DOT.magazine 067

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text: nicole albiez dot.

arthaus

Immer weiter leben

D

Anja Salomonowitz gestaltet ein sehr persönliches Geschenk für und ein Porträt von Daniel Spoerri.

ieser Film ist ein Geschenk lautet der Titel von Anja Salomonowitz. Auch „Dieser Film ist ein charmantes Spiel“ hätte als Titel gepasst, aber man nennt sein eigenes Tun wohl nicht charmant. Der, dem die Filmemacherin ihre neue Arbeit schenkt, ist gleichzeitig der Protagonist: der Künstler Daniel Spoerri. Nach dem Tod ihres Vaters hat Anja Salomonowitz Spoerri ein Herz übergeben, ein Herz aus Porzellan. Sie kennt sein Werk und damit natürlich auch seinen Sammlersinn – Spoerri gestaltet Kunstwerke aus gefundenen, am Flohmarkt erstandenen Alltagsgegenständen; Objekten, die der Besitzer nicht mehr wollte/brauchte und denen der Künstler in seinen Assemblagen eine neue Daseinsberechtigung und Bedeutung schenkt, auch wenn er sie ihrer eigentlichen Funktion – als Suppenkelle oder Flaschenöffner – beraubt. Sie dachte, dass das Herz in einer der vielen Schachteln von Spoerri haltmacht, vermutlich bei vielen anderen Her-

zen, und vielleicht irgendwann den Weg in eine Arbeit findet. Spoerri aber gestaltete mit dem Erinnerungsstück von Salomonowitz’ Vater eine Arbeit für die Tochter. Das Herz des Vaters ist zur Regisseurin zurückgekehrt. DER EWIGE KREISLAUF Nun bedankt sich Salomonowitz ihrerseits mit einer künstlerischen Arbeit: Sie besucht Spoerri, beobachtet ihn beim Herstellen eines Kunstwerks, stellt seinen und Tony Morgans Kurzfilm Resurrection voran und involviert ihren zehnjährigen Sohn Oskar, der – wie es die Tradition seiner Mutter will – einen Judenwitz erzählt, aber auch später im Film Platz einnimmt: Einerseits spricht er mit Spoerri und versucht sich an Kunstwerken, andererseits erzählt er Persönliches von Spoerri nach; erzählt es an seiner Stelle, er ist ein Stand-in. Ein passendes Bild,

geht es doch dem Künstler um das Weiterleben in der Veränderung: Alles geht, ähnlich wie mit den Fundstücken in Spoerris Arbeiten, immer irgendwie weiter im Leben, „auch wenn man dazwischen mal stirbt“, der eine geht, ein anderer kommt. Es sind intensive Momente aus Spoerris Leben, aus einer Zeit, als er sich noch nicht Spoerri nannte, sondern Feinstein hieß – von der Schulzeit als Sohn eines rumänischen Juden, vom Verhältnis zum strengen Vater, der später im Holocaust ermordet wird. Als Zuschauer darf man diesen intimen Einblicken lauschen. Es ist (trotz Das wirst du nie verstehen) der bisher persönlichste Film im Werk von Salomonowitz, die von Themen und Konflikten unserer Zeit erzählt (Kurz davor ist es passiert, Die 727 Tage ohne Karamo). – Persönlich, wie gute Geschenke eben sind. www.anjasalomonowitz.com

DIESER FILM IST EIN GESCHENK KINOSTART 06.12., A 2019, REGIE Anja Salomonowitz, MIT Daniel Spoerri, Oskar Salomonowitz, FILMLÄNGE 72 Min., © Stadtkino Filmverleih 58 DOT.moviE

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