Leben und wir sie sich gerade irgendwo im Graubereich dazwischen. Was man dabei jedoch nie vergessen darf: Ausnahmslos alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge haben Schlimmes erlebt, haben traumatisierende Erlebnisse hinter sich. Schließlich kommen sie nicht freiwillig. Kein Kind trennt sich auf eigenen Wunsch von den Eltern und der Familie. In vielen Fällen gibt es gar keine Familie mehr. Sie flüchten vor Krieg, Gewalt, Verfolgung, Armut, Hunger, Genitalverstümmelung oder Zwangsheirat. Auch die Flucht selbst dauert Wochen, Monate, manchmal Jahre und ist physisch sowie psychisch sehr belastend. Einige Mitreisende kommen hier nicht lebend an. Wer es bis nach Mitteleuropa schafft, ist nach der Ankunft enttäuscht und wird nicht selten depressiv. Denn niemand hat hier auf sie gewartet. Im Gegenteil: Nicht nur im Internet, sondern auch auf der Straße kommt es vor, dass den Jugendlichen blanker Hass entgegenschlägt. It’s a match Wir wurden über den Verein „PatInnen für alle“ vermittelt, der hier ähnlich wie eine Partnerbörse agiert. Wer passt zueinander, ist dabei die zentrale Frage. Man kann sich sein Patenkind nicht aussuchen. Es wird einem zugeteilt. Dabei wird selbstverständlich darauf geachtet, dass man ähnliche Interessen hat. Sowohl wir als auch unser Patenkind haben bei unseren Hobbys Fußball angegeben. Doch seit wir uns jetzt seit fast zwei Jahren kennen, haben wir noch nie miteinander Fußball gespielt. Das macht aber nichts. Wir waren gemeinsam wandern, bei den Afrikatagen, im Familypark, haben Drachen steigen lassen und große Familienessen gemeinsam veranstaltet, weil H. leidenschaftlich gerne kocht. Wir haben andere Gemeinsamkeiten entdeckt, die nicht auf unseren Steckbriefen gestanden haben. Nämlich Humor. Wir lachen gerne und viel gemeinsam. Das erste Aufein-
Eine Patenschaft ist ein Beziehungsangebot, das dem unbegleiteten minderjährigen Flüchtling Orientierung und Halt bietet. In ganz Österreich werden derzeit Pat(inn)en gesucht.
andertreffen war allerdings nicht gerade lustig. Wir stellten Fragen, unser Patenkind antwortete wortkarg. Der Heimbetreuer versuchte dabei sehr bemüht, aber vergeblich, H. aus der Reserve zu locken. Doch bereits bei unserem zweiten Treffen taute H. auf und fing von selbst an zu erzählen, er spielte mit den Kindern und lachte. Wir lachten. Seitdem versuchen wir einfach da zu sein, wenn er uns braucht. Harte Fakten Dabei haben UMFs schon aufgrund ihres Päckchens, das sie hierher mitbringen, eigentlich gar nicht viel zu lachen. Es besteht Generalverdacht, dass bei den Altersangaben geschummelt wird, weshalb die Jugendlichen zur Altersbegutachtung geschickt werden. Menschenrechtsorganisationen zweifeln immer wieder die Brauchbarkeit der Methoden an, die ihnen darüber hinaus ethisch fragwürdig erscheinen. Die Unterbringungssituation hat sich in
PATENS CH AF T FÜR FLÜCHTLIN GE Kärnten: Patenprojekt der Kinder- und Jugendanwaltschaft Kärnten, www.kija.ktn.gv.at NÖ: PatInnen für alle, www.patinnenfueralle.at OÖ: dUNDu/Volkshilfe OÖ, www.volkshilfe-ooe.at Amigo/SOS-Menschenrechte, www.sos.at Salzburg: open.heart/Kinder- und Jugendanwaltschaft Salzburg, www.kija-sbg.at Steiermark: connecting people/Verein Zebra, www.zebra.or.at Vorarlberg: Flüchtlingshilfe Caritas, www.caritas-vorarlberg.at Wien: Caritas Commit, www.caritas-commit.at Buddies for Refugees/Volkshilfe Wien, www.volkshilfe-wien.at Österreich: Connecting People, www.connectingpeople.at
den letzten Jahren zwar deutlich verbessert, dennoch bleiben die Jugendlichen großteils unter sich, was der Integration nicht unbedingt dienlich ist. Und hier kommen die Paten ins Spiel. Die Zahl der ankommenden minderjährigen Flüchtlinge sinkt gewaltig und ist derzeit so niedrig wie zuletzt 2014. In den ersten drei Monaten 2018 haben gerade einmal 18 unter 14-Jährige und 197 14- bis 18-Jährige in Österreich einen Asylantrag gestellt (Quelle: BMI Bundesministerium für Inneres). Dennoch steigt der Bedarf an Paten, denn Ziel dahinter ist ein langfristiger Beziehungs- und Vertrauensaufbau sowie deren Einbindung in das soziale Netzwerk. Davon profitiert das Patenkind nicht nur sprachlich, sondern auch in seinem beruflichen Werdegang, sollte der Asylbescheid positiv ausfallen. Happy End Für H. ist es gut ausgegangen. Er hat letzten Sommer Asyl in Österreich bekommen. Sein Heim wurde geschlossen, weshalb er woanders untergebracht wurde. Aufgrund der großen Distanz können wir uns nicht mehr so häufig sehen. Doch mit Hilfe vieler unserer Freunde und ihrer tatkräftigen Unterstützung haben wir es nur ein halbes Jahr später geschafft, seine Eltern ganz legal nach Österreich zu holen. Auch sie leben jetzt seit einigen Monaten in Niederösterreich. Das erste Mal seit vier Jahren konnten sie ihren Sohn an seinem Geburtstag in den Arm nehmen. Auch wir durften bei der Feier dabei sein und gemeinsam lachen. Seit H.s Eltern hier in Österreich sind, lacht H. aber anders. Fast unbeschwert. som m er 2018 |
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