Tabuthema Suizid

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VINSCHGER THeMA

Menschen können helfen und Medikamente auch Das Thema Selbstmord wird immer noch stark tabuisiert. Für suizidgefährdete Personen kann diese Tabuisierung zu einem Hemmschuh werden, der sie daran hindert, Hilfe zu suchen und sich helfen zu lassen SCHLAnderS - Die Suizidrate in Südtirol ist hoch. Im Schnitt nimmt sich eine Person pro Woche das Leben. Von 2005 bis 2009 lag die Rate bei den Männern bei 15,1 je 100.000 Einwohner und bei den Frauen bei 4,6. Mehrere Suizide, die unlängst im Vinschgau verübt wurden, hatten das Bildungsreferat des KVW Bezirks Vinschgau, den Verein „Lichtung“ und den Bildungsausschuss dazu bewogen, einen Vortags- und Diskussionsabend zum Thema „Suizid - Gehen ohne Abschied“ in Schlanders zu veranstalten. Wie stark das Thema unter den Nägeln brennt, bewiesen

die rund 140 Personen, die in die Aula Magna der Fachoberschule für Wirtschaft gekommen waren.

sein, weil sie den Stoff wechsel im Gehirn günstig verändern und mittelgradige bis starke psychische Leiden lindern und Antidepressiva heilen.“ Aber auch auf möglisind keine drogen che Nebenwirkungen von Psychopharmaka verwies Pycha, Mit dem zum Teil immer noch etwa auf Gewichtszunahme - es verbreiteten Vorurteil, wonach gebe aber auch Medikamente, die Einnahme von Antidepres- die eine Gewichtsabnahme besiva zu einer Abhängigkeit füh- wirken -, Übelkeit, Zittern oder re, räumte Roger Pycha, Primar Sexualstörungen. Die Depresder Psychiatrie am Krankenhaus sion entwickelt sich laut Pycha Bruneck, auf: „Antidepressiva immer stärker zu einer der größsind keine Drogen, sie können ten Volkskrankheiten überhaupt. als erster Behandlungsschritt im Gedrückte Stimmung, Mangel an Hinblick einer psychotherapeuti- Energie und Verlust von Interesschen Behandlung sehr nützlich sen und Freuden: das seien die drei Kennzeichen des Jahrhundertleidens Depression. Zwischen 40 und 70% der Menschen, die sich das Leben nehmen, leiden an Depression. Zu den Risikogruppen suizidgefährdeter Menschen gehören psychisch Kranke, Süch-

„Nur einem Menschen, der über seine Gefühle spricht, kann geholfen werden.“ IngeBOrg FOrCHer

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DER VINSCHGER 21/12

tige, schwer körperlich Kranke, alte Menschen, einsame Personen sowie Menschen, die mit Krisen in der Beziehung, im sozialen Umfeld oder am Arbeitsplatz konfrontiert sind. Männer nehmen sich viel häufiger das Leben als Frauen. Frauen wiederum leider häufiger an Depressionen. Zur Situation in Südtirol stellte Pycha fest, dass die Suizidrate in etwa doppelt so hoch ist wie in Italien und etwas niedriger als in Österreich. Bei der italienischen Volksgruppe ist die Rate um ca. die Hälfte niedriger als bei der deutschen. Am höchsten ist sei bei den Ladinern. „Die Scheu zuzugeben, dass wir seelische Nöte haben und Hilfe brauchen, ist ein großes Problem in unserer Gesellschaft,“ sagte Ingeborg Forcher, die aufgrund ihrer jahrelangen Tätigkeit in Selbsthilfegruppen auf viel Er-


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