„So nicht, liebes Land!“

Page 16

VINSCHGER GESELLSCHAFT

Mit Hammer und Sichel Der Historiker Joachim Gatterer war auf zugewachsenen Pfaden unterwegs. Und gab beim Lichten des Dickichts rund um die kommunistische Partei in Südtirol auch den Blick auf den in St. Valentin geborenen Josef Stecher frei. Foto: Alexander Erlacher

BOZEN/ST. VALENTIN - Optantenkind, Gewerkschafter, Mitglied der Kommunistischen Partei Italiens (KPI). Josef „Peppi“ Stecher, geboren 1930 in St. Valentin auf der Haide, war der erste deutschsprachige Landtagsmandatar, der für eine gesamtstaatliche Partei in den Südtiroler Landtag zog (1973-1983). Doch das war nicht die einzige Besonderheit, die den aus ärmlichen Verhältnissen stammenden gelernten Schneider ausmachte. der Vinschger: Herr Gatterer, Sie forschen seit längerem zur Geschichte der sozialdemokratischen und kom- Josef Stecher im Südtiroler Landtag munistischen Parteien in Südtirol. Josef Stecher hat nicht nur „walsch“, man war im die Kommunistische Par- Heiligen Land Tirol auch gottlos tei Italiens (KPI) zehn Jahre und steckte inmitten des Kalten lang im Südtiroler Landtag Krieges mit dem Systemfeind aus vertreten. Warum ist er den- dem Osten unter einer Decke. noch recht unbekannt? Noch weiter am politischen Rand JOACHIM GATTERER: Josef Ste- konnte man nicht stehen.

cher passt nicht ins offizielle Geschichtsbild Südtirols. Für die Jahre nach 1945 dominieren die Feuernacht und die Verhandlungen um die Autonomie. Damit geht die Vorstellung einher, dass Südtiroler und Italiener sich politisch strikt getrennt organisierten. Dies stimmt aber nur bedingt. Die italienischen Linksparteien, aber auch die Democrazia Cristiana, präsentierten bei Wahlen einige Südtiroler Kandidaten. Weil diese Leute die herrschende Logik der ethnischen Blockbildung unterliefen, wurde ihr Beispiel in der Südtiroler Öffentlichkeit weitgehend verschwiegen – was aus heutiger Sicht etwas übertrieben wirkt, aber die Zeiten waren eben andere. Man darf nicht unterschätzen, wie stark die Kommunisten damals abgelehnt und gefürchtet wurden. Zur nationalen Logik kam in der Auseinandersetzung mit ihnen noch die ideologisch-religiöse hinzu. Als Kommunist war man 16

DER VINSCHGER 13-14/21

Die KPI hat sich damals auch für das Zusammenleben der deutsch- und italienischsprachigen Bevölkerung eingesetzt und die autonomistischen Bestrebungen der SVP unterstützt. Woran ist sie letztlich gescheitert?

In ganz Westeuropa waren die kommunistischen Parteien aufgrund des Kalten Krieges dauerhaft in Opposition. Sie konnten bestenfalls auf Gemeinde- oder Regionalebene mitregieren. In Südtirol blieben die Wahlergebnisse der Kommunisten stets bescheiden; die KPI versuchte sich dennoch als Koalitionspartner anzubieten, hatte aber wenig zu bieten, denn in Rom blieb sie auf absehbare Zeit ohne Entscheidungsmacht. Hier musste die SVP mit den Regierungsparteien verhandeln und daher zog sie es schon aus pragmatischen Gründen vor, in Land und Gemeinden mit den Parteien zu

Der Historiker Joachim Gatterer

koalieren, die in Rom gerade am Ruder waren.

1950er-Jahren in den Reihen der KPI und der kommunistisch dominierten Gewerkschaft CGIL Wie kam Josef Stecher über- aktiv geworden. haupt zur kommunistischen Partei?

Aus Parteidokumenten geht hervor, dass Stecher kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Vorarlberg mit Kommunisten in Kontakt kam. Er war damals zwischen 15 und 20 Jahre alt. Was genau den Ausschlag gab, ist nicht bekannt. Sein biographischer Hintergrund ist für einen Kommunisten jedenfalls nicht untypisch. Seine Familie kam im Zuge der Option nach Bregenz und kehrte Anfang der 1950er-Jahre wieder in den oberen Vinschgau zurück. Prekäre Lebensbedingungen, Geldmangel und Arbeitslosigkeit musste Stecher aus seinem engsten Umfeld gekannt haben. Auf diese Probleme reagierten die Kommunisten am radikalsten. Sie versuchten im Bereich der Sozialfürsorge konkret Hilfe zu leisten und die Arbeiter für Lohnkämpfe und Streiks zu organisieren. Das dürfte Josef Stecher stärker imponiert haben als der Gegensatz zwischen Südtirolern und Italienern. Jedenfalls ist er schon in den frühen

Josef Stecher war erst Gemeinderat in Mals und Bozen und ab 1973 der erste deutschsprachige Abgeordnete, der für eine gesamtstaatliche (italienische) Partei in den Landtag gewählt wurde. Wie gelang es Stecher, auf einer italienischen Oppositionsliste genügend Stimmen zu bekommen?

Sofern er nicht totgeschwiegen wurde, diffamierte man Stecher seinerzeit als „nützlichen Idioten“, der für eine italienische Partei Südtiroler Stimmen fängt. Natürlich versuchte die KPI über ihren deutschen Genossen vor allem Südtiroler anzusprechen, aber Tatsache ist auch, dass die Partei ihren italienischen Genossen empfahl, Stecher die Vorzugsstimme zu geben. Bei den Landtagswahlen 1973 und 1978 wurde Stecher mehrheitlich mit italienischen Stimmen gewählt. Im Landtag kam es nach seiner ersten Wahl zu hitzigen Debatten. Die damals geltende Verteilung des Landeshaushalts gemäß der


Turn static files into dynamic content formats.

Create a flipbook
Issuu converts static files into: digital portfolios, online yearbooks, online catalogs, digital photo albums and more. Sign up and create your flipbook.