DOT.magazine 011

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r war eine ganz große Nummer der Blockbusterindustrie, er hat sich – wenn auch im rein kommerziellen Bereich – als Superheld Birdman unsterblich gemacht. Das Vogelkostüm hat Riggan Thomson allerdings vor Jahren abgelegt, 20 Jahre ist es her, dass er „Birdman 4“ abgelehnt hat, seither versucht er auszuloten, wer er eigentlich ist. Nun sieht er gerupft aus und fühlt sich auch so, als ob er die Mauser hätte: Der Ruhm ist längst verblasst. „Wir hatten alles, du warst ein Filmstar, schon vergessen?“, flüstert ihm sein wütendes Unterbewusstsein in Gestalt seiner ehemaligen Filmrolle „Birdman“ ohne Unterlass zu, während sich der abgebrannte Schauspieler darum bemüht, seine Karriere zu reaktivieren und etwas Bedeutendes zu schaffen – nämlich eine anspruchsvolle Arbeit am Broadway, eine Raymond Carver-Bearbeitung. PSYCHOSE IM FEDERNKLEID Sein Alter Ego wettert indessen: „Wir hätten die Reality Show machen sollen, die uns angeboten wurde.“ – Dabei ist die wütende Stimme nicht die einzige Kraft, die den Schauspieler in der Not malträtiert: Unberechenbare Schauspielkollegen, die den Ansatz des Method Acting etwas zu wörtlich verstehen (Edward Norton), Geliebte und Ex-Frauen,

Superheld im freien Fall VERLUST KONTROLL

Das „Ich“ wehrt sich: Michael Keaton hängt für Alejandro G. Iñárritu als abgehalfteter Star einer Karriere und einem Image nach. eine selbstdestruktive Tochter mit Hang zum Rausch (eine Freude: Emma Stone), dumpfe Journalisten, die noch immer nur auf „Birdman 4“ warten, Theaterkritikerinnen, die Blut geleckt haben, und die Handykameras des Mobs – es erscheint immer unwahrscheinlicher, dass bei der Premiere Hälse und Beine ganz bleiben. Es ist nicht leicht, ein Star gewesen zu sein – vielleicht ist aber doch

noch ein Hauch von Birdman in ihm vorhanden? Ausgerechnet mit diesem aufgebrachten Superhelden voller Angst und Zweifel versucht sich Alejandro G. Iñárritu in Leichtigkeit – und siehe da: Dem Mann fürs Dramatische (Amores Perros, 21 Gramm, Babel, Buitiful) gelingt eine jazzige, bittere Tragikomödie um einen gebrochenen, psychotischen Helden, den Michael Keaton (war schon mal ein Superheld: Batman) wundervoll zu verkörpern weiß. Das befand jüngst auch Hollywoods Auslandspresse und versah Keaton und das Script mit Golden Globes. www.birdman-derfilm.at BIRDMAN – ODER (DIE UNVERHOFFTE MACHT DER AHNUNGSLOSIGKEIT) KINOSTART 30.01., USA 2014, REGIE Alejandro G. Iñárritu, MIT Michael Keaton, Edward Norton, Emma Stone, Naomi Watts, Zach Galifianakis, FILMLÄNGE 119 Min., © 20th Century Fox

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