Die Spurensuche geht weiter

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VINSCHGER GESELLSCHAFT

#MalserWeg in Frankreich MALS/FRANKREICH - Seit Mai 2019 haben mehrere französische Gemeinden per Verordnung weitgehende Verbote bzw. Einschränkungen bei der Anwendung von chemisch-synthetischen Pestiziden erlassen. Fast 30 Gemeinden haben, genauso wie die Gemeinde Mals, zum Schutz der Gesundheit der Bevölkerung, aber auch zum Schutz der Landwirte agiert. Im Vorjahr hatte der französische Senator Joel Labbé die Gemeinde Mals besucht und das Labbé Gesetz präsentiert (Labbé-Gesetz: die private Verwendung von Pestiziden ist in Frankreich seit 1. Januar 2019 verboten). Kürzlich war der Malser Bürgermeister Ulrich Veith an der Reihe. Er hat dem Bürgermeister Daniel Cueff der Gemeinde Langouet umgehend

eine offizielle Unterstützungserklärung (im Bild) zukommen lassen. Die von Cueff erlassene Verordnung wurde nun ebenfalls bei Gericht angefochten. Ulrich Veith dazu: „Auch in Frankreich sind die Bürgermeister für die Gesundheit der Bevölkerung weitgehend verantwortlich. Gemeindepolitik hört nicht bei der Gemeindegrenze auf, sondern zieht mittlerweile auch internationale Kreise. Gerade beim Thema Pestizide müssen wir zusammenhalten. Daher habe ich diese Unterstützungserklärung geschrieben.“ Koen Hertoge (PAN-Europe) erklärt dazu: „Die Initiative in Frankreich zeigt, dass die Gemeinde Mals und der #Malser Weg ein internationales Beispiel darstellen. Wir fragen nur, wie lange will die Politik noch solche Initiativen bekämpfen.“ PAN-Europe (Pesticide Action Network) ist eine Organisation, die über die negativen Folgen des Einsatzes von Pestiziden informiert und sich für umweltschonende, sozial gerechte Alternativen einsetzt. Die Arbeitsfelder reichen von der Kritik an der Pestizidwirtschaft über die konstruktive Begleitung der Politik bis hin zu praxisnahen Serviceangeboten für Landwirte und Verbraucher. RED

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DER VINSCHGER 31/19

Georg, der Schriftsteller „Der Streithahn wird im Haushalt nicht abgedreht“ SCHLANDERS - Das Zitat „Der Streit-

hahn wird im Haushalt nicht abgedreht“ von Georg Paulmichl aus Prad war der Titel einer besonderen Veranstaltung, die am 8. September im Kulturhaus in Schlanders stattgefunden hat. Der Abend war voll und ganz dem Maler und Schriftsteller Georg Paulmichl gewidmet, speziell seinem literarischen Werk. Zum Auftakt wurde dem Publikum, das sich an Tischen im großen Saal versammelt hatte, der Film „Ich bin nicht behindert, ich kann reden: Portrait des Schriftstellers Georg Paulmichl“ gezeigt, den der österreichische Komponist, Journalist, Filmemacher, Schauspieler und Zeichner Bert Breit (1927-2004) im Jahr 1993 über den außergewöhnlichen Schriftsteller gedreht hatte. Matthias Breit, der Sohn von Bert, hatte den Abend in Schlanders zusammen mit dem Schauspieler und Sprecher Johann Nikolussi sowie mit dem Musiker Klaus Telfser (Kontrabass) „inszeniert“.

Johann Nikolussi las Texte von Georg Paulmichl vor.

Georg Paulmichl bei einer Lesung (Foto aus dem Film von Bert Breit, 1993)

stätte basteln sie Korbgeflechte. Die Leute sind froh wenn sie keine Behinderten zu Gesicht kriegen. Die Behinderten reden immer Stumpfsinn. Sie singen bei der Opfermesse die falsche Litanei. Im Neubau der Behindertenwerkstätte wird das Leben eingeübt. Auch behinderte Menschen dürfen nicht dem Schmutz verfallen. Die Betreuer sind streng und voller Ungeduld. Im Behindertentransportauto werden die Behinderten angeschnallt. Ob sie im Himmel Einlass finden, weiß nur der liebe Gott.“

haben mir die Schlafzimmer am besten gefallen. Wenn man schläft dann träumt man. Nachher bin ich in die Werkstatt gekommen. In der Werkstatt gefällt es mir sehr gut. In der Werkstatt bin ich ein Dichter. Dichter sein ist ein feiner Beruf. In der Werkstatt sind alles Behinderte. Ich bin nicht behindert, ich kann reden. Ich will immer Ruhe haben. Die Künstler brauchen immer Ruhe. Ich möchte das ganze Leben in der Werkstatt bleiben.“

Film, Texte und Musik

„Das weiß nur der liebe Gott“

Im Mittelpunkt standen Gedichte und Texte von Georg Paulmichl, die Nikolussi vorlas und zu denen Telfser die passenden Töne fand. Viele Texte von Georg, geboren 1960, sind in der Behindertenwerkstatt in Prad entstanden. Es war der Betreuer Dietmar Raffeiner, der Georgs sprachliche und künstlerische Begabung entdeckte und förderte. Bereits das erste, 1987 erschienene Buch „Strammgefegt“ wurde zu einem großen Erfolg. Ungewöhnlich und einzigartig sind Paulmichls Texte vor allem wegen der starken und originalen Sprache sowie der „kindlichen“ Wahrheit, mit der er erlebte, gesehene und erfahrene Dinge und Begebenheiten zu Papier gebracht hat. Zu den von Nikolussi gelesenen Texten gehörte auch Paulmichls Gedicht „Die Behindertenwerkstätte“: „Die Welt braucht keine behinderten Menschen. Aber da sind sie trotzdem. Mit Geburtsgebrechen hat Jesus die Behinderten in die Welt geschickt. In der Behindertenwerk-

Seinen „Schullebenslauf“ beschrieb Georg Paulmichl so: „Zuerst bin ich in Prad Kindergarten gegangen. Im Kindergarten hat es mir gefallen. Ich habe manchmal auch für das Leben gekämpft. Nachher bin ich in Mals beim runden Turm in die Schule gegangen. Die Schule ist für mich ein Beruf. Schulegehen schadet nicht, es schadet auch den Erwachsenen nicht. Dann bin ich in ein Heim nach Vorarlberg gekommen. Die Klosterfrauen sind zu streng mit mir gewesen. Sie haben einem mit einem Stecken auf die Hände geschlagen. Schlagen ist eine Sünde. Im Heim

Das vor rund 30 Jahren geschriebene Gedicht „Der Ortler ist der höchste Punkt in Südtirol“ von Georg Paulmichl, dessen Vater ein Stilfser war, hatte Roland Angerer am 7. September bei der Eröffnung der Ausstellung von Christian Stecher im Haus 59 in Stilfs vorgetragen: „Der Ortler ist der höchste Punkt in Südtirol. Höher kann man in Südtirol nicht mehr steigen. Dort wo das ewige Eis glänzt, hat der Ortler seine Stirn. Uralt steht der Ortler im Gebirge, viele Stürme hat er bereits überstanden. Im Sommer versteigen sich Bergsteiger an seinem blanken Rücken. Manchen Klettermax hat der Ortler über den Rücken hinunterrutschen lassen. In den Gletscherspalten kommen die Bergveteranen zur letzten Erkenntnis. Im ersten Weltkrieg wurde das ewige Eis des Ortlers wild umkämpft. Jeder Meter Schnee wurde von den Gebirgsschützen niedergerungen. Mit Lawinengrollen stöhnt der Ortler über seine Altersschwäche. Wie lange der Ortler noch grimmig und kalt ins Land blickt, weiß niemand.“ SEPP

Klaus Telfser am Kontrabass.

Wie lange noch?


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