reagieren sie nicht nur friedlich“ (Podiumsdiskussion der KOS, 1999: 91ff).


FANKULTUR IM FUSSBALL

27

Die Rolle und Bedeutung der Fans ändert sich aus Sicht der Fußballunternehmen und hat eine

soziale

Entwertung

der

fußball-

und

erlebnisorientierten

Fans

zur

Folge.

Kapitalorientierte Fußballunternehmen zielen auf den konsumorientierten Fan ab, der dem Fußball wenig soziale Bedeutung zuschreibt. Aus der einstmaligen sozialen Einbindung als Dazugehörige wird nun die instrumentelle Anbindung als Konsument (vgl. Heitmeyer, 1988: 38).

Für fußball- und erlebnisorientierte Fans sind der Fußballverein und die Bedeutung des

„Fan-Seins meist wie ein roter Faden im Leben, der in anderen Bereichen so nicht mehr vorhanden ist“ (Podiumsdiskussion der KOS. 1999: 91). Doch sollen, gerade im Hinblick auf das Gewaltproblem und jüngste Fanausschreitungen, Fans die Möglichkeit der Mitbestimmung erhalten, Teil des Stadions, Teil der Planung und des Betriebes sein. Dann ist für sie ein Sozialraum vorhanden, in dem ein jugendgemäßes, fangemäßes Dasein möglich ist, mit allen positiven Identifikationsmöglichkeiten.

III.III DIFFERENZIERUNG EINZELNER FANKULTUREN

Kuttenfans Kuttenfans gelten als die klassischen Anhänger/Fans von Fußballvereinen, welche es seit den siebziger Jahren gibt. Der Name „Kutte“ geht auf das englische Wort „cut-off“ zurück, welches das Abschneiden der Ärmel von Jeansjacken bezeichnet. Diese

ärmellosen

MotorradfahrerInenn

Kutten ins

stammen

Stadion

aus

gebracht.

Rockerkreisen Sie

werden

und mit

wurden

möglichst

von vielen

Vereinsutensilien, Aufnähern und Emblemes verziert. Neben den Kutten ist das Erscheinungsbild dieser Fankultur geprägt von Schals, Mützen und Fahnen aller Art (vgl. Bandel, 1995).

Kuttenfans fügen sich nach Cohens Einteilung in die männliche Basis-Subkultur ein. Diese beschränkt sich auf die Arbeiterklasse und organisiert sich in Cliquen, aber auch in kriminellen Kleinbanden (vgl. Lamnek, 2001: 158).


FANKULTUR IM FUSSBALL

28

Die Fankultur der Kuttenfans ist in die Typologie der fußballzentrierten Fans einzureihen. Sie organisieren sich traditionell in Fanclubs. Das Engagement für ihre Mannschaft geht weit über das eines/r durchschnittlichen ZuseherIn hinaus. Sie gelten häufig als Rückgrat des Vereins.

Hooligans Die subkulturelle Szene der Hooligans ist eine heterogene Gruppe. Sie ist eine Gemeinschaft aus allen Schichten der Bevölkerung, die sich zu einer Gruppe in der lokalen Szene der Fußballfans formt (vgl. Konstantinidis, 2005: 116). Zu den Hooligans gehören auch „Leute aus dem Angestelltenmilieu, Banker, Gymnasiasten

und Studenten“ (Löffelholz 1991: 62). Treffend der Ausspruch des VW-Managers Klaus Kocks: „lieber Hooligan als Muckefucktrinker“ (Löffelholz zitiert nach Buderus 2001: 105).

Für Buderus ist der Hooligan „die Verkörperung der extremen Form postmoderner A-

Sozialität“ (Buderus, 2001b: 107), in dem er den neoliberalen Kapitalismus und die ungezügelte Aggressivität am konsequentesten in der direkten Konfrontation auf der Straße auslebt.

Das Verhalten der Hooligans ist, nach dem Typus der differenzierten Fußballfans sehr stark elrebnisorientiert (vgl. Bandel, 1995), sie grenzen sich aber deutlich von klassischen Fans wie den Kuttenträgern ab und fühlen sich diesen überlegen. Hooligans finden Gemeinsamkeiten bzw. Sympathien zur politisch eher rechts orientierten Szene (vgl. Löffelholz, 1991: 63f). Klassisch maskuline „Tugenden“ wie Männlichkeit, Mut, Härte und Furchtlosigkeit finden in der Subkultur der Hooligans eine hohe Wertschätzung. Nach Cohen können Hooligans in die delinquente Mittelklassen-Subkultur eingeteilt werden. Status

in

dieser

Jugendkultur

wird

„durch traditionell männliche Symbole wie

Rücksichtslosigkeit und Tapferkeit erworben […]“ (Cohen, 1957: 115 nach Lamnek, 2001: 160).

Die Fankultur der Hooligans legt weiters wert auf nobles und unauffälliges Aussehen. Erstens als Abgrenzung zu sozialen Unterschichten und dem Image des ungepflegten Fußballrowdys, zweitens um von der Polizei schwerer erkannt zu werden. Ein


FANKULTUR IM FUSSBALL

29

Hauptaugenmerk der Hooligans liegt in einem gepflegten Äußeren und dem Tragen von teurer Markenkleidung.

Die Gruppenzugehörigkeit bei Hooligans ist ausschließlich informell definiert (vgl. Konstantinidis, 2005: 117). Der Gruppenstil erfährt durch Gewalt und Krawall eine Aufwertung. Die Gewalt spielt bei der Hooligansubkultur eine zentrale Rolle. Sie avanciert zum eigenen Anlass und wird zum Hobby.

„Gewalt von Hooligans kann als affektive, expressive und lustvoll betonte Form oder als Mittel zur Schaffung von positiver Identität, Stärkung des Selbstbewusstseins interpretiert werden“ (Pilz, et al. 2006: 14). Hooligans

bezeichnen

ihre

Kämpfe

oftmals

als

die

dritte

Halbzeit,

ihre

Gewaltausschreitungen bleiben jedoch in einem Spielzusammenhang. Die Ausschreitungen selbst sehen sie als Wettkampf zwischen Gleichgesinnten aus verschiedenen Städten, bei dem andere Bürger nicht in Gefahr gebracht werden sollen. Ihre Kämpfe folgen einem ungeschriebenen Ehrenkodex. Die Gruppengröße soll gleich sein, keine Waffen sollen verwendet werden und das Einschlagen auf jemanden, der schon am Boden liegt, ist verboten. Das Einmischen der Polizei gilt als verpönt. Die tatsächliche Umsetzung dieses Ehrenkodex erfolgt jedoch nicht immer (vgl. Buderus, 2001: 102).

„Ein Spieltag gilt als vollkommen, wenn man sich mit Kollegen getroffen, getrunken und gefeiert hat und es dann auch noch zu Ausschreitungen kommt, die Spaß machen - das ist Hooliganverhalten“ (Löffelholz: 63). Personen leben ihre Hooliganidentität meist nur an den Spieltagen bzw. arrangierten Treffen aus. Im Unterschied zu anderen Fankulturen zeigt man sich ansonsten nicht offen als Hooligan. Keine Seltenheit, dass jemand vom Familienmensch unter der Woche, zum Hooligan am Spieltag wird, um sich den „Kick“ zu holen (vgl. ebd. 63-66). Oftmals werden Hooligans damit konfrontiert, kein Interesse am Fußballspiel selbst, keine Bindung zum Verein zu haben und gar nicht erst ins Stadion gehen zu wollen (vgl. Bandel, 1995). Doch stellen sie „den Fußball als Essential ihrer Lebenseinstellung heraus und

wehren sich, wenn ihnen das abgesprochen wird“ (Löffelholz: 64). Ein Kräftemessen mit Hooligans der gegnerischen Mannschaft bleibt aber im Vordergrund.


FANKULTUR IM FUSSBALL

30

Allgemein sind Hooligans in ihrer Zahl und Bedeutung geringer geworden. Ihre Auseinandersetzungen finden letztlich meist weitab vom Stadion statt (vgl. Gabriel in Zeit online, 15.02.2007).

Ultras Ultras sind gut organisierte, kreative Fans, die aus Freude am Sport und ihrem Verein ins Stadion gehen (vgl. Gabriel in Zeit online, 15.02.2007). Sie werden als leidenschaftliche, emotionale und engagierte Fans bezeichnet, die ihre eigene „Ultra-Identität“ ausleben. Sie sind zwischen kritischen und erlebnisorientierten Fans einzuordnen (vgl. Pilz, et al. 2006: 12). Ihren Ursprung hat die Ultra-Bewegung im Italien der 60er Jahre, als die fedelissimi7 die ersten Fangruppen Italiens gründeten. In dieser Phase spielte die Politik eine wichtige Rolle, die Ultra-Bewegung galt als Projektionsfläche und Spiegel gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen. In den 80er Jahren wurden Ultras zunehmend gewalttätig, intolerant und chauvinistisch, rechte Gruppen gewannen an Einfluss. So konnte sich der zunehmende Rassismus in der italienischen Gesellschaft auch in den Stadien artikulieren. Heute ist die Gewalt im italienischen Fußball alltäglich, doch war es Italien, das für die Verbreitung des Ultra-Lifestyles durch ganz Europa ausschlaggebend war. Ende der 80er bis Mitte der 90er bildeten sich überall auf dem Kontinent Ableger (vgl. Tesar, Leonhardsberger, 2004: 1013). Fans von Rapid Wien gründeten 1988 die Ultras Rapid, um einerseits die zerstreuten Fanklubs zu vereinen und andererseits die jungen Leute von der Straße in die Kurve zu bringen. Es folgte die Gründung der Ultra-Gruppen in Innsbruck 1991 und Salzburg 1999 (vgl. Hirt, 2004: 26). In Deutschland wurden die Ultras Mitte bis Ende der 90er Jahre zur auffälligsten Gruppierung im Stadion (vgl. Pilz, et al, 2006: 11.). Gleich den Ultras in Wien nahmen auch die Fans der Olimpija in Ljubljana stets die Entwicklungen der Ultra-Bewegung in Italien zum Vorbild. Sie lernten diese Kultur bei Fahrten und Einkäufen von Fanutensilien vor Ort kennen.

7

fedilissimi zu deutsch „die Treuesten“


FANKULTUR IM FUSSBALL

31

Als Kernpunkt aller Ultras gilt das „manifesto degli ultras“ von den AS Roma Fans. Hauptthemen sind die Einsetzung gegen die Mutation des Fußballs zur Fernsehware, die Verhinderung des verstärkten Einflusses der Sponsoren und einer normierten Eventkultur. Fans beharren auf das Recht zur Selbstbestimmung, um ihre Kultur inszenieren zu können (vgl. Tesar, Leonhardsberger, 2004: 10-13).

Die Ultra Fankultur ist sehr heterogen, es existieren verschiedene Gruppierungen mit unterschiedlichen politischen Ansichten. Gemeinsamkeiten sind der akustische und optische Support des Vereins über die gesamte Spiellänge, die Vorbereitung der Aktionen unter der Woche oder das kritische Gegenüberstehen zum Verein (vgl. Pilz, et al. 12). Im Mittelpunkt stehen das Auftreten gegen eine Kommerzialisierung im Fußball und die positive, kreative Belebung des eigenen Fanblocks. Ultras verstehen sich als kritischer Gegenpol im Zeitalter der „Eventisierung“ des Fußballs und

kämpfen

für

den

Erhalt

der traditionellen

Fankultur,

für

Stehplatzkurven,

Mitspracherecht im Verein oder gegen übermäßigen Polizeieinsatz und Stadionverbote (vgl. ebd. 13f).

Akzeptiertes Ultra-Mitglied ist man als produzierender Protagonist, der die Mannschaft im eigenen Stadion und auswärts unterstützt. Signifikant ist die starke Betonung des Gruppengefühls und des Zusammenhalts (vgl. Tesar, Leonhardsberger, 2004: 11).

Für „Koma“ von den Ultras in Ljubljana ist es zum Beispiel von Bedeutung, bei jedem Spiel dabei zu sein, sich niemals hinzusetzen und die Mannschaft unabhängig vom Resultat zu unterstützen. Nicht zu vergessen sind die Inszenierung von Choreographien und die Unabhängigkeit gegenüber dem Verein. Die Gewaltbereitschaft spielt ebenfalls eine gewichtige Rolle bei den „Green Dragons“.

Ultras ist es wichtig, ihre Aktivitäten ohne finanzielle Unterstützung von offizieller Seite durchzuführen (vgl. Hirt: 27). Weiteres besonderes Kennzeichen der Ultra-Gruppierungen ist die eigene Performance, die mehr in den Vordergrund rückt als das Fußballspiel am Rasen selbst. So genannte Vorsänger oder Capos

8

8

dirigieren den Fanblock über

Der Capo ist üblicherweise der Anführer der wichtigsten Ultra-Gruppe in der Kurve und steht mit


FANKULTUR IM FUSSBALL

32

Megaphone. Ultras versuchen generell den Wettkampf mit gegnerischen Gruppierungen über aufwendig gestaltete Choreographien, Fanzines, Transparente oder Sprachgesänge auszutragen. Der Stellenwert

gewalttätiger

Auseinandersetzungen

ist

je

nach

Ultra-Gruppierung

unterschiedlich. Dem überwiegenden Teil geht es nicht um das Ausleben gewalttätiger Bedürfnisse (vgl. Pilz, et al. 13), doch wäre es falsch, Ultras als friedliebende Fans zu bezeichnen. Es gibt durchaus gewaltfaszinierte und –geeignete Mitglieder, die Pilz in seiner Forschung „Hooltras“ nennt (vgl. ebd. 214f).

In erster Linie sind Ultras stark lokal verwurzelt. Sie unterstützen ihre Mannschaft und ihren Verein, unabhängig von Personen, die Funktionen darin übernehmen. So fällt es Vielen auch schwer, ihr kreatives Engagement auf die jeweilige Nationalmannschaft zu übertragen (vgl. ebd. 12-15), was in Hinblick auf eine Großveranstaltung wie die Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz von Relevanz ist.9

Neue Gruppierungen kritischer Fans Wie von Aschenbeck beschrieben, thematisieren kritische Fans kapitalisierte Vereinspolitik, die Modernisierung und Kommerzialisierung des Fußballs aber auch Probleme von Rassismus und Diskriminierung. Sie fördern die Auseinandersetzung in offenem Meinungsaustausch bei Diskussionsveranstaltungen, Ausstellungen oder öffentlichen Beiträgen und Stadionaktionen.

Beispiel hierfür ist das Schalker Fan-Projekt „dem ball is´ egal wer ihn tritt“, welches seit 2001 existiert und versucht, praktikable Gegenstrategien zu den Negativerscheinungen im Fußball zu entwickeln sowie Integration und Kommunikation über diesen aufzubauen.10 Das

„BAFF

Bündnis

Aktiver

Fußballfans“

besteht

seit

1993

und

ist

ein

vereinsübergreifender Zusammenschluss von mittlerweile über 200 Faninstitutionen Das deutsche Netzwerk hat seine zentralen Themen in der Förderung der Zivilcourage in den

dem Rücken zum Spielfeld um die eigenen Fans zu dirigieren. 9 Vgl. Protestaktionen der Ultras Rapid beim freundschaftlichen Länderspiel Österreich gegen Schottland am 30. Mai, 2007 10 Vgl. Informationsheft „dem ball is´ egal wer ihn tritt“ – das etwas andere Fan-Projekt


FANKULTUR IM FUSSBALL

33

Stadien vor allem in den Bereichen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus und Schwulenfeindlichkeit verankert. Einer ihrer Höhepunkte ist die Wanderausstellung „Tatort Stadion“, ein erster Versuch, Diskriminierungen im Fußball nachzuzeichnen und kreative Alternativen aufzuzeigen.

Aus österreichischer Sicht erwähnenswert ist die vereinsübergreifende Plattform „Die

Kurve gehört uns“, welche 2001 ins Leben gerufen wurde (vgl. Horak, Spitaler, 2006: 532). Ausgangspunkt der Faninitiative sind „zunehmende Sicherheitsmaßnahmen, die auf eine

radikale Marginalisierung des kritischen Stadionbesuchers abzielen, der sich mit seiner Rolle als unmündiger Konsument abfinden soll und im modernisierten Fußball keinen Platz mehr hat“ (Horak, Spitaler, 2006: 532).


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

IV

34

GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

Das Gewaltphänomen im Fußball erreichte in den 80er Jahren einen vorläufigen Höhepunkt. Wie im Verlauf dieser Arbeit beschrieben, war dieses Jahrzehnt einerseits gekennzeichnet durch das Aufkommen des Hooliganismus, andererseits durch die tragischen Ereignisse im Brüsseler Heysel Stadion und im Sheffielder Hillsborough Stadion, bei denen zahlreiche Fans ums Leben kamen. Zeitgleich kam das Phänomen des Rassismus und der Fremdenfeindlichkeit verstärkt in europäischen Fußballstadien auf.

Bis heute wird versucht, mit verschiedenen Strategien, gegen Gewalt und Rassismus im allgemeinen Fußballsport vorzugehen. Auf nationaler Ebene in Deutschland beschäftigt sich vor allem die Soziale Arbeit in Fan-Projekten mit der Gewaltthematik, die einen Gegenpol zur repressiven Polizeiarbeit leistet. Weiters entstanden Antirassismusinitiativen, die sich zu internationalen Netzwerken zusammengeschlossen haben und mittlerweile auch bei Fußballgroßveranstaltungen aktiv sind. Die allgemeine Vorgehensweise gegenüber Fans

bei

solchen

Großereignissen

ist

immer

noch

bestimmt

durch

extreme

Sicherheitsvorkehrungen und repressive Polizeiarbeit, doch hat sich der Ansatz der sozialpräventiven Fanarbeit mittlerweile etabliert. Seit

einigen

Jahren

engagiert

sich

der

europäische

Fußballverband

UEFA

in

Zusammenarbeit mit dem Netzwerk FARE (Football Against Racism in Europe) für die Arbeit gegen Rassismus. Auch der Weltfußballverband FIFA verpflichtete sich mit allen Mitgliedsverbänden zur Bekämpfung von Rassismus und fremdenfeindlichem Verhalten im Fußball und erließ ein Gesetz, mit dem rassistische Vorkommnisse in den Stadien sanktioniert werden können.

Die rechtsextreme Szene hat bei Jugendlichen nach wie vor großen Zulauf und „die

Fanszene scheint ein Seismograph für rechte, ausländerfeindliche Stimmung zu sein“ (Achilles, Pilz. www.zip-projekt.de). Gewalt und Rassismus stellen nach wie vor eine große Problematik im Fußball dar, doch konnte in den letzten Jahren ein Rückgang des Gewalt- und Rassismusphänomens im Fußball verzeichnet werden (vgl. Behn, Schwenzer. 2006: 328f).

Die öffentliche Wahrnehmung spiegelt diese Tatsache jedoch kaum wider. Fans werden


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

35

noch immer vorwiegend als Gefahrenpotential betrachtet. Tatsächlich trifft das aber nur auf einen sehr geringen Prozentsatz zu.

Im Folgenden wird versucht, auf die Termini Gewalt und Rassismus genauer einzugehen und Arbeitsstrategien in diesem Bereich vorzustellen.

GRUNDSÄTZLICHE ERLÄUTERUNGEN ZU GEWALT

IV.I

Erklärungsansätze von Gewalt Beim Gewaltbegriff werden für Krall drei Unterschiede sichtbar. Es gibt die Gewalt als

„körperliche Kraft und Stärke, als verletzende Gewalttätigkeit, als herrschaftliche oder stattliche Gewalt“ (Krall, 2004: 10). Es wird weiters zwischen einem eng und einem weit gefassten Gewaltbegriff unterschieden. Der eng gefasste meint die direkte physische Gewalt, der weiter gefasste schließt auch psychische Schädigung mit ein. Die strukturelle Gewalt ist am weitesten gefasst (vgl. Autrata, 2003: 36). Die Erscheinungsformen von Gewalt

sind

demnach

physische,

psychische,

verbale,

sexuelle,

frauenfeindliche,

fremdenfeindliche und rassistische Gewalt (vgl. Bründel/Hurrelmann 1994: 23ff in: Krall, 2004: 12).

Psychologische Theorieansätze Gewalt als Folge von Frustration Unter Frustration werden enttäuschende, unangenehme Ereignisse verstanden, deren Folge Aggression 11 ist (vgl. Autrata, 2003: 37). Wichtig hierbei ist die Möglichkeit der Verschiebung des Aggressionsobjekts. Die Aggression kann von der sie verursachenden Person

auf

andere

übertragen

werden.

Frustrationen

sind

nicht

zwangsläufig

verantwortlich für aggressives Verhalten, sie erhöhen jedoch die Wahrscheinlichkeit der Aggression (vgl. Krall, 2004: 17).

11

Aggression wird hier synonym mit Gewalt verwendet.


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

36

Gewalt als Folge von Lernprozessen Dieser psychologische Ansatz sieht laut Krall Gewalt und Aggression als Folge von Lernprozessen. Der Lernprozess bezieht sich auf den Inhalt und auf Situationsbezüge, durch die ein bestimmtes Verhalten hervorgerufen wird. Bestimmte Verhaltensmuster werden

in

bestimmten

Situationen

hervorgerufen

(zum

Beispiel

in

speziellen

Gruppenkonstellationen, unter Alkoholeinfluss). Dieses Lernen vollzieht sich zum einen als ein Lernen am Modell (vgl. Krall, 2004: 17f). Hierbei

kommt

es

zu

Beobachtung

und

Nachahmung

anderer

Personen.

Die

Wahrscheinlichkeit der Imitation steigt, wenn eine positive Beziehung zwischen den Personen besteht, das Modell Machtfunktion besitzt oder die Handlung moralisch gerechtfertigt und als erfolgreich beurteilt werden kann (vgl. ebd.). Zum anderen geschieht das Lernen aggressiven Verhaltens am Erfolg und Misserfolg, aufgrund von Verstärkereffekten. Diese können sowohl positiv als auch negativ sein. Strafsanktionen, wie sie im Fankontext auch Stadionverbote darstellen, „können ungewollt

einen Verstärkereffekt haben, wenn dadurch soziale Aufmerksamkeit erzielt werden kann“ (Krall, 2004: 18). Der Ansatz der Prävention gilt hier als wirkungsvoll. Er versucht Erfolgserlebnisse mittels nichtaggressivem Verhalten zu ermöglichen. Kognitives

Lernen

speichert

aggressive

und

gewalttätige

Handlungsweisen

als

angemessene Reaktion. Soziale Konfliktsituationen werden mit bereits erprobten Bewältigungsstrategien

gelöst.

Begriffe

wie

„Kampf“,

„Ehre“

oder

„Rache“

sind

grundlegend für handlungsleitende Weltorientierungen.

Soziologische Theorieansätze Gewalt als Folge von Anomie Der Begriff der Anomie wurde von Durkheim Ende des 19. Jahrhunderts eingeführt. Er versucht

Erklärungen

sozialer

Desintegrationserscheinungen

und

unzureichende

Beziehungen von Gesellschaftsmitgliedern untereinander zu erklären (vgl. Lamnek, 2001: 108ff). Durkheim beschreibt den Zustand der Anomie als Norm- und Orientierungslosigkeit, als Folge von gesellschaftlichen Umbruchsituationen. Rasante Modernisierung und Globalisierung können Desorientierung und Desintegration herbeiführen und gewalttätige Verhaltensmuster begünstigen (vgl. Krall, 2004: 19). Merton erweiterte diesen Ansatz, indem er abweichendes Verhalten in Verbindung mit sozialstrukturellen Bedingungen sieht. Er unterscheidet unter individueller und gesellschaftlicher Anomie. Individuell ist sie


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

37

charakterisiert durch unzureichende soziale Integration. Merton sieht gesellschaftliche Anomie in der Diskrepanz zwischen gesellschaftlichen Zielen und individuellen Mitteln, die Desorientierung einzelner Gesellschaftsmitglieder zu Folge hat (vgl. Lamnek, 2006: 114). Soziale Randgruppen können diese Ziele auf legalem Weg oft nicht erreichen. Gerade von Jugendlichen wird dabei oft zu Gewalt gegriffen (vgl. Autrata, 2003: 38).

Gewalt als Folge von Modernisierung und Individualisierung Becks Theoriebildung einer Risikogesellschaft wird von Heitmeyer für die Gewaltdebatte fortgesetzt. Auch dieser Ansatz erklärt sich aufgrund gesellschaftlicher Desintegration. Folgen sind die Individualisierung von Lebenslagen und das Behaupten in neuen Situationen ohne Sicherheit und Rückhalt (vgl. ebd.). Gewalthandeln wird von Heitmeyer als Folge solcher Erfahrungen angesehen und in Situationen hoher Desintegration aktualisiert. In gesellschaftlichen Modernisierungsprozessen liegt auch die Gefahr der Beseitigung sozial anerkannter Sinn- und Wertsysteme. Durch zusätzlich wachsenden Erfolgsdruck

steigt

Verarbeitungsformen.

die

Gewaltakzeptanz

„Unerlaubtes

aufgrund

und

des

Mangels

ungesetzliches

an

alternativen

Verhalten

wird

wahrscheinlicher“ (Löffelholz, 2004: 12).

Gewalt als Folge einer Subkulturanpassung Eine

von

gesellschaftlichen

Normen

abweichende

jugendliche

Subkultur

bietet

Jugendlichen die Möglichkeit, mit devianten Verhaltensmustern Erfolg und Anerkennung zu erfahren. Gewalttätiges Verhalten wird als akzeptiertes und erwünschtes Verhalten in einer Subkultur, zum Beispiel in bestimmten Fanszenen, angesehen. Im gesellschaftlichen Kontext gilt es jedoch als abweichendes Verhalten (vgl. Krall, 2004: 20).

Gewaltpräventive Maßnahme, in dieser Widersprüchlichkeit von Abweichung und Anpassung, ist laut dem Autor die Anwendung akzeptierender Jugendarbeit. Diese stellt Jugendliche und ihre Probleme in den Mittelpunkt und nimmt die Einstellungen und Handlungen der Jugendlichen wahr, ohne diese vorab zu beurteilen. Auf dieser Basis wird versucht,

mit

Jugendlichen

eigene

Einstellungsmuster

und

Handlungsweisen

zu

hinterfragen. Wolfgang und Ferracuti versuchen Gewalt im Subkulturkontext auf die „Existenz von


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

38

Werte- und Normensystme zurückzuführen, die den Gebrauch von physischer Gewalt gegen andere Personen regulieren und legitimieren“ (Lamnek, 2001: 181). Solche Werteund Normensysteme bestehen auch in Subkulturen von Hooligans und gewissen Teilen der Ultraszene. Sie besitzen einen hohen Stellenwert in subkulturellen Sozialstrukturen, die Gewalt als Verhaltenserwartung vorsehen und das Nichtanwenden von Gewalt negativ sanktionieren (vgl. ebd: 184). Laut Wolfgang und Ferracuti ist Gewalt somit je nach Subkultur für bestimmte Situationen normativ verankert. Der Gebrauch von Gewalt gilt als erlernt und legitim und ruft daher auch keine Schuldgefühle bei TäterInnen hervor. Gewalt erscheint

laut

den

Autoren

als

Teil

des

Lebensstils

und

legitimierte

Problemlösungsmöglichkeit.

Gewalt als Folge des Labeling Approach Der Labeling Approach beschäftigt sich mit sozialdeterminierter Normsetzung, durch deren Anwendung ein bestimmtes Verhalten als konform oder abweichend klassifiziert wird. Als eigentliche Ursache abweichenden Verhaltens sieht Tannenbaum die sozialen Reaktionen der Umwelt, die Delinquenz definieren und dadurch provozieren (vgl. Lamnek, 2001: 219). Solche gesellschaftlich determinierten Definitions- und Zuschreibungsprozesse etikettieren Individuen als abweichend. Die Verhaltensmöglichkeiten werden entscheidend reduziert. Die zugeschriebene abweichende Rolle wird als persönlichkeitskonform hingenommen. Abweichende

Selbstdefinitionen

bilden

sich

und

führen

zur

Übernahme

der

zugeschriebenen Verhaltensweisen (vgl. Lamnek, 2001: 218). Zu unterscheiden ist im Labeling Approach zwischen primärer und sekundärer Devianz. Erste hat nach Lemert grundlegende Ursachen, zum Beispiel die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe. Gesellschaftliche Reaktionen spielen im Gegensatz zur sekundären Devianz keine Rolle. Bei der sekundären Devianz erfolgt die Rollenzuschreibung aufgrund von Zuschreibungsprozessen. Sie kann Folge von primären Abweichungen sein, aber auch ohne diese zustande kommen (vgl. Lamnek, 2001: 220f).

Die Theorie des

Labeling

Approach stellt sich somit die Frage,

„wie soziale

Rollenzuschreibungen normabweichendes Verhalten hervorbringen“ (Krall, 2004: 20). Im Bezug auf die öffentliche Sichtweise von Fans ist der Labeling Approach besonders beachtenswert. Ansätze des Labeling Approach suchen nicht nach Ursachen von abweichendem Verhalten, „die Abweichung wird als Zuschreibungsprozess des Attributes


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

der

Devianz

zu

bestimmten

39

Verhaltensweisen

im

Rahmen

von

Interaktionen

verstanden“ (Lamnek, 2001: 217). Gewalt im Geschlechterverhältnis Laut Böhnisch übernehmen männliche Jugendliche in der Sozialisation vorherrschende Männlichkeitsvorstellungen, welche aber im Zeitalter der Emanzipation stark unter Druck geraten. Gewalthandlungen sind der Versuch „männlich-hegemoniale Strukturen“ (Autrata, 2003: 39) beizubehalten und ein positives Selbstwertgefühl zu erlangen. Gewalt gilt als überwiegend männliche Form der Konfliktlösung und Selbstdarstellung (vgl. Krall, 2004: 23).

Gewaltprävention Soziale Probleme wie Gewalt werden meist wenig vorausschauend bearbeitet. Maßnahmen und Projekte werden erst nach dem Auftreten von Gewalt angesetzt. Diese sind häufig mit repressiven Methoden verknüpft. Der Ansatz der Gewaltprävention versucht, Gewalt erst gar nicht entstehen zu lassen. Ein Paradigmenwechsel von Repression zur Prävention wäre dafür notwendig (vgl. Autrata, 2003: 124). Im Hinblick der Risikominimierung stuft Caplan den Präventionsbegriff in drei Stufen ein (primäre, sekundäre und tertiäre Prävention), die in Bezug auf Gewalt von Jugendlichen „weiter zu operationalisieren“ (ebd., 2003: 125) sind. Prävention grenzt sich vom Begriff der Intervention ab und will abweichendes Verhalten von Kindern und Jugendlichen verhindern. Gesellschaftliche Normvorstellungen sollen somit durchgesetzt werden, was wiederum eine starke Einflussnahme auf Lebenswelten der Jugendlichen impliziert. Die Intention der Prävention hinsichtlich der Jugendgewalt kann und darf nicht in der Normalisierung auffälliger Jugendlicher münden (vgl. Autrata: 2003: 125), da somit eigentliche Gewaltursachen ihre Relevanz verlieren.

Im Hinblick der Theorie des Labeling Approach nimmt Gewaltprävention eine wichtige Stellung ein (vgl. Krall, 2004: 21). Der Ansatz der sekundären Devianz nimmt verstärkt laufende Interaktionsprozesse von Jugendlichen ins Blickfeld. Gewaltprävention hat die Aufgaben

mit

Zuschreibungen

und

Generalisierungen

sehr

sensibel

umzugehen,

Stigmatisierungsprozesse bewusst zu machen und Gegenstrategien zu entwickeln. Das „Labeln“ von Jugendlichen und autoritär-strafende Maßnahmen heben die Häufigkeit von


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

40

Gewalthandlungen (vgl. ebd.).

Bei Großveranstaltungen wie der Europa- und Weltmeisterschaft im Fußball, aber auch im Ligaalltag, ist es notwendig, Gewaltpotenziale früh genug zu erkennen und mit präventiven Maßnahmen im Vorfeld Eskalationen zu vermeiden. Der Soziologe Pilz nennt drei Eckpfeiler, die gewaltpräventiv wirken sollen (vgl. Pilz, Wölki. 2006: 227): -

Die Selbstregulierung der Fans, welche gefördert werden muss.

-

Die Prävention mit Hilfe von Fanarbeit: "Soziale Arbeit muss verstärkt und

ausgebaut werden“ (Pilz, Wölki: 227). Fan-Projekt-MitarbeiterInnen sollen Fans bei Selbstregulierungsmaßnahmen unterstützen. -

Die polizeirechtlichen Maßnahmen, welche im Sinne der Deeskalation eingesetzt werden sollen, wenn Selbstregulierungsmaßnahmen der Fans und die Soziale Arbeit nicht wirken.

Pilz evaluierte die Fanbetreuung während der WM 2006. Zentral sieht er die These „Räume

für Gewalt eng zu machen“ (Pilz, 2006: 21). Bei Fußballgroßereignissen sei es wichtig, um das Fußballereignis breit gefächerte kulturelle, soziale und sportliche Angebote zu schaffen. Somit könnte man dezentrale Gruppenprozesse initiieren und „es gewaltgeeigneten

Personen schwer machen, Räume für ihre Handlungen zu finden“ (Pilz: 22). Das Fan- und Besucherbetreuungs-Programm 2006 in Deutschland war erstmals ein integraler Bestandteil des Sicherheitskonzeptes einer WM. Es lieferte laut Pilz einen „nicht

zu unterschätzenden Beitrag“ (ebd: 23) für den friedlichen Ablauf. Trotzdem gab es im Laufe der WM über 9.000 Festnahmen, über welche in der Öffentlichkeit jedoch kaum diskutiert wurde.

Konnte man in Deutschland mit einer gastfreundlichen und offenen Grundeinstellung generell eine positive Bilanz ziehen, bleibt abzuwarten wie man Sicherheitsvorkehrungen in Österreich gestalten wird. Fans werden in der Öffentlichkeit derzeit hauptsächlich als Sicherheitsproblem gesehen. Leichtfertig wird der Begriff der Hooligans verwendet und versucht Strategien zu entwickeln, die diese von der EM 2008 in Österreich und der Schweiz fernhalten sollen. So will man ein schnelleres Eingreifen der Polizei erlauben und präventiv

Betretungsverbote

in

Stadien

verhängen.

Auch

sollen

für

bekannte

GewalttäterInnen präventive Festnahmen bis zum Ende eines Spiels erlaubt sein. Justizanstalten erstellen Konzepte um während dem Großereignis genügend freie


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

41

Haftzellen zur Verfügung zu haben und denken über die Aufstellung von Container-Zellen nach. Somit ist der öffentliche sicherheitspolitische Diskurs besetzt vom reinen Gefahrenpotenzial einer geringen Anzahl von Fans. Diese Defizitorientiertheit lässt das Potenzial vom Großteil der BesucherInnen, die in der Lage wären, eine Minderheit gewaltbereiter Fans zu überschatten, bisher nicht zur Geltung kommen.

Repressive Polizeiarbeit – präventive Soziale Arbeit Strikte Maßnahmen der Polizei ohne präventive Sozialarbeit im Gegengewicht führten bisher kaum zum Rückgang der Gewalt von Fans bei Fußballspielen (vgl. Pilz, Wöki. 2006: 217). Entscheidend ist ein ausgewogenes Wechselspiel zwischen polizeirechtlichen Maßnahmen und Prävention. Mehr Gewalt kann zu noch mehr Gegengewalt führen (vgl. ebd.). Durch repressive Maßnahmen werden viele Fans für die Soziale Arbeit schwerer erreichbar, da sie sich noch mehr in ihre Gruppen zurückziehen. Ein Ziel der Arbeit mit gewaltbereiten Fußballfans ist, diese mit ihrem Verhalten zu konfrontieren und so eine kritische und bewusste

Auseinandersetzung

ihres

Handelns

zu

erreichen.

Dies

kann

eine

Verhaltensänderung der Gruppe bewirken (vgl. Scheidle, 2001: 31f).

Gewaltbegleitung in der Sozialen Arbeit Für die Soziale Arbeit ist es erforderlich, auf Gewalt bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu reagieren. Um mit diesen arbeiten zu können, ist ein „reflektiertes

Verständnis von Gewaltbegleitung“ (Scheidle, 2001: 45) notwendig. Die angesprochene Klientel konfrontiert die Soziale Arbeit mit direkter, indirekter, psychischer, tradierter und verbaler Gewaltbereitschaft im Lebensalltag. Mit „Gewaltbegleitender Arbeit“ wird versucht, eine Position zum Gewaltphänomen der Jugendlichen zu entwickeln. Die Soziale Arbeit hat die Aufgabe, Gewalt in der Fußballszene zu mindern. Für die professionelle Arbeit ist es erforderlich, „eine Akzeptanz gegenüber dem Handeln der

Jugendlichen zu entwickeln“ (Scheidle, 2001: 46f). Ohne diese Kompetenz ist es schwer mit der Zielgruppe gewaltbereiter Fußballfans zu arbeiten.

Begleitung

bedeutet,

in

den

Lebensräumen

der

Zielgruppe

präsent

zu

sein.


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

SozialarbeiterInnen

sind

42

in

der

aufsuchenden

Jugendarbeit

„BegleiterInnen

des

Jugendlichen und der Gruppe“ (ebd.: 48). Das heißt einerseits verlässlicher Ansprechpartner für den Einzelnen zu sein, ihm konkrete Hilfestellungen anzubieten und eine Beziehung aufzubauen. Andererseits

haben

SozialarbeiterInnen

die

Aufgabe,

stabile

und

intakte

Gruppenstrukturen zu entwickeln und sich aktiv in die jeweilige Gruppendynamik einzubringen (vgl. ebd. 48ff).

IV.II

RASSISMUS, FREMDENFEINDLICHKEIT UND RECHTSEXTREMISMUS

Rassismus umfasst Ideologien auf Basis des Konstrukts von Menschengruppen, denen kollektive Merkmale zugeschrieben werden, die bewertet werden und schwer veränderbar sind. Die Wertung von Unterschieden ist zum Vorteil des Anklägers und zum Nachteil des Opfers. Privilegien und Aggressionen werden dadurch gerechtfertigt (vgl. Zerger, 1997: 73ff).

Rassismus

ist

ein

Prozess

der

Grenzziehung

und

somit

immer

mit

Ausschließungspraxen und Abwertung verbunden. Die Abwertung und Ausgrenzung kann aufgrund von fiktiven, biologischen oder kulturellen Unterschieden erfolgen. Biologischer Rassismus ist die Annahme verschiedener Rassen, wobei die Konstruktion der „Rasse“ zu einer Bewertungsskala führt. Der kulturelle oder auch

differentielle

Rassismus

beruht

auf

„angeblich

naturgegebenen

kulturellen

Unterschieden“ (Behn, Schwenzer. 2006: 322). Er distanziert sich vom Rassenbegriff und stellt den Kulturbegriff in den Mittelpunkt. „Es wird davon ausgegangen, dass Kulturen

nicht miteinander vereinbar sind“ (Autrata, 2003: 53). In der Unterscheidung nach verschiedenen Ebenen kann zwischen individuellem und institutionellem Rassismus ausdifferenziert werden, der latent und manifest auftreten kann (vgl. Becker et al. 1997: 12ff). Beim individuellen Rassismus treffen ideologisch produzierte Elemente mit konkreten Alltagswahrnehmungen einzelner Subjekte zusammen. Diese bezeichnen Begriffe wie Vorurteile, Stereotypen, negative Einstellungen oder diskriminierende Äußerungen und Handlungen gegen eine, als anders definierte Gruppe. Institutioneller Rassismus beinhaltet alle institutionalisierten Formen der Ausgrenzung wie bestimmte Gesetze, Bestimmungen, Strukturen und andere Formen systematischer Ausschließung einer Gruppe (vgl. Zerger, 1997: 88).


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

43

In den 90er Jahren hat der Begriff Rassismus den rein wissenschaftlichen Gebrauch verlassen und wurde zunehmend im Alltag verwendet. Die Gefahren in der Konjunktur des Begriffes in unserer Gesellschaft liegen laut Werner Nell in drei Bereichen: In der Gefahr der Selbstimmunisierung eines wohlmeinenden Antirassismus gegen Kritik, der Dramatisierung von Ereignissen und der Gefahr der selffullfilling-prophecy, die eigentlichen Rassismus durch unbegrenzten Anti-Rassismus verfestigt (vgl. Nell, 1997: 20ff). Die andauernde Verwendung des „Anti“-Begriffs kann mitunter negativ wahrgenommen werden und einen Ablenkungseffekt erwirken.

Rassismus besteht laut Nell in folgenden Operationen (vgl. Nell, 1997: 25ff): Erstens in der Konstruktion von Rasse, für die es keine wissenschaftliche Grundlage gibt. Eine Aufteilung der Menschheit kann in physiologische und phänotypische Unterschiede erfolgen, sprich zwischen Hautfarbe, Körperform etc. bestehen. Für diese verantwortlich ist eine sehr geringe Anzahl von Genen, die in „gleichen Völkergruppen“ genauso groß ist wie zwischen als genetisch verschieden definierten Gruppen. Bezeichnende Unterschiede zwischen Menschen liegen in kultureller und nicht in biologischer Natur. Biologische Merkmale als Kennzeichen einer Rasse zu verwenden, reicht nicht aus, um eine menschliche Gruppe genügend zu charakterisieren. Die Rasse als solche ist somit Konstrukt des/r RassistIn. Zweitens

geben

Bewertungsskalen

von

konstruierten

Rassen,

Legitimation

für

Selektionsverfahren, Ausgrenzung und Unterteilung in „gut“ und „schlecht“. Dies führt drittens zur Bemächtigung der Machtausübung, die mit Hilfe des Rassismus soziale Ungleichheiten

bestehen

lässt

und

auf

vermeintliche

naturgegebene

„Rassenunterschiede“ verweist (vgl. Nell: 1997: 27).

Rassismus bildet weiters ein Kernideologem des Rechtsextremismus (vgl. Butterwege, 2001: 13) Es gibt eine Vielzahl von Deutungsmustern über Rechtsextremismus, Rassismus und Gewalt, jedoch keinen überzeugenden Erklärungsansatz (vgl. ebd: 15) Nach Richard

Stöss

gehören zu einem rechtsextremen Weltbild Autoritarismus,

Nationalismus, Wohlstandschauchauvinismus, Rassismus, Antisemitismus, Pro-Nazismus und das Streben nach ethnischer Homogenität (vgl. Stöss, 2000: 25f).


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

44

Rechtsextremes Verhalten spiegelt in Parolen und Symbolen diese Weltbilder wider. Laut den Autoren Behn und Schwenzer ist jedoch zwischen Einstellungsmustern und Verhaltensweisen von Fans zu unterscheiden. Das Singen eines fremdenfeindlichen Liedes im Stadion ist in der kulturellen Logik des Fußballspiels als Provokation des Gegners gedacht und muss nicht Ausdruck eines gefestigten rechtsextremen Weltbildes sein (vgl. Behn, Schwenzer. 2006: 322). Dennoch bleibt es ein problematisches Verhalten. Gewalt gegenüber „Andersgesinnten“ ist offensichtliche Ausdrucksform rechtsextremer Verhaltensmuster, findet jedoch nicht immer auf körperlicher Ebene statt. Gewalttätiges Verhalten von Fußballfans muss nicht bedeuten, dass es gleichzeitig rechtsextrem oder rassistisch motiviert ist, ein signifikanter Zusammenhang konnte jedoch nachgewiesen werden (vgl. Heitmeyer, Peter. 1988: 83).

Beim

Begriff

der

Fremdenfeindlichkeit

muss

definiert

werden,

wer

als

„fremd“ wahrgenommen wird. Dies ist im Gegensatz zu Rassismus und Rechtsextremismus nicht immer verbunden mit eindeutigen Abgrenzungen gegenüber ganz bestimmten Gruppen. Ein im selben Land aufgewachsener Schwarzer ist kein Migrant, jedoch schnell rassistischen Vorurteilen ausgesetzt (vgl. Behn, Schwenzer. 2006: 322f). Im Sinne eines sozialen Zuschreibungsverhältnisses, kann demnach jede/r potenziell zur/m Fremden werden. Heitmeyer definiert den Begriff der Fremdenfeindlichkeit mit „Gruppenbezogener

Menschenfeindlichkeit“ (Heitmeyer, 2005: 14). Somit kann jedem/r außerhalb einer selbst definierten Gruppe ein fremdenfeindliches Bild zugeschrieben bekommen.

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit werden oft parallel verwendet. Im Zuschauerverhalten spiegelt sich Rassismus und Fremdenfeindlichkeit meist in Sprüchen und Parolen wieder, die bestimmte Gruppen abwerten. Ein Beispiel sind so genannte Affenlaute, mit denen schwarze SpielerInnen diskriminiert werden.

Eine diskriminierende Problematik, die hier weniger diskutiert und wahrgenommen wird, ist der Sexismus und die Homophobie. „Schwulenfeindliche Fangesänge gehören zum

Standardrepertoire in vielen Fußballstadien“ (Behn, Schwenzer, 2006: 330).


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

45

IV.III VERKNÜPFUNG VON RASSISMUS UND GEWALT IM FUßBALL

Für ein rassistisch motiviertes Ausüben von Gewalt sind laut Heitmeyer zwei Grundelemente

notwendig.

Eine

„Ideologie

der

Ungleichheit“

verbunden

mit

„Gewaltakzeptanz“ (vgl. Krall, 2004: 47f). Durch die Modernisierung einhergehende Individualisierungsschübe rufen laut Heitmeyer Vereinzelungserfahrungen, Handlungsunsicherheiten und Ohnmachtsgefühle aus. Die Gewaltakzeptanz steigt, frei nach dem Postulat „der Stärkere setzt sich durch“ (Butterwege, 2001: 24). Gewaltakte von rechten Jugendlichen sind laut Birgit Rommelspacher nicht mit der These des

„Opfers

der

Risikogesellschaft“

zu

entschuldigen.

Laut

Roland

Eckert

ist

fremdenfeindliche Gewalt von Jugendlichen auch stark in traditionellen, hochintegrierten Gesellschaften mit festen und sicheren Beziehungssystemen zu finden (vgl. Butterwege: 26f).

Rassistische Gewalt durch Jugendliche wird nicht mehr nur als Hilfeschrei einer überforderten Generation angenommen, sondern auch als Reaktion auf politische Fehlentwicklungen etablierter Parteien. (vgl. ebd: 28)

Das Auftreten von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit wird von Fans oft als Teil der kulturellen Logik des Fußballspiels verstanden. Rassismus und Diskriminierungen werden als Provokation des Gegners benutzt und nicht von anderen Formen vulgärer Beleidigungen unterschieden (vgl Behn, Schwenzer 354). In Fußballstadien haben Beleidigungen, Beschimpfungen und diverse Formen der Diskriminierung eine höhere Toleranzgrenze als an anderen öffentlichen Orten. Das Stadion wird von Fans als Raum konzipiert, „in dem andere Regeln gelten als in anderen

gesellschaftlichen Sphären“ (Behn, Schwenzer: 354). Weiters wird angemerkt, dass gewisse Fangesänge tradierter Bestandteil der Fußballkultur sind und nicht weiter hinterfragt werden. Das Bewusstsein und Wissen über den historischen Hintergrund mancher Bestandteile in Fangesängen (z.B. Auschwitz) ist bei jugendlichen Fans oft gar nicht vorhanden, es herrscht ein eklatanter Mangel an politischer Bildung (vgl. ebd. 357).


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

46

Rassismus und Fremdenfeindlichkeit existiert natürlich nicht nur im Fußballstadion, diese Probleme werden von „außen“ in das Stadion mitgebracht. Im Stadion werden Abbilder gesellschaftlicher Probleme deutlich, es wird vom „Fußball als

Zerrbild der Gesellschaft“ (Behn, Schwenzer: 360) gesprochen. Zerrbild deshalb, da die Stadionkultur immer noch vorwiegend männlich und monoethnisch geprägt ist und gesellschaftliche Verhältnisse nicht 1:1 abbildet. Gesellschaftliche Strukturen sind im Fußball(stadion) jedoch erkennbar (vgl. Behn, Schwenzer, 2006: 360f). Subtiler Rassismus im Fußball äußert sich in einer anderen, kritischeren Betrachtung ausländischer SpielerInnen oder auch der tendenziellen Abwesenheit von MigrantInnen im Stadion. (vgl. ebd. 330).

Verschiedene

nationale

oder

internationale

Aktivitäten

gegen

Rassismus,

Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus haben diese Problematik sensibilisiert und öffentlich diskutiert. Es entwickeln sich auch Selbstregulierungsprozesse in Fanszenen, die gegen rassistische Verhaltensweisen innerhalb der Gruppe intervenieren.

IV.IV STRATEGIEN

UND

ZIELE

DER

ARBEIT

GEGEN

RASSISMUS,

FREMDENFEINDLICHKEIT UND RECHTSEXTREMISMUS

„Die Überwindung von Rassismus im Fußball […] ist kein einmaliger Akt und kein Event, sondern kann nur ein dauerhaftes Anliegen, ein kontinuierlicher Prozess sein“ (Achilles, Pilz. www.zip-projekt.de).

„Patentrezepte“ gegen Rassismus und Rechtsextremismus gibt es keine. Es ist auch schwierig den Erfolg der Arbeit zu „messen“.

Die Arbeit kann in folgende Maßnahmetypen eingeteilt werden, wobei es sinnvoll ist die unterschiedlichen Methoden zu vernetzen. -

Kampagnenarbeit

-

Öffentlichkeitsarbeit

-

Pädagogische Arbeit

-

Bildungsarbeit und Sanktionierungen


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

-

47

Repression durch Vereine und Polizei

(vgl. Behn, Schwenzer. 2006: 382)

Ziele der Arbeit gegen Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus sind eine allgemeine

Sensibilisierung

Verhaltensweisen

gegenüber

im Stadion(umfeld)

diesen

und von

(Prävention), rassistischen

Veränderung und

von

rechtsextremen

Einstellungen sowie die Stärkung von antirassistischen und nicht-rechten Gruppierungen.

Fußball entwickelte sich zu einem multi-ethnischen Sport und kann aufgrund seiner identitätsstiftenden Massenwirkung Vorbildfunktion haben. Fußballvereine sind soziale Orte, in denen migrantische und nicht-migrantische Kinder und Jugendliche miteinander ihre Freizeit verbringen können. Populäre Profifußballer können durch entsprechende Zeichensetzung gegen Rassismus, etc. und eigener Identifikation mit der Botschaft weitreichende Wirkung in Fanszenen erzielen (vgl. ebd. S. 384f). Die vielfältige ethnische Zusammensetzung von Mannschaften ist eine Möglichkeit gegen rassistisches, fremdenfeindliches und rechtsextremes ZuschauerInnenverhalten zu wirken. In einer, sich verändernden Fußballkultur, die den „mainstream“ der Gesellschaft ansprechen soll, erscheinen rassistische und rechtsextreme Verhaltensweisen zunehmend unpassend und werden sanktioniert (vgl. ebd. 346).

Obwohl ein leichter Rückgang spürbar ist, ist rechtsextremes und rassistisches Verhalten längst noch nicht aus den Stadien verschwunden. Eine solche Haltung der ZuschauerInnen ist meist direkt verknüpft mit der emotionalen Intensität eines Fußballspiels. Das weibliche Publikum ist in den Fanszenen stark in der Unterzahl. Nicht schlüssig ist ihr Anteil an diskriminierendem und rassistischem Verhalten (vgl. Behn, Schwenzer: 329f).

Strategien im Rahmen internationaler Turniere Fanszenen von Vereinsmannschaften sind häufig nicht an der organisierten Unterstützung der eigenen Nationalmannschaft interessiert. Die Unterstützung des eigenen Vereins steht generell über der der Nationalmannschaft. Bei Spielen von Nationalmannschaften stellen BesucherInnen ein bunt gemischtes, eventorientiertes Publikum dar. Rassismus und rechtsextremistisches Auftreten sind aber


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

48

auch hier vorhanden. Der erwünschte Patriotismus bei Spielen geht schnell einher mit nationalistischen Äußerungen und Ausdrucksformen (vgl. Behn, Schwenzer. S. 328).

Rechtsextreme und fremdenfeindliche Äußerungen haben bei internationalen Turnieren eine besondere Brisanz. Unterschiedliche Fankulturen aus unterschiedlichen Ländern treffen aufeinander und tragen wesentlich zum Gesamterfolg der Veranstaltung bei. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit und Vernetzung aller Beteiligten (VeranstalterInnen, Kommunalverwaltung, Sozialarbeit, Polizei, etc.) ist erforderlich. Angebote

der

Fanbetreuung

sowie

integrierte

Aktionen

gegen

Rassismus,

Öffentlichkeitsarbeit und Begegnungsangebote spielen eine zentrale Rolle (vgl. Behn, Schwenzer: 418ff).

Mit Aktionen gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit bieten internationale Turniere einen guten Rahmen, das Menschen verbindende Potenzial des Fußballs zu nutzen. Informationen

über

die

teilnehmenden

Länder

mittels

Fanzeitungen,

die

Auseinandersetzung mit den verschiedenen (Fan)Kulturen, Begegnungsangebote oder Konzerte sind mögliche Aktivitäten. Mit antirassistischen Streetkick-Anlagen kann man Fans unterschiedlicher Nationalität in einem entspannten Rahmen zusammenbringen und ihnen die antirassistische Botschaft öffentlich vermitteln (vgl. Behn, Schwenzer: 424). Ein breites Öffentlichkeitsprogramm, Monitoring-Reporte oder Ausstellungen können ebenso durchgeführt werden (vgl. FARE. 2006).

IV.V

DAS DILEMMA DER MODERNISIERUNG IM ZUSAMMENHANG MIT RASSISMUS UND GEWALT

In seinem gesellschaftstheoretischen Erklärungsansatz thematisiert Michael Löffelholz gewalttätiges

und

rassistisches

Handeln

im

Zusammenhang

mit

der

gesamtgesellschaftlichen Modernisierung. Gesellschaftliche Modernisierungsprozesse schaffen neue Freiheitsspielräume, zugleich wird das Individuum verstärkt „abhängig von Institutionen“ (Löffelholz, 2004: 11). Menschen sind auf sich selbst angewiesen und mit Situationen der Vereinzelung und Existenznot konfrontiert. Das Fehlen sozial anerkannter Sinn- und Wertesysteme lässt

„unerlaubtes und ungesetzliches Verhalten“ (Löffelholz: 12) wahrscheinlicher werden und


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

49

scheint angebracht, wenn es dem eigenen Handeln von Nutzen ist.

Der wachsende Erfolgsdruck und die überhöhte Bewertung des sozialen Status erzeugen emotionale Spannungen, welche sich im Mangel an alternativen Verarbeitungsformen in einer steigenden Gewaltakzeptanz äußern können (vgl. Löffelholz: 16f). Dadurch wird erhofft, sich Status und Anerkennung zu verschaffen. Die steigende Gewaltakzeptanz ist für Löffelholz auch verbunden mit dem Begriff der Globalisierung, welche dem Modernisierungsdilemma eine neue Qualität verleiht. Diese sei in den 90er Jahren ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit gerückt. Der Gewaltdiskurs nahm in dieser Zeit durch die wachsende Integrationsproblematik und soziale Marginalisierung vermehrt rassistische und rechtsextreme Formen an (vgl. Löffelholz: 18).

Löffelholz sieht Gewalt und Rassismus unter Fußballfans sowohl als Teil eines Gruppenphänomens, als auch in individuellen Lebenserfahrungen begründet. Solche Handlungen sind für ihn das Ergebnis unproduktiver Lösungsversuche, mit denen individuelle und existentielle Bedrohungen, wie zum Beispiel Mangel an Sinnperspektiven, kompensiert werden sollen (vgl. Löffelholz, 2004: 52). Der

Autor

plädiert,

gewalttätiges

und

rassistisches

Handeln

im

Sinne

einer

Kommunikationsform der Jugendkultur selbstreflexiv zu betrachten, als eine Anfrage an die Wertgrundlagen der Gesellschaft. So können Fans dazu angehalten werden, sich „für neue

Formen des Handelns und des Umgangs miteinander zu öffnen“ (Löffelholz: 55). Zudem spricht Löffelholz vom reizvollen Charakter der Gewalt. Diese scheint auch deshalb so attraktiv zu sein, da sie der aggressiven, erregenden Dynamik des Spiels nahe steht und Härte als positives Element vermittelt wird. Das heutige Fußballspiel verlangt ein stark körperbetontes Verhalten der Spieler12, welches auch von Fans lautstark gefordert wird. Jugendliche Fans könnten strukturelle Parallelen des Profifußballs mit ihren eigenen Ausschreitungen sehen (vgl. Löffelholz. 2004: 63). Ihr Verhalten grenzt gewissermaßen an Fanatismus, welcher auch von den Spielern vermittelt wird. Profispieler sprechen immer wieder vom „harten Kampf um den Stammplatz“ und dem „eisernen Willen“ sich durchzusetzen. Die These des ehemaligen deutschen Tormanns

12

Löffelholz bezieht sich in seinen Ausführungen auf das männliche Geschlecht


GEWALT UND RASSISMUS IM FUSSBALL

50

Schumacher spricht für sich: „Wenn man zur Spitze will, muss man fanatisch

sein“ (Löffelholz: 63). Medien haben auch bei dieser Thematik eine relevante Rolle. Häufig werden Spiele mit übertriebenen, gewaltnahen Schlagzeilen angekündigt. „Von Spielen ums Überleben“, „dem letzten Kampf“, „großer Kampfkraft“, „Krieg gegen Rivalen“, „gesunder Härte“, etc. ist oft zu lesen bzw. zu hören.

Das

Verständnis

einer

profitorientierten

Leistungsgesellschaft

spiegelt

sich

im

Leistungssport Fußball eindeutig wieder. Laut Löffelholz sind die Strukturveränderungen der

letzten

Jahrzehnte

Modernisierungsprozesse.

im

Profifußball

ein

Abbild

der

gesamtgesellschaftlichen


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

V

51

SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

Soziale Arbeit mit Fußballfans kann in zwei Arten getrennt werden. Zum einen existiert die Fanarbeit im Vereinsfußball bzw. auf lokaler Ebene, zum anderen hat sich in den letzten Jahren die sozialpräventive Fanarbeit bei Großveranstaltungen im Fußball etabliert. Diese Ansätze werden im Folgenden vorgestellt, um im Anschluss die Unterschiede festzuhalten. Die aufsuchende Jugendarbeit mit dem Hintergrund der Lebenswelttheorie spielt in der Sozialen Arbeit mit Fußballfans in beiderlei Hinsicht eine zentrale Rolle.

V.I

AUFSUCHENDE JUGENDARBEIT

Im deutschsprachigen Raum werden Bezeichnungen dieses Arbeitsfelds mehr oder weniger identisch verwendet: aufsuchende Jugendarbeit, Streetwork, Straßensozialarbeit, mobile Jugendarbeit, Outreach-Arbeit (vgl. Krafeld, 2004: 15). Aufsuchende Jugendarbeit ist ein Sammelbegriff für Ansätze der Jugendarbeit, die Jugendliche in ihrer Freizeit aufsuchen, zu ihnen hingehen und nicht darauf warten, bis diese den Schritt wagen in die jeweilige Organisation zu kommen. Das in der Jugendarbeit übliche „Komm-Prinzip“ wird durch das „Geh-Prinzip“ ergänzt (vgl. ebd. 7f).

Mit der Methode des „Aufsuchens“ soll die Lücke geschlossen werden, die die institutionelle Jugendarbeit mit ihren Angeboten nicht erreicht („Ersatzcharakter“). Aufsuchende Jugendarbeit hat die Aufgabe, einrichtungsbezogene Arbeit zu ergänzen, es werden aber auch Jugendräume als Infrastruktur zur Verfügung gestellt. Diese Räume sind öffentlich zugänglich, wenn Jugendliche bereit sind, den Betrieb zu betreuen und ihn somit als ihre Lebenswelt zu definieren. Unterstützt werden sie dabei von SozialarbeiterInnen. Seit den frühen 90er Jahren gilt aufsuchende Jugendarbeit als Standardangebot, und nicht mehr nur als Spezialangebot für extreme Zielgruppen. Vorrangig erreicht sie jedoch Jugendliche am Rande der Gesellschaft (vgl. Krafeld, 2004: 16). Der Ansatz reagiert auf veränderte Bedingungen des Aufwachsens, Pluralisierung biografischer Lebensentwürfe und Lebensstile, Bedeutungsverlust sozialer Milieus und Bedeutungszuwachs jugendkultureller Entfaltung.


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

52

Aufsuchende Jugendarbeit ist ein bedeutender methodischer Modernisierungsschub in der Jugendarbeit und einer von ganz wenigen Bereichen der Sozialen Arbeit, indem es in letzten Jahren noch Zunahmen eingesetzter Ressourcen gab (vgl. ebd: 11).

Spezifisches Profil aufsuchender Jugendarbeit Grundlegendes Selbstverständnis der aufsuchenden Jugendarbeit: -

konkrete Umsetzung der Lebensweltorientierung, sie sieht in den Lebenswelten den zentralen Ort subjektgeleiteter Entfaltung

-

produktive Verbindung von personenbezogenen Angeboten und Einmischung in die Bedingungen des Aufwachsens

-

Förderung und Begleitung junger Menschen in der eigenen Entfaltung und zu gesellschaftlicher Teilhabe

-

die Aneignung der Umwelt als Bestandteil der Entwicklung

-

Auffangnetz für diejenigen, die durch stationäre Angebote nicht erreicht werden

Grundlegendes Handlungsprofil der aufsuchenden Jugendarbeit: -

Geh-Struktur („Gast“ in der Welt der AdressatInnen)

-

niederschwelliges, informelles Angebot

-

Stärkung selbstorganisierter sozialer Vernetzungen (Cliquen, Szenen)

-

unterstützende

und

konfrontierende

Begleitung

jugendkulturell

getragener

Entwicklungsprozesse von Alltags- und Lebensbewältigung sowie sozialräumlicher Verortung -

geschlechtsreflektierende

Arbeit

auch

in

geschlechtsheterogenen

Zusammenhängen -

Förderung vielfältiger und qualifizierter sozialer Vernetzungen

Lebensweltbezogenes Handlungsprofil der aufsuchenden Jugendarbeit -

eindeutige

und

ausschließliche

Zuständigkeit

für

Jugendliche

und

deren

Problemlagen -

parteiliche

Einmischung

in

sozialräumlichen

und

lebensweltorientierten

Bedingungen -

Förderung der Aneignung von Umwelt und gesellschaftlicher Teilhabe


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

-

53

Anbieten von Konfliktmediation

(vgl. Krafeld, 2004: 47ff).

V.II

LEBENSWELTORIENTIERUNG

Zentrale Grundlage und Methode der aufsuchenden Jugendarbeit ist die praktische Umsetzung der Lebensweltorientierung.

Die Lebensweltorientierung bezieht sich auf subjektbezogene und gesellschaftliche Bedingungen

und

Möglichkeiten.

Laut

Thiersch

stellt

Lebensweltorientierung

die

AdressatInnen mit ihren Lebensverhältnissen und Lebensschwierigkeiten sowie ihren Ressourcen in den Mittelpunkt. Gemeint sind individuelle, soziale und politische Ressourcen und das Stärken von sozialen Netzen und lokalen/regionalen Strukturen (vgl. Thiersch, 2005: 5).

Der

lebensweltorientierte

Ansatz

meint

eine

ganzheitliche

Wahrnehmung

von

Lebensmöglichkeiten und Schwierigkeiten des Alltags. Er zielt ab auf Ungleichheiten, „wie sie sich in der pluralen, vielfältigen Gesellschaft

zeigen“ (ebd. 2005: 26). Nach Thiersch sind Handlungsmaxime der Lebensweltorientierung die Prävention, die Regionalisierung/Dezentralisierung, die Alltagsorientierung, die Integration und die Partizipation (vgl. Thiersch, 2005: 30). Damit soll den Jugendlichen ein „gelingenderer Alltag“ ermöglicht werden.

Die Lebensweltorientierung konzentriert sich auf die Vielfalt der Lebenszusammenhänge der Menschen, die sie in den Blick genommen hat. Die genutzten Räume der Lebenswelt von Jugendlichen sollen als Platz zur eigenen Entfaltung zur Verfügung stehen(vgl. Krafeld, 2004: 126).

Orte der aufsuchenden Jugendarbeit sind die Lebenswelten der Jugendlichen, wozu auch das Fußballstadion und dessen Umfeld für Fußballfans gehört. Das Umfeld kann sowohl informelle Treffpunkte, als auch das Angebot von selbstorganisierten Räumen beinhalten. Die Orte der aufsuchenden Jugendarbeit sind laut dem Jugendforscher Hellmut Lessing

„überall

dort,

wo

sich

der

alltägliche

Lebenszusammenhang

der

Jugendlichen


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

54

entfaltet“ (Lessing 1982 zit. nach Krafeld:, 2004: 81).

V.III

SOZIALE ARBEIT MIT FANS IM VEREINSFUßBALL

Im Folgenden wird auf die Entwicklung der Sozialen Arbeit mit Fußballfans auf Vereinsebene eingegangen. Zentral ist an dieser Stelle die Entwicklung der deutschen FanProjekte. Auch in Österreich sind Ansätze der Sozialen Arbeit mit Fußballfans zu finden.

Zunehmende

Auseinandersetzungen,

Hooligankultur

im

Fußball

der

differenzierten

Maßnahmen

Randale

80er

den

Jahre

friedlichen

und

die

starke

verstärkten Ablauf

die

von

Entwicklung

der

Anstrengungen

mit

Fußballbegegnungen

zu

gewährleisten (vgl. Pilz et al. 2006: 9). Diese Zeit war für die Entwicklung der Fan-Projekte in Deutschland hoch bedeutsam. Das erste Fan-Projekt wurde 1981 in Bremen „aus universitären Zusammenhängen und unter

sozialwissenschaftlicher Perspektive eingerichtet“ (Schneider, Meyer. 2000: 32). Weitere Gründungen

von

Fan-Projekten

waren

„überschattet

von

fehlender

öffentlicher

Anerkennung und entsprechend labiler Existenzlage“ (Löffelholz, 1990: 7). Inzwischen ist es gelungen, der aufsuchenden Sozialarbeit im deutschen Zuschauerfußball einen dauerhaften Platz zu verschaffen. Der Sozialen Arbeit von Fan-Projekten gilt verstärkt der öffentliche Blick, sie erfährt Anerkennung und gilt als reputierlich (vgl. Heitmann et al. 1995: 187).

Fan-Projekte

zählen

zur

außerschulischen

Jugendarbeit

und

verstehen

sich

als

unabhängige „Drehpunkteinrichtungen“ zwischen jugendlichen und erwachsenen Ebenen, zwischen

Jugendkultur,

Jugend-

und

Sozialarbeit,

Sozialwissenschaft,

Sport,

Unterhaltungsbranche und Kontrollorganen. Durch die Verabschiedung des „Nationalen Konzeptes Sport und Sicherheit“ (NKSS) wurde 1992 die sozialpädagogische Prävention professionalisiert, eine Rahmenkonzeption für Fan-Projekte und qualitative Standards erarbeitet (vgl. Schneider, Meyer. 2000: 33). Die rechtliche Grundlage für den Ausbau des pädagogischen Weges der Fan-Projekte auf Basis einer Drittelfinanzierung (Land, Kommune, Verein) war geschaffen. 1993 wird die Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS) bei der Deutschen Sport-Jugend eingerichtet,


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

55

welche die Vernetzung bestehender Fan-Projekte ermöglicht. Ihre Aufgabengebiete sind der Aufbau neuer Fan-Projekte, die Entwicklung von Maßnahmen zur Sicherstellung der Qualifizierung von Fan-Projekt-MitarbeiterInnen sowie von Qualitätsstandards (vgl. Heitmann et al. 1995: 188f).

Der Soziologe Löffelholz sieht Fan-Projekte als jugendpädagogisches und jugendpolitisches Anliegen, deren Bemühungen der Integration der Fußballfans in die Gesellschaft gelten. Sie widmen sich laut ihm der produktiven Lösung von Jugendkonflikten, die sich im Extrem in

Gewalt

äußern.

Beschäftigung

mit

Ausländerfeindlichkeit,

Rassismus

und

Vorurteilsbildung sind ebenfalls Elemente dieser Arbeit.

Weiters verfolgen Fan-Projekte „pädagogische Ziele, die dem sozialen Selbstanspruch

unserer

Gesellschaft

entsprechen

und

im

Kontrast

zum

Leistungs-

und

Konkurrenzanspruch des Marktes stehen“ (Löffelholz, 1992: 27).

Soziale Arbeit mit Fußballfans in Österreich

Bis 1999 existierten in Wien und in Linz niederschwellige Streetwork-Projekte im Fußball. Danach hat es in Österreich keine explizite Soziale Arbeit, die sich ausschließlich mit Fußballfans beschäftigt, gegeben (vgl. Etl, 1997: 322).

1979 wurde in Wien von AbgängerInnen der Akademie für Sozialarbeit der Verein „Rettet das Kind“ gegründet und die Arbeitsmethode Streetwork in der Stadt eingeführt. Ab 1980 war die Zielgruppe eines Teams von SozialarbeiterInnen Fans der beiden Wiener Großklubs Rapid und Austria, die „aufgrund ihres Verhaltens, ihrer Provokationen und

Gewaltbereitschaft auffallen“ (Etl, 1989 zit. nach Horak: 40) bzw. marginalisierte und kriminalisierte Gruppen, die durch das Netz bestehender institutioneller Hilfsangebote nicht erreicht wurden. Mittlerweile ist die spezifische Arbeit mit Fußballfans nicht mehr durchführbar. Der Fußballplatz bleibt wichtiger „Außendienstort“, da sich die Zielgruppe von Streetwork Wien nach wie vor im Fußballkontext aufhält. Fanarbeit im eigentlichen Sinne wird jedoch nicht mehr betrieben (vgl. Horak, Spitaler. 2006: 523).

Ab 1982 gab es in Linz ein Projekt der mobilen Jugendarbeit mit der Zielgruppe Skinheads,


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

56

Punks und Rockergruppen. Von 1991 bis 1998 existierte ein Projekt des Vereins „ISI“ (Initiativen für soziale Integration) bzw. „Jugend und Freizeit“, das mobile Jugendarbeit mit Fußballfans betrieb. Aufgrund der Auflösung der Hooliganszene und dem Niedergang des Profifußballs in Linz musste die Fanarbeit des Projekts Ende der 90er Jahre eingestellt werden (vgl. ebd. 2006: 523f.).

Die Österreichische Bundesliga fordert seit der Saison 2002/03 die Vereine auf, eine/n „Fanbeauftragte/n“ zu benennen, der/die eng mit dem Sicherheitsverantwortlichen zusammenarbeitet und die Kommunikation zwischen dem Verein und seinen Fanclubs aufrechterhalten sollte. Ebenso soll er/sie Anhängergruppen bei Auswärtsspielen begleiten. Einzelne Vereine im österreichischen Profifußball haben zusätzlich Ansprechpersonen für organisierte Fans, von professioneller Fanarbeit kann man jedoch nicht sprechen. Einzig die Wiener Austria hat einen Sozialarbeiter als Fankoordinator angestellt, der Ansprechperson für Fananliegen ist und explizit mit dieser Zielgruppe arbeitet (vgl. ebd. 2006: 526f).

Die Polizei versucht in Österreich mit nicht-uniformierten FanpolizistInnen, die jeweilige Fanszene der Bundesligavereine bei Heim- und Auswärtsspielen zu betreuen. Diese sollten konfliktvermeidend eingreifen und die Sicherheitsrichtlinien der Bundesliga umsetzen. Polizeiliche FanbetreuerInnen können aus Sicht der Fans die Funktion eines vertraulichen Vermittlers für ihre Anliegen schwer übernehmen, da sie den Status der obrigkeitlichen Überwachung besitzen (vgl. Horak, Spitaler. 2006: 533).


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

57

In der Zusammenarbeit von Polizei und Streetwork gibt es, laut den bisherigen Erfahrungen in Österreich, das Problemfeld der Informationsweitergabe.

„Streetworker dürfen persönliche Daten von Jugendlichen nicht weitergeben […] und deshalb ist klar, dass die Grenze zur Polizei ganz scharf gezogen werden muss“ (Ruthner, Ziering 1991 zit. nach Horak, Spitaler. 2006: 194). Ein Grundproblem ist weiters, dass Institutionen des österreichischen Fußballs und die Bundesliga mangelndes Interesse zeigen, auf Anliegen der organisierten Fanklubs einzugehen und hauptsächlich versucht wird, Fans mit repressiven Maßnahmen zu kontrollieren. Jüngste Ausschreitungen13 zeigen auf, dass so genannte Fanarbeit in Österreich zahlreiche Problemfelder besitzt und diese mit vorhandenen Strategien nicht lösbar sind.

Die Europameisterschaft 2008 in Österreich und der Schweiz bietet eine Gelegenheit, Strukturen internationaler Fanbetreuung kennen zu lernen und Erfahrungen in der Fanarbeit nachhaltig zu nutzen.

Methodik der Fanarbeit Ziele der Sozialen Arbeit von Fan-Projekten sind (vgl. Pilz, www.kos-fanprojekte.de, 12.03.2007):

-

die Eindämmung von Gewalt und Präventionsarbeit

-

der Abbau extremistischer Orientierungen und delinquenter Verhaltensweisen

-

die Steigerung von Selbstwertgefühl und Verhaltenssicherheit bei jugendlichen FußballanhängerInnen

13

-

die Stabilisierung von Gleichaltrigengruppen

-

die Rückbindung jugendlicher Fußballfans an ihre Vereine

-

Sicherung des Sozialraums Stadion für Jugendliche

-

Entwicklung eines Klimas, in dem gesellschaftliche Institutionen zu mehr

Fanausschreitungen bei den Spielen zwischen Austria Wien und Rapid Wien am 04.03.2007, zwischen dem GAK und Sturm Graz am 18.03.2007, zwischen Ried und Sturm Graz am 24.02-2007 und in Pasching am 16.05.2006.


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

58

Engagement für Jugendliche bewegt werden

Um diese Ziele zu erreichen erfordert es eine umfangreiche Aufgabenbewältigung, die Pilz wie folgt darstellt:

-

die Teilnahme an der Lebenswelt der Fans durch die Begleitung zu Heim- und Auswärtsspielen und Maßnahmen im Rahmen von Streetwork

-

das Herangehen an fremdenfeindliche Gesinnungen oder die Organisation internationaler Jugendbegegnungen

-

Bildungsarbeit mit fanspezifischen Bildungsmaßnahmen oder der Durchführung von Seminaren

und

Diskussionen

zwischen

Jugendlichen

und

„Erwachseneninstitutionen“ -

Zusammenarbeit mit Beratungseinrichtungen

-

Schaffung von Freizeitangeboten

-

Unterstützung der Fans bei der Selbstorganisation

-

Aufbereitung und Dokumentation von Entwicklungen in den verschiedenen FanSubkulturen

-

Öffentlichkeitsarbeit

Soziale Arbeit hat die Aufgabe der Unterstützung in sozialen Problem- und marginalisierten Lebenslagen sowie der bewältigungsorientierten Begleitung im Alltag. Fanarbeit ordnet sich in die aufsuchende Jugend- und Sozialarbeit ein, die überwiegend an Plätzen und Orten stattfindet, an denen sich Jugendliche aufhalten. Spielbegleitungen sind somit passende Möglichkeiten der Kontaktaufnahme und -intensivierung zwischen Fans und SozialarbeiterInnen (vgl. Heitmann et al. 1995: 189). Thomas Schneider von der Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS) impliziert in die aufsuchende Fanarbeit den Arbeitsansatz von Streetwork an den Spieltagen, das Aufsuchen von Treffpunkten der Zielgruppe während der Woche sowie Einzelfallhilfe, „Gewaltbegleitung“, das Bereitstellen von Handlungsalternativen beim Auflösungsprozess der Selbstregulierung von Fans und deeskalierende (Krisen)Interventionen.

Mit der Darstellung von vier Konzepten der Orientierung, versucht der Soziologe Löffelholz die ganze Spannweite der Sozialen Arbeit mit Fans zu erfassen.


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

59

1. Lebensweltlich-jugendkulturelle

Orientierung wendet

sich

gegen

vorrangige

Disziplinierungsinteressen von Jugendlichen. Der aufsuchende Charakter der Fanarbeit beinhaltet, „dass sie sich an die Gruppenkultur der Jugendlichen in ihren

räumlichen und zeitlichen Bewegungen anschließt“ (Löffelholz, 2004: 28). Fanarbeit wirkt in der Lebenswelt der Jugendlichen, die eine Gruppen- und Freizeitkultur selbst gestalten. Somit stellen sie ein soziales Netz und ein Lern- und Erlebnisfeld her. Lebensweltliche Ressourcen der Jugendkultur sollen genutzt werden. Der pädagogische Umgang mit der Jugendkultur stabilisiert die Gruppe als Gefüge, als auch den einzelnen Jugendlichen gegenüber der Gruppe (vgl. ebd. 27ff).

2. Die Orientierung am gesamten Partizipationsfeld Fußball wehrt sich gegen eine Instrumentalisierung der Fanarbeit als „Sozialfeuerwehr“. Fanarbeit hat ihr Zentrum in der Lebenswelt der Jugendlichen, zwischen einschlägigen Institutionen der Erwachsenenwelt besteht jedoch eine intensive wechselseitige Bezugnahme. Fanarbeit bewegt sich auf der Schnittstelle von Jugendkultur, Sport, Unterhaltung und Polizei. Sie vertritt einen systemischen Ansatz, der nicht nur auf die Jugendlichen abzielt, sondern auf das gesamte Umfeld des ZuschauerInnenfußballs.

3. Die soziale und pädagogische Arbeit mit Fans versteht sich laut Löffelholz „als

kontinuierliche Prozessbegleitung statt als kurzfristige Intervention“ (Löffelholz, 2004: 29). Die Prozessorientierung zielt auf langfristige Veränderung von Strukturen und distanziert sich von am Symptom orientierten Eingreifen von Sicherheitsbehörden (vgl. Löffelholz, 2004: 27).

4. Die Diskursorientierung fordert, Konflikte in den Fankulturen auf der Ebene symbolischer Auseinandersetzung zu lösen. Sie ist von hoher Bedeutung, weil Diskurse betroffenen Gruppen ermöglichen, ihre Problemsichten, Einstellungen, Weltbilder oder Rechtfertigungen gewaltfrei auszutauschen und zu vertreten.

Die

professionelle

Fanarbeit

in

Wien

wendete

als

Arbeitsmethode

„klassisches

Streetwork“ an. Ein niederschwelliger, angebotsorientierte Zugang wurde verfolgt, der sich an den


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

Grundsätzen

der

Anonymität,

60

Freiwilligkeit

und

Parteilichkeit

für

die

betreuten

Jugendlichen orientierte. Neben der Bereitstellung eines Lokals, rechtlicher Beratung, Unterstützung bei der Kontaktaufnahme mit dem Verein und diversen Freizeitangeboten war man im Stadion und bei Auswärtsfahrten anwesend und konnte mit Jugendlichen an ihren Aufenthaltsorten Kontakt aufnehmen (vgl. Horak, Spitaler. 2006: 523). „Aus der

Sicht von Streetwork Wien wäre die neuerliche Ausweitung der eigenen Arbeit auf den Fußballbereich wünschenswert und wird auch geplant“ (Horak, Spitaler. 2006: 535). Für den Fankoordinator der Wiener Austria 14 sind konkrete Projekte seiner Arbeit die Organisation

eines

Fanturniers,

die

Unterstützung

bei

Auswärtsfahrten

und

Choreographien sowie der Versuch, ein eigenes Fanhaus bereitzustellen und ein Fanmagazin zu gestalten. Den Einsatz von StreetworkerInnen bei seinem Verein sieht er sehr positiv, er orientiert sich an der Arbeitsweise deutscher Fan-Projektansätze (vgl. ebd. 2006: 526f). Die Einrichtung von professionellen Fanprojekten mit ausgebildeten MitarbeiterInnen und entsprechenden räumlicher Ausstattung kann daher als Zielvorstellung gesehen werden.

Das Konzept der Faninitiative Innsbruck sieht Beratungsangebote und konkrete Einzelfallhilfe vor sowie das Angebot von Bildungs- und Berufförderungsmaßnahmen (vgl. Reiter, 2006: 85). Die Faninitiative Innsbruck arbeitet an einer professionellen sozialpädagogischen Fanbetreuungseinrichtung. Ihr Ziel ist es, sozialer Ausgrenzung und Stigmatisierung von Fans entgegenzuwirken. Die Fankultur soll geschützt, und dabei ein Raum für Kreativität und Engagement geschaffen werden (vgl. Reiter, 2006: 79)

14

Der Fankoordinator Martin Schwarzlantner ist zugleich Fanbotschaftsleiter bei der EURO 2008 in Wien.


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

V.IV

61

SOZIALPRÄVENTIVE FANARBEIT BEI GROßVERANSTALTUNGEN

Zum Präventionsverständnis der Fanarbeit bei Großveranstaltungen Sozialprävention in der Fanarbeit hat ihre Kernelemente in der Förderung eines positiven Fanverhaltens und der Nutzung des sozial-integrativen Potentials des Fußballs. Man versucht, destruktives Fanverhalten vorzubeugen und zu vermeiden, dass Fans vom Fußballgeschehen

ausgeschlossen

werden

(vgl.

Entwurf

eines

Handbuches

zur

Gewaltprävention im Sport, 2002: 4f).

Böllert versteht in ihrem Präventionsverständnis die Aufgabe Sozialer Arbeit als Instanz für die Bereitstellung einer individuellen Gestaltung von Lebensweisen der AdressatInnen. Präventive Herangehensweisen sind auf Struktur- sowie auf Subjekt- und Kontextebene anzusetzen (vgl. Böllert, 1995: 147). Konkret sieht Böllert in der Präventionsstrategie der Sozialen Arbeit den Ausgleich fehlender Optionen und Chancen-Ungleichheiten in den Lebensumwelten der AdressatInnen. Prävention schließt laut Böllert Intervention nicht mit ein und stellt keine Garantie für die Lösung oder das Nichtauftreten bestimmter Problemlagen dar.

Streetwork als lebensweltorientierter Ansatz Sozialpräventive Fanarbeit bei Großveranstaltung richtet sich, vor allem im Bezug auf das Angebot mobiler Fanbotschaften, nach dem Ansatz von Streetwork.

„Im Mittelpunkt von Streetwork steht die aufsuchende Arbeit in der Lebenswelt der Jugendlichen.“ (Bodenmüller, Piepel. 2003: 43). Dazu gehört auch das Miterleben und Kennen lernen ihrer sozialen Räume, wie zum Beispiel des Stadions. Den Jugendlichen sollen Beziehungsangebote gemacht werden, die sie auch in Krisensituationen nutzen können. Dieser Vertrauensaufbau zwischen Jugendlichen und SozialarbeiterInnen

ist

Kernstück

von

Streetwork.

Akzeptanz,

Freiwilligkeit

und

Verschwiegenheit sind weitere Grundprinzipien (vgl. Bodenmüller, Piepel. 2003: 43). StreetworkerInnen sollen die Sicherheit vermitteln, dass sie nicht vorgeschobene Horchposten von Polizei und Ordnungskräften sind.


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

62

Es ist Ziel, „repressive ordnungspolitische Zugriffe zu reduzieren und soziale Integration zu

fördern“ (ebd. 2003: 45). Gleichzeitig sollen Stigmatisierung und Diskriminierung der Zielgruppe verhindert bzw. abgebaut werden.

Es wird versucht, die Lebenswelt des/der Jugendlichen mit einzubeziehen und ihn/sie in seinem/ihrem Lebensumfeld zu stabilisieren.

Das Angebot dieser niederschwelligen Arbeit kann den Jugendlichen ein breiteres Handlungsspektrum eröffnen und ihre individuelle Kompetenz zur Lebensbewältigung erweitern (vgl. ebd. 2003: 44). Stärkung von Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung, Entwicklung von Eigenverantwortung und Empowerment der Jugendlichen stehen im Vordergrund.

Arbeitsmethoden

und

Konzepte

internationaler

sozialpräventiver

Fanarbeit Sozialpräventive Fanarbeit orientiert sich auf internationaler Ebene am so genannten

„Hospitality-Gedanken“ (Schneider, Gabriel. www.kos-fanprojekte.de). „If football supporters are welcomed as guests and not considered just as a problem of security, the general spirit of the tournament will be improved as well as the safety feeling of all the spectators (Schneider, Gabriel. 2004: 13) Bei internationalen Fußballgroßereignissen stehen Fans unter besonderer Beobachtung, tragen mit ihrem Verhalten zum Gelingen oder Misslingen der Veranstaltung bei und gelten als wesentlicher Gradmesser des Gesamterfolgs.

Vor dem Einsatz präventiver Fanarbeit in den 80er Jahren waren BesucherInnen von Fußballwelt und -europameisterschaften entweder sich selbst überlassen oder im Fokus von Sicherheitskräften. Dies führte oft zu Aggression und Gewalt. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts ist die Gewalt in Fußballstadien immer noch ein aktuelles Problem (vgl. Entwurf eines Handbuches zur Gewaltprävention im Sport. 2000: 4), diesem wird ein zusätzlicher Ansatz entgegengebracht. Die präventive

Fanarbeit soll als Ergänzungen

konventioneller Sicherheitsmaßnahmen betrachtet werden und in einem ausgewogenen


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

63

Verhältnis zu diesen stehen (vgl. ebd.).

Eine soziale und kulturelle Grundversorgung der Fans wird als entscheidendes Mittel zur Gewaltprävention angesehen (vgl. Schneider, Gabriel. www.kos-fanprojekte.de). Die Betreuung von Fußballfans im Ausland, in einer neuen kulturellen Umgebung, kann ausschlaggebend dafür sein, ob sich Fans willkommen und integriert fühlen. Günstige Übernachtungsmöglichkeiten,

einfache

und

fanfreundliche

Verkehrsverbindungen,

Videogroßleinwände, fußball- und fanspezifische Kulturveranstaltungen, die Bereitstellung von Informationsangeboten über Internet-Plattformen und so genannte Fanbotschaften sind einige Eckpfeiler präventiver Fußballfanarbeit.

Die Herangehensweise der sozialpräventiven Fanarbeit im Fußball beruht vor allem auf der Erfahrung des Netzwerks FSI (Football Supporters International). FSI konnte Methoden der Sozialen Arbeit mit Fußballfans unter dem Paradigma der Prävention, vor allem durch praktische Erfahrungen und Erforschung des Fanalltags entwickeln.

Schneider und Gabriel stellen aus der Sicht von präventiver Fußballfanarbeit ein Modulsystem vor, welches unter anderem die Beratung und Aufklärung über Fußballfans für Institutionen, die wenig Erfahrung im Umgang mit diesen haben, beinhaltet. Diese soll helfen negativen Vorurteilen gegenüber Fußballfans entgegenzuwirken und stereotype Wahrnehmungsmuster abzubauen. Die Vertiefung des interkulturellen Austausches bei einer Fußballgroßveranstaltung soll gefördert werden. Möglichkeiten dazu bieten sich mit internationalen Fan- und Jugendaustauschen und länderübergreifenden kulturellen, sozialen sowie sportlichen Events. Im Rahmen eines sozialpräventiven Konzepts gilt es

„anti-sozialem Verhalten und kulturellen Missverständnissen vorzubeugen“

(Schneider,

Gabriel. 2004: 15).

Die Entwicklung sozialpräventiver Fanarbeit im Fußball Das zunehmende Gewaltproblem und Ausschreitungen bei Fußballfans in den 80er Jahren hatte ein Umdenken der repressiven, ordnungspolitischen Maßnahmen zur Folge, die bisher als einziger Weg der Problemlösung angesehen wurden (vgl. Wurbs, Schneider. 2004: 3).


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

64

Eskalierende Gewalt bei Fußballfans ließ sich mit kurzfristigen, repressiven Maßnahmen alleine nicht mehr bekämpfen. Es entstanden Ansätze, die den vielschichtigen Ursachen gewaltförmigen Fanverhaltens schon im Vorfeld und mit pädagogischen Mitteln begegnen sollten. Die Arbeit mit Fußballfans bei Großereignissen basiert auf einem nunmehr 20 Jahre kontinuierlich

andauernden

Etablierungsprozess

von

ursachenorientierter,

sozialpädagogischer Herangehensweise an gewaltbereite Fußballfans.

Speziell Deutschland und England haben eine lange Tradition bezüglich gewalttätigen Auseinandersetzungen in ihren Fanszenen und gelten als Vorreiter der sozialpräventiven Fanarbeit im Fußball (vgl. ebd.). Die Grundidee ist, Fußballfans bei internationalen Großereignissen als Bewegung zu betrachten, die genaue Informationen braucht um Probleme, Risikosituationen und Meinungsverschiedenheiten zu vermeiden.

„The implementation of preventive and social measures as well as offering structural support and coaching services for supporters … are the main contents of the work...” (Wurbs, Schneider. 2004: 3).

Mittlerweile

gehören

Fanbetreuungsmaßnahmen

bei

internationalen

Fußballgroßereignissen zum Standard-Repertoire (vgl. Zimmermann, 2005), wobei es immer mehr Länder gibt, in denen Organisationen und Initiativen auf unterschiedlichem Professionalisierungsniveau, sozialpräventive Fanarbeit praktizieren.

Der eigentliche Start von Fanbetreuung bei einem Großereignis im Fußball erfolgte bei der

Europameisterschaft 1988 in Deutschland unter dem Slogan „Kultur statt Knüppel“ von der Koordinationsstelle Deutscher Fan-Projekte (KOS). Es folgte ein Perspektivenwechsel, weg von der reinen Betrachtungsweise von Fans unter Sicherheitsgesichtspunkten.

Die internationale Fanarbeit hatte ihren Ursprung bei der WM 1990 in Italien, bei der erstmals

so

genannte

„fans´

embassies“

von

der

„Football

Association“ (FSA)15 angeboten wurden (vgl. Gabriel et al, 2005: 4).

15

2002 unbenannt in „FSF – Football Supporters Federation”

Supporters´


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

65

Die Arbeit der KOS beinhaltete konzentrierte Fanbetreuung für deutsche Fans in Form von Streetwork und Beziehungsarbeit zu bereits bekannten Fangruppen. Die

präventive

StreetworkerInnen

Fanarbeit war

der

bei

der

WM

Startschuss

1990 für

die

von

englischen

stetige

und

deutschen

Weiterentwicklung

und

Professionalisierung von Arbeitspraktiken bei weiteren internationalen Turnieren (vgl. Miles, 2004: 23).

Ähnliche Angebote fand man bei der EM 1992 in Schweden vor, wobei von deutscher Seite erstmals ein Fankontaktbüro, welches fixe Anlauf- und Informationsstelle für deutsche Fans war, eingerichtet wurde. Ebenso produzierte die Fanbetreuung vor Ort eine aktuelle Fanzeitung zu Spielen der deutschen Nationalmannschaft. Durch die FSA wurden englische Fans erneut mit einer Fans´ Embassy unterstützt, welche jedoch keinen professionalisierten und sozialarbeiterischen Hintergrund besaß. Auch MitarbeiterInnen holländischer Fan-Projekte begleiteten Fangruppen während des Turniers.

Aufgrund der Entfernung und der geringen Anzahl von Fans vor Ort gab es während der

WM 1994 in den USA keine organisierte Fanbetreuung. Obwohl England als das „Vaterland des Hooliganismus“ gilt und Befürchtungen gewalttätigen Fanverhaltens bei der EM 1996 große Aufmerksamkeit auf sich zog, gab es kaum Ausschreitungen, sondern „eine faszinierende Atmosphäre während des gesamten

Turniers“ (Gabriel et al, 2006: 5). Bei der EM 1996 in England wurde mit der FSA erstmals eine fannahe Organisation in die Gesamtorganisation eines internationalen Großereignisses im Fußball mit einbezogen. Fans´ Embassies standen in jeder Ausrichterstadt, ein Fanguide wurde in den Sprachen aller 16 Teilnehmerländer produziert sowie ein Fanturnier und ein Rahmenprogramm für jugendliche Fans organisiert. Die EM 1996 in England war Startschuss für eine erstmalige Kooperation verschiedener nationaler Fanbetreuungsmaßnahmen.

Frankreich als Gastgeberland der WM 1998 verzichtete auf jegliche Organisation einer Fanbetreuung. FSA und KOS setzten ihre präventive Fanarbeit bei Großereignissen in enger Zusammenarbeit fort. Die Konzeption der Fanbetreuungsmaßnahmen der KOS bei der WM 1998 beruhte auf vier inhaltlichen Säulen: im Vorfeld kam es zu internationalen Jugendbegegnungen von


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

66

Fanszenen aus Frankreich und Deutschland, erstmals wurde eine mobile Fanbotschaft angeboten, welche Fans bei den Spielen begleitete, zu jedem Spiel wurde ein aktuelles Fanzine herausgegeben, sowie Streetwork im Umfeld der deutschen Spiele betrieben (vgl. Gabriel, Schneider. 1999: 2). Die Erfahrungen deutscher SozialarbeiterInnen in Frankreich zeigten, dass sich Streetwork im Ausland in besonderer Rücksichtnahme üben muss und die „Beachtung kultureller wie institutioneller Unterschiede für eine erfolgreiche Arbeit …

unerlässlich ist“ (Schneider, 1999: 71). Überschattet wurde die WM von schweren Ausschreitungen durch deutsche Fans in Lens. Hooligans verletzten in einer Seitenstraße den französischen Polizisten Daniel Nivel schwer, er schwebte in Lebensgefahr und trug erhebliche Behinderungen davon. Detaillierte Informationen von Augenzeugen weisen Widersprüche auf, der Aufschrei von Medien und die

„kolossale

Reaktion

in

Deutschland

waren

zumindest

teilweise

unangemessen“ (Gehrmann, 1999: 50). „Die

traurige

Verkettung

rassistischer

und

rechtsextremer

Gewalttaten

oder

Verhaltensweisen deutscher Fans im Ausland fand […] in Lens ihre konsequente Fortsetzung“ (Gabriel, Scheider. 1999: 3). Die darauf folgende Europameisterschaft in den Niederlanden und Belgien 2000 fand unter strengeren Sicherheitsbestimmungen statt. In Belgien kam es zu „zirka 1300 Festnahmen,

bei nur einer einzigen Verurteilung“ (Gabriel et al. 2006: 6). Laut Kevin Miles von FSA schien es, als betrachte man alle englischen Fans als potenzielle Hooligans, als Herausforderung für die Sicherheitskräfte, anstatt als Gast. „Diejenigen, die

ganz offensichtlich friedlich waren, waren eben nur noch nicht negativ in Erscheinung getreten“ (Miles, 2001: 51). Erstmals bei einer Großveranstaltung im Fußball wurde das Schengener Abkommen außer Kraft gesetzt und temporär Grenzkontrollen eingeführt. In der Fanszene wurde festgehalten, dass die EM 2000 in den Niederlanden und Belgien

„bezogen auf die Aufenthaltsbedingungen aus Sicht der Fußballfans, die schlechteste war, die jemals stattgefunden habe …, “ (Gabriel, 2001: 33) Ähnlich der WM in den USA gab es während der WM 2002 in Japan und Südkorea, mit Ausnahme von mobilen Fanbotschaften der mittlerweile unbenannten FSF (Football Supporters Federation), keine gezielte Fanarbeit.


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

67

Anlässlich der Europameisterschaft 2004 in Portugal hat sich die UEFA erstmals dazu entschlossen, sozialpräventive Fanarbeit finanziell zu unterstützen. Sie betraute FARE –

Football Against Racism in Europe und die 2001 gegründete FSI – Football Supporters International mit der Durchführung dieses Projekts. Kernelement der präventiven Fanbetreuung bildete das Angebot mobiler Fanbotschaften und die Erstellung von Fanguides in den Sprachen der sieben Projektpartner. Eine 24Stunden Helpline durch die FanbotschaftsmitarbeiterInnen wurde eingerichtet. FARE erarbeitete zudem ein eigenes Antirassismuskonzept für diese Europameisterschaft. Im Rahmen von Streetwork wurde aufsuchende Jugendarbeit in den Ausrichterstädten und in den Stadien gewährleistet. Von den portugiesischen Verantwortlichen wurde zur sozialpräventiven Fanbetreuung wenig beigesteuert. Im gesamten verlief die EM 2004 in Portugal friedlich und wurde von einer sehr freundlichen Atmosphäre begleitet (vgl. Gabriel et al. 2006: 6).

Bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland erhielt die KOS den Auftrag, ein Fan- und BesucherInnenbetreuungsprogramm umzusetzen.

Der Aspekt

der sozialpräventiven

Fanarbeit war eingebettet in das Gesamt-Sicherheitskonzept der WM. Ziel war es, gute Aufenthaltsbedingungen für Fußballfans zu schaffen und in einer gastfreundlichen, friedlichen Atmosphäre eine gewaltpräventive Wirkung entstehen zu lassen (vgl. Schmidt, 2006: 10f).

Die Grundsäulen des Programms waren stationäre und mobile Fanbotschaften, ein Fanguide, eine Internetseite und ein Antirassismusprogramm. Die 17 stationären Fanbotschaften

in

12

Austragungsorten

stellten

das

Kernstück

des

Fan-

und

BesucherInnenbetreuungsprogramms dar und wurden als zentrale Anlaufstelle von „über

500.000 Fans besucht“ (ebd.). Die mobilen Fanbotschaften wurden in Zusammenarbeit mit den internationalen Fanbetreuungsteams betreut. Insgesamt war die Organisation FSI mit einem internationalen Netzwerk von FanexpertInnen aus 11 Nationen tätig. Das Antirassismusprogramm beinhaltete unter anderem Straßenfußballmatches mit Fans in allen

Austragungsstädten,

mehrsprachige

Fanzines

zum

Thema

Rassismus

und

Diskriminierung, eine Pressekonferenz am Eröffnungsspieltag der WM und diverse Antirassismusaktionen der Nationalteams im Rahmen des Viertelfinales. Die Fußballfans wurden während dieser WM als elementarer Bestandteil und nicht als Sicherheitsrisiko

betrachtet.

Doch

gab

es

„Ausreiseverbote

für

aktenerfasste


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

68

GewalttäterInnen, vor allem in England, weiters wurden 131 Hausverbote während des Turniers ausgesprochen und 587 Tickets gesperrt“ (Schmidt, 2006: 10). Das zurückhaltende, kommunikative Auftreten der Polizei hat die Gesamtatmosphäre ebenfalls unterstützt. Es gab keine Schreckensmeldungen von Hooligans bei diesem Turnier und sozialpräventive Fan- und BesucherInnenbetreuung hatte einen wesentlichen Anteil zu einem friedlichen und stimmungsvollen Verlauf beigesteuert (vgl. ebd. 11).

Bei der EURO 2008 in Österreich und der Schweiz werden mit der Durchführung der Fanund Antirassismusarbeit erneut die internationalen Netzwerke FARE – Football Against

Racism in Europe und FSI – Football Supporters International betraut.

FSI – Football Supporters International Das Netzwerk FSI – Football Supporters International besteht seit 2001, als die vier Gründungsmitglieder KOS (Koordinationsstelle Fan-Projekte), FSF (Football Supporters´ Federation),

EURO

Support

und

Progetto

Ultrà

beschlossen,

ihr

gemeinsames

Grundverständnis von präventiver Fanarbeit im Fußball zu nutzen und diese international weiter zu entwickeln. Die KOS wurde bereits im Rahmen der Beschreibung von Fan-Projekten vorgestellt, die FSF ist der Nachfolger der FSA – Football Supporters International und wurde 2002 gegründet. Sie ist die vereinigte Fanorganisation in England und Wales mit über 130.000 Mitgliedern. FSF betreibt präventive Fanarbeit mittlerweile bei jedem Spiel der englischen Nationalmannschaft (vgl. Gabriel et al. 2005: 10f). Das Progetto Ultrà existiert seit 1995 und ist das einzige Fanprojekt in Italien. Hauptaugenmerk dieses Projekts ist die Erhaltung und Unterstützung von Fankulturen und die Arbeit mit Gewalt und Rassismus im italienischen Fußball. Ebenso ist das Progetto Ultrà Hauptorganisator der jährlichen „Fanweltmeisterschaft“ – „Mondiali Antirazzisti“16. EURO Support aus den Niederlanden ist eine unabhängige Organisation, die seit 1995 im Feld der sozialpräventiven Fußballfanarbeit arbeitet.

16

das Progetto Ultrà ist ebenso Partner des Netzwerks FARE und organisiert mit Unterstützung von diesem die „Mondiali Antirazzisti“ in Italien. Die Mondiali Antirazzisti ist die antirassistische WM für Fans. Sie findet jährlich statt und ist eine nicht-kommerzielle Veranstaltung, bei der neben einem Füßballturnier, Konzerte, Diskussionsveranstaltungen und Ausstellungen stattfinden. Ein Schwerpunkt liegt in der Miteinbeziehung von MigrantInnen-Organisationen.


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

69

Die Arbeit des Netzwerks FSI beruht auf vier Grundprinzipien: Dem internationalen Goodwill, der Antirassismusarbeit, dem Empowerment von Fußballfans und der Förderung einer positiven Fußballfankultur. Die Methode der weiteren Entwicklung und Etablierung von bereits funktionierenden Praxismodellen sollen die Grundprinzipien absichern (vgl. Gabriel et al, 2005: 6ff). Angedacht wird das Einsetzen von sozialpräventiver Fanarbeit auch bei Spielen auf europäischer Vereinsebene und nicht nur bei Nationalteams. Weiters will das Netzwerk FSI die Koordination der Hintergrundstrukturen in den Partnerländern des Netzwerks ausbauen. Dies bedeutet eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Fußballverbänden, lokaler Behörden, der Polizei und der Fanorganisationen, um eine bessere Kommunikation zu ermöglichen. Beratungsangebote sowie Unterstützung bei der Ausbildung und Supervision für neue Fanorganisationen werden bereitgestellt. Im Rahmen der EM 2004 erweiterte sich das Netzwerk FSI um die Vereinigung “FaCH – Fanarbeit Schweiz“.

FSI bietet Ratschläge und Ausbildungsprogramme über das Verhalten, die Kultur und die Gruppendynamik von Fangruppen und das Umgehen mit diesen für öffentliche Institutionen, Verbände und Politik an. Ebenso ist es Aufgabe, die Öffentlichkeitsarbeit zu forcieren. Diese will man einsetzen, um Vorurteile gegenüber Fans zu reduzieren und die Öffentlichkeit darauf vorzubereiten, bei einem der größten Ereignisse des interkulturellen Austausches dabei zu sein. Medien sollen angehalten werden, sich nicht mehr überwiegend auf Sensationsausschreitungen und Gewalttaten zu konzentrieren, sondern genau die oppositionelle Kraft des Fußballs zu nutzen: „[…] to use its power to present

football

as

a

means

of

promoting

friendship

across

national

and

cultural

boundaries“ (Garbriel et al, 2005: 9). FSI kann somit signifikant für die Verbesserung von Bedingungen und Strukturen, in Bezug auf das Umgehen mit Fußballfans bei internationalen Großereignissen, mitwirken. Ein finaler Schritt für das Netzwerk wäre die vollständige Integration der Strukturen sozialpräventiver Fanarbeit als Standard bei zukünftigen UEFA und FIFA Großereignissen (vgl. ebd.).


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

70

FARE – Football Against Racism in Europe Das Netzwerk FARE – Football Against Racism in Europe wurde im Februar 1999 von antirassistischen

Fußballinitiativen,

Fanprojekten,

Fanclubs

und

MigrantInnenorganisationen aus 14 europäischen Ländern in Wien gegründet. Bislang hat das Neztwerk FARE aktive Mitglieder in 35 Ländern. Auf der Gründungskonferenz wurde ein Aktionsplan gegen Diskriminierung im Fußball verabschiedet. In diesem wurden Fußballverbände und Vereine dazu aufgerufen, „das Problem des Rassismus im Fußball zu

erkennen;

ein

antirassistisches

Programm

anzunehmen,

zu

veröffentlichen

und

umzusetzen; den Fußball bestmöglich zu nutzen, um Menschen aus verschiedenen ethnischen Gruppen und Kulturkreisen zusammenzubringen; eine Partnerschaft mit allen Organisationen aufzubauen, die den Rassismus im Fußball bekämpfen wollen, vor allen Dingen mit Fangruppen, MigrantInnen und ethnischen Minderheiten“ (FairPlay, 2006: 14). Das Ziel von FARE ist, lokale und nationale Initiativen in Europa zu vernetzen und gemeinsam gegen Rassismus und jegliche Form von Diskriminierung im Fußball aktiv zu werden (vgl. ebd. 2006: 14f). Dies bezieht sich sowohl auf den offenen Rassismus in den Stadien und um diese, als auch auf institutionellen und verborgenen Rassismus, wie er innerhalb der Fußballadministration oder im Ausschluss bzw. der Ausgrenzung von MigrantInnen und ethnischen Minderheiten vom Fußballgeschehen passiert.

Die Methoden der FARE-Mitglieder in der Antirassismus und –diskriminierungsarbeit beruhen schwerpunktmäßig auf Kampagnenarbeit im Fußballzusammenhang. Zahlreiche Aktivitäten gegen Rassismus und Diskriminierung werden direkt in den Stadien durchgeführt. Ein Schwerpunkt der Kampagnenarbeit sind die jährlichen FAREAktionswochen (vgl. ebd. 2006: 15). Im Rahmen dieser Aktionswochen verschafft das Netzwerk FARE interessierten Fußballvereinen und Verbänden, Fanclubs und Fanprojekten, Minderheiten- und MigrantInnen-Organisationen, Schulen, Jugendzentren, Flüchtlinge und Asylsuchenden, etc. die Möglichkeit, ihre Ideen mit Aktionen gegen Rassismus und Diskriminierung umzusetzen. Ebenso hervorzuheben ist die Organisation der bereits beschriebenen Mondiali Antirazzisti in Italien.

2001 erhielt das Netzwerk FARE von der UEFA den „Charity Award“ und ist seitdem Mitglied im Charity-Portfolio sowie einer von vier langfristigen Corporate Social


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

71

Responsibility Partnern der UEFA (vgl. FairPlay 2006: 14).

Die Organisation des FARE-Netzwerks erfolgt über eine Kerngruppe von neun Partnerorganisationen aus Österreich, England, Deutschland, Italien, Polen und den Niederlanden. Das Koordinationsbüro ist an die Initiative FairPlay-vidc in Wien angegliedert.

V.V

UNTERSCHIEDE

ZWISCHEN

SOZIALER

ARBEIT

MIT

FUßBALLFANS

IM

VEREINSFUßBALL UND BEI GROSSEREIGNISSEN

Die Fanarbeit im Vereinsfußball und bei Großereignissen, wie einer Europameisterschaft im Fußball, beinhalten verschiedene Arbeitsmethoden und Aufgaben.

Beziehungsarbeit und das Schaffen einer Vertrauensbasis zu den Fans steht bei der Fanarbeit im Vereinsfußball im Vordergrund. Bei einem Großereignis schafft man zahlreiche Neukontakte zu Fans innerhalb kurzer Zeit, wobei es möglich ist Fans mit raschen Interventionen behilflich zu sein. Eine langjährige, vorausschauende Arbeit mit einer bestimmten Zielgruppe und der Beschäftigung mit spezifischen Themen ist Aufgabe von FanarbeiterInnen auf lokaler Ebene. Hier ist es möglich mit freizeitpädagogischen, partizipativen Methoden zu arbeiten und individuell auf Probleme der Jugendlichen einzugehen. Bei Großveranstaltungen sind die Aktivitäten von FanarbeiterInnen auf punktuelle Ereignisse beschränkt.

Das Grundverständnis der Gewaltprävention und der Arbeit gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit verfolgen beide Ansätze. Kurzfristig kann dies im Rahmen einer Europameisterschaft vor allem mit Kampagnen- und Öffentlichkeitsarbeit erreicht werden. Aufklärungsarbeit, Ausstellungen, Konferenzen und Diskussionen mit Fans bieten sich gleichermaßen an.

In lokaler Fanarbeit kann eher auf Kleingruppen und gruppenspezifische Problematiken eingegangen werden. Durch das vorhandene Vertrauen und die aufgebaute Beziehung zwischen SozialarbeiterInnen und Jugendlichen ist eine intensive Beschäftigung mit einzelnen Fanszenen in der lokalen Fanarbeit möglich.


SOZIALE ARBEIT MIT FUSSBALLFANS

72

Weitere Arbeitsfelder der lokalen Fanarbeit sind die Kooperation mit dem örtlichen Verein und das Begleiten der Jugendlichen in ihrem Alltag. Dies ist bei der sozialpräventiven internationalen Fanarbeit vor allem Aufgabe der mobilen Fanbotschaft. Die Kooperation mit Sicherheitsbehörden und Stadtverwaltungen trifft auf beide Ansätze zu.

Vorhandene Strukturen können sich beidseitig ergänzen. Bestehende lokale Fanprojekte sind ein wichtiger Input und große Hilfe für den Aufbau und die Durchführung der professionellen Fanarbeit bei einer Großveranstaltung. Ebenso kann die Entwicklung professioneller Fanarbeit bei einer Großveranstaltung positive, nachhaltig verwendbare Strukturen für die jeweilige Stadt bieten, in der noch keine Fanarbeit existiert.


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

VI

73

KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

Zum zweiten Mal, nach der EURO 2004 in Portugal, wird die UEFA bei der Europameisterschaft 2008 ein Fanbetreuungs- und Antirassismusprogramm finanziell unterstützen. In Portugal betraute die UEFA das Netzwerk FARE – Football Against Racism

in Europe mit der Durchführung dieser Programme. Die österreichische Initiative FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel am Wiener Institut für Entwicklungsfragen und Zusammenarbeit (vidc) ist Koordinationsstelle dieses Netzwerks und für die Durchführung der Fanbetreuung bei der EURO 2008 in Österreich verantwortlich. In der Schweiz übernimmt der Verein

FaCH – Fanarbeit Schweiz die Umsetzung des Konzepts. FairPlay-vidc und FaCH arbeiten dabei eng zusammen und organisieren seit August 2005 Koordinationstreffen im Hinblick auf die EURO 2008 (vgl. FairPlay, 2006: 5). Partner auf europäischer Ebene ist das Netzwerk FSI – Football Supporters International. Das Antirassismusprogramm wird von der UEFA finanziert und von FairPlay-vidc als zentrale Stelle von FARE koordiniert.

Kernbereich der sozialpräventiven Maßnahmen für Fußballfans bei der EURO 2008 bilden so genannte stationäre Fanbotschaften. Diese sollen in Österreich mit der Unterstützung des Bundeskanzleramts – Sektion Sport (vgl. ebd) und in Kooperation mit anderen relevanten PartnerInnen (Host Cities, BMI, etc.) aufgebaut werden. Zusätzliche Elemente der

sozialpräventiven

Fanbetreuung

sind

mobile

internationale

Fanbotschaften,

Fankonsulate, Fanguides und eine Webpage. Die Antirassismusaktivitäten sollen in all diese Bereiche einfließen. Das Konzept ist jedoch unabhängig von der Fanbetreuung.

Bevor die Elemente beschrieben werden, erfolgt eine Darstellung von FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel. und der Schweizer Partnerorganisation FaCH.

Die Initiative FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel wurde 1997 im Rahmen des EU-Jahres gegen Rassismus gegründet. FairPlay-vidc führt seitdem mit Vereinen, Fanclubs, MigrantInnenorganisationen, Schulen, etc. interkulturelle Aktivitäten im österreichischen Fußball und Sport durch. Zudem ist sie die zentrale Koordinationsstelle und Gründungsmitglied von FARE (vgl. FairPlay, 2006: 1). Bei der EM 2004 und der WM 2006 konnte die Initiative Erfahrungen in der Fan- und


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

74

Antirassismusarbeit bei Großveranstaltungen sammeln.

FaCH – Fanarbeit Schweiz wurde 2005 gegründet und ist seitdem Mitglied der FSI. Fußballfanarbeit existiert in der Schweiz zurzeit in den Städten Basel, Bern und Luzern (vgl. www.fanarbeit.ch). Ziel ist es, die sozialpädagogische Fanarbeit in der Schweiz weiter zu etablieren und professionelle FanarbeiterInnen auszubilden. Dies wurde zuletzt für die Schweizer Fußballliga durchgeführt (vgl. FSI, 2005: 11f). Die Organisation der Fanarbeit für die EURO 2008 ist nun eine zentrale Aufgabe.

ELEMENTE DER FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

VI.I

Stationäre Fanbotschaften Beschreibung Stationäre

Fanbotschaften

sind

zentrale

Treffpunkte,

Servicestellen

und

Informationsdrehscheiben für Fans. In diesen Anlaufstellen gibt es keine Fan-Trennung einzelner Länder. In jeder Host City der EURO 2008 soll es eine Fanbotschaft geben, die an einem zentralen, innerstädtischen Platz aufgebaut wird. Der Erfahrung entsprechend halten

sich

Fans

in

diesem

Bereich

auf,

es

ist

„Teil

ihres

fankulturellen

Selbstverständnisses“ (FairPlay, 2006: 2). Versuche, Fans gegen deren Willen auf andere Plätze zu leiten, schlagen fehl und fördern eine feindselige, gereizte Stimmung (vgl. ebd.). Diese Annahme trägt auch zum gewaltpräventiven Grundverständnis der Fanbotschaften bei. Das Angebot einer Fanbotschaft 17 kann Unsicherheiten und Ausschließungsgefühle von Fans und BesucherInnen reduzieren und zu einer Reduktion der Gewaltbereitschaft unter diesen beitragen (vgl. Miles, 2004. 23).

Die internationale Ausrichtung der Fanbotschaft ist Aushängeschild einer weltoffenen, gastfreundlichen Fanbetreuung, welche durch das Fanbotschaftsteam unterstrichen werden soll. Das Fanbotschaftsteam soll eng mit der Fanszene und den migrantischen

17

Falls nicht anders beschrieben ist unter dem Begriff „Fanbotschaft“ die „stationäre Fanbotschaft“ gemeint.


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

75

Communities der jeweiligen Ausrichterstadt zusammen arbeiten und durch internationale FanbotschafterInnen unterstützt werden.

Die

stationäre

Fanbotschaft

besteht

aus

einem

Containerbüro,

in

welchem

Projektmanagement und Medienarbeit betrieben werden. Ebenso soll es Platz für Meetings und Kriseninterventionen bieten. Weiters gibt es einen öffentlich zugänglichen Bereich. Dieser bietet Platz zur Informationsbeschaffung, „für Einzelaktivitäten, Diskussionsrunden, Aktionen zu aktuellen

Anlässen, Projekte internationaler KollegInnen und andere AkteurInnen [sic!]“ (FairPlay, 2006. 7). Die Gestaltung einzelner Elemente der Fanbotschaft kann durch jugendliche Partizipationsprojekte erfolgen (z.B. Graffiti-Wände), das grundlegende Branding sollte in jeder Stadt gleich sein (z.B. Aufschriftstil der Fanbotschaft). Die lokale Fanszene oder Jugendzentren können Infotische zu ihrer Darstellung nutzen und Raum für Ausstellungen ist vorgesehen. Genügend Sitzgelegenheiten sollen unter anderem ein Entspannungsfeld für Fans darstellen. Mit freizeitpädagogischen Angeboten (Tischfußball, Streetkick, Brettspiele) kann das Umfeld der stationären Fanbotschaft zu einer Art „Fandorf“ werden. Die FARE Streetkick-Anlage bietet Fans verschiedener Nationalitäten die Möglichkeit, gemeinsam sinnvoll die Freizeit zu gestalten und einander kennen zu lernen. Sie ist auch Teil des Antirassismusprogramms während der EURO 2008.

Beispielbild des Aufbaus einer stationären Fanbotschaft (e-mail Thaler, 16.05.2007):


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

76


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

77

Entwicklung Das Fanbotschaftskonzept hat sich seit der WM 1990 in Italien sukzessive weiterentwickelt. Hauptverantwortlich

dafür

war

die

Arbeit

der

englischen

FSA

Football

Supporters´Association und der deutschen Fan-Projekte. In England stützte man sich auf eine mitgliedergebundene Organisation, die von Fußballfans aufgebaut wurde und unabhängig von Verbänden und der Regierung war. Man verstand sich als Anlaufstelle und übernahm die Lobbyfunktion von Fans für Fans (vgl. Miles, 2005: 23). Die deutschen Fanbotschaften wurden von professionellen SozialarbeiterInnen betrieben, die auch auf Vereinsebene in Fan-Projekten tätig waren und mit so genannten Problemfangruppen arbeiteten (vgl. ebd.). Obwohl, im Gegensatz zu Deutschland, in England keine spezifische Sozialarbeit angeboten wurde, hatten die zwei verschiedenen Ansätze sehr ähnliche Arbeitspraktiken und setzten sich als Vorreiter der internationalen Fanarbeit durch.

Der wesentliche Grundstein zur Etablierung der Fanbotschaften bei Großereignissen wurde bei der EURO 1996 in England gelegt. In jeder Ausrichterstadt wurden Fanbotschaften, mit

„geringer Unterstützung der Regierung“ (Miles, 2005: 23), angeboten. Bei den folgenden Europameisterschaften wurde dieses Konzept weiterentwickelt und durch das Angebot mobiler Fanbotschaften ergänzt bzw. ersetzt.

Leistungen (Methodik)

„The essential features of a fans´ embassy service are the provision of accurate, reliable, up-to-date and objective information on any matters of interest to football fans” (Miles: 23) Die stationäre Fanbotschaft hat folgende Aufgaben:

-

allgemeine Informationsdrehscheibe:

Generelle Informationen werden in der Fanbotschaft weitergegeben. Diese sollen aber nicht nur übliche touristische Auskünfte abdecken, sondern speziell auf die Fankulturen abgestimmt sein. Das beinhaltet unter anderem Informationen über billige und spontane


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

Unterkunftsmöglichkeiten,

Öffnungszeiten

78

von

Geschäften,

Ämtern,

Gastronomie,

öffentliche Transportverbindungen, günstige Essensmöglichkeiten, Tickets, Turnierablauf der Veranstaltung, lokale und internationale Fankultur, lokale Fan-Shops, lokale Fußballvereine, kulturelle Events, Szenelokale, Treffpunkte der Jugendszenen, wichtige Telefonnummern, usw. Die Aufbereitung von fanspezifischen Materialien (eigenen Fanguides, Stadtplänen, SideEventlisten, Visitenkarten, Fanzines) ist weiterer Bestandteil der Fanbotschaft als Informationsdrehscheibe.

-

sozialarbeiterische Interventionen:

Beratung, Einzelfallhilfe und Krisenintervention sollen vorhandene Kompetenzen der FanbotschaftsmitarbeiterInnen sein. Diese werden bestmöglich in den verschiedenen Sprachen der Teilnehmermannschaften angeboten. Konkrete

Aufgaben-

und

Themengebiete

können

Drogengebrauch,

Jugendschutzbestimmungen, Prostitution, sexistische Belästigungen, Gewalterfahrungen, Sicherheitsbestimmungen, rechtliche Grundlagen, allgemein gesetzliche Bestimmungen, Verbrechensopfer, akute Erkrankungen und dergleichen sein. Erste Hilfe muss von jedem/r MitarbeiterIn ausgeführt werden können. Auch der Austausch mit interkulturellen Communities fällt unter den Schwerpunkt der sozialarbeiterischen Interventionen.

-

Vernetzungsarbeit:

Die Fanbotschaft muss bereits im Vorfeld des Turniers mit den für sie wichtigsten Institutionen vernetzt sein. Konkret sind dies die internationalen FanexpertInnen, mobile Fanbotschaften, die nationalen Fanbotschaften, Fans, Behörden, Jugendeinrichtungen, NGOs,

relevante

soziale

Institutionen

(Asylheime,

Notschlafstellen,

Kriseninterventionszentren, Jugendzentren, etc.), Presse, Medien, Sicherheitsorgane, Polizei, Stadtverwaltungen, EURO-KoordinatorInnen, AnrainerInnen, etc.

-

Medien- und Öffentlichkeitsarbeit:

Die Fanbotschaftsleitung und MitarbeiterInnen sind für Presseaussendungen, Medienarbeit, Interviews, Stellungnahmen und für die allgemeine Darstellung von Fans in der Öffentlichkeit

zuständig.

Ebenso

soll

Kontakt

mit

Wirtschaftstreibenden und Geschäftsleuten hergestellt werden.

AnrainerInnen,

lokalen


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

-

Durchführung

von

Schulungen

für

79

MitarbeiterInnen

und

Sicherung

der

Nachhaltigkeit: Schulungen für die eigenen MitarbeiterInnen werden von der Fanbotschaftsleitung durchgeführt. Auch Volunteers werden in die Praxisarbeit eingeschult. Die aufgebauten Strukturen der Fanbotschaft bzw. Fanarbeit gilt es auch nach der EURO 2008 zu nutzen. Ein realistisches Fanbild soll in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und Jugendliche, migrantische Communities, sowie Mädchen und Frauen für die Fußballkultur sensibilisiert werden.

Ausstattung

Personelle

Ausstattung:

In

der

stationären

Fanbotschaft

gibt

es

eine/n

FanbotschaftsleiterIn und dessen/deren StellvertreterIn. Diese beginnen bereits im Vorfeld der EURO mit der Organisation und dem Aufbau der Fanbotschaft. Während des Turniers werden sie von ca. fünf weiteren fixen MitarbeiterInnen unterstützt und können auf einen Pool von 10-15 Volunteers zurückgreifen. Wie in allen Bereichen der Fanbetreuung wird auch bei der personellen Besetzung der Fanbotschaften das Ziel des „Gender Justice“, Gleichberechtigung beider Geschlechter, verfolgt. VertreterInnen der internationalen, mobilen Fanbotschaften werden flexibel in den stationären Fanbotschaften eingesetzt.

Materielle Ausstattung: Die stationäre Fanbotschaft wird zum Teil durch die UEFA ausgestattet. Stadt und Bund können für weitere infrastrukturelle Unterstützung aufkommen. Wichtige Ausrüstungsgegenstände für eine stationäre Fanbotschaft sind: Telefone, Computer, TV, Fax, Internet, Drucker, Handys, Musikanlage, Kühlschrank, Kochgelegenheit, fließend Wasser, WC, PKW, Fahrrad, Fahrscheine für öffentlichen Verkehrsmittel, freizeitpädagogische Ausrüstung (Tischfußball, Outdoorspiele, Brettspiele), Sitzgelegenheiten,

Erste

Hilfe-Ausrüstung,

Übernachtungsmöglichkeiten,

Müllentsorgung (vgl. e-mail Fanizadeh, 01.06.2007).

Strom,


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

80

Ziele Das Angebot der stationären Fanbotschaften soll internationale und österreichische Fans und BesucherInnen ansprechen. Es verfolgt folgende Zielvorstellungen (vgl. Koordination Bundesregierung, 2007: 27), welche auch für das Gesamtkonzept der Fanbetreuung angewendet werden können: -

Sozialpräventive Intervention zur Vermeidung von Gewalt und Diskriminierung von und durch Fans und BesucherInnen

-

Förderung der selbstregulierenden Elemente von Fans zur Vermeidung von Gewalt und Diskriminierung

-

Informationsaustausch von Fans für Fans

-

Kooperation mit den internationalen Fanbetreuungsteams

-

Schaffung einer nachhaltig positiven Stimmung unter den Fans und BesucherInnen in Bezug auf das Gastland

-

Nachhaltiger Nutzen für die Fanarbeit in Österreich

Der Soziologe Pilz hält fest, dass das Angebot der stationären Fanbotschaft eine niederschwellige Arbeit ist und das Augenmerk vermehrt auf eine „Geh-Struktur“ anstatt auf eine „Komm-Struktur“ zu setzen sei. FanbotschaftsmitarbeiterInnen müssen auf „Fans

zugehen und sie auf ihr Angebot aufmerksam machen“ (Behn et al., 2006).

Mobile, internationale Fanbotschaften Mobile, internationale Fanbotschaften sind ein zweiter essentieller und wichtiger Bestandteil des Fanbotschaftskonzepts. Der Ansatz von Streetwork steht hierbei im Vordergrund. Mobile, internationale Fanbotschaften sind keine Fixpunkte, sondern folgen den Fans an ihre Aufenthaltsorte (Innenstadt, Campingplatz, Bahnhof,etc.). Organisiert und betrieben werden die mobilen Fanbotschaften von den internationalen Fanbetreuungsteams

der

Football

Supporters

International

(FSI).

Diese

bringen

erfahrungsgemäß ein großes Know-How der lokalen Fanarbeit und langjährige Erfahrung bei Fußballgroßereignissen mit sich. Eine ständige Begleitung der Fans des eigenen Nationalteams ermöglicht den Beziehungsaufbau zu diesen. Durch den unmittelbaren, häufigen Kontakt und der Vertrauensbasis zu den Fans kann einerseits individuell auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der Fangruppen eingegangen,


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

81

andererseits können Probleme schon im Vorhinein gelöst werden. Internationale FanarbeiterInnen sollen in Krisensituationen professionell auf Bedürfnisse der Fans eingehen können und mit offenen Dialogen problemlösungsorientierte Ansätze finden. Dies kann wesentlich zu einem fanfreundlichen und gewaltfreien Turnierablauf beitragen (vgl. FARE, 2006b).

Analog zu den stationären Fanbotschaften gilt auch dieses Element der Fanbetreuung als Informationsdrehscheibe, Treffpunkt und Servicestelle für Fans. Mit der stationären Fanbotschaft wird kooperiert und vereinzelt auch mitgearbeitet. Die mobilen, internationalen Fanbotschaften müssen über einen „großen Transportbereich

und genügend Sitzplätze verfügen“ (Behn et al. 2006) und klar als jeweilige nationale Fanbotschaft gekennzeichnet sein. Geeignete Stellplätze (Bahnhof, in Stadionnähe, Innenstadt) müssen zu Verfügung gestellt werden, um den Betrieb der mobilen, internationalen Fanbotschaften in der jeweiligen Ausrichterstadt zu gewährleisten.

Fankonsulate Fankonsulate sind kleine Außenstellen der stationären Fanbotschaften, mit denen sie eng zusammenarbeiten. Fankonsulate sollen von zwei bis drei FanbetreuerInnen besetzt und je nach Nachfrage aufgebaut werden. Nach Möglichkeit bieten Fankonsulate dieselben Dienste wie die stationäre Fanbotschaft an oder vermitteln Fans an diese weiter. Fankonsulate versuchen Fans und BesucherInnen neben den Angeboten der stationären und mobilen Fanbotschaften zu erreichen. Positioniert werden sie an „neuraligischen

Stellen“ (FairPlay, 2006) der jeweiligen Ausrichterstadt. Damit werden Bahnhöfe, Flughäfen, Fußgängerzonen oder die Stadionumgebung durch Fanbetreuungsmaßnahmen abgedeckt. Fankonsulate stellen somit ein erstes Auffangnetz und Orientierungshilfe für (ankommende) Fans dar.

Das Element der Fankonsulate gilt nicht als zusätzliche Tourismusinformation. Es dient als Auskunftspunkt für fanspezifische Anliegen. Eine Konkurrenzsituation zu anderen Willkommens- und Infoständen (Bahnhof, Flughafen) soll nicht entstehen und eine Informationsüberflutung verhindert werden.


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

82

Fanguide und Webpage In dem offiziellen Fanguide der UEFA wird auf die Fanbetreuungsmaßnahmen bei der EURO 2008 hingewiesen. Neben diesem erscheint ein einheitlicher, fanspezifischer Fanguide, der von FairPlay-vidc und FaCH produziert und in allen Fanbotschaften und Fankonsulaten verteilt wird. Jedes Teilnehmerland wird schon im Vorfeld mit einer gewissen Stückzahl ausgestattet und soll diese unter einheimischen Fans verteilen.

Der Inhalt des Fanguides hat die Vielfalt der europäischen Fankultur zum Thema und enthält zusätzlich allgemeine Hinweise und Informationen über die Austragungsländer, Unterkunft, Verpflegung, etc. Der Fanguide soll auch auf landesspezifische Besonderheiten (gesetzliche Handhabung von Alkohol-

und

Drogenkonsum,

rechtliche

Konsequenzen,

Polizeiverhalten,

Jugendschutzbestimmungen) eingehen. Zudem gilt es Anlaufstellen für Krisensituationen und nützliche soziale Einrichtungen anzugeben (Kriseninterventionsstellen, Botschaften, Jugendzentren,

Streetwork).

Lokale

Fanszenen,

Jugendgruppen und

migrantische

Communites werden in die Gestaltung des Fanguides miteinbezogen bzw. erhalten ihren eigenen Platz darin. Somit entsteht ein einheitlicher Fanguide, jedoch mit spezifischer Ausrichtung auf die jeweilige Austragungsstadt. Von dieser sollen ein fanspezifisch gestalteter Stadtplan und wichtige Grundinformationen enthalten sein.

Generell wird der Fanguide in Deutsch, Englisch, Französisch und Italienisch gedruckt. Zusätzlich soll der Fanguide in den Sprachen der in der jeweiligen Stadt spielenden Mannschaften erscheinen.

Die Gestaltung einer Fan-Internetseite stellt für Fans ein wichtiges Medium zur Informationsbeschaffung dar (vgl. Behn et al. 2006). Diese wird erfahrungsgemäß vor, während und nach der Europameisterschaft häufig genutzt. NutzerInnen sollen sich auf dieser Website über alle wichtigen Fragen (Anreise, Unterkunft, Verpflegung, Ticketing, gesetzliche Regelungen, etc.) informieren können. Die Website soll in verschiedenen Sprachen gehalten und regelmäßig aktualisiert werden. Wichtig ist eine Verlinkung von der offiziellen EM-Seite zur Fan-Website.


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

ANTIDISKRIMINIERUNGS-

VI.II

UND

83

ANTIRASSISMUSPROGRAMM

BEI DER

EURO

2008

Der

Antidiskriminierungs-

und

Antirassismusgedanke

soll

Grundverständnis

und

Ausrichtung aller bisher vorgestellten Fanbetreuungsmaßnahmen sein. Sowohl die Fanbotschaften als auch Fanguide und Webpage werden dementsprechende Elemente enthalten. Zudem

unterstützt

die

UEFA

das

vom

Netzwerk

FARE

vorgeschlagene

Antirassismusprogramm. Die Fußballverbände von Österreich (ÖFB) und der Schweiz (SFV) befürworten das Engagement sowohl in der Fanbetreuung als auch in der Vermeidung von Gewalt

und

Diskriminierung

(vgl.

FARE,

2006b).

Somit

ist

Antirassismus

und

Antidiskriminierung ein zentrales Element der EURO 2008.

Bei der EURO 2004 hielt FARE eine Eröffnungskonferenz, die das Thema Antirassismus und Antidiskriminierung aufgriff. Man gestaltete eine Beilage für die tägliche erscheinende, portugiesische Sportzeitung „O-Jogo“ und eigene Antirassismuss-Fanzines, die im Verlauf des Turniers verteilt und aufgelegt wurden. Ein weiterer Bestandteil der Arbeit von FARE in Portugal war die Bereitstellung einer Streetkick-Anlage, die in den Städten Porto, Guimaraes und Lisbon zum Einsatz kam (vgl. FARE-FSI: 2004). Ziel der Streetkick-Anlage ist es, Fans aus verschiedenen Nationen, einheimische Jugendliche, MigrantInnen und Randgruppen der Gesellschaft zu gemeinsamen Aktivitäten zu führen. Das Konzept dahinter sieht vor, durch den Kontakt eine Basis für gegenseitigen Respekt zu schaffen. Dadurch wird die Akzeptanz des/der „Anderen“ gesteigert und rassistischen Tendenzen entgegengewirkt.

Sowohl in Portugal als auch in Deutschland führte FARE ein Monitoring durch und sammelte Berichte zu rassistischen und rechtsextremen Vorfällen bei den Großereignissen. FARE Informationsstände wurden bei beiden Großereignissen angeboten. In Deutschland wurden zudem 23 FARE Ausstellungstafeln mit antirassistischen Inhalten produziert und aufgestellt.

Eine Neuheit im Konzept für die WM 2006 waren Schulungen über Rassismus für Volunteers (vgl. FARE: 2006b). Im Rahmen der Öffentlichkeits- und Medienarbeit gab es


KONZEPTVORSTELLUNG FANBETREUUNG BEI DER EURO 2008

84

zur Eröffnung des Turniers eine große Medienkonferenz. Die Idee des Streetkicks fand in Deutschland seine Fortsetzung und machte in allen Ausrichterstädten Station.

Für die EURO 2008 sind ähnliche Aktivitäten geplant. Bereits im Vorfeld wird es einige Maßnahmen

geben.

Medienprogramm

Mit

will

einer man

breit die

angelegten Sensibilisierung

Öffentlichkeitsarbeit der

und

Sportöffentlichkeit

einem und

Sportjournalisten im Rassismus-, Diskriminierungs- und Gewaltbereich bewirken. Eine

„Öffnung der sportbezogenen Medienberichterstattung für soziale Anliegen“ (FairPlay, 2006: 9) ist ein Ziel. Einen bereits traditionellen Höhepunkt werden die FAREAktionswochen bilden, die im Hinblick auf die EURO mit einer Stadienaktion bei einem österreichischen Länderspiel ergänzt werden. Interkulturelles Training von SchiedsrichterInnen und TrainerInnen soll zu deren Sensibilisierung bezüglich Rassismus und Diskriminierung beitragen und die interkulturelle Kompetenz bei Vereinen und Verbänden fördern. Das Konzept sieht auch Workshops für Nachwuchsmannschaften und außerschulische Jugendeinrichtungen vor. Primäres Ziel ist das Empowerment von Diskriminierung betroffenen Jugendlichen und MigrantInnen.

Die Vorbereitungsmaßnahmen für das Antirassismus- und Antidiskriminierungsprogramm der EURO 2008 werden mit Podiumsdiskussionen und einer internationalen Tagung zum Thema Gender-Sensibilisierung abgerundet. Die generellen Ziele des Programms gelten den selbstregulierenden Elementen von Fans und BesucherInnen zur Vermeidung von Diskriminierung und Gewalt sowie der sozialen Integration benachteiligter Bevölkerungsgruppen. Im Vergleich zu den bisherigen Großveranstaltungen ist eine stärkere und frühzeitige Einbindung von MigrantInnen sinnvoll. Die Integration dieser gilt es mehr zu fördern. Lokale Organisationen können stärker in die Arbeit einbezogen werden (vgl. Behn et al. 2006). Die Nachhaltigkeit des Antirassismus- und Antidiskriminierungsprogramms soll gesichert werden. Die Messung dieser fällt allerdings schwer, entsprechende Evaluierungsprojekte sollen demnach ausgearbeitet werden.


KLAGENFURT ALS AUSTRAGUNGSSTADT DER EURO 2008

VII

85

KLAGENFURT ALS AUSTRAGUNGSSTADT DER EURO 2008

VII.I

ALLGEMEIN

Klagenfurt ist die Landeshauptstadt Kärntens, des südlichsten Bundeslands Österreichs. Mit 92.000 Einwohnern ist sie die kleinste aller Austragungsstädte bei der EURO 2008 in Österreich und der Schweiz. Aufgrund bestehender Infrastruktur und Größe wären die Städte

Graz

und

Linz

chancenreichere

Kandidaten

für

eine

Bewerbung

als

Austragungsstadt der EURO2008 gewesen, doch diese verzichteten darauf. Klagenfurt und Kärnten, als Tourismusregion Österreichs erhielten den Zuschlag. Je nach Auslosung, welche am 2. Dezember 2007 stattfindet, rechnet die Stadt Klagenfurt mit bis zu 100.000 BesucherInnen pro Spieltag.

Die drei Spieltermine für das größte Sportereignis, das bisher in Klagenfurt stattfand, sind der 8., 12. und 16. Juni 2008. Drei Teams spielen je zwei Spiele in Klagenfurt, dies bedeutet die „Chance für einen längeren Aufenthalt der Fans“ (Palme auf www.wko.at, 09.06.2007). Der Aufenthalt der Fans und der Umgang mit diesen ist auch Thema, welches das Organisationskomitee um seinen Vorsitzenden Arnulf Rainer beschäftigt. Klagenfurt kann aufgrund

der

Organisation

des

Ironman

Austria

oder

der

Beach

Volleyball

Weltmeisterschaft bereits auf Erfahrungen mit sportlichen Großereignissen zurückgreifen. Eine Europameisterschaft im Fußball ist jedoch eine andere Dimension. Das Organisationskomitee der EM von Klagenfurt hat Bereitschaft signalisiert, das Fanbetreuungskonzept von FairPlay-vidc umzusetzen.18 Der offizielle Bereich des Public Viewing soll laut Rainer das Messegelände im Zentrum von Klagenfurt sein, von wo aus man eine Fanmeile Richtung Stadion sowie in die Innenstadt errichten will.

18

Im Rahmen der FairPlay Host City Tour in Klagenfurt vom 22. bis 23. März 2007


KLAGENFURT ALS AUSTRAGUNGSSTADT DER EURO 2008

86

Das Stadion in Klagenfurt In Klagenfurt wird im Zuge der EM ein neues Stadion errichtet. Bis zum Spatenstich am 11. Jänner 2006 gab es über diesen Neubau zahlreiche Diskussionen. Letztendlich wurde die Stadt Klagenfurt als Stadion-Bauherr und Errichter fixiert. Ein Mehrzweckstadion mit einer Kapazität von 32.000 Sitzplätzen während der EURO 2008 ist im Entstehen. Nach der EM soll das Stadion auf 12.000 Plätze rückgebaut werden, eine endgültige Entscheidung darüber

ist

noch

nicht

gefallen.

Neben

dem

Stadion

entstehen

ein

Ballsportkompetenzzentrum und eine Fußballakademie. Die Kosten dafür belaufen sich insgesamt auf 66,5 Millionen Euro, welche zu zwei Drittel vom Land und zu einem Drittel vom Bund finanziert werden (vgl. www.woertherseestadion.at, 10.06.2007).

Im Unterschied zu anderen europäischen Stadien, wurde bei der Konzeption in Klagenfurt auf zusätzlich nutzbare Einrichtungen verzichtet. Angeboten hierfür hätten sich zum Beispiel ein Einkaufszentrum, Wohnungen, Platz für Schulen oder Kindergärten, Jugendzentren oder auch Seniorenheime (existiert z.B. im St. Jakob-Park in Basel).

Das Stadion wird am 7. September 2007 mit dem Länderspiel Österreich gegen Japan eröffnet. Danach wird es vom lokalen Verein in Klagenfurt, dem neu gegründeten SK Austria Kärnten, bespielt.

Lokale Vereine und Fanszene Bei

der

letzten

Generalversammlung

des

oberösterreichischen

Bundesligavereins

Superfund Pasching wurde, mit einer Mehrheit von 66 zu 4 Stimmen, der Lizenzverkauf und der damit verbundene Standortwechsel nach Kärnten beschlossen. In Klagenfurt wurde daraufhin der Verein SK Austria Kärnten gegründet, der mit der Lizenzerwerbung aus Pasching, in der höchsten österreichischen Fußballliga spielberechtigt ist. Neben dem SK Austria Kärnten bleibt auch der in der zweithöchsten Liga spielende FC Kärnten bestehen. Zwischen diesen beiden Vereinen wurde eine Kooperation vereinbart.

Kärnten ist somit wieder in der österreichischen Bundesliga vertreten und hat zwei Vereine, die das neue Stadion in Klagenfurt bespielen können.


KLAGENFURT ALS AUSTRAGUNGSSTADT DER EURO 2008

87

Der unkonventionelle und umstrittene Weg dieser Rückkehr in die Bundesliga, ist ein bisher einmaliger in Europa (vgl. www.sportbild.de, 11.06.2007). Reaktionen der Kärntner Fans sind gemischt, zumal der Aufstieg nicht sportlich geschafft wurde und die Identifikation mit dem neuen Verein erst wachsen kann.

Der Name SK Austria Kärnten wurde in Anlehnung an den ehemaligen Klagenfurter Traditionsverein Austria Klagenfurt gewählt. Aus diesem wurde im Juni 1999 der FC Kärnten, der von den Fanclubs „Amigos“ und „Optimisten“ offiziell unterstützt wird. Ob der SK Austria Kärnten die Unterstützung dieser Fanclubs erhält, ist fraglich. Ebenso bleibt abzuwarten, wie die Fans des ehemaligen Traditionsvereins Austria Klagenfurt auf die Neugründung reagieren und welchen Zuspruch der neue Verein von der Bevölkerung bekommt.

Im Hinblick auf die EURO 2008 und den Austragungsort Klagenfurt ist die Entwicklung der Fanszene beider Vereine zu beachten. Der 1995 gegründete Fanclub „Amigos“ wurde bereits mit dem Fanbetruungskonzept der EM vertraut gemacht und zeigt sich an einer Mitwirkung interessiert. Die weitere Einbindung der lokalen Fußballfanszene ist auch von der Entwicklung des SK Austria Kärnten abhängig und bleibt abzuwarten.

Ein Potenzial für die Fanarbeit in Klagenfurt stellt außerdem die Fanszene des Eishockeyvereins KAC (Klagenfurter AC) dar. Die drei organisierten Fanclubs des österreichischen Rekordmeisters im Eishockey, zählen zusammen über 300 MitgliederInnen. Inwiefern diese am Fußball interessiert bzw. in der Fußballszene involviert sind, gilt es zu evaluieren. In der Schweiz wird professionelle Fanarbeit sowohl im Fußball als auch im Eishockey praktiziert.

Eine nachhaltige Nutzung der Fanarbeit während der EURO 2008 wäre in Klagenfurt demnach nicht nur für die Fußballvereine SK Austria Kärnten und FC Kärnten, sondern auch für das große Fanpotential des Klagenfurter Eishockeyvereins KAC denkbar.


KLAGENFURT ALS AUSTRAGUNGSSTADT DER EURO 2008

88

Soziale Institutionen Im Vorfeld der Europameisterschaft soll im Bezug auf die Mitgestaltung der Grundsäulen der Fanarbeit an soziale Einrichtungen herangetreten werden. Der FC Kärnten hat im Rahmen von Studienprojekten an der Fachhochschule für Soziale Arbeit in Feldkirchen bereits mit sozialen Einrichtungen zusammen gearbeitet.

Aufgrund der Fanbetreuung bei der Europameisterschaft bieten sich für Jugendzentren, Streetwork oder migrantische Communities zahlreiche Tätigkeitsfelder an. Zu diesen zählen die Mitgestaltung und Mitarbeit in Fanbotschaften, die Nutzung von diesen für die eigene Vorstellung der Einrichtung, das Organisieren von Ausstellungen, das Bespielen der Streetkick-Anlagen, die Mitgestaltung des Fanguides, das Angebot zur Anlaufstelle für junge Fans oder auch das Durchführen aufsuchender Jugendarbeit mit Fußballfans.

Das Mitwirken sozialer Einrichtungen bietet einerseits die Chance, Jugendliche direkter an der EM in der eigenen Stadt zu partizipieren, andererseits werden Kontakte mit der lokalen Fanszene und lokalen Vereinen geknüpft, welche man nachhaltig nutzen kann. Auch das interkulturelle Zusammentreffen der Jugendlichen ist hier von Bedeutung.

Speziell in Kärnten ist, durch die Nähe zu Italien und Slowenien, auch an die Einbindung von Institutionen dieser Nachbarländer zu denken. Bestehende Einrichtungen und Vereine anderer Länder sollen die Möglichkeit der Einbindung in das Fanarbeits- und Antirassismusprogramm erhalten. Der Aspekt der Mehrsprachigkeit ist für MitarbeiterInnen der Fanbotschaften oder auch für die Gestaltung der Fanguides eine wichtige Voraussetzung. Dies trägt dem zentralen Grundverständnis und der internationalen Ausrichtung des Fanarbeitskonzepts Rechnung und unterstreicht eine weltoffene und gastfreundliche Europameisterschaft.


KLAGENFURT ALS AUSTRAGUNGSSTADT DER EURO 2008

89

VII.II DIE ANWENDUNG DES FANBETREUUNGSKONZEPTS DER EURO 2008

Das Konzept der Fan- und Antirassismusarbeit bei der EURO 2008 soll, wie in jeder Austragungsstadt,

auch

in

Klagenfurt

umgesetzt

werden.

Um

auf

die

lokalen

Gegebenheiten einzugehen, wird im Folgenden versucht, jede Säule dieses Konzepts auf Klagenfurt anzuwenden.

Wichtig wird es in Klagenfurt sein, den Fans ein ansprechendes Rahmenprogramm und auch an spielfreien Tagen Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten. Im Vorfeld muss man genügend kostengünstige Übernachtungsmöglichkeiten für Fans und BesucherInnen schaffen, die bei der Ankunft noch nicht über eine Unterkunft verfügen. Die Nutzung eines öffentlichen Turnsaals oder das Aufstellen von Betten in einer Messehalle haben sich bei anderen Großereignissen bereits bewährt. Auch Klagenfurt kann solch kostengünstige Übernachtungsmöglichkeiten anbieten und somit dem Ärger und dem Aggressionspotential von vielen Fans präventiv entgegenwirken.

„Ein weiteres Ziel ist es, alle beteiligten (Behörden, Kommunen, Volunteers, TourismusAngestellte, Verkehrsunternehmen, etc.) mit den europäischen Fankulturen vertraut zu machen und damit Berührungsängste abzubauen“ (FairPlay, 7/2006: 5).

Stationäre Fanbotschaft Ein entscheidender Faktor für die Nutzung und Akzeptanz der stationären Fanbotschaft in Klagenfurt wird die Wahl ihres Standortes sein. Wie bereits im Konzept vorgestellt, ist ein zentraler innerstädtischer Platz ideal. Die Fanbotschaft muss dort aufgebaut werden, wo sich Fans aufhalten, das Public Viewing und Fan-Feste stattfinden (vgl. Behn et al. 2006). In Klagenfurt ist ein Platz um das Messegelände oder auch in der Innenstadt (Neuer Platz, Domplatz, Pfarrplatz) empfehlenswert. Die Fanbotschaft soll auffällig gestaltet sein und Hinweisschilder zu dieser sollen angebracht werden. Wie bereits erwähnt, wird eine mehrsprachige Übersetzung der Fanbetreuungsmaßnahmen notwendig sein. Diese hängt stark von den teilnehmenden Nationen ab, wird aber bestenfalls durch MitarbeiterInnen oder zusätzliche Volunteers in der jeweiligen Sprache abgedeckt.


KLAGENFURT ALS AUSTRAGUNGSSTADT DER EURO 2008

90

Die stationäre Fanbotschaft betreibt des Weiteren eine telefonische 24 Stunden Hotline, an die sich Fans mit akuten Problemfällen wenden können. Die Rekrutierung der Volunteers kann in Kooperation mit der Stadt Klagenfurt geschehen. Die MitarbeiterInnen der Fanbotschaft sollen ausreichend eingekleidet werden, um ein einheitliches Auftreten zu gewährleisten.

Die FanbotschaftsleiterInnen brauchen genügen Vorlaufzeit, um Vorbereitungen wie Fankontakte,

Kontakte

zu

relevanten

Institutionen,

Schulungen,

Teamfindung,

Arbeitsplanung, etc. durchzuführen. Auch Begegnungen und Projekte mit der lokalen Fanszene und Initiativen sollen organisiert werden. Dies stärkt eine Verankerung der EM in Klagenfurt (vgl. Behn et al. 2006).

Mobile, internationale Fanbotschaften Je nachdem welche Nationalmannschaften die Stadt Klagenfurt während der EURO 2008 zugelost

bekommt,

werden

die

Fans

dieser

von

den

mobilen,

internationalen

Fanbotschaften der FSI betreut. Eine Zusammenarbeit der FSI mit den stationären Fanbotschaften und Streetwork Klagenfurt ist sinnvoll. Die mobilen, internationalen FanbotschaftsmitarbeiterInnen folgen ihren Fans an die jeweiligen Aufenthaltsorte. Lokale StreetworkerInnen kennen die Treffpunkte der Jugendlichen und sind mit deren Umgang vertraut. Dieses Wissen ist hilfreich für die MitarbeiterInnen der mobilen, internationalen Fanbotschaften und fördert ein Zusammentreffen der Jugendlichen aus verschiedenen Nationen. Die vorhandene Vertrauensbasis der internationalen StreetworkerInnen zu ihren Fans ist bedeutend, vor allem in Krisensituationen der Fans und für eventuelle Deeskalationen.

Mobile, internationale Fanbotschaften brauchen geeignete Stellplätze, um mit den Fans zu arbeiten. Für frühzeitige Informationen der ankommenden Fans ist ein Stellplatz am Bahnhof vorgesehen, weiters sollen in der Innenstadt ein Platz für die mobile Fanbotschaft und die notwendigen Akkreditierungen für die Spiele vorhanden sein.

In Klagenfurt werden, vor allem bei schönem Wetter, viele Fans ihre Freizeit in der Nähe oder am Wörthersee verbringen. Für die mobilen Fanbotschaften muss die Möglichkeit bestehen, sich zum Beispiel im Europapark, zu positionieren und dort als Anlaufstelle zu


KLAGENFURT ALS AUSTRAGUNGSSTADT DER EURO 2008

91

gelten. Ergänzt kann sie durch AußenmitarbeiterInnen der stationären Fanbotschaft werden. Weiters sollen die mobilen Fanbotschaften Zugang zu den Campingplätzen rund um Klagenfurt haben, da viele internationale, jugendliche Fans diese relativ günstigen Übernachtungsmöglichkeiten nutzen werden.

Fankonsulate Die Außenstellen der stationären Fanbotschaft sollen, auf Nachfrage, an den zentralen Ankunftspunkten Fanbotschaft

von

geben

Fans in

aufgebaut

den

werden.

Konsulaten

erste

MitarbeiterInnen fanspezifische

der

stationären

Auskünfte

und

Informationsmaterial weiter. Fankonsulate können in Klagenfurt am Bahnhof, am Flughafen, in den Fußgängerzonen der Innenstadt und auch in Stadionnähe positioniert werden.

Fanguide und Webpage Der Fanguide beinhaltet wie schon beschrieben einen Schwerpunkt auf die jeweilige Austragungsstadt. Neben einem Stadtplan sollen in Klagenfurt lokale Informationen über die

Fanszene,

die

Vereine,

Veranstaltungs-,

Verpflegungs-,

und

Übernachtungsmöglichkeiten weitergegeben werden. Dafür ist die Mitgestaltung von lokalen Einrichtungen und Vereinen vorgesehen. Ebenso sind Telefonnummern und Anlaufstellen für Krisensituationen anzugeben. Der Fanguide muss die Sprachen, der in Klagenfurt spielenden Nationen abdecken und wird über die Internetseite www.fanguide2008.net zugänglich gemacht (vgl. FairPlay, 2006) Diese Webpage wird in verschiedenen Sprachen täglich mit Informationen aus der Austragungsstadt Klagenfurt aktualisiert.


KLAGENFURT ALS AUSTRAGUNGSSTADT DER EURO 2008

92

VII.III ANTIDISKRIMINIERUNGS- UND ANTIRASSISMUSPROGRAMM BEI DER EURO

2008 IN KLAGENFURT

Von FARE – Football Against Racism in Europe ausgearbeitete Antidiskriminierungs- und Antirassismusaktivitäten werden in Klagenfurt bei der EM durchgeführt. Bereits im Vorfeld gilt es Kontakt zu MigrantInnenorganisationen und Randgruppen aufzubauen und diese in Fanbetreuungs-, und Antirassismusmaßnahmen zu integrieren.

MitarbeiterInnen

des

Fanbetreuungskonzepts

sollen

in

Bezug

auf

Rassismus,

Rechtsextremismus und Diskriminierung geschult werden. Das soll zu einer positiven Vermittlung der Möglichkeit zur kulturellen Vielfalt während einer Europameisterschaft beitragen.

Weiters sind von FARE Ausstellungen, Diskussionsveranstaltungen, Konferenzen, die Gestaltung von Fanzines, Monitoringberichte und Medien- bzw. Öffentlichkeitsarbeit im Konzept für die EURO 2008 angedacht (vgl. FARE, 2006b).

In Klagenfurt soll es unter anderem auch das Angebot der so genannten „Fan

Friendlies“ (FairPlay, 7/2006: 5) geben. In einer mobilen Streetkick-Anlage werden Fans verschiedener Nationalitäten dazu eingeladen, gemeinsam Fußball zu spielen und somit Akzeptanz für das Gegenüber zu schaffen. Ebenso bietet dies die Möglichkeit, eines freundlichen Austauschs und Kennenlernens der Vielfalt der europäischen Fankulturen.

Die Aktivitäten im Rahmen des Antidiskriminierungs- und Antirassismusprogramms bei der EURO 2008 werden einen wesentlichen Anteil an der Gesamtstimmung und dem friedlichen Verlauf des Turniers in Klagenfurt haben. Die aufgebauten Netzwerke und das Schaffen eines Bewusstseins von Rassismus und Diskriminierung im Fußball, gilt es, in Klagenfurt und Kärnten nachhaltig zu nutzen.


SCHLUSSBETRACHTUNG

93

VIII SCHLUSSBETRACHTUNG

In dieser Arbeit konnte festgestellt werden, dass Fußball für bestimmte Fantypen Lebensmittelpunkt und Sozialisationsraum ist. Diese erlebnis- und fußballzentrierten Fans stellen die Diversität der Fankulturen dar. Im Gegensatz zu der öffentlichen Verbreitung des Fanbildes, kann man die Fankulturen klar differenzieren. Somit wurde mir meine eingangs erwähnte Arbeitshypothese bestätigt. Fankulturen, die in dieser Arbeit mit dem Begriff der Subkultur in Verbindung gebracht werden, haben einen nicht zu unterschätzenden Sozialisationscharakter. Jugendliche widmen sich ihren Fangruppierungen mit großem Engagement. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Fanszene stellt für sie einen sehr wichtigen Stabilitätsfaktor dar. In einer Zeit der Individualisierung von Lebenssituationen befinden sich Jugendliche häufig in einem Wertedilemma, welches sie in Vereinzelung und Existenznot bringt. Verlässliche Gruppenbindungen werden aufgrund laufender Trennungen und Milieuwechsel und der Selbstbezogenheit in der Handlungssteuerung erschwert (vgl. Löffelholz, 2004: 12). Sicherheit und Anerkennung findet man in Gruppen Gleichgesinnter. Viele Jugendliche finden diese Gruppe in ihrer Fanszene, die sie jedoch durch Kommerzialisierungswellen im Fußballsport als stark gefährdet sehen. Sie fühlen sich von Vereinen unverstanden und versuchen Tradition und Wertesysteme aufrecht zu erhalten. Organisierte Fanszenen sehen in einer Großveranstaltung, wie der Europameisterschaft in Österreich und der Schweiz, die Gefahr der Kapitalisierung und Kommerzialisierung des Fußballs. Sie befürchten strengere Sicherheitskontrollen, neue Gesetzesverordnungen, die ihre Handlungsspielräume einschränken, oder ein stärkeres und repressives Auftreten der Polizei. Ein aggressiveres und gewaltbereites Verhalten von Fans entsteht und ist oft kombiniert mit rassistischen und rechtsextremen Einstellungen. In Deutschland widmet sich diesen Phänomenen in den letzten Jahren verstärkt die Soziale Arbeit in Form von Fan-Projekten. Heute kann man auf eine wesentliche Veränderung des allgemeinen Fanverhaltens blicken. Das öffentliche Interesse aber gilt noch immer jenem kleinen Teil, der durch Gewaltbereitschaft und Randale auffällt.


SCHLUSSBETRACHTUNG

In

Österreich

setzt

94

man

bisher

vor

allem

auf

Repression

als

Antwort

auf

Gewaltausschreitungen, inkludiert mit den Maßnahmen aber den Großteil der Fans in den Fußballstadien. Spezifische Soziale Arbeit mit Fußballfans existiert in Österreich seit 2000 nicht mehr. Die Durchführung der präventiven Fanarbeit im Zuge der EURO 2008, bietet jedoch die Chance, vermehrt auf die Erforderlichkeit und den Nutzen Sozialer Arbeit im Fußball aufmerksam zu machen, und professionelle Strukturen nachhaltig anzubieten.


QUELLENVERZEICHNIS

IX

95

QUELLENVERZEICHNIS

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100

Lamnek, S. (2001): Theorien abweichenden Verhaltens: eine Einfürhung für Soziologen, Psychologen, Pädagogen, Juristen, Politologen Kommunikationswissenschaftler und Sozialarbeiter. München, 7. Auflage.

Löffelholz, M./Homann, B./Schwart, R. (1999): Soziale Arbeit mit Fußballfans. Deutschlands Fan-Projekte im Portrait. von Koordinationsstelle FanProjekte bei der dsj (KOS) (Hrsg.): KOS-Schriften 1.-3. Frankfurt am Main, 3. Auflagle

Löffelholz, M. (2004): Die Fan-Projekte und das Dilemma der Modernisierung. KOSMOS 5 Koordinationsstelle Fan-Projekte bei der dsj (KOS) (Hrsg.) Frankfurt am Main

Miles, K. (2001): „So viele Engländer wie möglich verhaften und ausweisen!“ Die Fanbetreuung der FSA bei der Euro. In: Garbriel, M./Schneider, T. (Hrsg.): Fußball ohne Grenzen – die Euro 2000 in Belgien und den Niederlanden. KOSMOS 4. Frankfurt am Main

Miles, K. (2004): Fans´Embassies. History, Background, Intentions, Basic-Structures. In: Good Hosting, Fewer Problems. A methodological guide on concepts and measures of socio-prevention in the framework of football supporters work. Frankfurt am Main

Nell, W. (1997): Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa – Begriffserklärung und Formationsgeschicht. In: Institut für Sozialpädagogische Forschung Mainz (Hrsg.): Rassismus und Fremdenfeindlichkeit in Europa. Neuwied, Kriftel, Berlin.

o.V.: Core organisations of the Football Supporters International Network – FSI. In: FSI – Football Supporters International (Hrsg.): Fans´ Embassies at international tournaments. Portugal 2004. (2005) Frankfurt

Pilz, Gunter A. (1988): Noch mehr Gewalt ins Stadion? Zur Problematik ordnungspolitischer Lösungen. In: Horak, R./ Reiter, W./ Stocker, K. (Hrsg.): Ein Spiel dauert länger als 90 Minuten. Hamburg


QUELLENVERZEICHNIS

101

Pilz, Gunter A. et al (2006): Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball. Pilz, G./Behn, S./Klose, A./Schwenzer, V./Steffan, W./Wölki, F. (Hrsg.) Bonn

Pilz, Gunter A., Wölki F. (2006) Ultraszene in Deutschland. In: Wandlungen des Zuschauerverhaltens im Profifußball. Pilz, G./Behn, S./Klose, A./Schwenzer, V./Steffan, W./Wölki, F. (Hrsg.) Bonn

Ruthner, W./ Ziering, G. (1991): Street Work in Wien. In: Die gefärhliche Straße. Jugendkonflikte und Stadtteilarbeit. Specht, W. (Hrsg.). Bielefeld

Schneider, T. (1999): WM ´98 (K)Ein Fest für die Fans? In: Schneider, T./Gabriel, M./Hagel, A. (Hrsg.): Coupe du Monde ´98. Krawalle, Kommerz, Krawattenträger. KOSMOS 3. Frankfurt am Main.

Schneider, T. / Meyer M. (2000): Soziale Fanarbeit im Aufwind? Zwischenbilanz eines bundesweiten Modellprogramms. In: Anstösse – KOS-Schriften 8, Frankurt am Main

Schneider, T. / Gabriel, M. (2004): Proposals and suggestions for a concerted concept of prevention. In: Good Hosting, Fewer Problems. A methodological guide on concepts and measures of socio-prevention in the framework of football supporters work. Frankfurt am Main

Scheidle J. (2001): Sozialarbeit zwischen Jugendgewalt und Repression. In: Buderus/Dembowski/Scheidle (Hrsg.): Das zerbrochene Fenster. Hools und Nazi-Skins zwischen Gewalt, Repression, Konsumterror und Sozialfeuerwehr. Bonn

Schulze-Marmeling, D. (2000): Fußball: Zur Geschichte eines globalen Sports. Göttingen

Schwendter, R. (1981): Theorie der Subkultur. Frankfurt am Main, 3. Auflage.


QUELLENVERZEICHNIS

102

Stöss, R. (2000): Rechtsextremismus im vereinten Deutschland. Berlin

Thiersch,H. (2005): Lebensweltorientierte Soziale Arbeit. Aufgaben der Praxis im sozialen Wandel. Weinheim und München, 6. Auflage

Weiser, F. (1990): Fußball als Droge? Zur identifikatorischen Versorgung jugendlicher Fußballfans. In: Fußball als Droge, Koordinationsstelle Fan-Projekte bei der Deutschen Sportjugend (Hrsg.): KOS-Schriften 9. Frankfurt am Main, 2002.

Weiser, F. (2002): Entstehungsbedingungen einer Fankultur. In: Fußball als Droge, Koordinationsstelle Fan-Projekte bei der Deutschen Sportjugend (Hrsg.): KOS-Schriften 9. Frankfurt am Main

Wurbs, D./Schneider, T. (2004): To care about football supporters… as guests In: Good Hosting, Fewer Problems. A methodological guide on concepts and measures of socio-prevention in the framework of football supporters work. Frankfurt am Main

Zerger, J. (1997): Was ist Rassismus? Eine Einführung. Göttingen

Zimmermann, D. (2001): „Im Dienste Ihrer Majestät…“ Wie ich die Euro als Fan-Begleiter für die belgische Regierung erlebte. In: Garbriel, M./Schneider, T. (Hrsg.): Fußball ohne Grenzen – die Euro 2000 in Belgien und den Niederlanden. KOSMOS 4. Frankfurt am Main


QUELLENVERZEICHNIS

Unveröffentlichte Dokumente: AGIS-Konferenz Innsbruck (27. – 28. April 2007): Stellungnahme der Tivoli Nord zur EM 2008 und der AGIS Konferenz in Innsbruck.

Behn/Kuhlmann/Pilz/Wölki (2006): Handlungsempfehlungen In: Fan- und Besucherbetreuungsprogramm der FIFA WM 2006. Abschlussbericht im Auftrag von DFB und Daniel-Nivel-Stiftung. Hannover

Dernier, W./ Ryba, S. (2004): Fanbetreuung bei der EURO `04 in Portugal. Rückblick und Ausblick auf die EURO 2008 aus österreichischer Sicht. Frankfurt am Main

FaCH - Fanarbeit Schweiz, FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel (2006): FanManagement – FanWork EURO 2008. Wien.

Fanizadeh, M. (e-mail: 01.06.2007): Executive Summary Fanwork + Equipment needs. FairPlay. Viele Farben. Ein Spiel. (2006): Aktionsprogramm 2007 (mit Vorschau 2008) in Hinblick auf die UEFA EURO 2008TM in Österreich und der Schweiz. Wien.

FARE – FSI (2004): Fans Embassies during UEFA EURO 2004 in Portugal, Report – Short Version.

Football Against Racism in Europe – FARE (2006b): Fan Work at the UEFA EURO 2008TM.

Koordination Bundesregierung (2007): Statusbericht zu den Vorbereitungen der UEFA EURO 2008tm (18.April, 2007)

Thaler, H. (e-mail: 16.05.2007): Leistungsprofil und Bedarfsliste Fanbotschaften EURO 2008. Zimmermann, D. (2005): Fanbetreuung an der Uefa-Euro 2008. Rahmenkonzept, Stand: April 2005. Zürich: Fan-Projekt Zürich

103


QUELLENVERZEICHNIS

104

Sonstige Quellen: Federmaier, K./Spitaler, G. (12/2004): Wie geht´s dem Runden im Eckigen? In: ballesterer fm, Nr. 15. Wien

FairPlay-vidc (2006): Medieninformation. FairPlay-vidc (Hrsg.): Präventive Fanarbeit gegen Rassismus und Gewalt bei der EURO 2008 – Vorbereitungen in Österreich erfordern volle Unterstützung. Wien, 15. Mai 2006

Fan Guide FIFA WM 2006 (2006): OK FIFA WM 2006 in Kooperation mit der Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS). München

Fan-Projekt „dem ball is´ egal wer ihn tritt“ Informationsbroschüre „dem ball is´ egal wer ihn tritt“ – das etwas andere Fan-Projekt

Gaisch, H. (2007): Thema Hooligans, In: Kleine Zeitung, 18. 03. 2007

Germann, C. (02/2007): Verstummende Stimmen. In: ballesterer fm, Nr. 26. Wien

Glanner, P., Kraft, S. (12/2005): Laufsteg Stadion. In: ballesterer fm Nr. 19.. Wien

Göbbel ,N. (1986): Fußballfans: Ballverliebte Phanstasien an einem sicheren Ort. In: Psychologie und Gesellschaftskritik. 10/1986. Oldenburg

Hirt, S. (09/2004): Heiß umfehdet, wild umstritten. In: ballesterer fm, Nr. 14. Wien

Hirt, S./Spitaler G. (12/2004): Der österreichische Fernsehrundfunk überträgt direkt. In: ballesterer fm, Nr. 15. Wien

Horak R./Spitaler G. (2005): Fanarbeit/Soziale Arbeit und Polizei im Kontext von Fußball- Fanbetreuung in Österreich, Expertise für das Projekt „ Soziale Arbeit und Polizei im europäischen Kontext von Fanbetreuung“, Fh


QUELLENVERZEICHNIS

105

Potsdam, Wien

Krennhuber, R. (12/2004): Die Kulturpessimisten, In: ballesterer fm, Nr. 15. Wien

o.V.: Fan- und Besucherbetreuung, Die Welt zu Gast bei Freunden. FIFA WM 2006 in Deutschland (2006)

Pilz, Gunter A. (2006) Räume für Gewalt eng machen. In: Fan- und Besucherbetreuung, Die Welt zu Gast bei Freunden. FIFA WM 206 in Deutschland

Podiumsdiskussion (17. Mai 1999): Vom Fan zum Kunden – über die schleichende Verdrängung einer Jugend(Sub)kultur. In: Koordinationsstelle Fan-Projekte bei der Deutschen Sportjugend (Hrsg.), Verordnete Defensive. KOS-Schriften 7. 2000, Frankfurt am Main

Reiter, A. (2006): Professionelle Soziale Arbeit im Kulturraum Fußball. Theorie und Praxis von Fanprojekten. Diplomarbeit Fachhochschul-Studiengang Sozialarbeit Linz

Schmidt, H. (2006): Fan- und Besucherbetreuung, Die Welt zu Gast bei Freunden. FIFA WM 206 in Deutschland. S. 1011

Summer, C. (10/2002): … der krieg ist längst erklärt… In: Fußball & Gewalt, ballesterer fm, Nr. 6. 2002

Tesar, T./Leonhardsberger H. (09/2004): Erst wenn das letzte Feuer erloschen ist… ballesterer fm, Nr. 14. Wien


QUELLENVERZEICHNIS

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Internetquellen: Achilles, S./ Pilz, Gunter A. Umgang mit rechten Fans. http://www.zip-projekt.de, 12.03.2007

Artikel zur Austragungsstadt Klagenfurt http://www.sportbild.de/sportbild/generated/article/fussball/2007/05/11/6181900000.html, 11.06.2007 www.fanarbeit.ch, 07.06.2007

Gabriel, Michael 15.02.2007 „Wie Fight-Club“ - Interview in Zeit online auf www.aktive-fans.de (12.03.2007)

Palme Heinz, Präsentation vom Tag der Kärntner Tourismuswirtschaft. http://portal.wko.at/wk/dok_detail_file.wk?AngID=1&DocID=647366&StID=310038#6, 09.06.2007

Pilz, Gunter A. Was leisten Fan-Projekte? http://www.kos-fanprojekte.de, 12.03.2007 Prognose eines Konjunkturforums zum Thema „EURO 2008 als Wirtschaftsfaktor“ http://de.uefa.com/competitions/euro/organisation/venueguide/city=2/newsid=505389.html), 19.03.2007

Schneider T., Gabriel M. Fanarbeit in Eur – Zur Gewaltprävention bei Fußballgroßveranstaltungen. www.kos-fanprojekte.de, 12.03.2007

www.wm-geschichte.info, 19.03.2007 www.woertherseestadion.at, 10.06.2007


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