Der politische Restposten

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30 Kinderreiche Familien bilden laut Peuckert (2012, S. 204) ein „Gegenmodell zur Moderne“, da diese Familienform langfristige Bindungen im Hinblick auf die Eltern-Kind-Beziehung, aber auch auf die Partnerschaft fordert und fördert. Und in diesen Familien leben die Partner oft in einer eher traditionell geprägten Aufgabenteilung, wo der Mann erwerbstätig ist und sich die Frau daheim um die Erziehung und Betreuung der Kinder kümmert (vgl. Peuckert 2012, S. 205). Eggen/Rupp (2006, S. 167-170) identifizieren drei Typen von kinderreichen Familien in Deutschland: Erstens Familien, bei denen die Eltern einen niedrigen Bildungsstand aufgrund unzureichender oder fehlender schulischer Ausbildung haben und in prekären wirtschaftlichen Verhältnissen leben. Der hauptsächliche Lebensunterhalt dieser Familien wird durch staatliche Hilfen bestritten. Einkommen und soziale Anerkennung werden nahezu ausschließlich über die Elternrolle erzielt. Zweitens Familien mit durchschnittlicher bis sehr guter ökonomischer Ausstattung, in denen meistens beide Eltern über einen höheren schulischen und beruflichen Ausbildungsabschluss verfügen. Dieser Typus schätzt den Wert von Kindern und die emotionale Bindung zu ihnen als sehr hoch ein. Die dritte Gruppe bilden die kinderreichen Familien mit Migrationshintergrund, bei denen kulturell verankerte familienfreundliche Einstellungen die Entscheidung für mehrere Kinder dominieren. Die Erhebungen von Peuckert (2012) bestätigen diese Einteilung: Danach hat bei 28 % der Paare mit drei und mehr Kindern zumindest einer der Partner das Abitur, bei 17 % haben sogar beide diesen Schulabschluss. Insgesamt sind aber 75 % der Mütter kinderreicher Familien ohne Schulabschluss und zumeist Hausfrauen, 57 % haben einen Hauptschulabschluss, 45 % der Mütter haben einen mittleren Schulabschluss und 36 % sind Abiturientinnen (vgl. Peuckert 2012, S. 203). Keddi et al. (2010) ergänzen die drei Familientypen von Eggen/Rupp (2006) um weitere Dimensionen und definieren vier Idealtypen, die die Politik besonders fördern müsse: Die junge, bildungsschwache,

ressourcenarme

Mehrkindfamilie

(Typ

1),

die

Mehrkindfamilie

in

ressourcenarmen regionalen Umwelten und Wohnräumen (Typ 2), die Patchwork-Mehrkindfamilie (Typ 3) und die große Einelternfamilie (Typ 4) (vgl. Keddi et al. 2010, S. 92-93). Typ 1 wird beschrieben als überdurchschnittlich jung; die Geburten folgten schnell hintereinander, was sich in der Regel negativ auf schulische und berufliche Ausbildung und Erwerbstätigkeit der jungen Eltern auswirke. Dieser Typ habe mit finanziellen Risiken, Überforderung der Eltern im Alltag sowie mit Problemen in der Erziehung und Partnerschaft zu kämpfen. Die Familien von Typ 2 benötigten vor allem Unterstützung im Bereich des Wohnens und des Umfelds, da zahlreiche Angebote für Familien und deren Lebensführung in zentrumsnahen Räumen besser zu erreichen sind als abseits davon. Bei Typ 3 entstünden besondere Herausforderungen vor allem aufgrund der Stiefelternschaft und der


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