VINSCHGER GESELLSCHAFT GASTKOMMENTAR
Ok, Boomer: Nichts ist ok. Zeit über völlig von der Rolle und jekt fest, redet es nach ersten • Das Projekt zum „leistbaren neben der Spur und es ist nur Protesten auf „wenige Abschnit- Wohnen“ am Kasernenareal. mehr eine Frage der (absehbaren) te der Strecke“ klein und über- Der gewachsene Baumbestand Zeit, dass sie gegen die finale lässt den bestehenden Radweg soll gefällt werden. („Uns doch Wand knallt. Wir haben auf Pump egal!“) Die bestehenden Gedann sich selbst. Die einsamen gelebt, unseren Kreditrahmen „Lavori in corso“-Schilder ros- bäude sind im Kern gesund rücksichtslos überstrapaziert. ten über wachsenden Schlaglö- und architektonisch reizvoll Natürlich gab es da schon immer chern, Spurrillen, Schotterhäu- und ausbaufähig. („Vergiss es!“) Der einzigartige Bestand aus diese sauertöpfischen Spaßbrem- fen dahin. Früher oder später sen und Bedenkenträger, die uns wird dann der von langer (un- Natur und Architektur könnte mit ihren Warnungen vor den Fol- tätiger) Hand herbeigeführte Basis für ein zukunftsträchgen unsere stampfende Konsum- „untragbare Zustand“ dem um tiges Leuchtturmprojekt des Party miesmachen wollten. Die das Wohl der Gäste besorgten Forschens, Lernens, Wohnens, ließen sich aber noch jedes Mal Bezirkspräsidenten erlauben, Gestaltens, schlicht: des Lebens locker durch formlosen Mehr- seine ungeduldige Baggerbri- sein. („Um halb fünf geht’s los, heitsbeschluss und mit einigen gade auffahren zu lassen, um wichtig ist es, in kurzer Zeit so beliebigen Worthülsen vom Tisch die Gefahr in Verzug wacker viel wie möglich abzureißen!“) Man könnte Entlastungsgrün- wischen: die Arbeitsplätze, der abzuwehren und saubere Verde dafür anführen: Zeit unseres Lebensstandard, der Fortschritt, hältnisse zu schaffen. „Leistbar“, Boomer, dieses Wort Lebens war es ja permanent „fünf der Wettbewerb! sollten wir uns sehr gut durch den vor zwölf!“: die letzte Ölquelle • Die Tiefgarage im Kapu- Kopf gehen lassen. Schließlich würde jeden Moment versiegen, Jetzt aber müssten endlich zineranger wird der ungläubig haben wir uns als Generation der saure Regen würde im Hand- auch wir zur Kenntnis nehmen, bangenden Bevölkerung zuerst schon einiges geleistet und wenn umdrehen jedes Grün wegätzen, dass schon seit je ein Player aus effektvoll als Schreckensszena- wir unsere vorläufige Bilanz als rio präsentiert, um dann groß- „durchwachsen“ bezeichnen, bedurch das Ozonloch würde uns einer ganz anderen Liga mit am mütig-heldenhaft abgeschmet- treiben wir Schönfärberei. Uns die Sonne bald die Ohrwascheln Spieltisch gesessen ist, der uns versengen, dabei bliebe uns auch nun unbestechlich und unauf- tert und mit einem vermeintlich bleiben aber noch einige Jahre als leichter zu schluckenden Ersatz- „Leistungsträger“, auch an den Henoch die Luft weg, wenn nur erst schiebbar die Rechnung aufmacht. der ganze Regenwald abgeholzt Die kaum noch abwendbare Kli- projekt unter dem Krankenhaus- beln der Macht, und Tag für Tag wäre, dazu der suizidale Rüs- makatastrophe sollte auch der Parkplatz konterkariert zu wer- können wir durch unser Tun und tungswahnsinn, der Rinderwahn- unverfrorensten Spielernatur den, weil man „der Wirtschaft“ Nicht-Tun darüber bestimmen, sinn, der drohende Super-GAU… klarmachen, dass unsere „Um- solidarisch im Wort stehe. wie, ja ob wir erinnert werden. Und das Allerwahnsinnigste an all welt“ unbeirrbar nach ihren eige- Eine Wirtschaft, die sich als Die Party ist vorbei, Boomer, die dem apokalyptischen Wahnsinn: nen Regeln spielt und uns keine freies Unternehmertum be- Eltern kommen zurück. Wir sind greift, reagiert auf kommende die Eltern. Es wurde nie wirklich zwölf, alles Tricksereien mit gezinkten Karten easy, Damen und Herrn, nix is durchlässt. Verhältnisse. Der motorisierte gschehn… Meinten wir jedenfalls. Individualverkehr gehört nicht THOMAS STROBL, SCHLANDERS, 20.10.2022 Drei skizzierte Beispiele aus dazu. Tiefgaragen sind in naWir stolperten ja traumtänze- Schlanders und Umgebung, an- her Zukunft Karkassen einer risch von der einen Loveparade geordnet nach aufsteigender Breiausgestorbenen Art, wer sie heute fordert, plant und (mit in den nächsten All-you-can-eat- tenwirkung zeigen aber, dass von Steuergeldern) finanziert, ist ein Ressort, schoben uns bei Wining einem wirklichen Umdenken und zumindest fahrlässiger Ruinenand Dining immer elaboriertere „Um-Handeln“ noch keine Rede baumeister. Kreationen in immer blasiertere sein kann: Münder, machten bei Vernissagen weltläufige Insider-Visagen und • Die angekündigte Asphalkauften uns ein satt glänzendes tierung des Radwegs LaasImage aus immer schlankeren Schlanders. Dass die VersieHandys, immer dickeren SUVs gelung des Bodens in vielerlei Obstwiese in Prad am Stilfserjoch mit 8.474 m² und immer schickeren Städ- Hinsicht ein Problem ist, gehört E&V ID W-02OLRL te-Trips zusammen: Die fetten längst zum kleinen Einmaleins Die Obstwiese liegt im Neunziger sollten niemals, nie- der Umweltpolitik; dass geteerAgumser Feld parallel zum Gewerbegebiet in Prad am mals enden, auch wenn es sie so te Radwege mit Gefälle eine Stilfserjoch und besteht nie hätte geben dürfen. Die immer eventuelle Gefährlichkeit eher aus drei Grundparzellen, rascher aufeinander folgenden erhöhen denn lindern, benötigt der Anschluss für Frostund eigentlich nie endenden, wenig Vorstellungskraft (man beregnung ist vorhanden. sondern beständig ineinander- denke an das ZusammenwirBrigitte Telfser: Ihre Ansprechpartnerin für greifenden und einander poten- ken von höherer Geschwindas mittlere Vinschgau! zierenden Krisensituationen der digkeit mit Verunreinigungen 2000er Jahre machen unüber- und oder Nässe/erstem Frost Engel&Völkers Meran sehbar: Unsere vermeintlich gut auf Asphalt bei geringer FahrTelefon +39 0473 23 43 49 meran@engelvoelkers.com geölte Maschinerie des Turbo- praxis vieler Nutzer*innen). Kapitalismus war schon die ganze Trotzdem hält man an dem Pro-
Wir checken es einfach nicht. Zeitgenossen und -nössinen, die (so wie ich selbst) den prägendsten Teil ihrer Sozialisation in den letzten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts durchlebt haben, leiden an einer dramatischen Beeinträchtigung ihrer Wahrnehmung. Das heißt, sie selbst leiden eigentlich gar nicht, sie delegieren das lieber – wie so vieles Andere – an ihre Mit- und Nachwelt: Sie (= wir) können die Uhr nicht lesen, bzw. sie (= wir) können oder wollen einfach nicht begreifen, was es geschlagen hat.
DER VINSCHGER 19/22
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