PRESTIGE Germany Volume 8

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LIVING

«Wenn ich mit einem intellektuellen Freund spreche, festigt sich in mir die Überzeugung, vollkommenes Glück sei ein unerreichbarer Wunschtraum. Spreche ich dagegen mit meinem Gärtner, bin ich vom Gegenteil überzeugt.» – Bertrand Russell –

Seit 2004 ist der Park mit dem Ehrentitel «Jardin remarquable» ausge­ zeichnet, was so viel wie «bemerkenswerter Garten» heisst. Ebenso gehört Marqueyssac zur sogenannten EBTS, der European Boxwood and Topiary Society, einer Förderin der Formschnittkunst, die bereits bei den Pharaonen populär war. Unter Formschnitt ist die Kunst zu verstehen, Pflanzen durch eine besondere Schnitttechnik eine geometrische, architektonische oder figürliche Form zu geben.

Das Wiedererwachen Dass «Die hängenden Gärten», wie der Park von Château de Marqueyssac auch genannt wird, wieder zum Leben erweckt wurden, ist einem ­ Mann zu verdanken: Kléber Rossillon, Erbe der Schlumberger-­Familie und kein Geringerer als der Enkel des Illustrators Marius Rossillon, der einst das Michelin-­Männchen erfand. Als Inhaber einer Firma, die in ganz Frankreich Kunstdenkmäler ­restauriert und betreibt, übernahm er Mitte der 1990er Jahre das Anwesen, das sich ihm eingangs in bizarrer Wildheit präsentierte. So war das Schloss marode, das Dach eingefallen, die Nebengebäude kaum mehr als Ruinen und die ehemaligen Skulpturen im Park bis zu zehn Meter in die Höhe gewachsen. Bis zur Eröffnung des Parks 1995 – und damit auch erstmals für die Öffentlichkeit zugänglich –

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waren 60 Subunternehmer damit beschäftigt, der Anlage wieder Leben einzuhauchen und die Pflanzen zu kultivieren, wobei man sich weitgehend an die Pläne des 19. Jahrhunderts hielt. So kommen bis heute ausschliesslich altmodische Scheren zum Einsatz, wobei das Prinzip «Schnitt folgt dem Wuchs» gilt. Oder wie Chefgärtner Jean Lemoussu einmal sagte: «Die Pflanzen geben dadurch vor, ob Hecken, Bögen, Kugeln oder andere Formen entstehen. Im Grunde lenkt die Natur die Entwürfe. Wir haben nur gelernt, ihre Absichten zu verstehen, und verwirklichen sie lediglich.» Die einzige Ausnahme bilden die kubisch geschnittenen Buchsbäume, die auf vorwitzige Weise den Hang «hinunterzupurzeln» scheinen – eine Idee, die Kléber Rossillon beim Frühstück hatte, als er einmal mit Zuckerwürfeln gespielt hatte.


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