"Schmuggler im Anmarsch"

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VINSCHGER THEMA

Zwei Ausschnitte aus dem originalen Schriftstück; Titelfoto aus dem Buch „Übergänge – Aus dem Tiroler Tagebuch eines Bergvagabunden, Schmugglers und Suppenfechters – 1945/46“ (Rudi Wagner, Frasnelli-Keitsch Verlag 1996; Umschlaggestaltung: Dominikus Andergassen).

„Wir fürchten uns nicht vor der Finanzwache“ Eine Schmugglergeschichte der besonderen Art aus der k.k.-Zeit SCHLINIG/BURGEIS - „...daß eine Schmugglerbande durch das Schlinigtal von der Schweiz her im Anzug sei.“ So beginnt ein Bericht der k.k.-Staatsanwaltschaft Bozen vom 25. Jänner 1884. Unter dem Titel „Geschehen im Schlinigertale im Jahre 1883“ werden die Geschehnisse rund um eine Schmugglerbande und deren Aktivitäten geschildert. Der originale Bericht wurde in einem Haus in Burgeis gefunden. Othmar Pider, Oswald Strobl und Renato Ferrai haben den Bericht, der eigentlich eine Anklageschrift ist, abgeschrieben und in die heutige Sprache übersetzt.

Rohstoff für Romane und mehr Schon allein aus den ersten Seiten der Geschichte, die sich vor nunmehr 134 Jahren zugetragen hat, ließe sich ausreichend „Rohstoff “ für einen außergewöhnlichen Schmugglerroman gewinnen oder für ein besonderes Theaterstück. Zwischen den Zeilen des an und für sich nackten und trockenen Berichts der k.k.-Staatsanwaltschaft lässt sich vieles herauslesen. So etwa die Tatsache, dass Schmuggler oft in großen Gruppen unterwegs waren und sich entsprechend stark fühlten. Außerdem konnten sie auf den Rückhalt der Bevölkerung setzen. Mit den geschmuggelten Waren konnte die Not ganzer Dörfer gemildert

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werden. Es verwundert daher nicht, dass ganze Dörfer wie Pech und Schwefel zusammenhielten und zusammenstanden, wenn es darum ging, die „Schwärzer“ zu schützen, zum Beispiel vor der Finanzwache. Nachfolgend veröffentlichen wir einige Auszüge (in kursiver Schrift) aus dem übersetzten Bericht. Bei den Schlinigerwänden in den Hinterhalt gelegt Am Anfang heißt es: „In Folge dessen wurde in der Nacht vom 29 auf den 30 Oktober 1883 eine Patrouille bestehend aus dem Finanzwachmann, Rezitierten Josef Hamm, dem Finanzwach Oberaufseher Adolf Rossi und Alois Schütz sowie dem Finanzwach Aufseher Josef Telser in das Schlinigtal entsendet, welche bereits am 30 Oktober morgens zu hinderst im Tale eintraf und sich dortselbst bei den so genannten Schlinigerwänden in der Hinterhalt legten. .... Zwischen 4 und 5 Uhr Abends kam nun wirklich eine Schwärzerbande in der Anzahl von ca. 30 Köpfen worunter sich auch zwei Frauen auserkoren befanden, von der Schweiz her gegen die Schlinigerwand ausgemacht. Sämtliche trugen Gepäck, einer war mit einem Gewehr versehen die übrigen hatten Bergstöcke. Die Patrouille ging der Schwärzerbande entgegen und die Aufforderung ‚halt zu machen’ wurde unter ver-

schiedenen Antworten z.B. ‚wir lassen uns nicht aufhalten’, ‚wir fürchten uns nicht vor der Finanzwache – u.s.w.’ nicht respektiert.“

welche mit verschiedenen Instrumenten (wie) als Hacken, Pickel, Stöcken u.s.w. bewaffnet waren. Sie forderten nun die Finanzwache unter verschiedenen Drohungen z.B daß sie dieselben vernichten Zwei Schwärzer samt dem Gepäck abgefangen werden u.s.w. auf, die Gefangenen freizugeben. Die Aufforderung der Die Schmugglerbande zog sich Patrouille, auseinander zu gehen, daraufhin zwar zunächst wie- widrigenfalls sie von der Waffe Geder in Richtung Schweiz zurück, brauch machen müssten, wurde kehrte dann aber um und mar- dahin beantwortet, daß sie schon schierte in Richtung Schlinig: „In auch bewaffnet wären.“ der Nähe der Schliniger-Wand gelang es der Finanzwache zwei Eine „zweite lärmende Rotte“ Schwärzer und zwar den Johann Blaas und Josef Moriggl von BurWie es weiter heißt, bekam die geis samt dem Gepäck abzufan- „Truppe Männer“ zusätzlich Ungen und später wurde dann auch terstützung: „Nach einem kurzen noch Florian Hohenegger, wel- Zeitraume von 10-20 Minuten ercher sein bereits verstecktes Ge- schien noch eine zweite lärmende päck holen wollte das jedoch die Rotte von welcher auch manche ­Finanzwache zu sich genommen bewaffnet waren, und beide Rotten hattet, aufgegriffen. Die übrigen geeinigt suchten nun die Patrouille Schmuggler entkamen und zogen und die Gefangenen zu umringen vor der Finanzwach-Patrouille und unter der Drohung ‚lasst die gegen Schlinig, nachdem sie noch Gefangenen los, sonst schlagen wir zuvor die Aufforderung machten, euch tot’ verlangten sie die Freigedaß sie schon wieder kommen die bung der festgenommen Schwärzer. Da sich die Finanzwache dieser Gefangenen holen werden.“ bedeutenden Übermacht nicht gewachsen sah und von der Waffe Rund 20 Mann mit Hacken, Pickel und Stöcken keinen Gebrauch machen wollte, um so weniger da die Rottierer Als die Finanzwache mit den sich aufführten daß sie schon drei Gefangenen bei den so ge- auch schießen würden, so wurnannten Wiesen vor Schlinig den die Gefangenen freigelassen, eintrifft, spitzt sich die Lage zu. und gleichzeitig bemächtigten Der Patrouille kam „wirklich eine sich einige von der Rotte auch der Truppe Männer, circa 20 an der ­Gepäcke, welche die Gefangenen Zahl, vom Dorfe her entgegen, bei sich hatten, und die Patrouille