VINSCHGER GESELLSCHAFT
Bäuerliche Kapellen in Südtirol gen Südtirols Landschaft: Kapellen auf Bauernhöfen, an Wegen und auf Almen. Gleichzeitig erzählen die bäuerlichen Kapellen viele interessante Geschichten. Erstmals liegt nun ein Buch vor, in dem die bäuerlichen Kapellen gesammelt in Text und Bild dargestellt sind. Zwei Jahre lang hatte sich die Südtiroler Bäuerinnenorganisation darum bemüht, eine umfassende Sammlung der bäuerlichen Kapellen und deren Hintergrundgeschichten herauszugeben. Die Vorstellung des 400 Seiten umfassenden Buches, erschienen im Folio Verlag, gehörte zu den Höhepunkten des Landesbäuerinnentages, der am 26. März in Bozen stattgefunden hat. Der erste Abschnitt des Bandes enthält Hintergrundgeschichten und stimmungsvolle Fotografien, während im Registerteil jede Kapelle mit Kurzbeschreibung und Fotografie systematisch erfasst ist. Mit dem Buch „Bäuerliche Kapellen in Südtirol“ hat die Südtiroler Bäuerinnenorganisation eine einzigartige Tirolensie geschaffen, in der die kulturelle Vielfalt, die erzählte Geschichte und das lebendiges Brauchtum im Mittelpunkt stehen. Für die Landesbäuerin Antonia Egger war das Buchprojekt ein Herzensanliegen: „In vielen Gesprächen habe ich gespürt, wie wichtig die
Foto: SBO/Armin Huber
SCHLUDERNS/SÜDTIROL - Sie prä-
Die neue Kapelle beim Gialhof am Schludernser Sonnenberg.
Kapellen heute noch sind, sie sind ein Ort der Ruhe, ein Ort, wo die bäuerlichen Familien Kraft tanken und sie zeugen von der tiefen Verbundenheit mit dem Erbe.“ Schon 2021 hatte sich die Bäuerinnenorganisation entschlossen, alle Kapellen systematisch zu erfassen, zu fotografieren und ihre Geschichte zu dokumentieren. In zweijähriger intensiver Arbeit konnten dank der Mithilfe der Hofbesitzer und Hofbesitzerinnen, vieler Freiwilliger und unterschiedlicher Fachleute Informationen zu rund 630 Kapellen
zusammengetragen werden. Die Autorin Margot Schwienbacher hat die persönlichen Geschichten dazu festgehalten und dem volksreligiösen Brauchtum nachgespürt. Die Fotografen Armin Huber und Josef Gutmann waren in allen Ecken des Landes unterwegs. Ein eigenes Kapitel im Buch ist den Neubauten und Renovierun-
gen von Kapellen gewidmet. Als jüngstes Beispiel einer neuen Hofkapelle wird die Kapelle auf Gial oberhalb von Schluderns vorgestellt. Laut Ulrich Ruepp wollte man mit dem Bau der neuen Kapelle die Dankbarkeit und Wertschätzung für viel Gutes und glückliche Fügungen zum Ausdruck bringen. Mehrere Jahre hat es gedauert, das Vorhaben umzusetzen. Auch bürokratische Hürden waren zu nehmen. Wie es im Buch heißt, „tut sich manche Behörde schwer mit so einem ‚unzeitgemäßen’ Ansinnen.“ Der Bauherr hat die Gestaltung zusammen mit einem Geometer entwickelt: Sichtbeton, weißer Laaser Marmor und heimisches Lärchen- und Zirbenholz sind die beherrschenden Elemente. Eine große Fensterfassade in Richtung Westen lässt viel Licht ins Innere. Geweiht ist die Kapelle dem heiligen Bernhard von Menthon, seit 1923 Schutzpatron der Alpenbewohner und Bergsteiger. Die moderne Kapelle liegt direkt am Waldrand des höchstgelegenen Hofs von Schluderns und ist weithin sichtbar. Geweiht wurde sie am Annatag (26. Juli) 2022. SEPP
RAETICUS, DER RIESE VOM RESCHENSEE (TEIL 4) Idee und Zeichnungen: Artur Winkler Text: Katharina Hohenstein Da bot es sich geradezu an, eine kleine, teils bewaldete Wiese, die schon von Ferne zu sehen war, als ersten Rast- und Schlafplatz zu nutzen. Das Geäst war bald entfernt und ein lauschiges Plätzchen nach wenigen Minuten Arbeit gemütlich gerichtet. Reaticus‘ Gefährten waren äußerst zufrieden mit der Wahl ihres Wanderführers. Denn als solcher hatte sich der Riese im Laufe der Zeit entwickelt; seine Größe konnte Gefahr abwenden, seine Zielstrebigkeit hielt alle an der Stange. Für schnelle Informationen war Sizilius, für die Kulinarik Athene zuständig, wie konnte es anders sein. Und wenn die Stimmung mal mau war, dann meckerte Athene so lange, bis alle wieder herzhaft lachen konnten und dann meist über sie. Doch an diesem ersten Abend legten sich alle hin, um endlich in Ruhe aussschlafen zu können. Am nächsten Morgen war die Überaschung umso größer: Am Rande dieser kleinen Wiese lag ein herrlicher See! Gegenüber sahen sie ein idyllisches, winziges
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Dörflein. Und zwar Reschen. Ja, Freunde, das ist natürlich richtig: Reschen gab es so noch nicht: eigentlich entstand Reschen ja eher aus dem Einzelhof, der einem Resch oder Rösch, also einem barschen, schroffen Menschen gehörte. So zumindest ist der Hof erstmalig 1393 urkundlich erwähnt. Aber da der muntere zehn-beinige Trupp nur wenige Jahre, nachdem die Via Claudia Augusta fertiggestellt wurde auf eben jener die letzte Etappe bis ins Vinschger Oberland zurücklegte, können wir, und sei‘s jetzt grad fiktiv, davon ausgehen, dass andere kluge Köpfe den äußerst attraktiven Ort am Wasser – diesem Vinschger Meer – als Siedlung bereits angenommen hatten. Und genau das machen wir jetzt. Artur Winkler Fortsetzung folgt * 10.11.1940 † 18.07.2018