VINSCHGER GESELLSCHAFT
Adieu Gletscher Sonderausstellung im Naturparkhaus Texelgruppe in Naturns NATURNS - Unabhängig davon, wie
wir uns verhalten, wird im Jahr 2050 rund die Hälfte der Masse der Alpengletscher verschwunden sein. Wenn wir es schaffen, die Erderwärmung deutlich unter 2 Grad zu begrenzen, wird bis 2100 ein Drittel davon überleben. Das ist die Kernbotschaft der Sonderausstellung „Goodbye Glaciers - Der Rückzug der Gletscher“, die am 27. September im Naturparkhaus Texelgruppe in Naturns eröffnet wurde. Die Ausstellung zeigt mit beeindruckenden historischen und aktuellen Fotos auf, wie tiefgreifend sich die Gletscher in Südtirol und Nordtirol in den vergangenen 150 Jahren verändert haben. Zudem werden die Besucher über alte und neue Methoden der Gletschermessung informiert. So sind zum Beispiel verschiedene Messgeräte und Fundstücke zum Thema Gletscherforschung zu sehen. Zur gut besuchten Ausstellungseröffnung konnten Annamaria Gapp, die Leiterin des Naturparkhauses, und Anton Egger, der stellvertretende Direktor des Landesamtes für Naturparke, auch mehrere Referenten und Ehrengäste begrüßen. Während der Gletscherforscher Georg Kaser
Im Bild links der Gepatschferner, Langtauferer Ferner und Bärenbartferner im Jahr 1922 (Kaunertalarchiv), rechts eine Aufnahme von 2018 (Foto: Luca Messina, Agentur für Bevölkerungsschutz).
über die Erderwärmung und den globalen Gletscherschwund informierte (siehe untenstehenden Bericht), führte Roberto Dinale vom Hydrographischen Amt in der
Agentur für Bevölkerungsschutz in die Ausstellung ein. Diese ist eine Kooperation des Hydrographischen Amtes mit den Partnern des Interreg-Projektes Glacier Inven-
Die Ausstellung veranschaulicht die tiefgreifende Veränderung der Gletscher. Zusätzlich dazu sind Geräte zum Thema Gletscherforschung zu sehen.
tory South Tyrol - Tyrol GLISTT, eines Interregionalen Gletschermonitoringkonzepts für Südtirol und Tirol, in Zusammenarbeit mit dem Amt für Naturparke. Bürgermeister Andreas Heidegger freute sich, dass es dem Team des Naturparkhauses erneut gelungen ist, ein sehr aktuelles Thema mit einer Sonderausstellung in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu rücken. Wie Heidegger am Rande der Eröffnung dem der Vinschger bestätigte, soll im Jänner 2020 mit dem Bau des neuen Naturparkhauses begonnen werden. Die Sonderausstellung in Naturns bleibt bis zum 23. November geöffnet. SEPP
„Knapp am Scheideweg“ NATURNS - Mit aktuellen wissen-
schaftlichen Daten zeigte der international anerkannte G l e t s ch e rund Klimaforscher Georg Kaser (im Bild) am 27. September im Rahmen der Eröffnung der Austellung „Goodbye Glaciers Der Rückzug der Gletscher“ im Naturparkhaus Texelgruppe auf, dass die Gletscher weltweit verschwinden, dass der Spiegel der Meere dadurch steigt und dass wir uns „knapp am Scheideweg 8
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befinden“. Zu spät sei es zwar noch nicht, aber wenn es nicht gelingt, die CO2-Emissionen einzuschränken und die globale Erderwärmung einzubremsen, „gerät alles außer Rand und Band.“ Es lasse sich wissenschaftlich eindeutig belegen, dass für die globale Erderwärmung in erster Linie der Mensch verantwortlich ist. Eingesetzt hat die vom Menschen verursachte Anreicherung der Erdatmosphäre mit Treibhausgasen, insbesondere Kohlenstoffdioxid, Hand in Hand mit Industrialisierung. Auch wenn es gelänge, die globale Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius bis zum Jahr 2100 gegenüber dem Niveau vor
dem Beginn der Industrialisierung zu begrenzen, sei mit ernsthaften Auswirkungen zu rechnen. Bei einer 1,5-Grad-Erwärmung würde die weltweite Gletschermasse um fast die Hälfte abnehmen und die meisten Gletscher in den Alpen würden verschwinden. Bei einem 2-Grad-Ziel wären die Auswirkungen irreversibel. „Es ist höchste Zeit zum Handeln“, sagte Kaser. Hätte er sich nicht verpflichtet, in Naturns einen Vortrag zu halten, „wäre in heute in Bozen, um den vielen Menschen, vor allem den jungen Leuten, die sich am weltweiten Klimastreik ‚Fridays for Future’ beteiligen, den
Rücken zu stärken.“ Wie sehr das menschliche Handeln, speziell in der Komfortzone der westlichen Welt, den Gletscherschwund und die Erwärmung beeinflusst, veranschaulichte Kaser mit einem Beispiel: „Wenn ich mit einem herkömmlichen Auto 5 Kilometer zurücklege, setze ich ein Kilogramm CO2 frei und ‚verschiebe’ damit 50 Kilogramm Eismasse.“ Georg Kaser ist Professor am Institut für Atmosphären- und Kryosphärenwissenschaften an der Universität Innsbruck. Er hat schon mehrfach am Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) mitgeschrieben, auch SEPP am aktuellen.