PRESTIGE Switzerland Volume 20

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CULTURE

Vor 25 Jahren, am 16. Oktober 1986, bestieg Reinhold Messner den Lhotse. Als erstem Menschen war es ihm damit gelungen, auf den Gipfeln aller vierzehn Achttausender zu stehen.

Reinhold Messner

Der Berg ruft nicht

von Jascha Köhler

R

einhold Messner ist ebenso umstritten wie legendär. Geboren wurde der Extrembergsteiger 1944 in Südtirol. Schon als Kind war Messner ein leidenschaftlicher Kletterer. Seine Pubertät habe er, nach eigener Aussage, in die Felswände gesteckt. Allein bis zu seinem 20. Geburtstag führte er über 500 Klettertouren in den Dolomiten durch. Er studierte zwar Vermessungskunde, doch es war nie sein Ziel, einen regulären Beruf auszuüben. Durch seine Leistungen machte Messner früh auf sich aufmerksam. Er nahm 1969 an einer Anden-Expedition teil und wurde im folgenden Jahr, gemeinsam mit seinem Bruder Günther, in den Himalaja eingeladen. Dies sollte einen Wendepunkt in seinem Leben darstellen. Zwar gelang es den Brüdern, den Gipfel des Nanga Parbat über die bis dahin unbestiegene Rupalwand, die höchste und steilste Felswand der Welt, zu erreichen, doch auf dem Rückweg verschlechterte sich das Wetter, und die beiden Männer irrten in der Todeszone umher. Verzweifelt suchten sie nach einer sicheren Route. Am Ende entschieden sie sich für die Diamir-Flanke.

Dort aber kam der inzwischen höhenkrank gewordene Günther in einer Lawine ums Leben, und Reinhold erlitt schwere Erfrierungen, durch die er sieben Zehen verlor.

Auf dem Gipfel der Achttausender Über drei Jahrzehnte wurde Messners Darstellung der Ereignisse beim Abstieg immer wieder von seinen damaligen Expeditionskollegen in Zweifel gezogen. Sie unterstellten ihm, er hätte Günther zurückgelassen, um sich selbst zu retten. Erst als dessen Leiche wirklich dort gefunden wurde, wo Messner sie immer vermutet hatte, stand fest, dass sie den Abstieg tatsächlich gemeinsam unternommen hatten. 1972 gelang Reinhold Messner die Besteigung des Manaslu, seines zweiten Achttausenders. Doch wurde auch diese Expedition vom Tod zweier Teilnehmer überschattet. Nach dieser schrecklichen Erfahrung verlegte sich Messner immer mehr auf Solo-Besteigungen, bei denen er für niemanden ausser sich selbst Verantwortung übernehmen musste. Dabei nutzte er den Alpinstil, der aus den heimischen Dolomiten erfolgreich in den Himalaja importiert wurde. Dabei verzichtet man auf schwere Sauerstoffgeräte und Hochlager am Berg und nähert sich dem Gipfel nur mit einem leichten Rucksack und einem kleinen Zelt. Auf diese Weise erreichte Messner unter anderem 1978 den Gipfel des Mount Everest.

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