Interview
Ruth Brauer-Kvam Die Geschichte einer Kindheit
Sie wuchs in zwei Welten auf – Wien und Israel – und in einem kreativen und behüteten Elternhaus. Hier erzählt die Schauspielerin, Sängerin und Tänzerin, wie sie das geprägt hat und warum ihr ihre Eltern auch mal leidtaten. von kim sztrakati Die erste Frage, die dir vermutlich immer gestellt wird, wenn es um deine Kindheit geht ... Wie war es, als Tochter des bekannten Künstlers Arik Brauer aufzuwachsen? Ruth Brauer-Kvam: Eigentlich gar nicht so, wie man sich das vorstellt. Denn mein Vater ist nicht der typische Künstler – total ausgeflippt und extrovertiert, sondern ein irrsinnig disziplinierter Mensch: Er steht um 7 in der Früh auf, stellt sich um 8 an die Staffelei, wo er dann auch bis um 6 am Abend bleibt. Mein Vater ist auch ein sehr lustiger Mensch und natürlich fantasievoll ohne Ende, aber auch recht verschlossen auf seine Art. Ich hab sehr früh mitgekriegt, dass man, wenn man kreativ sein will, sehr hart arbeiten und diszipliniert sein muss. Hat dein Vater versucht, dich in deiner Kreativität zu fördern? Nicht bewusst. Aber es war ganz klar: Wenn ich malen wollte, gab es das entsprechende Material, und dann wurde gemalt. Aber mein Vater hat es einfach gelebt, der musste mir da nichts erklären.
Wie würdest du deine Kindheit beschreiben? Ich hatte eine wirklich wunder-, wunderschöne Kindheit. Es war alles sehr behütet und rituell – ich wusste genau, wo mein Platz ist, und das war sehr schön. Es gab bei uns ein total klassisches Rollenbild: der Vater, der arbeitet und die Mutter, die sich um Haus und Kinder kümmert. Obwohl ich zwei große Schwestern hab, bin ich aufgrund des großen Altersunterschieds mehr oder weniger als Einzelkind aufgewachsen: Timna ist 11 Jahre, Talja 9 Jahre älter als ich. Meine Schwestern sind in Wien aufgewachsen, und ich war zwischen den Fronten: Ich war ein paar Jahre in Wien, dann bin ich mit 7 nach Israel gezogen, mit 11 wieder nach Wien und mit 16 wieder nach Israel. Durch dieses Hin und Her hatte ich ein
v.l.n.r.: Baby Ruth mit Mama Naomi; brav bezopft am Klassenfoto; mit Vater Arik im israelischen Künstlerdorf En Hod; ganz in Schwarz mit 16; aufwendig kostümiert mit Feder am Kopf; Ruths erste Platte und bis heute ihr Motto: „Changes“ von David Bowie
ganz anderes Leben als meine großen Schwestern. Die haben auch noch den Aufstieg von meinem Vater richtig mitgekriegt, diesen Hype, der in den 70erJahren um ihn war. Ich hingegen wurde da einfach reingeboren – da war er schon wer, und es war klar, dass man z.B., wenn man im Wienerwald mit ihm spazieren geht, gegrüßt wird. Wie war die Kindheit in Israel? Inwiefern hat dich die Zeit geprägt? Wahnsinnig schön. Meine Eltern haben ein Haus in En Hod, einem Künstlerdorf auf dem Karmelberg mitten in Israel. Da bin ich aufgewachsen, und da waren wir später auch jeden Sommer. Das Leben dort war Freiheit pur. Als ich in Israel gelebt hab, in den späten 70er- und frühen 80er-Jahren, war das Land ganz anders als heute: sehr hoffnungsfroh und optimistisch. Heute merke ich, dass es wahnsinnig kompliziert geworden ist, überhaupt in Israel zu leben, die Leute sind sehr frustriert mit der Situation und mit all dem, was passiert ist.
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