IMAGINE 02/16 Volume 22

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eit er sich als Zwölfjähriger mit einer gelben Unterwasserkamera von seinem Heimatort La Punt auf die Pirsch nach dem besonderen Bild gemacht hat, lässt Claudio Gotsch die Faszination für Tierfotografie nicht mehr los. In seinen Bildern fängt er intime Momente der Natur ein und bringt den Zauber des Engadins ins Wohnzimmer. Mit seiner «black Edition» ist es ihm besonders eindrücklich gelungen, eine intensive Spannung zwischen Tier und Betrachter aufzubauen. Durch den ruhigen Hintergrund strahlen seine Aufnahmen eine ungeheure Kraft aus. Für solche Aufnahmen braucht es nicht nur Geduld und Ausdauer, sondern auch ein tiefgreifendes Wissen über die Tiere und ihr Verhalten. Als Tierfotograf muss man vor den Tieren kommen und nach den Tieren gehen. Dafür muss man sie genau kennen. Neben seinen Tierbildern hält Claudio Gotsch auch seine Heimat in wundervollen Landschaftsbildern fest. Das Hochtal ist eine einmalige Gegend, dessen Seen, Berge und Täler eine besondere Stimmung verbreiten.

IMAGINE: Wie sind Sie zur Fotografie gekommen? Claudio Gotsch: Ich kam schon als kleiner Junge zur Fotografie, etwa mit zehn Jahren trieb ich mich mit einer kleinen gelben Unterwasserkamera im Wald herum. Schon da waren Tiere mein privilegiertes Motiv für die Linse. Ein Rehfoto war das absolut Grösste für mich. In den folgenden 30 Jahren hat sich das dann zu dem entwickelt, was es heute geworden ist. Was ist das Besondere daran, Tiere zu fotografieren. Auf was muss man dabei alles achten?

Der Schlüssel ist, den Lebensraum, das Verhalten und die Gewohnheiten eines jeden Tieres zu kennen. Dazu kommt, sich dem Tier unbemerkt nähern zu können: Man muss auf den Wind, die Geräusche und die Sicht oder auch die Tarnung achten, all das kann bei Nichtbeachtung den Zugang zu einem Bild in Sekunden vernichten. Zudem muss der Winkel zum Tier stimmen, der Lichteinfall und der Hintergrund sind auch zu berücksichtigen. Und ganz wichtig: Das Tier soll nicht gestresst sein, damit der Ausdruck natürlich bleibt. Ein gestresstes, gestörtes oder aufgescheuchtes Tier sieht man im Bild, und es wirkt eben auch genau so. Nicht zu vergessen sind die Geduld und die Ausdauer: stundenlanges Ansitzen und Warten, hartnäckig tagelang demselben Motiv hinterherzuspringen, sich von Pleiten nicht unterkriegen zu lassen, sondern immer dranzubleiben, immer auf der Suche nach dem perfekten Foto! Mein persönliches Zitat: «Manchmal muss man bei der Tierfotografie auf ein Foto im richtigen Moment verzichten, um ein noch besseres machen zu können!» Gab es ein Erlebnis beim Fotografieren von Tieren, das für Sie besonders war? Es gab ein Erlebnis, frühmorgens und stark neblig auf dem Berg in den Felsen: An einer Felswand, keine 30 Meter senkrecht oberhalb von mir, entdeckte ich zwei junge Steinböcke. Ein Adler flog sehr nahe aus dem Nebel an uns vorbei, kreiste ein zweites Mal seine Runden und verschwand dann in der dichten, weissen Masse. Plötzlich tauchte er wieder auf, und ich entdeckte etwas in seiner Kralle. Zunächst war >

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