VINSCHGER GESELLSCHAFT
Wege der Flucht – und des Schicksals Wie es eine Nigerianerin und einen Mann aus Gambia in den oberen Vinschgau verschlug. Und wie sie dort als Familie glücklich werden wollen. LAATSCH - „Es ist schön hier. Wir sind so unendlich dankbar“, sagt Ngozi Blessing Onwujikwue. Die 30-jährige Frau aus Nigeria, ihr aus Gambia stammender Ehemann Lamin Nyassi und die beiden gemeinsamen Kinder – die vierjährige Nadja und der wenige Wochen alte Suleman Paolo – befinden sich in der gemütlichen Stube in ihrer Wohnung in Laatsch, als sich der Vinschger mit ihnen zum Gespräch trifft. Es ist warm. Heimelig. Angenehm. Man könnte meinen, die herzerwärmende Geschichte einer großartigen Obervinschger Hilfsaktion hat auch diese Stube erwärmt. Hat sie eigentlich auch. Aber der Reihe nach: Juli 2022. Die Nigerianerin kommt hochschwanger von Sizilien nach Planeil. Durch eine ebenfalls aus Nigeria stammende Bekannte hat sie den Weg in den oberen Vinschgau gefunden. Hier möchte sie Arbeit, Wohnung, Zukunft finden – gemeinsam mit ihrem Ehemann, der einige Monate später nachkommen sollte. Nach sporadischen Unterkünften in Laatsch haben sie kürzlich ihre Bleibe gefunden. „Dank der lieben Menschen hier“, so Ngozi. Der zweite Stock in einem 15 Jahre lang leerstehenden Haus, welches sich in Privatbesitz von Silvia Asam und ihrem Sohn Simon befindet, wurde unter der Koordination des Gemeindereferenten Günther Wallnöfer und dem Einsatz vieler freiwilliger Helferinnen und Helfer wieder „hergerichtet“. „Der Familie Asam gebührt großer Dank, dass sie uns die Wohnung zur Verfügung gestellt hat“, betont Wallnöfer. Seit einigen Wochen lebt die afrikanische Familie nun hier.
Suche nach Arbeit Aber: Noch ist nicht alles eitel Sonnenschein. „Ich möchte eine 10
DER VINSCHGER 01/23
Die Familie in ihrer gemütlichen Stube (v.l.): Ngozi Blessing Onwujikwue, Suleman Paolo, Nadja und Lamin Nyassi
Arbeit. Wir brauchen unbedingt Arbeit“, betont der 29-jährige Lamin Nyassi. Er folgte seiner Frau im Oktober in den Vinschgau. Davor hatte er auf Sizilien gelebt und auf Malta gearbeitet. Vor allem als Verputzer war er tätig. Im Vinschgau fand er bisher keine feste Arbeit. Dabei wäre er flexibel. Ob auf einer Baustelle, in einer Fabrik oder sonst wo: „Ich kann arbeiten. Ich will arbeiten“. Auch der Ort würde keine allzu große Rolle spielen. „Im Vinschgau oder darüber hinaus,
es passt. Ich kann mit dem Zug zur Arbeit“. Er brauche Arbeit, „um die Familie zu ernähren“. Die Frau, die auch noch hochschwanger gearbeitet hatte, müsse derzeit für das Baby da sein. „Eine Arbeit, dann wäre alles perfekt“, betonen die beiden, die fließend italienisch und englisch sprechen, unisono.
Schicksal, welches die beiden zusammenführte. Er flüchtete 2014 aus Gambia über Libyen mit dem Boot nach Italien. Sie wählte die selbe Fluchtroute aus Nigeria im Jahre 2017. Über die Gründe wollen die beiden nicht sprechen. Aber: „Gott hat auf uns Acht gegeben“, erinnern sie sich an die Bootsüberfahrt. Viele andere ereilte ein schreckBesonderes Schicksal liches Schicksal, jährlich finden Eine Arbeit, dann wäre ihr tausende Flüchtlinge im MittelFamilienglück endgültig perfekt. meer den Tod. „Wir haben es Ohnehin ist es ein besonderes geschafft“, wissen die beiden und sehen sich glücklich in die Augen. Geflüchtet waren beide unabhängig voneinander, erst auf Sizilien lernten sie sich kennen. Schnell wurde daraus Liebe, schon bald kam die kleine Nadja auf die Welt. Auf Sizilien heiratete das Paar auch. Das war im Mai vergangenen Jahres. Aber auch auf der süditalienischen Insel seien die Arbeits- und Lebensbedingungen für Geflüchtete auf Dauer nicht ideal.