Ankommen Foto: HGV/allesfoto.com
5
HGV-Präsident Manfred Pinzger
Manche Mitarbeiter in der Tourismusbranche haben sich während des Lockdowns beruflich umorientiert. Konnten wieder ausreichend qualifizierte Mitarbeiter gefunden werden? Im August wurden in Südtirol in unserem Sektor wieder mehr 37.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt. Die Unsicherheit und die mangelnde finanzielle Unterstützung unserer Mitarbeiter, vor allem der saisonal Beschäftigten, während des Lockdowns haben manche dazu veranlasst, sich umzuorientieren oder sogar, wie hier im Vinschgau, ins Ausland zu gehen. Aber schlussendlich hat es doch wieder geklappt. Den Betrieben ist es zum größten Teil gelungen, das notwendige Personal zu finden. Besonders freut es mich, dass im Sommer mehr als 2.300 Jugendliche Arbeitserfahrungen im Gastgewerbe sammeln konnten und somit mehr als 2019. Es stellt sich die Frage, ob Hoteldörfer oder Bettenburgen ihre Gäste qualifiziert betreuen können bzw. ob diese in unsere kleinstrukturierte Kulturlandschaft passen. Grundsätzlich darf ich festhalten, dass auch in größeren Beherbergungsstrukturen, auch in sog. Hoteldörfern, Gäste nach allen Regeln der Kunst betreut werden können. Man muss aber unterscheiden, wo urbanistisch und touristisch gesehen neue oder erweiterte Betriebe oder Tourismuszonen berechtigt sind. In peripheren Gebieten, wie beispielsweise hier im Vinschgau, wäre eine weitere touristische Entwicklung zu begrüßen. Man muss der Jugend eine Perspektive und Entfaltungsmöglichkeit geben, wenn sie ihren elterlichen Gastbetrieb qualitativ und quantitativ erweitern möchten. Zum Hotelprojekt in Schnals: diese Tourismuszone ist schon seit acht Jahren genehmigt, die Betten sind zugewiesen und es besteht ein Rechtsanspruch für diesen Bau. Ich denke, diese Rechtssicherheit muss gewährleistet sein.
Das Thema Overtourism beschäftigt immer mehr Südtiroler; Staus auf den Straßen, überfüllte Städte und überrannte Touristenattraktionen nerven sogar die Gäste selbst. Im Vinschgau hat man das Gefühl, alle fahren nur durch, um in den Süden zu gelangen. Wie kann dieser Touristenfluss räumlich und zeitlich besser verteilt werden? Natürlich bringt Tourismus auch Bewegung, das ist ganz klar. Aber der Tourismus wird oft ungerechtfertigt an den Pranger gestellt. Es ist allgemein bekannt, dass wir extrem viel hausgemachten Verkehr haben, wobei besonders der Verkehr durch die Online-Paketzustellung, die ja Herr und Frau Südtiroler gerne nutzen, stark zugenommen hat. In bestimmten Orten braucht es eine Regulierung, die Ansätze dafür sind mit einer Gästemobilitätskarte geschaffen. Es gilt in erster Linie, den öffentlichen Personennahverkehr zu verbessern und abzustimmen. Südtirol seit eh und je ein Durchzugsland von Norden nach Süden und umgekehrt. Dafür kann der Tourismus nicht zur Verantwortung gezogen werden. Insgesamt geht es aber darum, die Hauptverkehrszeiten etwas zu entzerren. Wobei ich deponieren muss, dass die Gäste dafür bereit sein müssen und auch die Möglichkeit dazu haben müssen. Das bedeutet, dass die Mitarbeiter vermehrt mit Jahresverträgen angestellt werden, da die Tourismusbetriebe auch fast ganzjährig geöffnet halten wollen. Und natürlich hängt es von der Destination und den Angeboten des Hotels ab, ob in der Nebensaison Gäste kommen. Der Trend jedenfalls geht dorthin, auch weil die Menschen ihre Arbeitszeiten flexibler gestalten können und dadurch mehr Zeit haben für Freizeit und einen spontanen Urlaubstrip. Interview: Ingeborg Rechenmacher